TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/19 2005/03/0053

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Veröffentlicht am 19.12.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §57 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2005/03/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H P in W, vertreten durch DI Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. März 2003, Zlen SD 589/02, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung gegen ein Waffenverbot (protokolliert zur hg Zl 2005/03/0053), und SD 640/02, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Vorstellung gegen dieses Waffenverbot (protokolliert zur hg Zl 2005/03/0054), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Bescheid vom 3. März 2003, Zl SD 589/02, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 3. März 2003, Zl SD 640/02, wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 356,15 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das gegen den Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien nach § 57 Abs 1 AVG erlassene Waffenverbot gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz (WaffG) vom 15. Mai 2002 war seinem rechtsanwaltlichem Vertreter am 16. Mai 2002 zugestellt worden. Danach stehe der Beschwerdeführer im Verdacht, seiner Gattin Haarbüschel ausgerissen und sie am Körper verletzt zu haben. Dies rechtfertige die Annahme, er könnte durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.

Am 21. Mai 2002 langte bei der erstinstanzlichen Behörde ein mit 17. Mai 2002 datierter, als "Stellungnahme samt Vorlage" bezeichneter Schriftsatz des Beschwerdeführers ein, der die Geschäftszahl des waffenrechtlichen Verfahrens der erstinstanzlichen Behörde (III-W-2150/AB/94) und als Gegenstand "waffenrechtliche Angelegenheit" nennt und folgenden Inhalt hat:

"Im Hinblick auf die bereits vor Wochen erwartete Verleumdung meiner Gattin AP habe ich mich bereits frühzeitig meiner Waffen begeben, um Behauptungen meiner Gattin, ich hätte sie mit Waffen bedroht, unmöglich zu machen. Ich bin nicht im Besitz von Waffen. In der Anlage übersende ich Ihnen meine Waffenbesitzkarte ..."

Am 3. Juni 2002 übersandte der Vertreter des Beschwerdeführers per Fax (um 20.39 Uhr) folgende Vorstellung gegen das erstinstanzliche Waffenverbot:

"Gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Administrationsbüro, vom 15. Mai 2002, GZ III-W-2150/AB/94, führe ich durch meinen ausgewiesenen Vertreter in Konkretisierung meiner Stellungnahme vom 17. Mai 2002, innerhalb offener Frist meine Vorstellung

aus, wie folgt:

Der genannte Bescheid wird seinem ganzen Umfang nach zur Gänze angefochten.

Begründung:

1. Die Begründung des angefochtenen Bescheides stützt sich auf die unerwiesenen Behauptungen, daß ich meiner Gattin Haarbüschel ausgerissen und sie danach am Körper verletzt hätte und ich überdies nach den Angaben meiner Gattin in psychiatrischer Behandlung stehen würde.

2. Genannte Behauptungen sind unrichtig und entsprechen mit Maßgabe der untenstehenden Angaben nicht den Tatsachen.

3. Wahr ist vielmehr folgendes:

Wie ich bereits in meiner Stellungnahme vom 17. Mai 2002 ausgeführt habe, handelt es sich bei den Behauptungen meiner Gattin um Verleumdungen. Genannte Behauptungen sind offensichtlich aufgestellt worden um in einem Scheidungsverfahren Druck auf mich auszuüben.

...

Aus den angeführten Gründen wurde daher der Mandatsbescheid

zu Unrecht erlassen, sodaß ich stelle die

Anträge:

1. Die Bundespolizeidirektion Wien, Administrationsbüro möge das Ermittlungsverfahren einleiten und die beantragten Beweise aufnehmen;

2. und den angefochtenen Mandatsbescheid ersatzlos beheben.

