Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard *****, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Heinrich *****, und 2. ***** VERSICHERUNGS-Aktiengesellschaft, ***** beide vertreten durch Dr. Philp, Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,481.439,60 s.A. und Feststellung infolge Revision aller Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. September 1990, GZ 18 R 136/90-54, womit infolge Berufung aller Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. Februar 1990, GZ 29 Cg 768/86-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 22.075,02 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.679,17 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die von der klagenden Partei erstattete Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am 7. März 1986 gegen 22 Uhr als Fußgänger auf der Bundesstraße ***** im Gemeindegebiet von ***** (Freilandstraße) von dem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW VW Golf niedergestoßen und dabei schwer verletzt. Er fordert Schadenersatz von insgesamt S 1,481.439,60 (in diesem Betrag sind S 1,2 Mio Schmerzengeld enthalten, S 150.000 Verunstaltungsentschädigung und - unter Berücksichtigung einer in der Zeit vom 10. 3. 1986 bis 10. 2. 1987 enthaltenen Leistung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse von S 22.578,40 - Verdienstentgang von S 61.421,60 für die Zeit vom 10. 3. 1986 bis 10. 2. 1987), außerdem begehrt er die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für sämtliche Unfallsfolgen zur ungeteilten Hand, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei durch die Höhe der Haftpflichtversicherungssumme begrenzt ist. Der Kläger brachte vor, den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden am Unfall, weil er nicht auf Sicht gefahren sei, eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten, dem Verkehrsgeschehen nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt und nicht gebremst oder ausgelenkt habe.
Die beklagten Parteien gestanden ein Mitverschulden von 20 % zu und wendeten ein, das überwiegende Verschulden treffe den Kläger, der, ohne auf das herannahende Fahrzeug zu achten, die Fahrbahn betreten und von links nach rechts laufend überquert habe. Außerdem wendeten die Beklagten die Reparaturkosten des PKW von S 48.655 aufrechnungsweise ein und zwar der Erstbeklagte S 4.000 (Selbstbehalt) und die zweitbeklagte Partei S 44.655 (an den Erstbeklagten bezahlte Versicherungsleistung).
In der Tagsatzung vom 29. 6. 1989, ON 43, stellten die Parteien den Verdienstentgang vom 10. 3. 1986 bis 10. 2. 1987 mit S 50.000 der Höhe nach außer Streit. Dabei wurde auf den mit S 61.421,60 begehrten Verdienstentgang verwiesen.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Forderung des Klägers mit S 290.503,60, die Gegenforderung des Erstbeklagten mit S 3.200 und die der zweitbeklagten Partei mit S 35.724,08 zu Recht bestehen und erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 254.777,52 und dem Erstbeklagten darüber hinaus noch S 32.524,08 jeweils samt Zinsen zu bezahlen. Dem Feststellungsbegehren wurde mit der Einschränkung stattgegeben, daß die beklagten Parteien nur für 1/5 der künftigen Schäden haften. Das Leistungs- und das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen. Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Zur Zeit des Unfalles herrschte Dunkelheit, es war dunstig und regnete. Der Erstbeklagte hielt auf der 8,3 m breiten Fahrbahn eine Geschwindigkeit von ca 90 km/h ein. Wegen einer entgegenkommenden Kolonne von etwa 8 oder 9 Fahrzeugen fuhr er mit Abblendlicht. Unmittelbar nach dem Passieren der Kolonne sah er 1 m rechts von der in Straßenmitte befindlichen Leitlinie eine Gestalt, die sich von links nach rechts bewegte. Unmittelbar danach kam es zur Kollision. Um auf 40 m (Mindestausleuchtweite des Abblendlichtes) anhalten zu können, wäre die zulässige Höchstgeschwindigkeit 56 bis 57 km/h gewesen. Auch bei dieser Geschwindigkeit wäre es aber zu einem Kontakt zwischen dem Kläger und dem PKW gekommen. Bei Halogenlicht (der PKW des Klägers war mit einem solchen ausgestattet) ist die Ausleuchtweite größer, es erhöht sich daher auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit.
