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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des WS in Wien, vertreten durch Dr. Nikolaus Schirnhofer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Aspernbrückengasse 4/8a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Juli 2005, Zl. UVS-03/P/11/1625/2004/33, betreffend Übertretungen der StVO und des FSG, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der jeweils verhängten Freiheitsstrafe von drei Wochen für die Übertretung der StVO und des FSG sowie hinsichtlich des insoweit jeweils verhängten Beitrags zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von EUR 63.-- wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien und der Bund haben dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je EUR 585,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 25. Juni 2003 um 02.50 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug 1. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und, 2. ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung der Gruppe "B" gewesen zu sein, gelenkt. Er habe hiedurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: zu 1. § 5 Abs. 1 StVO und zu 2. § 1 Abs. 3 FSG. Es wurden daher über ihn zu 1. gemäß § 99 Abs. 1b i. V.m. § 100 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe von EUR 3.633.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Wochen) sowie eine Freiheitsstrafe von drei Wochen und zu 2. gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.180.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Wochen), sowie eine Freiheitsstrafe von 3 Wochen verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens (darunter eines Betrages von jeweils EUR 63.-- für die jeweils verhängte Freiheitsstrafe) verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet ein, dass lediglich eine solche Verfolgungshandlung, die sich auf sämtliche Elemente des Tatbildes beziehe, geeignet sei, den Eintritt der Verfolgungsverjährung abzuwenden. Die bloße Wendung "in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand" könne eine derart konkrete Verfolgungshandlung nicht darstellen. Nicht jeder Zustand einer Alkoholbeeinträchtigung sei verwaltungsstrafrechtlich strafbar. Nach dem Gesetz sei auch der Grad der Alkoholisierung für die Strafdrohung maßgeblich.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer tatsächlich - wie er im Sinne einer Verfolgungshandlung in der Beschwerde behauptet - der Akteninhalt anlässlich seiner Einvernahme durch die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz am 3. September 2003 nicht zur Kenntnis gebracht wurde, weil die Behörde (worauf in der Begründung des angefochtenen Bescheides ohnedies verwiesen wurde) zuvor an den Beschwerdeführer einen "Beschuldigten-Ladungsbescheid" für dessen Einvernahme am 3. September 2003 sandte, der u.a. bereits den Tatvorwurf enthielt, zum Tatzeitpunkt an einem näher genannten Ort in Wien ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug "in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand" gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach "§ 5/1 StVO" begangen zu haben.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt dies sehr wohl eine geeignete Verfolgungshandlung dar, ohne dass es einer näheren Festlegung im Sinne der konkreten Strafbestimmung nach § 99 StVO oder etwa des § 14 Abs. 8 FSG bedurfte, weil dies vielfach erst im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens auf Grund der Feststellung des tatsächlichen Ausmaßes der Alkoholisierung des Lenkers konkretisiert werden kann.
Die gerügte Verfolgungsverjährung ist daher nicht eingetreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Ausmaß der Alkoholisierung kein Tatbestandselement, das im Spruch des Straferkenntnisses aufscheinen muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1998, Zl. 98/02/0179, m.w.N.). Da die belangte Behörde einerseits in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher darlegte, dass der durchgeführte Alkomattest einen Atemalkoholgehalt von 0,44 mg/l auswies und darüber hinaus hinsichtlich des Spruchpunktes 1 (Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO) ausdrücklich die Strafnorm wie folgt richtig stellte "§ 99 Abs. 1b in Verbindung mit § 100 Abs. 1 StVO 1960", wurde hinreichend klargestellt, für welches Ausmaß der Alkoholisierung der Beschwerdeführer bestraft wurde. Es liegt daher weder ein Spruchfehler noch ein relevanter Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides in diesem Zusammenhang vor.