Wien, am 30. Mai 2002"

Mit Bescheid vom 10. Juni 2002 wies die Bundespolizeidirektion Wien die Vorstellung gemäß § 57 Abs 2 AVG als verspätet zurück. Infolge der Zustellung des Waffenverbotsbescheides am 16. Mai 2002 habe die zweiwöchige Frist des § 57 Abs 2 AVG am 1. Juni 2002 geendet, die erst am 3. Juni 2003 übermittelte Vorstellung sei daher verspätet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen Folgendes ausführte:

"Wenn auch die Datierung eines Rechtsmittels für die Wahrung der Frist nicht ausreicht, so muß betont werden, daß die gegenständliche Vorstellung vom einschreitenden Vertreter persönlich am 29. Mai 2002 diktiert und nach dem Schreiben durch das Sekretariat am selben Tag auch persönlich am 30. Mai 2002 (Feiertag) Korrektur gelesen und verbessert wurde.

Nach dem Ausdrucken der gegenständlichen Vorstellung samt Unterschriftleistung wurde die Vorstellung am nächsten Tag, sohin am 31.05.2002 von Frau RAA Mag. Eva-Maria Held in 1130 Wien, Hietzinger Hauptstraße, zur Post gebracht, worüber auch ein Abfertigungsvermerk auf der Kopie des Schriftstückes angefertigt wurde.

Da die gegenständliche Vorstellung nicht eingeschrieben zur Post gebracht wurde, wurde sie lediglich sicherheitshalber am 03.06.2002 - sohin am nächsten Werktag und nochmals - an die Bundespolizeidirektion Wien, Administrationsbüro, per Fax abgefertigt."

Im Übrigen sei gegen den Mandatsbescheid inhaltlich bereits mit dem Schriftsatz vom 17. Mai 2002 (Stellungnahme samt Vorlage) Vorstellung erhoben worden, weil darin ausgeführt werde, dass die "Tathandlung" eine Verleumdung darstelle, der Beschwerdeführer vielmehr seine Gattin nicht mit Waffen bedroht habe.

Gleichzeitig beantragte er in diesem Schriftsatz - eventualiter - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung, verwies auf sein Vorbringen in der Berufung und führte ergänzend aus, es stelle höchstens einen minderen Grad des Versehens dar, wenn die Briefsendung am 31. Mai 2002 nicht mittels eingeschriebenem Brief an die Behörde gesendet, sondern "normal" zur Post gegeben worden sei. Der Umstand, dass die fristgerecht zur Post gegebene Vorstellung vermutlich nach der Aufgabe beim Postamt verloren gegangen sei, könne ihm nicht zur Last fallen. Auch stelle es höchstens ein Versehen minderen Grades dar, wenn die Vorstellung nicht gleichzeitig mittels Fax gesendet worden sei, zumal bereits die Übermittlung per Post fristwahrend gewesen sei.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2002 wies die erstinstanzliche Behörde den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs 1 AVG ab. Eine auf dem Postweg verschickte Vorstellung sei bei der Behörde nie, auch nicht verspätet, eingelangt; dringende Erledigungen würden beim Rechtsvertreter des Beschwerdeführers offenbar ausschließlich auf dem Faxweg erfolgen, zumal dies im Wiedereinsetzungsantrag auch so vorgenommen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Es sei unrichtig, dass dringende Erledigungen auf Seiten des Vertreters des Beschwerdeführers ausschließlich auf dem Faxweg erledigt würden. Vielmehr würden mit dem Passus "vorab per Telefax" versehene Schriftstücke grundsätzlich am selben Tag per Telefax und per Post versendet. Lediglich bei der Einbringung der gegenständlichen Vorstellung sei dies nicht gleichzeitig geschehen, weil auf Grund des Feiertages und des "Fenstertages" in der Kanzlei des Rechtsvertreters ein eingeschränkter Betrieb geherrscht habe und daher ausnahmsweise die Absendung per Telefax nicht am selben Tage, sondern am nächsten Werktag erfolgt sei.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 3. März 2003, Zl SD 589/02, wurde der Berufung gegen die Zurückweisung der Vorstellung nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die gegen das Waffenverbot gerichtete Vorstellung vom 30. Mai 2002 als Postsendung bei der erstinstanzlichen Behörde niemals eingelangt sei, weshalb es nicht mehr darauf ankomme, ob der Schriftsatz tatsächlich am 31. Mai 2002 zur Post gegeben worden sei; dieser Umstand könne allenfalls einen Wiedereinsetzungsgrund bilden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers könne die "Stellungnahme samt Vorlage" vom 17. Mai 2002 nicht als Vorstellung angesehen werden. Dem Inhalt des - nicht als Rechtsmittel bezeichneten - Schriftsatzes sei nicht zu entnehmen, dass es sich hiebei um ein Rechtsmittel gegen den Waffenverbotsbescheid handeln solle. Es sei nicht einmal abzuleiten, dass ein Bescheid angefochten werde noch dass der Beschwerdeführer mit der Erlassung eines Waffenverbotes nicht einverstanden sei. Vielmehr lasse sich aus dem Inhalt des Schreibens schließen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Verfassens noch keine Kenntnis vom Waffenverbotsbescheid gehabt habe oder trotz Kenntnis nur eine verfahrensdienliche Äußerung erstatten habe wollen. Überdies fehle jede Erklärung dafür, warum am 30. Mai 2002 nochmals eine Vorstellung erhoben werde, wenn eine solche bereits am 17. Mai 2002 eingebracht worden sei.

