Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfons St*****, vertreten durch Dr.Erhard Mack, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die beklagte Partei Friedrich W*****, vertreten durch Dr.Werner Stolarz, Rechtsanwalt in Hollabrunn, sowie die Nebenintervenienten auf der Seite der beklagten Partei 1) Vinzenz R*****, vertreten durch Dr.Markus Schuster, Rechtsanwalt in Wien;
2) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen Löschung eines bücherlichen Rechtes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18.September 1990, GZ 12 R 129/90-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 13.April 1990, GZ 4 Cg 65/89-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Die Eintragung der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Friedrich W*****, geboren am *****, ob der Liegenschaft EZ ***** im Grundbuch des Bezirksgerichtes H***** ist unwirksam und zu löschen; zugleich ist der frühere Grundbuchsstand durch Einverleibung des Eigentumsrechtes für Vinzenz R*****, geboren am *****, wiederherzustellen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 62.962,90 S bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten 9.627,15 S Umsatzsteuer und 5.200 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 75.031,26 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 9.505,20 S Umsatzsteuer und 18.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Zuge der Umstellung des Grundbuches des Bezirksgerichtes H***** auf automationsunterstütze Datenverarbeitung wurde das umgestellte Grundbuch am 1.7.1988 eröffnet. In dem vor der Umstellung geführten Hauptbuch war im Lastenblatt der Liegenschaft EZ ***** unter COZ 9 c) folgende Eintragung aufgeschienen:
"8. Dezember 1932, 3898
Auf Grund des Kaufvertrages vom 25.November 1932 wird das Vorkaufsrecht zu Gunsten des Alfons und Josef St***** Söhne der Verkäuferin einverleibt."
Mit dem genannten Kaufvertrag vom 25.November 1932 hatte die damalige Eigentümerin Maria St***** die Liegenschaft ***** an das Ehepaar Vinzenz R***** sen.und Theresia R***** verkauft. Die Vertragsurkunde wies die beglaubigte Unterschrift der Verkäuferin und die (unbeglaubigten) Unterschriften der beiden Käufer auf. In den Punkten 13.) und 14.) des Kaufvertrages hatten die Käufer den beiden Söhnen der Verkäuferin - dem *****1910 geborenen Kläger und seinem *****1913 geborenen Bruder Josef St***** - das Vorkaufsrecht an der gekauften Liegenschaft eingeräumt und ihre ausdrückliche Einwilligung zu dessen Einverleibung erteilt. Bei der Vertragsunterzeichnung war nur der Kläger anwesend gewesen; er hatte gegenüber den Vertragsparteien mündlich erklärt, daß er das Vorkaufsrecht annehme. Sein Bruder hatte bereits im Zuge der Vorbesprechungen zum Vertrag sein Einverständnis mit dem ihm einzuräumenden Vorkaufsrecht erklärt.
In der Folge kam die Liegenschaft ***** in das grundbücherliche Alleineigentum des Vinzenz R***** sen., welcher am 31.10.1981 verstarb. Sein Nachlaß wurde dem Erstnebenintervenienten als testamentarischem Erben zur Gänze eingeantwortet; dessen Eigentumsrecht ob der Liegenschaft ***** wurde auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes H***** vom 7.5.1982, *****, einverleibt. Mit Kaufvertrag vom 6.10.1988 verkaufte der Erstnebenintervenient die Liegenschaft um den Kaufpreis von 2,150.000 S an den Beklagten. Dessen Gesuch um Einverleibung des Eigentumsrechtes langte am 10.11.1988 beim Grundbuch des Bezirksgerichtes H***** ein. Es wurde am 16.11.1988 bewilligt; die Eintragung wurde am 17.11.1988 vollzogen.
Im Zuge der Ersterfassung vor der Eröffnung des umgestellten Grundbuches entschied sich das Team der Grundbuchsumstellung, die im alten Hauptbuch unter COZ 9 c) ***** aufscheinende Eintragung des Vorkaufsrechtes nicht zu speichern, weil sie seinerzeit zu Unrecht intabuliert worden und daher unwirksam sei. Im alten Hauptbuch wurde daher neben dieser Eintragung als rein internes Hilfsmittel des Teams der Grundbuchumstellung eine rote Null eingezeichnet.