Der Beschwerdeführer wendet ferner zum Vorwurf des "Fahrens ohne im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung zu sein" ein, dass ein Besitz im rechtlichen Sinn nur dann möglich sei, wenn eine Verfügungsberechtigung in irgendeiner Form bestehe. Hinsichtlich einer Lenkberechtigung sei allerdings ein Rechtsbesitz nicht möglich. Wenn aber der Besitz einer Lenkberechtigung nicht möglich sei, könne auch deren fehlender Besitz nicht strafbar sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2001/02/0262, ausgesprochen, dass zufolge der Umschreibung des Tatbildes (Lenken eines Fahrzeuges ohne im Besitz einer entsprechenden Lenkberechtigung zu sein) ohnedies auch die Zuordnung der erwiesenen Tat zum Straftatbestand des § 1 Abs. 3 FSG klar sei. Der Beschwerdeführer vermag daher mit seiner - geradezu mutwilligen - Rüge keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal auch im Straferkenntnis ausdrücklich § 1 Abs. 3 FSG als übertretene Verwaltungsvorschrift genannt wurde.
Zur Strafbemessung wendet der Beschwerdeführer ein, ein Ermessensmissbrauch sei bereits dadurch evident, dass hinsichtlich einer Geldstrafe von EUR 3.633.-- eine Ersatzarreststrafe von 6 Wochen und hinsichtlich einer Geldstrafe von EUR 2.180.-- gleichermaßen eine Ersatzarreststrafe von 6 Wochen verhängt worden sei, obwohl die Geldstrafe zu Punkt 2 lediglich zwei Drittel jener Geldstrafe betrage, welche zu Punkt 1 verhängt worden sei.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Bemessung von Strafen (einschließlich der Ersatzfreiheitsstrafen nach § 16 Abs. 2 VStG) nicht danach zu richten, welche Strafen hinsichtlich einer anderen Verwaltungsübertretung (auch im Verhältnis von Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zueinander) verhängt worden sind, sondern es ist vielmehr bei Verhängung jeder dieser Strafen - ohne dass ein bestimmter Umrechnungsschlüssel im Verhältnis zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe Anwendung zu finden hätte - ausschließlich von Belang, ob die Behörde von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Auflage, S. 271/272 unter E 20 zu § 16 VStG zitierte hg. Judikatur). Abgesehen davon übersieht der Beschwerdeführer, dass die gesetzlichen Strafdrohungen des § 99 Abs. 1b StVO und des § 37 Abs. 1 FSG zwar verschieden hohe Geld-Höchststrafen, jedoch beide eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 6 Wochen vorsehen.
Im Lichte des soeben Gesagten ist ein Missbrauch des Ermessens bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von jeweils sechs Wochen nicht zu erkennen.
Von der belangten Behörde waren - wie auch aus dem den Verwaltungsakten zuliegenden Auszug der Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen zu ersehen ist - zwei einschlägige Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO und drei einschlägige Bestrafungen wegen Übertretung des § 1 Abs. 3 FSG bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Es waren daher auch grundsätzlich jeweils die Voraussetzungen für die Verhängung einer Freiheitsstrafe neben der Geldstrafe (vgl. § 100 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1b StVO und § 37 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 FSG) erfüllt. Im Hinblick darauf, dass die jeweilige Verhängung der zulässigen Geld-Höchststrafe den Beschwerdeführer nicht abhalten konnte, neuerlich solche Verwaltungsübertretungen zu begehen, kann in der Verhängung jeweils einen zusätzlichen Freiheitsstrafe keine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die belangte Behörde erblickt werden. Dem angefochtenen Bescheid fehlt es jedoch an entsprechender Begründung, weshalb es erforderlich war, eine Freiheitsstrafe jeweils bereits im Ausmaß der Hälfte des gesetzlich zulässigen Rahmens zu verhängen. Dem Verwaltungsgerichtshof war deshalb auch keine Nachprüfung möglich, ob von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang das Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt wurde. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im dargestellten Umfang infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG als rechtswidrig und war daher diesbezüglich aufzuheben.
Im Übrigen (also hinsichtlich des jeweiligen Schuldspruches , der verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen und hinsichtlich der Verfahrenskosten, soweit diese nicht die verhängten Freiheitsstrafen betreffen) erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, zumal diese im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 16. Dezember 2005
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Begründung Begründungsmangel Begründung von Ermessensentscheidungen Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen Geldstrafe und Arreststrafe Verwaltungsvorschrift Mängel im SpruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005020236.X00Im RIS seit
13.01.2006