TE OGH 1991/3/6 1Ob666/90

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Veröffentlicht am 06.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix S*****, vertreten durch Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Walter S*****, vertreten durch Dr. Gerald Hausar, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 35,000.000,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 18. Juni 1990, GZ 4 R 71, 72/90-14, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. November 1989, GZ 22 Cg 79/89-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 71.719,20, (darin S 11.953,20 Ust) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klage gegen die vormaligen Zweit- und Drittbeklagten wurde unter Anspruchsverzicht zurückgezogen und gegen die vormalige Erstbeklagte rechtskräftig zurückgewiesen. Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihres am 29. September 1974 verstorbenen Vaters, der mit seinem, gleichfalls bereits verstorbenen Bruder (im folgenden Onkel der Klägerin) Gesellschafter der W***** OHG (im folgenden OHG) war. Der Beklagte (vormaliger Viertbeklagte) war kollektiv zeichnungsberechtigter Prokurist der OHG. Die Klägerin, ihr Onkel und eine Aktiengesellschaft als die damaligen Gesellschafter der OHG führten eine am 26. November 1976 vereinbarte Realteilung des Gesellschaftsunternehmens durch.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von S 35,000.000,-- sA, zusammengefaßt mit folgendem, zum Teil erst über Aufforderung durch das Erstgericht erstatteten Vorbringen:

Der Onkel der Klägerin habe im Zusammenwirken mit dem Beklagten und zwei weiteren Personen seit Beginn der 70-iger Jahre die OHG dadurch geschädigt, daß sie bei vorwiegend im Ausland durchgeführten Einkäufen die ausländischen Lieferanten dazu angehalten hätten, Wareneinkaufspreise überhöht in Rechnung zu stellen und die Differenzbeträge zum tatsächlich vereinbarten Warenpreis einem Privatkonto zufließen zu lassen, welches in erster Linie dem Onkel der Klägerin zugute gekommen sei, nicht jedoch dem Vater der Klägerin. Dadurch sei die OHG um "Millionenbeträge" geschädigt und der Anteil des Vaters der Klägerin am Firmenvermögen und folglich auch der Klägerin als Erbin nach ihrem Vater entsprechend vermindert worden. Die Klägerin hätte wesentlich mehr Kapital aus der OHG bei der Realteilung erhalten müssen. Der Klägerin sei aus dem schädigenden Verhalten ihres Onkels und des Beklagten ein finanzieller Nachteil von mindestens S 70,000.000,-- entstanden, wovon aus Gründen prozessualer Vorsicht nur 50 % geltend gemacht würden. Eine genaue Bezifferung des Schadens bzw eine genaue Detaillierung der einzelnen schädigenden Handlungen sei der Klägerin "naturgemäß" nicht möglich, müßte jedoch aus den Buchhaltungsunterlagen der OHG, die sich noch in Händen der Klägerin befinden, zu eruieren sein. Der Beklagte hafte als Mittäter aus dem Titel des Schadenersatzes. Auch der Beklagte habe Lieferfirmen veranlaßt, zu Lasten der OHG "Zuschläge" zu Einkaufspreisen auf Konten im Ausland zu seinen persönlichen Gunsten zu überweisen. Die der OHG angelasteten Geldbeträge seien auch zum Vorteil des Beklagten verwendet worden. Strafrechtlich sei das Verhalten des Beklagten zumindest als mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Untreue zu werten. Die Klägerin könne nicht konkret behaupten, "wann wer mit welchen Schadensbeträgen die behaupteten deliktischen Handlungen (Provisionsverschiebungen ins Ausland) gesetzt hat." Diese Handlungen seien aber laufend getätigt worden. Eine genaue Zusammensetzung des Klagsbetrages sei der Klägerin nicht möglich, sondern könne sie nur einige einzelne Schadenersatzbeträge, verursacht durch die behaupteten deliktischen Handlungen, unter Beweis stellen, jedoch nur beispielsweise. Eine genaue Detaillierung des Klagsbetrages sei der Klägerin naturgemäß nicht möglich, es handle sich beim Klagsbetrag um eine Schätzziffer des Schadens wobei sich die genaue Schadensermittlung aus einer Prüfung der Geschäftsunterlagen ergeben werde. Die Dauer der behaupteten Manipulationen könne nicht genau festgelegt werden, die Klägerin vermute jedoch den Manipulationsbeginn bereits in den 60-iger Jahren bis zu Realteilung 1976. Der Beklagte sei "Drahtzieher" dieser deliktischen Handlungen gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit ab. Die Klägerin habe zwar einen Klagegrund dargelegt und auch Beweismittel angeboten, jedoch keine konkrete Ausführungen getätigt, aus denen sich auch nur mit einiger Schlüssigkeit ableiten ließe, woraus sich der von der Klägerin begehrte Schadenersatzbetrag von S 35,000.000,-- zusammensetze. Obwohl sich die Buchhaltungsunterlagen in Händen der Klägerin befänden, habe sie trotz Aufforderung durch das Gericht konkrete Behauptungen in Ansehung der inkriminierten Vorgänge nicht aufstellen können, im besonderen nicht, welche Geschäftsvorgänge vom in der Klage behaupteten Sachverhalt im einzelnen umfaßt gewesen seien. Die Klägerin sei daher nicht in der Lage, alle rechtserheblichen und für die Schlüssigkeit des Begehrens erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen; das Verfahren würde auf die Einholung von, nach herrschender Rechtsprechung unzulässigen Erkundungsbeweisen hinauslaufen.