Der Kläger und sein Bruder haben erst Ende Jänner/Anfang Februar 1989 vom Verkauf der Liegenschaft an den Beklagten ohne vorheriges Anbot an sie erfahren. Sie entschlossen sich, ihr Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte und der Erstnebenintervenient erfuhren erst jetzt von dem Vorkaufsrecht. Beide hatten in das vor der Umstellung geführte Hauptbuch nie Einsicht genommen. Auch die Rechtsanwälte Dr.Julius Sch*****, Dr.Markus Sch***** und Dr.Josef U***** als Errichter des Kaufvertrages vom 6.10.1988 hatten nur einen Auszug aus dem bereits umgestellten Grundbuch beigeschafft.
Mit der Behauptung, daß dem Beklagten der gute Glaube fehle, weil er bei einer Einsicht in das vor der Umstellung geführte Hauptbuch Kenntnis von dem verbücherten Vorkaufsrecht erlangt hätte, begehrt der Kläger unter Berufung auf das kraft seines dinglichen Vorkaufsrechtes bestehende Verfügungshindernis für den Erstnebenintervenienten und die daraus resultierende Unwirksamkeit des Kaufvertrages vom 6.10.1988 die Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten ob der genannten Liegenschaft als rechtsunwirksam und zugleich die Bewilligung der Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Erstnebenintervenienten.
Der Beklagte und die dem Verfahren auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenienten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei, wenn überhaupt, dann nur gemeinsam mit seinem Bruder vorkaufsberechtigt; ihm allein fehle daher die Aktivlegitimation. Die Eintragung des Vorkaufsrechtes im noch nicht umgestellten Grundbuch sei zu Unrecht erfolgt, weil weder der Kläger noch sein Bruder den Kaufvertrag vom 25.11.1932 unterfertigt und daher das ihnen darin eingeräumte Vorkaufsrecht gar nicht angenommen hätten. Eine solche Annahmeerklärung des damals noch minderjährigen Bruders des Klägers hätte überdies einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft. Im übrigen habe der Beklagte sein Eigentumsrecht gutgläubig erworben, weil er auf das umgestellte Grundbuch habe vertrauen dürfen. Selbst bei Einsichtnahme in das vor der Umstellung geführte Hauptbuch hätte er nur das alte Vorkaufsrecht mit dem Vermerk der Anlegungskommission über die Gegenstandslosigkeit feststellen können. Schließlich habe der Kläger auch innerhalb der Ediktalfrist des § 21 Abs 3 GUG keinen Antrag auf Berichtigung gestellt. Sein Vorkaufsrecht könne daher in das umgestellte Grundbuch nicht mehr eingetragen werden; damit sei ein allfälliges dingliches Vorkaufsrecht des Klägers erloschen. Letztlich sei die Klageführung schikanös, und sie verstoße auch gegen die guten Sitten. Dem Kläger und seinem Bruder gehe es im Hinblick auf ihr Alter von nahezu 80 Jahren sowie deshalb, weil sie die Frist für einen Berichtigungsantrag ungenützt verstreichen ließen, nicht um die Einlösung des Vorkaufsrechtes, sondern um eine "Prozeßablöse". So sei mit Schreiben des Klagevertreters vom 5.4.1989 "ewiges Ruhen" gegen Zahlung von je 275.000 S an den Kläger und dessen Bruder angeboten worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger allein sei zur Löschungsklage nicht legitimiert, weil auch sein Bruder das Vorkaufsrecht ausüben wolle; das mehreren Personen eingeräumte Vorkaufsrecht müsse aber im Zweifel von allen Berechtigten gemeinsam ausgeübt werden. Im übrigen habe der Kläger durch die Versäumung der Frist des § 21 Abs 3 GUG sein bücherliches Vorkaufsrecht verloren, weshalb ihm auch gegen den Beklagten als gutläubigen Liegenschaftserwerber kein Abforderungsanspruch gemäß § 1079 Satz 2 ABGB mehr zustehe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach der Kläger zufolge Unterlassung eines Berichtigungsantrages innerhalb der Sechsmonatefrist des § 21 Abs 3 GUG sein bücherliches Vorkaufsrecht endgültig verloren habe. Der Kläger sei daher kein Buchberechtigter mehr, so daß ihm die erforderliche Legitimation für eine Löschungsklage gemäß § 61 GBG fehle. Der Beklagte habe das Eigentumsrecht gutgläubig erworben, weil er nicht verpflichtet gewesen sei, die Übereinstimmung des umgestellten Grundbuches mit dem vor der Umstellung geführten Hauptbuch zu überprüfen.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern.