Der Kläger erlitt bei dem Unfall zwei tiefe Rißquetschwunden am Kopf, eine Schädel-Hirn-Verletzung, einen offenen Bruch des rechten Unterschenkels, eine Prellung des Brustkorbs mit Lungenprellung sowie multiple Hautverletzungen am Brustkorb. Er wurde in schwerem Schockzustand in das Krankenhaus der Stadt Horn eingeliefert, wo er bis 7. 7. 1986 verblieb. Ein Bluterguß zwischen Gehirn und harter Hinrhaut machte eine sofortige Operation (Schädeltrepanation) erforderlich. Der Kläger mußte sich im Krankenhaus Horn fünf Operationen unterziehen, er wurde über einen Jugulariskatheter ernährt, über eine Tracheostoma beatmet, der Harnfluß erfolgte über eine suprapubische Fistel. An Komplikationen traten auf ein zweimaliger Pneumothorax rechts, ein ausgedehntes Hautemphysem, beiderseitige Lungenentzündung sowie ein Emphysem im Bereich des rechten Kniegelenks. Außerdem kam es im Bereich des Unterschenkelbruches zu einer Wundheilstörung des Knochens, die eine Knochentransplantation erforderlich machte. Während des Aufenthaltes im Krankenhaus Horn war der Kläger die meiste Zeit bewußtlos. Am 7. 7. 1986 wurde er in das Krankenhaus Tulln überstellt. Von dort kam er am 10. 2. 1987 in das Behindertenheim Tulln, seit 27. 7. 1987 befindet er sich in Pflege des Rehabilitationszentrums Weißer Hof. Im Krankenhaus Tulln erfolgten mehrere Operationen (Sehnendurchtrennungen und Stabilisierungen der Gelenke in Streckstellung mit Fixateur extern). Es wurde mit einer vorsichtigen Mobilisation begonnen, der Kläger wurde langsam auf orale Kost umgestellt. Er war teilweise ansprechbar, eine Teilnahme am Geschehen seiner Umgebung war jedoch nicht zu erreichen. In der Folge kam es zu weiterer Verbesserung. Der Kläger lernte selbständig den Transfer vom Rollstuhl in das Bett und umgekehrt durchzuführen und mit geringer Hilfe auf den Duschstuhl. Fallweise gelingt es ihm auch, auf die Toilette zu gehen. Ein selbständiges An- und Auskleiden der unteren Körperhälfte ist nicht möglich. Beim Kläger besteht eine deutliche Tetrasymptomatik mit Linkshemiparese ausgeprägten Ausmaßes, weiters eine Streckhemmung im linken Ellbogen sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter, außerdem eine beträchtliche Streckkontraktur im linken Kniegelenk und in beiden Hüften mit geringer Streckhemmung. Schließlich blieb eine Reihe von Narben zurück. Der festgestellte Zustand muß weitgehend als Endzustand angesehen werden. Verbesserungen können bestenfalls dahin erwartet werden, daß die aktive Beweglichkeit des linken Armes besser wird, eine Verbesserung des Gehvermögens dahin eintritt, daß sich der Kläger selbständig aus dem Rollstuhl erheben kann und sich ohne Hilfe aber mit Hilfsmitteln zumindest in einem geschlossenen Raum bewegen kann (laut Sachverständigengutachten kann der Kläger derzeit mit Vierpunktstock rechts und Achselstützkrücke links ungefähr 5 m selbständig gehen), weiters, daß er alle Transfers, vor allem auf die Toilette, perfekt erlernt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dem Kläger sei lediglich vorzuwerfen, die Fahrgeschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichtes angepaßt zu haben. Der Kläger habe hingegen die Fahrbahn ohne Beachtung des Verkehrs betreten, das Verschulden sei im Verhältnis von 4 : 1 zu seinen Lasten zu teilen. Ein Schmerzengeld von S 1,2 Mio und eine Verunstaltungsentschädigung von S 150.000 seien angemessen. Der Verdienstentgang stehe mit S 50.000 außer Streit.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß die eingeklagte Forderung mit S 614.969,80 zu Recht und die Gegenforderungen zusammen mit S 24.327,50 zu Recht bestehen und die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig sind, dem Kläger S 590.642,30 samt Zinsen zu bezahlen. Der Ausspruch über das Feststellungsbegehren wurde dahin abgeändert, daß die beklagten Parteien für die Hälfte der künftigen Schäden haften. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Leistungs- und das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen.