Das Rekursgericht hob über Berufung der Klägerin dieses Urteil auf. Die Klage sei schlüssig, es würden die Handlungen benannt, aus denen die Klägerin den gegenüber dem Beklagten erhobenen Schadenersatzanspruch ableite, es werde auch der Zeitraum, in welchem die schädigenden Handlungen gesetzt worden sein sollen, angeführt. Es würde eine überspitzte Anforderung darstellen, von der Klägerin eine absolut genaue Präzisierung jedes einzelnen Geschäftsfalls und des darauf entfallenden Schadensbetrages zu fordern. Ob sich die Behauptungen der Klägerin als wahr erweisen lassen, werde im Verfahren zu klären sein. Sollte sich das Vorbringen der Klägerin als wahr herausstellen, dann sei der Beklagte auch für einen allfällig entstandenen Schaden haftbar, wenn er diesen in Kenntnis des wahren Sachverhaltes als kollektiv zeichnungsberechtigter Prokurist mitverursacht habe. Bei dem von der Klägerin erstellten Beweisanbot handle es sich in diesem Sinn nicht um reine Erkundungsbeweise, wenngleich sich eine Detaillierung der Schadenersatzansprüche der Klägerin erst aufgrund von Beweisen ergeben werde. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ die zweite Instanz zu, weil das Vorliegen eines rechtlich unschlüssigen Klagebegehrens sehr sachbezogen und nicht immer eindeutig zu beantworten sei.

Der Rekurs des Beklagten ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 226 Abs 1 ZPO hat die mittels vorbereitenden Schriftsatzes anzubringende Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten und die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch der klagenden Partei gründet, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben und ebenso die Beweismittel im einzelnen genau zu bezeichnen, deren sich die klagende Partei zum Nachweis ihrer tatsächlichen Behauptung bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt. Nach der herrschenden Substantiierungstheorie (BankArch 1988/76; SZ 60/288 mwN; SZ 46/109; Fasching Lehrbuch2 Rz 1040) hat der Kläger alle rechtserheblichen, für die Schlüssigkeit des Begehrens erforderlichen Tatsachen schon in der Klage vorzubringen. Bei der Ableitung mehrerer Geldforderungen (zB Schmerzengeld und Verdienstentgang) aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt müssen jedenfalls in der Klagserzählung die einzelnen Beträge ziffernmäßig aufgegliedert sein (vgl EvBl 1961/149 mwN; 7 Ob 683/88; Fasching III 26 und Lehrbuch2 Rz 1044). Setzt sich dagegen ein auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestütztes Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, die während eines längeren Zeitraumes aufgelaufen sind, so würde das Gebot nach einer Präzisierung des Vorbringens überspannt, würde man für jeden einzelnen von unter Umständen hunderten Fällen ein gesondertes detailliertes Vorbringen fordern. In einem solchen Fall nimmt die mangelnde Aufgliederung in einzelne Posten oder Zeiträume dem diesbezüglichen Vorbringen nicht die Schlüssigkeit

(9 Ob A 326/89, insoweit nicht veröffentlicht in ecolex 1990, 306; in diesem Sinn auch 8 Ob 209/79). Von diesen Grundsätzen ist die zweite Instanz ausgegangen. Wie das Berufungsgericht selbst erkannt, kann aber die - sehr

sachverhaltsbezogene - Schlüssigkeit einer Klage nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl JBL 1985, 303; ebenso 4 Ob 1009/88 ua).

Mit seinen übrigen, nicht die Schlüssigkeit des Begehrens selbst betreffenden Einwänden ist der Beklagte auf die rechtlichen Möglichkeiten der Verfahrenshilfe und der Kostenseparation zu verweisen. Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

Anmerkung

E25397

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00666.9.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19910306_OGH0002_0010OB00666_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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