Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friederike E*****, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Dr. Walter Breitwieser jun., Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Wilhelm E*****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 26.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 27. September 1989, GZ R 640/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 30. März 1989, GZ 1 C 110/88-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution S 21.600 samt 4 % Zinsen seit 4. November 1988 zu zahlen.
Das Mehrbegehren von S 4.400 samt 4 % Zinsen seit 4. November 1988 wird abgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution S 4.748 (darin enthalten S 791,33 Umsatzsteuer) an Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und S 2.469,12 (darin enthalten S 411,52 Umsatzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen."
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die mit S 2.966,40 (darin enthalten S 494,40 Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile waren verheiratet. Nach Scheidung ihrer Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten wurde dieser mit Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 14. November 1985, 5 C 1532/85-7, schuldig erkannt, der Klägerin ab 19. Juni 1985 einen monatlichen Unterhalt von S 6.000 zu zahlen. Damals war der Beklagte bei der Österreichischen Bundesbahn beschäftigt und verdiente im Monatsdurchschnitt S 17.500 netto.
Ende Juli 1987 ging der Beklagte in Pension. Aus diesem Anlaß erhielt er die in § 27 a der Bundesbahnbesoldungsverordnung für eine mehr als 35-jährige Dienstzeit vorgesehene Jubiläumsbelohnung von 4 Monatsbezügen. Diese Belohnung wurde ihm im August 1987 ausgezahlt und betrug S 77.869,20 netto.
Mit der am 7. Dezember 1988 eingebrachten Unterhaltsklage begehrte die Klägerin ihren Anteil am Zusatzeinkommen des Beklagten, und zwar S 26.000 samt 4 % Zinsen seit 4. November 1988. Diesen Anspruch könne sie nach der neuen Judikatur zu § 1418 ABGB auch für die Vergangenheit geltend machen; darüberhinaus sei der Beklagte gemäß § 72 EheG zahlungspflichtig, weil er den zusätzlichen Bezug verschwiegen habe. Sie selbst habe erst Ende Oktober 1988 die Höhe der Sonderzahlung erfahren.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens u.a. mit der Begründung, daß die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verspätet geltend gemacht habe. Von einer bewußten Verschweigung der Jubiläumsbelohnung könne keine Rede sein. Er habe sich bei zwei Richtern des Bezirksgerichtes Wels erkundigt, ob seine geschiedene Frau an dieser Sonderzahlung partizipiere, aber keine verläßliche Auskunft erhalten (AS 15). Man habe ihm auch nicht sagen können, ob er die genaue Höhe seiner Jubiläumsbelohnung bekanntgeben müsse (AS 8). Die Klägerin wäre selbst verpflichtet gewesen, entsprechende Erkundigungen einzuholen, zumal sie schon vor August 1988 von seiner Pensionierung erfahren habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß sich durch die Pensionierung sein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen auf S 16.000 bis S 16.500 verringert habe. Weitere Einwendungen des Beklagten betreffen Bemessungsfragen, die nach der hier noch anzuwendenden Bestimmung des § 502 Abs 2 Z 1 aF ZPO nicht zu erörtern sind.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Der Beklagte informierte die Klägerin nicht vom Erhalt der Jubiläumsbelohnung. Im August 1988 traf diese mit einem anderen ÖBB-Pensionisten zusammen, der ihr erzählte, daß ein ÖBB-Beamter bei der Pensionierung eine Zuwendung ähnlich jener erhält, wie sie bei Erreichen von 25 Dienstjahren ausgezahlt wird. Von der Pensionierung des Beklagten hat die Klägerin ebenfalls erst im August 1988 von ihrer Mutter erfahren; diese hatte die Information von dritter Seite.
