TE OGH 1991/3/6 1Ob528/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eckehard T*****, vertreten durch Dr. Kurt Martschitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Olga T*****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 18. September 1990, GZ 1 a R 269/90-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 11. April 1990, GZ 2 C 23/89p-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte wendete überwiegende Mitschuld des Klägers an der Zerrüttung der Ehe ein.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers, der sich nur gegen den Verschuldensausspruch mit dem Rechtsmittelantrag wandte, ein gleichteiliges Verschulden der Streitteile an der Zerrüttung der Ehe festzustellen, nach Beweiswiederholung (durch Dartuung der Urkunden und Lichtbilder, Verlesung der Zeugenaussagen und Vernehmung der Parteien) nicht Folge.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Hat bei einer Scheidung wegen Verschuldens der Beklagte Widerklage erhoben oder wie hier einen Mitschuldantrag gestellt und wird die Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten geschieden, so sind beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, daß seine Schuld überwiegt (§ 60 Abs 2 und 3 EheG). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist grundsätzlich das Gesamtverhalten beider Ehegatten im Zusammenhang, nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Eheverfehlungen maßgebend (EFSlg 57.211, 54.455, 51.642 uva); dabei sind auch verziehene oder verfristete Eheverfehlungen zu berücksichtigen (EFSlg 54.468, 51.668 ua; 1 Ob 557/90). Vor allem ist bei der Abwägung der Mitschuld maßgeblich, wer mit der schuldhaften unheilbaren Zerrüttung der Ehe den Anfang machte (EFSlg 57.212, 54.456, 51.643 uva); die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung. Im Sinn dieser Grundsätze der Rechtsprechung müssen bei der Annahme des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten alle Umstände berücksichtigt und in ihrer Gesamtheit gegenüber gestellt werden (EFSlg 57.209).

Im vorliegenden Fall erledigte die zweite Instanz mit ihren nach Beweiswiederholung getroffenen Feststellungen nur einen Teil der Beweisrüge des Klägers (Berufungsurteil S 9 oben), wogegen weitere, in der Beweisrüge monierte Feststellungen, so, daß die Beklagte mit einem Messer auf den Kläger losgegangen sei, sich abschätzig über seine sexuelle Leistungsfähigkeit geäußert habe, über ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Klägers und über die Gespräche zwischen der Klägerin und Ingrid S***** unterblieben. Das Berufungsgericht führte aus, daß zwar die erstgerichtlichen Feststellungen über das Verschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe eher diffus und zeitlich nicht sehr präzise abgegrenzt seien, es sich aber nicht veranlaßt sehe, hier weitere Nachforschungen zu pflegen und auch exaktere Feststellungen zu treffen, weil das Verschulden der Beklagten im Berufungsverfahren bereits feststehe.

Da aber für die Annahme eines überwiegenden Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich (Schwind in Klang2 I/1 837), also offenkundig hervortreten muß (EFSlg 51.659 f ua) und dabei das zur Zerrüttung der Ehe führende Gesamtverhalten, das heißt die Art, das Gewicht und die näheren Umstände der Eheverfehlungen beider Ehegatten einer Gesamtbeurteilung zu unterziehen ist, durfte die zweite Instanz die eingehende Beweisrüge des Klägers zum behaupteten Verschulden der Beklagten nicht zum Teil unerledigt lassen.

Demgemäß ist das Berufungsurteil aufzuheben und der zweiten Instanz eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E25614

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00528.91.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19910306_OGH0002_0010OB00528_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten