TE OGH 1991/2/26 14Os2/91

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Veröffentlicht am 26.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Feber 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.-Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Winge als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erich Ernst K***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 und § 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. November 1990, GZ 1 d Vr 12.194/89-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Furherr, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Der Kellner Erich Ernst K***** wurde nach dem in Beschwerde gezogenen Schuldspruch (II) der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB schuldig befunden. Den Urteilsfeststellungen nach hat der Angeklagte seine Bekannte Michaela A***** zunächst (wenn auch mit ihrem durch die Täuschung, ihr zu zeigen, daß er sie mit einem Zwirnfaden so fesseln könne, daß sie sich nicht zu befreien vermöchte, herbeigeführten Einverständnis) die Hände gefesselt, sodann ihre Ellenbogen zurückgeschoben und zwischen diesen und ihrem Rücken einen Besenstiel durchgeführt. Hernach versetzte er ihr Ohrfeigen, wodurch sie leichte Verletzungen, nämlich Prellungen und Blutergüsse erlitt, zerrte sie ins Wohnzimmer und warf sie auf ein Bett, hielt ihr eine brennende Zigarette vor das Gesicht und drohte ihr, er werde diese an ihrer Stirne ausdrücken und ihr einjähriges Kind aus dem Bett nehmen und gegen die Wand werfen. Dennoch erreichte der Angeklagte den von ihm angestrebten außerehelichen Beischlaf nicht, weil sich das Opfer von den Fesseln befreien konnte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO, welcher auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme beitritt, rügt die Nichtunterstellung der Tat unter Abs. 1 des § 201 StGB; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Fesselung der Michaela A***** mit Zwirn und Besenstiel erfolgte durch den Angeklagten - mag er dabei auch listig vorgegangen sein - gewaltfrei. Dieses Verhalten scheidet demnach als Tathandlung nach § 201 Abs. 1 StGB aus (vgl. Pallin im WK Rz 11 zu § 201 StGB aF). Das damit verbleibende Versetzen von Ohrfeigen mit leichten Verletzungsfolgen, das Zerren der Michaela A***** in ihr Wohnzimmer und Werfen auf das Bett, fallen zwar wohl unter den Begriff der Gewalt, ohne aber jedoch unter Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (vgl. §§ 84 Abs. 3, 142 Abs. 2 StGB) schon den Grad "schwer" zu erreichen. Die gesetzten Aggressionshandlungen haben nämlich - auch unter Berücksichtigung der beschränkten Bewegungsfähigkeit der an den Händen gefesselten Frau (s. SSt. 55/4) - den Rahmen einer auf die Erzwingung eines Beischlafs gerichteten, einfachen physischen Kraft keineswegs gesprengt. Sie wurden ohne Waffen oder sonstige Werkzeuge gesetzt, haben auch weder eine besondere Intensität, Gefährlichkeit oder Brutalität erreicht und waren auch nicht gegen besonders verletzliche oder empfindliche Körperregionen der Frau gerichtet; auch befand sich das Opfer durch die vorangehende erlistete aber jedenfalls gewaltfrei erwirkte Fesselung in keiner sonst durch schwere Gewaltakte herbeigeführten, einem "qualvollen Zustand" ähnlichen Situation (siehe 14 Os 26/90).

Die gegen die Frau gerichtete Drohung wiederum bestand im Vorhalten einer brennenden Zigarette unter der Ankündigung, diese an ihrer Stirne auszudrücken. Damit war wohl für das Opfer die Besorgnis einer Brandwunde, nicht aber, wie die Generalprokuratur (unter Bezugnahme auf § 106 Abs. 1 Z 1 StGB) ohne nähere Erklärung vermeint, die Furcht vor einer auffallenden Verunstaltung verbunden. Eine Drohung mit schwerer Gefahr für Leib und Leben der Frau lag somit in dieser Äußerung nicht.

Das dem Kind des Opfers angedrohte Übel wiederum war wohl eine Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr, die sich aber nicht gegen Michaela A***** selbst richtete. Denn diese im Gesetz (§ 201 Abs. 1 StGB nF) mit den Worten "durch eine gegen sie gerichtete Drohung" ausgedrückte Beschränkung der Drohung die völlig gleichlautend bereits im § 201 Abs. 1 StGB aF enthalten war, ist dahin zu verstehen, daß die Drohung, ebenso wie die ausgeübte Gewalt, gegen das Tatopfer selbst gerichtet sein muß und nicht gegen eine ihr nahestehende Person (siehe Foregger-Serini MTA9 Anm. II zu § 201 StGB nF und jeweils zu § 201 StGB aF: Leukauf-Steininger2 RN 6, Foregger-Serini-Kodek MKK4 Erl. III; Mayerhofer-Rieder3 Anm. 3; Pallin aaO Rz 14). Jede andere Interpretation würde die im § 201 StGB, sowohl die Gewalt als auch die Drohung beschränkenden Worte "gegen sie gerichtete(r)" ihrer Bedeutung völlig entkleiden.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war damit ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E25575

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00002.91.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19910226_OGH0002_0140OS00002_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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