Der Beklagte und der Erstnebenintervenient stellen in den ihnen gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortungen den Antrag, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist schon deshalb gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil zu der Frage, ob bücherliche Rechte, die bei der Ersterfassung im Umstellungsverfahren gemäß § 19 Abs 2 Z 1 GUG nicht gespeichert wurden und in das umgestellte Grundbuch auch nicht mehr aufzunehmen sind, weil der Berechtigte die Frist des § 21 Abs 3 GUG für einen Antrag auf Berichtigung versäumt hat, endgültig verloren gehen, so daß auch ihre Verletzung durch den innerhalb der Ediktalfrist des § 21 Abs 3 GUG erfolgten rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Dritten nicht mehr mit Löschungsklage nach § 61 GBG geltend gemacht werden kann, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Gegenstand der Entscheidung NZ 1989, 274 war eine amtswegige Berichtigung im Grundbuchsverfahren nach Ablauf der Frist des § 21 Abs 3 GUG gewesen, welche keinen rechtsgeschäftlichen Erwerb, sondern eine zwischenzeitige Gesamtrechtsnachfolge durch Einantwortung im Erbweg betraf. Die vom Erstnebenintervenienten angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28.2.1990, 3 Ob 601/89, betrifft gleichfalls einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob ein rechtsgeschäftlicher Erwerber bei sonstiger Schlechtgläubigkeit auch in das gemäß § 3 GUG zu jedem Hauptbuch des umgestellten Grundbuches zu führende Verzeichnis der gelöschten Eintragungen Einsicht nehmen muß; zu diese Frage ist überdies kurze Zeit später die gegenteilige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2.5.1990, 1 Ob 515/90, ergangen.
Die Revision ist auch berechtigt.
Das Vorkaufsrecht kann nicht nur als "Nebenvertrag" zu einem Kaufvertrag (für den Verkäufer) vereinbart werden, sondern auch in und zu anderen Verträgen (Aicher in Rummel2, ABGB, Rz 4 zu § 1072 und die dort angeführte Rechtsprechung); insbesondere kann ein Vorkaufsrecht - wie hier im Kaufvertrag vom 25.11.1932 zugunsten der beiden Söhne der Verkäuferin - auch durch Vertrag zugunsten eines Dritten oder Dritter eingeräumt werden (Aicher aaO Rz 2 zu § 1072; Bydlinski in Klang2, IV/2, 756 ff und 814; GlU 9759). In diesem Fall bedarf es aber materiellrechtlich gar keiner Annahmeerklärung des begünstigten Dritten (SZ 51/82), so daß auch die Frage dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher nunmehr überhaupt unter den Begriff "Partei" im Sinne des § 31 Abs 1 GBG idF des GUG fallen kann (vgl dazu Feil in NZ 1981, 7; derselbe im GBG-Kurzkommentar Rz 2 zu § 31; Hofmeister in Kralik-Rechberger, Aktuelle Probleme des Grundbuchsrechtes, I/1, 48). Da es sich bei der Einräumung des Vorkaufsrechtes für den Begünstigten um eine reine Berechtigung handelt, bedurfte die begünstigende Rechtsänderung auch für den damals noch minderjährigen Bruder des Klägers keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Das auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung im Kaufvertrag vom 25.11.1932 verbücherte Vorkaufsrecht war daher wirksam und demnach im Zeitpunkt der Ersterfassung im Umstellungsverfahren auch keineswegs gegenstandslos im Sinne des § 131 Abs 2 GBG.