Mit dem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 3. März 2003, Zl SD 640/02, wurde auch der Berufung gegen den den Antrag auf Wiedereinsetzung abweisenden erstinstanzlichen Bescheid nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass er sich auf § 71 Abs 1 Z 1 AVG zu stützen habe.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AVG (in der Fassung BGBl I Nr 117/2002) lauten - auszugsweise - wie folgt:

"§ 13. (1) Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen können, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telephonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auch telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.

(2) Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen.

...

(5) ... Anbringen, die mit Telefax, im Wege

automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise binnen offener Frist eingebracht werden und außerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlangen, gelten als rechtzeitig eingebracht. Behördliche Entscheidungsfristen beginnen jedoch erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden zu laufen.

...

§ 33. ...

...

(3) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

...

§ 57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

...

§ 63. (1) Der Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel (Vorstellung) richten sich, abgesehen von den in diesem Bundesgesetz besonders geregelten Fällen, nach den Verwaltungsvorschriften.

...

(3) Die Berufung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

...

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein mindererGrad des Versehens trifft, oder

...

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

..."

Klarzustellen ist zunächst, dass die belangte Behörde unabhängig vom anhängigen Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers über die Frage der Verspätung der Vorstellung entscheiden durfte (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl 2002/03/0029, mwN).

In diesem Zusammenhang ist primär entscheidend, ob bereits der mit 17. Mai 2002 datierte, am 21. Mai 2002 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Schriftsatz ("Stellungnahme samt Vorlage") als Vorstellung im Sinne des § 57 Abs 2 AVG zu werten ist, weil es dann nicht mehr auf den Zeitpunkt der Aufgabe der (weiteren) Vorstellung vom 30. Mai 2002 ankäme (vgl das hg Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl 2003/03/0285).

