Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm.Dr.Franz Schulz und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat des V***** S*****, vertreten durch *****, Betriebsratsvorsitzende, ***** diese vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei V***** S*****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. Oktober 1990, GZ 33 Ra 104/90-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9. Februar 1990, GZ 4 Cga 2501/89-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei ist ein unpolitischer, gemeinnütziger, nicht auf Gewinn gerichteter Verein. Ihre Aufgabe ist es, Personen, die an einer psychischen Krankheit, einer dieser gleichwertigen psychischen Störung oder an einem körperlichen Gebrechen leiden und deshalb zur Besorgung aller oder einzelner ihrer Angelegenheiten einer Hilfe bedürfen und deren Hilfsbedürftigkeit gerichtlich festgestellt ist, zu betreuen. Weiters ist es Aufgabe des Vereins, geeignete Sachwalter für behinderte Personen auszubilden und den Gerichten dauernd zur Betreuung und Vertretung psychisch Kranker oder geistig Behinderter zur Verfügung zu stellen. Die erforderlichen Mittel sollen durch einmalige Aufnahmebeiträge, wiederkehrende Mitgliedsbeiträge, freiwillige Beiträge mit oder ohne besondere Zweckwidmung, private und öffentliche Subventionen, Spenden, Zuwendungen aufgrund letztwilliger Verfügungen, Einnahmen aus Publikationen und anderen Leistunegn und aus sonstigen Einnahmen und Zuwendungen aufgebracht werden. Zur Durchführung dieser Aufgaben sind Mitarbeiter vorgesehen, die entweder hauptberuflich oder ehrenamtlich mit der Betreuung von Behinderten betraut werden. Bis zum Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes (während des Laufes des Modellversuches) wurden keine Barauslagen begehrt. Danach ab 1984 wurden in den Fällen, in denen der Kurand über ein entsprechendes Vermögen verfügte, vereinzelt Barauslagen verzeichnet.
Mit Schreiben vom 20. Jänner 1987 führte die beklagte Partei Richtlinien betreffend Anträge auf Belohnungen und Barauslagenersatz ein, in denen es - in der Fassung vom März 1989 - unter anderem heißt:
"1. Barauslagenersatz
Der Anspruch auf Ersatz des zur Besorgung der Sachwalterschaftsgeschäfte notwendigen und nützlichen Aufwandes gründet sich auf §§ 1034, 1014 ABGB, das heißt im Gegensatz zur Geltendachung von Belohnungen hat der Sachwalter hier einen Rechtsanspruch auf Ersatz.
Der Verwaltungsaufwand beinhaltet die Barauslagen im engeren Sinn (Porto, Stempelgebühren, sonstige Gebühren, Kosten für Fotokopien) sowie sonstige Kosten, die bei der Geschäftsbesorgung anfallen (Fahrtspesen, Taggelder, Telefonkosten bzw. Pauschale, allgemeines Administrationspauschale für Schreibarbeiten).
Kilometergeld, Taggelder und Porti sind im allgemeinen leicht aus den Unterlagen zu rekonstruieren. Telefonpauschale und allgemeines Administrationspauschale sollte nach der Intensität der Fallführung und dem Umfang des bürokratischen Aufwandes taxiert werden.
Um Mißverständnisse zu vermeiden, sollten die einzelnen Posten, soweit als möglich, aufgegliedert und nachvollziehbar verzeichnet werden, da der gesamte Aufwand der Prüfung des Pflegschaftsgerichtes im Hinblick auf dessen Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit gemäß § 208 AußStrG und § 1014 ABGB unterliegt.
........
Ab einem ruhenden Barvermögen in Höhe des Sechsfachen der
Mindestpension nach dem ASVG sollte der Ersatz von Barauslagen
beantragt werden, sofern das Vermögen nicht dringend für
rehabilitative Zwecke benötigt wird bzw. nicht aus der
Nachzahlung von zweckgebundenen Leistungen wie
Hilflosenzuschüssen, Familienbeihilfen, Mietzinszuschüssen und
Pflegegebühren stammt. .........
