Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm.Dr.Franz Schulz und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt *****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagten Parteien 1. T***** R*****, Monteur, ***** 2. ***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 115.787,60 sA und Feststellung (Streitwert S 150.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Juni 1990, GZ 7 Ra 40/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.Oktober 1989, GZ 31 Cga 5/89-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Klägerin der geltend gemachte Ersatzanspruch im Sinne des § 334 Abs 1 ASVG zusteht, zutreffend gelöst. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Zur Rechtsrüge der Beklagten, der Erstbeklagte habe den Verkehrsunfall nicht grob fahrlässig verschuldet, ist ergänzend ausfzuführen:
Rechtliche Beurteilung
Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen begann der Erstbeklagte seinen Arbeitstag am 10. Oktober 1984 zwischen 5.45 Uhr und 6.00 Uhr, arbeitete unter Einhaltung einer einstündigen Mittagspause von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr auf einer Baustelle in Graz und kehrte um 19.00 Uhr wieder an seinen Wohnort zurück. Dort erfuhr er, daß er sich gegen 22.00 Uhr im etwa 30 km entfernten Betrieb des Arbeitgebers einzufinden habe. Der Arbeitgeber erteilte ihm den Auftrag, mit seinem PKW auf eine Baustelle bei Ulm zu fahren und einen weiteren Arbeitnehmer mitzunehmen; er sollte um 6.00 Uhr des nächsten Tages im Raume Ulm-West andere Arbeiter treffen, die ihn zur Baustelle brächten.
Der Kläger fuhr gegen 22.15 Uhr bis 22.30 Uhr vorerst nach Graz, um zu tanken, und von hier auf der zum größten Teil aus Autobahnen bestehenden ca. 600 km langen Strecke über Klagenfurt, Salzburg und München bis zur Unfallstelle. Er machte insgesamt zwei Pausen und zwar eine im Raum Spittal in der Dauer von 20 bis 25 Minuten und eine weniger lange Pause im Raum München. Auf der Autobahn herrschte allgemein Nebel bis starker Nebel, der die Sichtweite auf 50 m reduzierte. Nur die Bergkuppen waren nebelfrei. Der Erstbeklagte, der sich unter Zeitdruck fühlte und übermüdet war, fuhr ziemlich schnell; stellenweise bei klarer Sicht auch mit 160 km/h. Es war ihm bewußt oder mußte ihm bei pflichtgemäßer Sorgfalt bewußt gewesen sein, daß er infolge der Übermüdung nicht die erforderliche Fahrtüchtigkeit aufwies. Obwohl er mit dem Beifahrer unter anderem über die Gefahr der Übermüdung gesprochen hatte, wechselten sie sich in der Lenkung des Fahrzeugs nicht ab.
Etwa 25 km vor Ulm kam der Erstbeklagte um etwa 5.30 Uhr mit seinem PKW in einer leichten Linkskurve wegen der Übermüdung oder überhöhter Geschwindigkeit angesichts einer infolge des Nebels auf nur 50 m reduzierten Sichtweite bzw. aus beiden Gründen (ob der Unfall auf beide Ursachen oder nur auf eine der beiden zurückzuführen ist, ließ das Berufungsgericht offen) rechts von der Fahrbahn ab. Der PKW geriet auf das nasse Gras und prallte nach 75 m gegen einen Baum.
Bei diesem Unfall wurde der mitfahrende Arbeitnehmer schwer verletzt.
Auch wenn das Berufungsgericht entgegen dem Erstgericht nicht von einer zwingenden Kumulation der Unfallsursachen im Unfallszeitpunkt ausging, stellte es ebenfalls fest, daß der Erstbeklagte übermüdet und mit einer für die gegebene Sicht zu hohen Geschwindigkeit gefahren ist. Der Erstbeklagte hat daher insbesondere im Hinblick auf seine Übermüdung seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlicher und auffallender Weise vernachlässigt, so daß dadurch der Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern sogar als wahrscheinlich vorauszusehen war. Dieser objektiv besonders schwere Sorgfaltsverstoß ist dem Erstbeklagten unter gebotener Ausklammerung eines - auch nicht eingewendeten - allfälligen Mitverschuldens des Arbeitgebers im Hinblick auf die Gefährdung des mitbeförderten Arbeitnehmers und die Verkehrssicherheit auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen (vgl. Gaisbauer, Nichtbeachtung von Übermüdungsanzeichen durch den Kraftfahrer als Verschulden, DRdA 1987, 350 ff, 352 f; Arb. 10.474, 10.064, 9.485, 8.982, 8.736; DRdA 1975, 146 ua). Feststellungen, daß der Arbeitgeber des Erstbeklagten diesen zu der Nachtfahrt nach Ulm "gezwungen" hätte, wurden nicht getroffen. Auf die von den Vorinstanzen zu Recht angenommene Aufsehereigenschaft des Erstbeklagten gemäß § 333 Abs. 4 ASVG (vgl. JBl. 1988, 117; SZ 51/128 uva) kommen die Revisionswerber in ihrer Revision nicht mehr zurück.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E25779European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0090OBA0028.91.0227.000Dokumentnummer
JJT_19910227_OGH0002_0090OBA0028_9100000_000