Da die Klägerin seit der Scheidung mit dem Beklagten keine persönlichen Kontakte mehr pflegte, ließ sie ihn durch ihren Vertreter mit Schreiben vom 19. August 1988 auffordern, die Höhe der ausbezahlten Abfertigung oder Sonderzahlung bekanntzugeben. In der Folge entwickelte sich ein reger Briefwechsel, in dem der Beklagte die Rechtmäßigkeit der Unterhaltsforderung der Klägerin bestritt. Erst nach dreimaligem Ersuchen kam er der Aufforderung des Klagsvertreters nach, einen Lohnzettel für das Jahr 1987 vorzulegen; im Oktober 1988 erfuhr schließlich die Klägerin von der Höhe der Sonderzahlung. Dem außergerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 2. November 1988, die Ansprüche der Klägerin durch eine Zahlung von S 20.000 zu bereinigen, stimmte der Beklagte nicht zu.
In seiner Beweiswürdigung faßte das Erstgericht seine Eindrücke vom Verhalten des Beklagten dahin zusammen, daß dieser der Klägerin seine Jubiläumsbelohnung bewußt verschwiegen habe (S 8 des Ersturteils), um sich auf diese Weise seiner Leistungspflicht zu entziehen (S 9 des Ersturteils). Daraus sei die rechtliche Schlußfolgerung zu ziehen, daß die einjährige Erlöschensfrist des § 72 EheG nicht gelte; es komme vielmehr § 1480 ABGB zur Anwendung, der für Unterhaltsleistungen die dreijährige Verjährung vorsehe. Sie beginne mit Fälligkeit der Leistung zu laufen, im gegenständlichen Fall mit 1. August 1987, sodaß die Verjährungseinrede des Beklagten ins Leere gehe. Ob er tatsächlich Rechtsauskünfte über allfällige Unterhaltsansprüche der Klägerin einzuholen versuchte, sei belanglos, weil dadurch die Klägerin jedenfalls nichts von seiner Jubiläumsbelohnung erfahren habe.
In der Sache selbst sei jenen (zweitinstanzlichen) Entscheidungen zu folgen, die schon bisher Jubiläumsbelohnungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen haben (EFSlg 47.884 ua). Darum könne die Klägerin, deren Unterhaltsanspruch mit rund einem Drittel des Einkommens des Beklagten bemessen wurde, auch jetzt einen entsprechenden Anteil der Sonderzahlung verlangen. Das Klagebegehren trage dieser Art der Bemessung im großen und ganzen Rechnung.
Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichts, daß die Jubiläumsbelohnung des Beklagten in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei und daß die Klägerin - entsprechend der bisherigen Unterhaltsbemessung - 34,3 % des Mehrbetrags beanspruchen könne; das den Betrag von S 21.600 übersteigende Klagebegehren wäre aber schon deshalb abzuweisen, weil die Jubiläumsbelohnung auf 12 Monate aufzuteilen und von den Gesamteinkünften des Beklagten zwischen August 1987 und Juli 1988 auszugehen sei. Aus diesem Jahreseinkommen (S 257.019,22 laut Beilage A) errechne sich ein monatlicher Nettobezug von S 22.918,26, der wiederum einen Unterhaltsanspruch der Klägerin von S 7.800 monatlich bzw. eine Erhöhung um S 21.600 für die fraglichen 12 Monate ergebe.
Die Klägerin habe allerdings den Unterhaltsanspruch verspätet geltend gemacht. Die aus dem deutschen Rechtsbereich stammende Vorschrift des § 72 EheG bestimme nämlich, daß der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung erst von der Zeit an fordern kann, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshändig geworden ist, für eine länger als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit jedoch nur, soweit anzunehmen ist, daß sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat. Im gegenständlichen Fall sei unstrittig, daß der Beklagte die Klägerin über seine Jubiläumsbelohnung nicht informierte, und es bestünden grundsätzlich auch keine Bedenken gegen die Feststellung des Erstgerichts, daß der Fall einer bewußten Verschweigung vorliege; ob daraus auch abgeleitet werden könne, der Beklagte habe sich seiner Unterhaltspflicht entziehen wollen, sei jedoch eine Frage der rechtlichen Beurteilung, in der dem Erstgericht nicht gefolgt werden könne.