3. Belohnungen:
Gemäß § 266 ABGB kann das Gericht emsigen Vormündern aus den in
Ersparung kommenden Einkünften eine verhältnismäßige jährliche
Belohnung zuerkennen, doch darf diese Belohnung nie mehr als fünf
von Hundert der reinen Einkünfte betragen. Nach § 282 ABGB sind
die Bestimmungen für den Vormund auch für die Rechte und
Pflichten des Sachwalters maßgebend, soweit nichts anderes
bestimmt ist. .........
3.5.: Gemäß § 267 ABGB kann dem Vormund, welcher das Vermögen unvermindert erhalten hat, oder dem Minderjährigen eine anständige Versorgung verschafft hat, wenigstens am Ende der Vormundschaft eine den Umständen angemessene Belohnung erteilt werden, wenn das Vermögen des Minderjährigen so gering ist, daß sich wenig oder nichts in jährliche Ersparnis bringen läßt, wobei in diesem Fall auch das Vermögen selbst angegriffen werden darf. Auch diese Bestimmung ist gemäß § 282 ABGB auf Sachwalterschaften anwendbar.
3.6 Verfahren:
Zuständig ist das Sachwalterschaftsgericht, dieses hat unter Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen den Anspruch zu überprüfen und ziffernmäßig festzusetzen. Der Sachwalter, welcher Vermögen verwaltet, ist nach Ermächtigung durch das Pflegschaftsgericht berechtigt, den festgesetzten Betrag dem Vermögen des Pflegebefohlenen zu entnehmen bzw. hat das Pflegschaftsgericht selbst die erforderlichen Verfügungen über etwaige gesperrte Konten zu treffen.
........
3.7.5: Die Belohnung kann nur dem einzelnen Sachwalter
zugesprochen werden, der vom Gericht festgesetzte Betrag ist
jedoch sowohl von hauptamtlichen als auch von ehrenamtlichen
Mitarbeitern, die für ihre Entschädigung entlohnt werden bzw.
eine Aufwandsentschädigung erhalten, an den Verein
weiterzuleiten. .......
4. Ausnahmen:
4.1: Ausnahmen von diesen Richtlinien sind in begründeten Fällen möglich, jedoch sind diese mit dem Generalsekretär abzuklären.
4.2: Im Falle des Todes des Pflegebefohlenen sind Belohnungen ohne die gegenüber der gesetzlichen Regelung in diesen Richtlinien getroffenen Einschränkungen zu beantragen."
Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die beklagte Partei nicht berechtigt sei, von den angestellten Sachwaltern die gerichtliche Geltendmachung des Barauslagenersatzes und der Belohnung zu verlangen. Eine derartige Vorgangsweise widerspreche dem Verständnis der Sachwalterschaft als Vertretung der Interessen der Betroffenen und belaste zudem die für die Erfüllung der Aufgaben nötige persönliche Vertrauensbeziehung zwischen Sachwalter und Klienten in unzumutbarem Ausmaß.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Sachwalter hätten gegenüber den Betroffenen, zu deren Vertretung sie pflegschaftsgerichtlich bestellt seien, einen Rechtsanspruch auf Ersatz der Barauslagen. Darüber hinaus könne ihnen das Gericht nur unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Belohnung zuerkennen. Die beklagte Partei habe die bei ihr beschäftigten Sachwalter angewiesen, ab einem ruhenden Barvermögen des Pflegebefohlenen in der Höhe der sechsfachen Mindestpension nach dem ASVG (gemeint: des Ausgleichszulagenrichtsatzes für alleinstehende Pensionisten) den Ersatz von Barauslagen zu beantragen, soweit das Vermögen nicht dringend für rehabilitative Zwecke benötigt werde oder es nicht aus Nachzahlungen zweckgebundener Leistungen (Hilflosenzuschuß, Familienbeihilfen, Mietzinszuschüsse, Pflegegelder) stamme. Unter den gleichen Voraussetzungen seien die Sachwalter angewiesen worden, Belohnungen im Rahmen der Pflegschaftsrechnung beim Pflegschaftsgericht anzusprechen. Die Sachwalter seien weiters verpflichtet, die zuerkannten Belohnungen und Barauslagenersätze an die beklagte Partei abzuführen. Sei die Ausübung der Sachwalterschaft gleichzeitig die Erfüllung eines Arbeitsvertrages, dann unterliege sie auch - soweit dies nicht durch die Natur der Sache ausgeschlossen sei - dem Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der vom Verein beschäftigte Sachwalter gemäß dem § 1014 sowie den §§ 266 und 267 ABGB Anspruch auf Barauslagenersatz und Belohnung habe; er könne daher vom Arbeitgeber dazu verhalten werden, eine