Das Gericht zweiter Instanz führte in rechtlicher Hinsicht aus, das Verschulden des Erstbeklagten bestehe darin, daß er trotz widriger Straßen- und Fahrbahnverhältnisse und insbesondere Dunkelheit bei Verwendung des Abblendlichtes das Gebot des Fahrens auf Sicht verletzt und damit gegen die Bestimmung des § 20 Abs 1 StVO verstoßen habe, als er mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h anstelle höchstzulässiger 56 bis 57 km/h gefahren sei. Dies entspreche einer Überschreitung der gerade noch zulässigen Geschwindigkeit unter den gegebenen Verhältnissen um 33,5 km/h oder 59,3 %; was die zerstörerische Wucht (kinetische Energie) anlange, erhöhe sie sich auf 253,73 %. Hinsichtlich des Klägers stehe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels fest, daß er gegen § 76 StVO verstoßen habe. Nähere Feststellungen seien aber nicht möglich gewesen. Beide Beteiligten am Unfall treffe daher ein Verschulden. Nur das des Erstbeklagten sei näher definiert und könne bewertet werden, während das Verschulden des Klägers keine nähere Qualifizierung zulasse. Nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 1304 ABGB müsse daher denknotwenig mangels der Möglichkeit, die beiderseitigen Verschulden abwägend einander gegenüberzustellen und so eine besondere Verhältnismäßigkeit auszumitteln, im Zweifel von einem gleichteiligen Verschulden ausgegangen werden. Als Schmerzengeld seien S 1 Mio berechtigt, als Verunstaltungsentschädigung S 150.000. Aus dem Vorbringen der klagenden Partei zum Verdienstentgang ergäbe sich, daß der Kläger S 84.000 minus S 22.578,40 = S 61.421,60 geltend gemacht habe. Da sich die Außerstreitstellung eines Verdienstentganges von S 50.000 auf den Betrag von S 61.421,60 beziehe, seien zu den S 50.000 noch S 22.528,40 hinzuzuzählen, so daß sich S 72.578,40 ergeben. Die Hälfte hievon mache S 36.289,20 aus. Aufgrund des Quotenvorrechtes der Sozialversicherungsträger seien davon S 22.578,40 abzuziehen, so daß der Kläger Anspruch auf S 13.710,80 an Verdienstentgang habe. Zu den Gegenforderungen führte das Berufungsgericht aus, die Reparatur des PKW des Erstbeklagten habe S 48.655 gekostet. Die Hälfte hievon sei S 24.327,50. Davon habe der Erstbeklagte S 4.000 selbst getragen, er habe einen ungekürzten Anspruch in dieser Höhe (ZVR 1984/103); den Rest von S 20.327,50 sei die Zweitbeklagte zufolge § 67 VersVG zu fordern berechtigt. Da beide Kompensationen, wenn auch erst durch Urteilsspruch wirksam, Zahlungswirkung ex tunc hätten, sei der Schadenersatzanspruch des Klägers mit der Summe beider Beträge befriedigt, also mit S 24.327,50 und zwar schon vor Klagseinbringung. infolge Zahlung eines Betrages von S 24.327,50 sei daher die Schadenersatzforderung des Klägers ohne jegliche Differenzierung zwischen den beiden beklagten Parteien in diesem Umfang befriedigt. Die beklagten Parteien hafteten für den Ersatz des Schadens des Kläges zur ungeteilten Hand, so daß jede Zahlung eines Mitschuldners, sei es auch durch Kompensation, auch für den anderen schuldbefreiend sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützten außerordentlichen Revisionen aller Parteien. Der Kläger begehrt Abänderung dahin, daß ein Betrag von insgesamt S 1,429.939,60 zugesprochen und dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben werde. Die beklagten Parteien beantragen, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Leistungsbegehren in einem weiteren Teilbetrag von S 493.045 abgewiesen und die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wieder hergestellt werde.