Eine Rechtsprechung darüber, wann von einem absichtlichen Entziehen iS des § 72 EheG gesprochen werden könne, sei zwar nicht vorhanden, doch sei im Hinblick auf Art. XLII EGZPO bereits entschieden, daß eine Rechnungslegungs- und Eidespflicht des Unterhaltsschuldners - außer im Fall eines Bruchteilstitels - nicht besteht (SZ 30/54; EFSlg 31.982, 36.679 ua). Wenn aber der Unterhaltsschuldner nicht einmal im Klagsweg dazu verhalten werden könne, sein Einkommen und Vermögen bekanntzugeben, dann müsse außerhalb eines Rechtsstreits eine derartige Verpflichtung erst recht verneint werden. Zudem liege - wiederum bezogen auf die Judikatur zu Art. XLII EGZPO - in einem bloß passiven Verhalten noch kein Verheimlichen oder Verschweigen. Das Verhalten des Beklagten könne daher nicht als Versuch gewertet werden, sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen. Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit unter Berufung auf den letzten Tatbestand des § 72 EheG scheide damit aus; es blieben nur noch die Unterhaltsrückstände ab Verzug bzw. Rechtshängigkeit zu prüfen.
Um einen höheren Unterhaltsanspruch der Klägerin ab Rechtshängigkeit (7. Dezember 1988) gehe es gar nicht, da nur rückständiger Unterhalt eingeklagt werde. Verzug iS des § 72 EheG werde von der Judikatur und einem Teil der Lehre (Schwind in Klang I/12, 892 f) erst dann angenommen, wenn der Unterhaltspflichtige eine durch Urteil oder Vertrag festgesetzte Leistung nicht erbringe; selbst nach der weitergehenden Ansicht eines Teils der Lehre (Koziol, Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit, JBl 1978, 630; Pichler in Rummel II, Rz 1 zu § 72 EheG) würden Verzugsfolgen frühestens mit der außergerichtlichen Mahnung eintreten. Auch daraus sei für die Klägerin nichts gewonnen, weil (erhöhter) Unterhalt nur ab Verzug gefordert werden könne. Im konkreten Fall sei bestenfalls das Schreiben des Klagsvertreters vom 19. August 1988 als Mahnung anzusehen, doch habe der Erhöhungszeitraum bereits im Juli 1988 geendet, sodaß der Beklagte mit den klagsgegenständlichen Unterhaltsleistungen gar nicht in Verzug gekommen sei. Die neue Judikatur zur Geltendmachung von Unterhaltsrückständen (6 Ob 544/87) erlaube keine andere rechtliche Beurteilung, weil § 72 EheG als Sondernorm für den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten nicht geändert worden sei. Das damit angesprochene Rechtsproblem spreche jedoch für die Zulassung der Revision; außerdem sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Verschweigen eines Einkommensbestandteils bereits als Versuch gewertet werden könne, sich iS des § 72 letzter Fall EheG der Unterhaltspflicht zu entziehen. Das Berufungsgericht erklärte daher die Revision für zulässig.
In der nunmehr vorliegenden Revision begehrt die Klägerin primär die Abänderung des Berufungsurteils iS einer gänzlichen Klagsstattgebung; hilfsweise seien ihr S 14.400 für den Zeitraum Dezember 1987 bis Juli 1988 zuzusprechen; sollten die Entscheidungsgrundlagen unvollständig sein, soll die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen werden; schließlich werde bezüglich des § 72 EheG die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof (gemeint ist beim Verfassungsgerichtshof) angeregt, sollte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis kommen, daß das Klagebegehren wegen dieser Gesetzesbestimmung verfristet ist. Der Beklagte hat dazu eine Revisionsbeantwortung erstattet und die Bestätigung des Berufungsurteils beantragt.