solche Belohnung gegenüber dem Gericht zu beanspruchen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat die Rechtsauffassung, die Ausübung der Sachwalterschaft als Gegenstand der zwischen der beklagten Partei und ihren Mitarbeitern vereinbarten Arbeitsleistung umfasse auch die Geltendmachung der dem Sachwalter zustehenden Rechte auf Belohnung und Barauslagenersatz. Den Mitarbeitern der beklagten Partei werde im Rahmen des Dienstverhältnisses ein gesicherter Arbeitsplatz mit einem regelmäßigen Entgelt geboten, während der Arbeitgeber, dem aus der vor allem ideellen Zwecken dienenden Arbeitsleistung kein kalkulierbarer wirtschaftlicher Nutzen entstehe, für die Mittelaufbringung sorgen müsse und das volle wirtschaftliche Risiko trage. Der Mitarbeiter könne auf die ihm zustehenden Rechte nicht zum Nachteil seines Arbeitgebers verzichten, sondern habe die mit der bedungenen Arbeitsleistung verbundenen Rechte aufgrund seiner Treuepflicht im Interesse seines Arbeitgebers auszuüben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist die von der beklagten Partei erteilte Weisung, die als Sachwalter eingesetzten Mitarbeiter müßten Barauslagenersatz und Belohnung gerichtlich geltend machen, durch den Gegenstand der vereinbarten Dienstleistung "Ausübung der Sachwalterschaft" gedeckt. Es muß wohl dem Arbeitgeber, der das wirtschaftliche Risiko trägt und für die Entlohnung seiner Mitarbeiter zu sorgen hat, überlassen bleiben, ob er von der durch das Gesetz gebotenen Möglichkeit Gebrauch macht, bei entsprechendem Vermögen und Einnahmen des Pflegebefohlenen wenigstens einen Teil des in dessen Interesse getätigten Aufwandes vergütet zu erhalten. Soweit die klagende Partei vermeint, es sei zwar ausschließlich Sache der beklagten Partei und der öffentlichen Hand, für die Entlohnung der Mitarbeiter zu sorgen, die Mitarbeiter ihrerseits seien nicht gehalten, die sich aus dem Gesetz ergebenden Ansprüche zugunsten ihres Arbeitgebers geltend zu machen, ist ihr zu erwidern, daß aus dem Arbeitsverhältnis nicht nur Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern auch Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber erwachsen; der Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung steht die Verpflichtung des Arbeitnehmers gegenüber, die vereinbarte Arbeitsleistung entsprechend den innerhalb der durch Gesetz, kollektive Rechtsgestaltung, Arbeitsvertrag und das Schikaneverbot bestimmten Grenzen erteilten Weisungen des Arbeitgebers (siehe Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 214) zu erbringen. Nur dann, wenn die Weisung des Arbeitgebers sich nicht innerhalb dieser Grenzen hält, ist ihre Nichtbefolgung gerechtfertigt. Hingegen steht es dem Arbeitnehmer nicht zu, die Befolgung einer Weisung zu verweigern, wenn sie lediglich den Vorstellungen des Arbeitnehmers über die optimale Gestaltung seiner Arbeitstätigkeit und den damit verfolgten Zielen nicht entspricht. Selbst wenn man dem Arbeitnehmer mit Mayer-Maly (in FS G. Mülller, Das Gewissen und das Arbeistrecht, 325 ff (331 f)) die Ablehnung einer angewiesenen Arbeit auch aus Gewissensgründen zubilligt, wäre für die Revisionswerberin nichts gewonnen, handelt es sich im vorliegenden Fall doch nicht um unabweisbare, die ganze Persönlichkeit ergreifende Gebote, sondern lediglich um subjektive Auffassungen über die politische Ordnung und soziale Gerechtigkeit, die eine Verweigerung von arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten auch nach dieser Ansicht nicht rechtfertigen. In diesem Zusammenhang sei auf die von der Revisionswerberin zitierte Publikation (Pelikan-Forster, Verbesserte Rechtsfürsorge für psychisch kranke und geistig behinderte Personen - die Idee der Vereinssachwalterschaft und ihre Realisierung, NZ 1987, 266 ff (270 f)) verwiesen, wonach wegen der Knappheit der öffentlichen Mittel nicht ausreichend hauptberufliche Sachwalter beschäftigt werden können; ein Verzicht auf realisierbare Einnahmen führte aus diesem Gesichtspunkt dazu, daß entgegen dem Vereinszweck eine noch größere Anzahl behinderter Personen ohne fachkundige Betreuung bliebe.