Die beklagten Parteien beantragen, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Der Kläger, dem die Mitteilung des Obersten Gerichtshofes über die Freistellung einer Revisionsbeantwortung am 8. 1. 1991 zugestellt worden war, brachte am 31.1.1991 beim Erstgericht eine Revisionsbeantwortung ein, die von dort an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet wurde, wo sie am 12. 2. 1991 einlangte.
Rechtliche Beurteilung
Da die Beantwortung einer außerordentlichen Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO beim Revisionsgericht einzubringen ist, der Schriftsatz des Klägers hier aber erst nach Ablauf der Frist einlangte, war die Revisionsbeantwortung des Klägers zurückzuweisen.
Beide Revisionen sind zulässig, jedoch nicht berechtigt.
1. Zum Verschulden:
Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, es müsse denknotwendig von einem gleichteiligen Verschulden ausgegangen werden, weil das Verschulden des Klägers keine nähere Qualifizierung zulasse und keine Möglichkeit bestehe, die beiderseitigen Verschulden abwägend einander gegenüberzustellen, stehen mit der ständigen Rechtsprechung nicht in Einklang. Anders als bei einer Beurteilung nach § 9 EKHG, trifft die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein die Haftung für die Unfallsfolgen begründendes Verschulden des Gegners abgeleitet wird, denjenigen, der sich auf solch ein Verschulden beruft. Jede in dieser Richtung verbleibende Unklarheit in tatsächlicher Hinsicht geht zu Lasten dessen, der ein Verschulden des Gegners behauptet (ZVR 1985/153; ZVR 1989/195 uva). Steht fest, daß beide Beteiligten eines Verkehrsunfalles ein Verschulden trifft, dann ist bei der Verschuldensabwägung nur auf die Verschuldenskomponenten Bedacht zu nehmen, die erwiesen sind, verbliebene Unklarheiten müssen hiebei außer Betracht bleiben und führen nicht notwendigerweise zu einer Aufteilung des Verschuldens zu gleichen Teilen.
Dem Erstbeklagten ist anzulasten, mit Abblendlicht eine Geschwindigkeit von 90 km/h eingehalten zu haben, damit nicht auf Sicht gefahren zu sein und gegen § 20 Abs 1 StVO verstoßen zu haben. Darin liegt sein Verschulden, das auch die Beklagten nicht bestreiten. Auch wenn das Verhalten des Klägers vor dem Unfall weitgehend unklar blieb, ist aufgrund der Feststellungen davon auszugehen, daß er sich unmittelbar vor der Kollision von links nach rechts bewegte. Damit hat er aber jedenfalls gegen § 76 StVO verstoßen, und zwar unabhängig davon, ob er die Strecke bis zur Kollision in einem Zug zurücklegte oder ob er - wie in seiner Revision als möglich bezeichnet - in der Fahrbahnmitte stehengeblieben war. Im Moment der Kollision stand er jedenfalls nicht in der Fahrbahnmitte, sondern bewegte sich rechts von dieser von links nach rechts. Darüber hinausgehende Umstände können dem Kläger nicht angelastet werden, so auch nicht, über die Fahrbahn gelaufen zu sein. Der Umstand, daß er sich trotz des herannahenden PKW über die Fahrbahn bewegte, die in erster Linie für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist (vgl ZVR 1973/128), begründet sein Verschulden. Wiegt man die erwiesenen Verschuldenskomponenten der beiden Beteiligten ab, dann ergibt sich, daß von einem deutlichen Überwiegen des Verschuldens des Kläges oder des Erstbeklagten nicht gesprochen werden kann, weshalb die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 im Ergebnis zu billigen ist (vgl etwa ZVR 1987/93; ZVR 1989/83).