Der vorliegende Rechtsfall ist dadurch gekennzeichnet, daß ein in dem vor der Umstellung geführten Hauptbuch einverleibtes Vorkaufsrecht im Zuge des Umstellungsverfahrens bei der Ersterfassung gemäß § 19 Abs 2 Z 1 GUG nicht gespeichert wurde, die bücherlich Vorkaufsberechtigten aber - mangels entsprechender Kenntnis hievon - innerhalb von sechs Monaten nach der Eröffnung des umgestellten Grundbuches keinen Antrag auf Berichtigung gestellt haben und der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb des Beklagten (Abschluß des Kaufvertrages und Einverleibung seines Eigentumsrechtes) innerhalb der Frist des § 21 Abs 3 GUG liegt. Schon nach dem Wortlaut der genannten Gesetzesbestimmung schließt die Versäumung der hier genannten Frist lediglich die Berichtigung mit Wirkung gegen dritte Personen unabhängig von deren gutem Glauben aus. Das entspricht auch dem Zweck des GUG, welches nicht das GBG, geschweige denn das materielle Recht novellieren wollte, sondern nur für die Führung des umgestellten Grundbuches vom geltenden Grundbuchsrecht abweichende spezifische Sonderbestimmungen geschaffen hat, welche allein durch die technischen Gegebenheiten bedingt sind. Diese Änderungen beschränken sich grundsätzlich auf die Behandlung des Hauptbuches, insbesondere den Vollzug von Eintragungen einschließlich ihrer Gestaltung und Ordnung, die Einsicht in das Hauptbuch und auf die Herstellung von Grundbuchsauszügen und Grundbuchsabschriften (Feil aaO 2; 1 Ob 515/90). Wortlaut und Zweck des GUG verbieten daher von vornherein die Annahme der Vorinstanzen, daß die Versäumung der in § 21 Abs 3 GUG bestimmten Frist für einen Antrag auf Berichtigung durch Aufnahme einer bei der Ersterfassung nicht mehr gespeicherten Eintragung in das umgestellte Grundbuch das Erlöschen (!) des davon betroffenen bücherlichen Rechtes bewirke. In Wahrheit hat der Fristablauf nur Auswirkungen auf das materielle Publizitätsprinzip: Weil nach sechs Monaten die Berichtigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist, ist der danach auf Grund eines Rechtsgeschäftes erwerbende Gutgläubige in seinem Vertrauen auf die Vollständigkeit des Buchstandes im umgestellten Grundbuch geschützt (§ 1500 ABGB). Anders ist es aber, wenn der rechtsgeschäftliche Erwerb des bücherlichen Rechtes - wie im vorliegenden Fall - innerhalb der Frist des § 21 Abs 3 GUG stattgefunden hat. Mit dieser Bestimmung wurde nämlich nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (EB zur RV des GUG, 334 BlgNR 15.GP, abgedruckt bei Dittrich-Angst-Auer, GUG 39) der Schutz des Vertrauens auf das (umgestellte) Grundbuch während der ersten sechs Monate nach der Umstellung außer Kraft gesetzt. Innerhalb dieser Frist kann der Grundbuchsstand mit Sicherheit daher nur durch Einsicht in das "neue" und in das "alte" Grundbuch festgestellt werden (so auch Feil, GBG-Kurzkommentar Rz 7 und 8 zu § 104). Einem solchen rechtsgeschäftlichen Erwerber gegenüber gilt daher auch der Buchstand in dem vor der Umstellung geführten Hauptbuch. Die Einsichtnahme in das "alte" Grundbuch hat der Beklagte aber im vorliegenden Fall unterlassen, so daß er schon deshalb kein gutgläubiger Erwerber war. § 443 Satz 2 ABGB bestimmt nämlich, daß derjenige, der die öffentlichen Bücher nicht einsieht, in allen Fällen für seine Nachlässigkeit leidet. Dieser Grundsatz gilt allgemein, mag sich die angeführte Bestimmung auch nur auf die Übernahme von Lasten beziehen; er bedeutet, daß eine grundbücherliche Eintragung den guten Glauben auch dann ausschließt, wenn der Betroffene sie nicht kennt (SZ 60/237).