Die Revision ist zulässig und teilweise auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Was die Zulässigkeit des Rechtsmittels betrifft, ist vorerst daran zu erinnern, daß das Datum der Entscheidung zweiter Instanz vor dem 1. Jänner 1990 liegt, weshalb gemäß Art. XLI Z 5 WGN 1989 die Wertgrenze des § 502 Abs 2 Z 2 aF ZPO, aber auch die Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 2 Z 1 aF ZPO weiterhin anzuwenden ist. Die Beschränkung schließt die Anrufung des Obersten Gerichtshofes aus, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wurde. Dazu gehört gemäß Punkt II Z 3 JB 60 neu (SZ 27/177) die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, im konkreten Fall also auch die Frage, ob und wie die Jubiläumsbelohnung des Beklagten in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist (vgl. ÖA 1988, 46 zum Problem der Abfertigung). Auch eine andere Beurteilung des Fälligkeits- und Verjährungsproblems müßte also dazu führen, einen Unterhaltserhöhungsanspruch der Klägerin anzuerkennen, ihn aber gleichzeitig mit S 1.800 monatlich auf den Zeitraum von August 1987 bis Juli 1988 zu limitieren. Revisibel ist aus den im Berufungsurteil angeführten Erwägungen allein die Frage, wie § 72 EheG - insbesondere im Lichte der neuen Judikatur zu § 1418 ABGB - auszulegen ist. Sollte sich die Rechtsansicht des Erstgerichtes bestätigen, daß der Beklagte durch das bewußte Verschweigen seiner Jubiläumsbelohnung den Tatbestand des § 72 letzter Fall EheG verwirklichte, wäre allerdings auf die weiteren Rechtsprobleme, ob auch die Geltendmachung einjähriger Unterhaltsrückstände Verzug des Schuldners voraussetzt und wie sich § 72 EheG mit der generellen Einklagbarkeit dreijähriger Unterhaltsrückstände vereinbaren läßt (vgl. JBl 1990, 800; EFSlg 57.280), nicht mehr einzugehen.
Zur Auslegung des letzten Halbsatzes in § 72 EheG, insbesondere zum Verschweigen eines Einkommensbestandteils (im konkreten Fall einer Abfertigung) hat der Oberste Gerichtshof bereits einmal Stellung genommen (JBl 1990, 800). Demnach genügt für die Verwirklichung dieses Tatbestandes jedes zweckgerichtete Verhalten, Tun oder Unterlassen des Schuldners, das die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert hat. Aktives Hintertreiben ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, daß der Verpflichtete mit der Möglichkeit seiner Unterhaltsschuld rechnet und sein Handeln danach ausrichtet, sie für den Fall des Bestehens nicht erfüllen zu müssen. In diesem Sinn sieht ein Teil der Lehre den Tatbestand des § 72 letzter Halbsatz EheG (er entspricht § 1585 b Abs 3 BGB) etwa dann als erfüllt an, wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlt, obwohl er seine Zahlungspflicht kennt und auch zahlen könnte (Massfeller-Böhmer-Coester, Das gesamte Familienrecht3, Band 1, BGB 1 II, 718). Das Bewußtsein des Schuldners, sich möglicherweise einer Unterhaltspflicht zu entziehen, reicht aus, sofern nur der unbedingte Wille dazu hinzutritt (Häberle in Soergel, BGB12, Rn 6 zu § 1585 b).
Bei all dem braucht die Absicht des Unterhaltsschuldners, sich der Leistung zu entziehen, nicht bewiesen zu werden; zu beweisen sind lediglich die Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, daß sich der Verpflichtete absichtlich der Leistung entzogen hat. Erst wenn dieser die tatsächliche Vermutung entkräften kann, hat der Berechtigte den vollen Beweis zu führen (Häberle aaO, Rn 9; Richter im Münchner Kommentar zum BGB2, Rn 9 zu § 1585 b; Ermann, BGB-Handkommentar2, Rn 6 zu § 1585 b; vgl. auch Zankl in Schwimann, ABGB, Rz 7 zu § 72 EheG).