Der Meinung der klagenden Partei, der durch den Verzicht auf
erzielbare Einnahmen verursachte Ausfall sei durch öffentliche
Mittel zu decken, ist zu erwidern, daß es Sache des Gesetzgebers
ist, im Rahmen seiner Budgethoheit über den Einsatz öffentlicher
Mittel zu entscheiden; hingegen ist den Mitarbeitern eines aus
öffentlichen Mitteln subventionierten Vereins nicht zuzubilligen,
durch Verzicht auf nach dem Gesetz zustehende Einnahmen zu Lasten
ihres Arbeitgebers den erhöhten Einsatz öffentlicher Mittel zu
erzwingen. Der Gesetzgeber hat in dem die Vereinssachwalterschaft
regelnden Artikel IX SwG - anders als im § 18 Z 6 JWG - nicht
bestimmt, daß die Vorschriften über die Belohnung des Vormundes
nicht anzuwenden seien; er hat vielmehr im § 10 des ab 1. Jänner
1991 anstelle dieser Bestimmung tretenden Vereinssachwalter- und
Patientenanwaltsgesetzes BGBl 156/1990 ausdrücklich vorgesehen,
daß von den Vereinen namhaft gemachte Sachwalter den
Pflegebefohlenen gegenüber keinen Anspruch auf Ersatz der
Barauslagen und auf Belohnung haben, daß aber diese Ansprüche dem
Verein zustehen und über ihre Höhe auf Antrag das
Pflegschaftsgericht entscheidet. Eine Absicht des Gesetzgebers,
zu Lasten der öffentlichen Hand auf die dem Sachwalter gegenüber
dem Pflegebefohlenen zustehende Belohnung zu verzichten, läßt
sich aus diesen Regelungen nicht erschließen. Die
Gesetzesänderung ist für den vorliegenden Fall jedoch auch
insofern von Bedeutung, als zufolge Änderung der
Aktivlegitimation für die Geltendmachung von Barauslagenersatz
und Belohnung ab 1. Jänner 1991 eine Weisung an den Sachwalter, Barauslagenersatz und Belohnung geltend zu machen, nicht mehr in Betracht kommt.
Schließlich kann entgegen der Auffassung der Revisionswerberin auch darin, daß die beklagte Partei vor Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes eine Weisung, Barauslagenersatz und Belohnung geltend zu machen, nicht erteilte, eine entsprechende Einschränkung des Umfanges des Arbeitsvertrages und damit ein subjektives Recht der Arbeitnehmer, die Befolgung einer derartigen durch den Gegenstand der vereinbarten Arbeitsleistung gerechtfertigten Weisung zu verweigern, nicht erschlossen werden (vgl. DRdA 1989/25 (Apathy)).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E25500European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00031.91.0227.000Dokumentnummer
JJT_19910227_OGH0002_009OBA00031_9100000_000