TE Vfgh Erkenntnis 2001/11/27 B378/01

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Veröffentlicht am 27.11.2001
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36 Wirtschaftstreuhänder
36/01 Wirtschaftstreuhänder

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §82 Abs1
VfGG §88
VfGG §17a

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung einer Verordnung; Zurückweisung von weiteren Anträgen auf Aufhebung des erstinstanzlichen sowie eines anderen Berufungsbescheides; teilweiser Kostenzuspruch

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid vom 10.1.2001 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid vom 10.1.2001 wird aufgehoben.

Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 11.500,-- (€ 835,74) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Soweit sich die Beschwerde gegen die Bescheide vom 22.3.2000 und 29.6.2000 richtet, wird sie zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Dem Beschwerdeführer, einem Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, wurde mit Bescheid vom 22.3.2000 ein Beitrag für die Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder für das Jahr 2000 in der Höhe von ATS 45.000,-- vorgeschrieben. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Bescheid des Beschwerdeausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 29.6.2000 keine Folge gegeben. Mit Schreiben vom 10.11.2000 erhob der Beschwerdeführer erneut Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 22.3.2000. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Beschwerdeausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 10.1.2001 wurde diese Beschwerde zurückgewiesen. Begründend führte der Beschwerdeausschuß aus, daß dem Beschwerdeführer der bekämpfte Bescheid am 31.3.2000 zugestellt worden sei; gem. §25 Abs4 der anzuwendenden Satzung sei eine Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung einzubringen. Das Rechtsmittel sei deshalb verspätet erhoben worden und sei daher zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhebt der Beschwerdeführer wegen der behaupteten Verletzung in verschiedenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten Beschwerde. Zudem beantragt er die Aufhebung der Bescheide vom 22.3.2000 und vom 18.7.2000 (gemeint wohl 29.6.2000).

2. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der §§25 Abs4 erster Satz und 24 Abs8 der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, beschlossen vom Kammertag der Kammer der Wirtschaftstreuhänder am 1.12.2000, kundgemacht im Amtsblatt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Nr. VII/2000, entstanden.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluß vom 25.9.2001 ein Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet. Mit Erkenntnis vom 26. November 2001, V85/01, hat der Verfassungsgerichtshof gem. Art139 Abs3 lita B-VG die gesamte Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder als gesetzwidrig aufgehoben, da sie der gesetzlichen Grundlage entbehrten.

4. Die belangte Behörde hat daher bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid vom 10.1.2001 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.515/1985).

4. Der Bescheid vom 10.1.2001 war daher aufzuheben.

5. Gleichzeitig waren die vom Beschwerdeführer unter einem gestellten Anträge auf Aufhebung der Bescheide vom 22.3.2000 und 29.6.2000 als unzulässig zurückzuweisen:

5.1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG kann Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges - falls ein solcher in Betracht kommt - erhoben werden. Eine Beschwerde ist daher nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer den Instanzenzug ausgeschöpft hat. Die Nichterschöpfung des Instanzenzuges hingegen hat die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Folge (VfSlg. 13242/1992 uvam.).

Gegen den Bescheid vom 22.3.2000 stand dem Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung an den Beschwerdeausschuß der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu. Der Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides ist daher unzulässig.

5.2. Gemäß §82 Abs1 VerfGG 1953 kann Beschwerde gegen einen Bescheid nur innerhalb einer - unerstreckbaren - Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides erhoben werden.

Der Bescheid vom 29.6.2000 wurde dem Beschwerdeführer am 26. August 2001 (Beginn der Abholfrist)durch Hinterlegung zugestellt; soweit sich die Beschwerde gegen diesen Bescheid richtet, war sie daher als verspätet zurückzuweisen.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 bzw. §19 Abs3 Z2 lita und b VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Da der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde nur insofern Erfolg hatte, als sie zur Aufhebung des Bescheides vom 10.1.2001 führte, waren ihm die Prozeßkosten nur anteilig in der Höhe von S 7.500,-- (€ 545,05) sowie die Eingabegebühr in der Höhe von S 2.500 (€ 181,68) zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.500,-- (€ 109,01) enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Fristen, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B378.2001

Dokumentnummer

JFT_09988873_01B00378_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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