Nach § 57 Abs 2 AVG kann gegen einen nach § 57 Abs 1 AVG erlassenen Bescheid bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Anders als § 63 Abs 3 AVG für Berufungen verlangt hier das Gesetz keinen "begründeten Antrag", zumal die Erhebung der Vorstellung zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und zu neuerlicher Entscheidung zu führen hat (§ 57 Abs 3 AVG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass eine unrichtige oder auch gänzlich fehlende Bezeichnung eines Schriftsatzes dessen Qualifikation als Berufung dann nicht hindert, wenn der Schriftsatz alle wesentlichen Merkmale einer Berufung enthält, nämlich die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag. Eine Eingabe muss aber, um überhaupt als Berufung überhaupt gewertet werden zu können, zumindest erkennen lassen, dass sich der Einschreiter durch eine bestimmte Entscheidung in einer Verwaltungssache als beschwert erachtet und deren Nachprüfung begehrt (vgl die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 97 f zu § 63 AVG zitierte hg Judikatur). Diese Grundsätze können insofern auf die Beurteilung eines Schriftsatzes als Vorstellung übertragen werden, als die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sich die Vorstellung richtet, zum wesentlichen Inhalt einer Vorstellung gehört, zumal § 57 Abs 2 AVG die Vorstellung "gegen einen nach Abs 1 erlassenen Bescheid" ermöglicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch schon vor der Änderung des § 13 AVG durch die Novelle BGBl I Nr 158/1998 in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass der Mangel der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides nur dann zur Zurückweisung (der Berufung) zu führen hat, wenn infolge dieses Mangels die Behörde nicht erkennen kann, gegen welche Entscheidung sich das Rechtsmittel richtet (vgl die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 111 zu § 63 AVG zitierte hg Judikatur). Im Hinblick auf die aus den Akten ersichtliche zeitliche Abfolge (am 16. Mai 2002 wurde das Waffenverbot vom 15. Mai 2002 an den Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt; der am 21. Mai 2002 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte, als "Stellungnahme und Vorlage" bezeichnete Schriftsatz datiert mit 17. Mai 2002 und nennt die Geschäftszahl des waffenrechtlichen Verfahrens, in dem das erwähnte Waffenverbot erlassen wurde) ist nicht erkennbar, dass sich dieser Schriftsatz auf einen anderen Bescheid beziehen könnte.

Seit der dargestellten Änderung des § 13 Abs 3 AVG ist ein Verbesserungsverfahren nicht mehr auf Formmängel beschränkt, vielmehr wird ganz allgemein auf Mängel schriftlicher Anbringen abgestellt, worunter auch inhaltliche Mängel zu subsumieren sind (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl 2001/03/0334, mwN).

Mit dem Schriftsatz vom 17. Mai 2002 (dessen Inhalt eingangs wiedergegeben wurde) hat der Beschwerdeführer zu erkennen gegeben, dass seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbots - bestimmte Tatsachen rechtfertigten die Annahme, er könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden - nicht vorlägen: Er sei nicht mehr im Besitz von Waffen; bei den Behauptungen seiner Gattin, er hätte sie bedroht, handle es sich um Verleumdungen.

Bei allfälligen Zweifeln an der Qualifikation eines Schriftsatzes wäre die Behörde verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zu einer entsprechenden Klarstellung zu veranlassen. Dem bedurfte es jedoch im Beschwerdefall nicht mehr, hat der Beschwerdeführer doch mit Schriftsatz vom 3. Juni 2002 klargestellt, dass (schon) sein Schriftsatz vom 17. Mai 2002 als Vorstellung zu werten sei.

Auf dem Boden dieser Sach- und Rechtslage hätte die belangte Behörde den Schriftsatz vom 17. Mai 2002 - mit dem der Schriftsatz vom 3. Juni 2002 eine Einheit bildet (vgl das hg Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl 2003/03/0285) - als - rechtzeitig eingebrachte -

Vorstellung ansehen müssen. Die Zurückweisung der Vorstellung als verspätet belastet den entsprechenden angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Hat der Beschwerdeführer aber die Frist für die Erhebung der Vorstellung nicht versäumt, so wurde er durch die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages nicht in Rechten verletzt, weil die Bewilligung der Wiedereinsetzung die Versäumung einer Frist bzw einer mündlichen Verhandlung voraussetzt.

Die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages bestätigt wurde, war deshalb gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff (insbesondere auch § 52 Abs 1) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003. Der Bund hat dem Beschwerdeführer die Kosten der erfolgreichen Beschwerde zu ersetzen, der Beschwerdeführer dem Bund den Schriftsatzaufwand für die erfolgreiche Gegenschrift und den halben Vorlageaufwand.

Wien, am 19. Dezember 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005030053.X00

Im RIS seit

13.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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