Nach ständiger Rechtsprechung und einem Teil der Lehre hat das verbücherte Vorkaufsrecht eine einem Veräußerungsverbot entsprechende Wirkung (Aicher aaO Rz 13 zu § 1073 mwH). Ein Kaufvertrag allein ist daher noch kein wirksamer Titel für den Eigentumserwerb an Liegenschaften, wenn das Eigentum des Veräußerers mit einem dinglichen Vorkaufsrecht belastet ist. Das Verfügungshindernis für den mit dem dinglichen Vorkaufsrecht belasteten Grundeigentümer besteht hier so lange, als nicht entweder dem Vorkaufsberechtigten die Liegenschaft gehörig angeboten wurde und er davon nicht Gebrauch gemacht hat oder er von vornherein mit dem Verkauf an und dem Eigentumserwerb durch den Dritten einverstanden ist. Weder das eine noch das andere waren aber hier der Fall, weshalb dem Kläger als dinglich Vorkaufsberechtigtem neben dem Abforderungsanspruch nach § 1079 Satz 2 ABGB wahlweise auch die Löschungsklage gegen den Beklagten zustand (Bydlinski aaO 828; Aicher aaO; SZ 37/78). Für die Löschungsklage des in seinem bücherlichen Recht verletzten Vorkaufsberechtigten kommt es aber nicht - wie bei der Anbietung (Bydlinski aaO 815; Aicher aaO Rz 5 zu § 1073; EvBl 1963/125; 6 Ob 739/87) und allenfalls auch beim Abforderungsanspruch nach § 1079 Satz 2 ABGB - darauf an, daß ein gleichzeitig mehreren Personen eingeräumtes Vorkaufsrecht im Zweifel von allen Berechtigten gemeinsam auszuüben ist; hier gilt vielmehr nach den Grundsätzen der Miteigentumsgemeinschaft die Regel, daß jeder einzelne dinglich Mitberechtigte Ansprüche geltend machen kann, die der Verteidigung des gemeinsamen Rechtes dienen (Bydlinski aaO 834). Das gilt umso mehr für die Löschungsklage, weil jeder einzelne dinglich Vorkaufsberechtigte durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes eines dritten Käufers ohne seine vorherige Zustimmung bzw ohne vorangegangenes gehöriges Anbot der Liegenschaft an ihn in seinen bücherlichen Rechten im Sinne des § 61 GBG verletzt ist.
Entgegen der Meinung des Beklagten kann in der vorliegenden Löschungsklage auch keine schikanöse Rechtsausübung des Klägers erblickt werden. Der Einwand des Mißbrauches oder der Schikane kann demjenigen, der in Ausübung eines Rechtes - hier: dem durch die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten in seinem bücherlichen Vorkaufsrecht verletzten Kläger, für welchen Fall § 61 GBG die Löschungsklage einräumt - vorgeht, nur entgegengehalten werden, wenn der Schädigungszweck so augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (EvBl 1990/51 = RdW 1990, 155 = BankArch 1990, 395 mwH; 6 Ob 25/90). Letzteres trifft auf den Kläger hier schon deshalb nicht zu, weil sich nach den Feststellungen er und sein Bruder nach Kenntnis des Vorkaufsfalles entschieden haben, ihr dingliches Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen. Dem steht weder ihr Alter noch der Umstand entgegen, daß die Frist des § 21 Abs 3 GUG zur Antragstellung auf Berichtigung für sie bereits abgelaufen ist, weil sie von der Nichtaufnahme ihres bücherlichen Vorkaufsrechtes in das umgestellte Grundbuch keine Kenntnis hatten. Auch die Bereitschaft des Klägers "unpräjudiziell seines Rechtsstandpunktes" den vorliegenden Prozeß außergerichtlich durch Verzicht auf das Vorkaufsrecht zu vergleichen, wenn der Beklagte die Prozeßkosten und je 275.000 S an den Kläger und seinen Bruder zahle (Beilage 1), läßt noch keineswegs erkennen, daß es ihm vorrangig um eine Schädigung des Beklagten zu tun wäre.
In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern (zur sprachlichen Neufassung des Spruches siehe JBl 1989, 780 mwH).
Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E25453European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00506.91.0226.000Dokumentnummer
JJT_19910226_OGH0002_0040OB00506_9100000_000