2. Zur Höhe des Schmerzengeldes:
Der Kläger begehrt, das Schmerzengeld entsprechend dem Ersturteil mit S 1,2 Mio zu bemessen, die beklagten Parteien streben hingegen eine Herabsetzung auf S 400.000 an. In der Schmerzengeldbemessung in der Höhe von S 1 Mio durch das Berufungsgericht kann jedoch kein Rechtsirrtum erblickt werden. Bei Bemessung des Schmerzengeldes sind nach ständiger Rechtsprechung die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art, Intensität und Dauer der Schmerzen, auch wenn sie unterbrochen waren, sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Verletzten überhaupt und ferner die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (Jarosch-Müller-Piegler; Das Schmerzengeld5 176 f; 2 Ob 18/90 uva). Der Oberste Gerichtshof erkannte bei besonders schweren Verletzungen mit Dauerfolgen, die das weitere Leben schwerstens beeinträchtigen, als Schmerzengeld Beträge von S 900.000 bis 1 Mio S zu. So wurden S 900.000 in SZ 51/63, in ZVR 1988/11, in ZVR 1989/208 und in den bei Jarosch-Müller-Piegler aaO angeführten Entscheidungen Nr 1880 bis 1884 zuerkannt. Mit 1 Mio S wurde das Schmerzengeld bemessen etwa in der bei Jarosch-Müller-Piegler aaO angeführten Entscheidung 1885 sowie in 8 Ob 20/86, 2 Ob 4/87, 2 Ob 15/88, 2 Ob 53/88, 2 Ob 18/90 ua. In ZVR 1989/6 wurde ein Betrag von S 1,020.000 zugesprochen. Bei den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Verletzungen handelte es sich im allgemeinen um Querschnittlähmungen oder auf Schädelverletzungen zurückzuführende schwere Behinderungen. Im vorliegenden Fall kann der Kläger, zum Unterschied von einem Querschnittgelähmten, zwar stehen und in geringem Ausmaß gehen, er hat jedoch zusätzliche Behinderungen, die auf die schwere Schädelverletzung zurückzuführen sind. Sein Fall ist daher mit jenen, die den angeführten Entscheidungen zugrundeliegen, durchaus vergleichbar.
3. Zur Verunstaltungsentschädigung:
Daß die beim Kläger zurückgebliebenen Dauerfolgen eine schwere Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB darstellen, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Heiratsaussichten des Klägers wurden hiedurch praktisch gänzlich vernichtet. Dies rechtfertigt aber die Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung in der vom Kläger mit S 150.000 begehrten Höhe (der Oberste Gerichtshof hat bei besonders gravierenden Verunstaltungen in letzter Zeit Beträge von S 150.000 und S 200.000 zuerkannt (2 Ob 98/89, 2 Ob 114/89, 2 Ob 13/90, 2 Ob 34/90)).
4. Zum Verdienstentgang:
Die beklagten Parteien führen in ihrer Revision aus, im Hinblick auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherers im Sinne des § 332 ASVG sei ein direkter Anspruch des Klägers nicht gegeben, die diesbezügliche Berechnung des Berufungsgerichtes sei nicht nachvollziehbar. Näheres führen die beklagten Parteien nicht aus, sie gehen auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Auslegung der Außerstreitstellung und die darauf beruhende Berechnung des Verdienstentganges unter Bedachtnahme auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers nicht ein. Es genügt hier, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
5. Zur Gegenforderung:
Der Kläger führt aus, er erachte sich auch dadurch als beschwert, als der Erstbeklagte nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes auch die über den Selbstbehalt hinausgehenden Reparaturkosten mit der eingeklagten Forderung gegenverrechnen kann.
Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Die beklagten Parteien haften dem Kläger zur ungeteilten Hand. Leistungen, die einer der beiden erbringt, vermindern auch die Schuld des anderen. Daher führt auch eine Gegenforderung, die nur einem der Streitgenossen zusteht, zu einer Verringerung des Anspruches des Klägers gegenüber beiden (vgl ZVR 1987/96; Rummel in Rummel, Rz 11 zu § 1441; Wolf und Gamerith in ZVR 1972, 225 ff).
Beiden Revisionen war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, daß beide Revisionen erfolglos waren, weshalb hiefür kein Kostenersatz zusteht. Die beklagte Partei war mit ihrer Revisionsbeantwortung erfolgreich, sie hat daher Anspruch auf die dort verzeichneten Kosten.
Textnummer
E25414European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00007.910.0227.000Im RIS seit
05.01.1995Zuletzt aktualisiert am
18.08.2017