Im bereits erwähnten Judikaturbeispiel wurde das Verschweigen der Abfertigung schon deshalb als tatbildmäßig iS des § 72 letzter Halbsatz EheG erkannt, weil bei grundsätzlich feststehender Unterhaltspflicht schon dann auf das Bewußtsein einer Erhöhung der Unterhaltsschuld geschlossen werden kann, wenn dem Schuldner ein erhebliches Zusatzeinkommen zufließt. Hier hat das Erstgericht sogar ein bewußtes Verschweigen der Jubiläumsbelohnung durch den Beklagten festgestellt und diese auch vom Berufungsgericht geteilte Überzeugung mit der verdächtigen Verzögerungstaktik nach der sachbezogenen Anfrage des Klagsvertreters begründet. Selbst wenn dies noch nicht die Absicht der Unterhaltsvereitelung indiziert, wie vom Erstgericht offensichtlich angenommen, wäre es also am Beklagten gelegen, die durchaus plausible Vermutung zu entkräften, er habe mit seinem Stillschweigen einem erwarteten Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin entgehen wollen. Dazu hat er lediglich den Beweis angeboten, sich um eine verläßliche Rechtsauskunft bemüht, aber keine erhalten zu haben. Damit ließen sich allenfalls Zweifel am Bestehen einer höheren Unterhaltsschuld belegen, nicht aber, daß sie zugunsten des Beklagten beseitigt worden wären. Das "bewußte" Verschweigen, das ihm vom Erstgericht zur Last gelegt wurde, wäre daher äußerstenfalls auf das Bewußtsein zu reduzieren, sich möglicherweise einer (erhöhten) Unterhaltspflicht zu entziehen, doch ist damit nicht die Vermutung entkräftet, er habe - für den Fall des Falles - auch den unbedingten Willen dazu gehabt. Im Sinne obiger Ausführungen (Häberle aaO, Rn 6) hat daher der Beklagte den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht angetreten. Die vorliegenden Tatsachen zwingen zum Schluß, daß er sich durch das Verschweigen der Jubiläumsbelohnung seiner erhöhten Unterhaltspflicht absichtlich entzogen hat.
Dagegen spricht auch nicht die vom Berufungsgericht angestellte rechtliche Erwägung, daß kein gemäß Art. XLII EGZPO klagbarer Anspruch gegen den Unterhaltspflichtigen besteht, sein Einkommen und Vermögen offenzulegen. Die mangelnde Notwendigkeit einer Stufenklage zur Durchsetzung von Unterhaltansprüchen (siehe dazu Fasching II, 92) gibt keinerlei Hinweis auf eine mangelnde Pflichtwidrigkeit des Unterhaltsschuldners, der Bestandteile seines Einkommens verschweigt. § 72 EheG enthält eine eigene, nicht zuletzt an Beweisproblemen orientierte Rechtsfolgenregelung für den Fall, daß sich ein Unterhaltsschuldner der Leistung absichtlich entzieht.
Die von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsansprüche sind daher gemäß § 72 letzter Fall EheG nicht verjährt. Das erübrigt eine Auseinandersetzung mit den sonst noch angesprochenen Rechtsfragen; auch auf den Eventualantrag, die Verfassungskonformität des § 72 EheG zu überprüfen, ist nicht weiter einzugehen. Die Bemessungsfragen wurden abschließend vom Berufungsgericht entschieden, sodaß der Revision im Umfang von S 21.600 sA stattzugeben war. Der Beginn des Zinsenlaufs ist unstrittig (AS 13).
Die Kostenentscheidungen stützen sich auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Im einzelnen ist dazu auszuführen:
Das teilweise Unterliegen der Klägerin ist in erster Linie auf Bemessungsprobleme zurückzuführen. Eine Überklagung, die die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO ausschließen würde, liegt - auch in Ansehung des ursprünglichen Klagebegehrens von
S 30.000 sA - nicht vor. Auf der Basis des ersiegten Betrages hat die Klägerin daher Anspruch auf vollen Kostenersatz in allen Instanzen. Im Verfahren vor dem Erstgericht hat die Klägerin allerdings statt der ihr gebührenden S 4.944 (inkl. S 824 Umsatzsteuer) - bedingt durch einen Irrtum bei Verzeichnung der Umsatzsteuer - nur S 4.748 geltend gemacht und die darauf aufbauende Kostenentscheidung des Erstgerichtes auch nicht angefochten. Für das erstinstanzliche Verfahren waren ihr daher wie im Ersturteil S 4.748 zuzusprechen, ansonsten die im Spruch angeführten Beträge. Barauslagen hat die im Genuß der Verfahrenshilfe stehende Klägerin nicht verzeichnet.
Anmerkung
E25759European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00542.9.0312.000Dokumentnummer
JJT_19910312_OGH0002_0080OB00542_9000000_000