Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl (Arbeitgeber) und Mag. Karl Dirschmied (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kilian Franz O*****, vertreten durch Dr. Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef Pongratz-Platz 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Rückersatzes von Krankengeld und Familiengeld (110.263,70 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. November 1990, GZ 8 Rs 69/90-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5. April 1990, GZ 23 Cgs 4/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Es wird festgestellt, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, der beklagten Partei das vom 1.10.1988 bis 24.5.1989 empfangene Kranken- und Familiengeld von 110.263,70 S rückzuersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 1.331,60 S Umsatzsteuer mit 6.989,60 S bestimmten Revisionskosten zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat von der beklagten Partei vom 1.10.1988 bis 24.5.1989 Kranken- und Familiengeld von 110.263,70 S empfangen. Strittig ist, ob es sich dabei um zu Unrecht erbrachte Versicherungsleistungen handelt und ob die beklagte Partei berechtigt ist, diese Geldleistungen vom Kläger zurückzufordern.
Mit Bescheid vom 11.12.1989 stellte die beklagte Partei fest, daß der Kläger verpflichtet sei, ihr diesen Betrag binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides rückzuerstatten.
Der Kläger habe sich vom 1.12.1987 bis 18.6.1989 arbeitsunfähig im Krankenstand befunden. Auf Grund des im März 1989 von seinem Dienstgeber vorgelegten Beitragsgrundlagennachweises für 1988 und einer danach angeforderten detaillierten Bestätigung habe die beklagte Partei nachträglich festgestellt, daß der Kläger von seinem Dienstgeber während seiner Arbeitsunfähigkeit u.a. vom 1.10.1988 bis 18.6.1989 Folgeprovisionen von mehr als 50 vH der vollen Geld- und Sachbezüge vor Eintritt des Versicherungsfalles erhalten habe. Deshalb habe das Krankengeld während dieser Zeit nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG geruht, so daß der Kläger die im genannten Zeitraum erbrachten Geldleistungen von 110.263,70 S zu Unrecht empfangen habe. Weil der Kläger diesen Überbezug durch Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt habe und sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausgestellt habe, daß diese zu Unrecht erbracht worden seien, sei der Kläger zum Rückersatz verpflichtet.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage mit dem Begehren, daß die Leistungsrückforderung der beklagten Partei in der Höhe von 110.263,70 S gegenüber dem Kläger nicht zu Recht bestehe, bestritt der Kläger die im angefochtenen Bescheid behaupteten Rückforderungsgründe. Die ihm zugeflossenen Folgeprovisionen seien niemals strittig gewesen und hätten daher nicht nachträglich festgestellt werden müssen. Die beklagte Partei habe von ihnen nur nachträglich Kenntnis erlangt. Der Kläger habe auch alle zumutbaren Schritte unternommen, um eine Verletzung der Meldepflicht hintanzuhalten. Er habe sich zu Beginn seines Krankenstandes bei berufenen Stellen erkundigt, ob eventuelle Folgeprovisionen den Anspruch auf Krankengeld zum Ruhen bringen könnten. Er habe die klare Auskunft erhalten, daß dies nicht der Fall wäre, wobei ihm die (unter SSV 25/12) veröffentlichte E des OLG Wien 21.1.1985 vorgelesen worden sei. Auf Grund der ihm bekannten herrschenden Rechtslage habe er eine Meldung der Folgeprovisionen nicht für nötig gehalten und damit im Vertrauen auf eine einheitliche Rsp gehandelt. Die Meinung, daß auch Folgeprovisionen zum Ruhen des Krankengeldanspruches führten, werde den besonderen Verhältnissen eines Provisionsvertreters nicht gerecht, der während des Krankenstandes an der Akquirierung neuer Verträge gehindert sei, weshalb er später einen Ausfall an Folgeprovisionen erleide.
Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen und dem Kläger den Rückersatz von 110.263,70 S binnen vierzehn Tagen aufzuerlegen. Sie wendete unter Hinweis auf die (unter SSV-NF 1/59 = ZAS 1988, 27 veröffentlichte) E des erkennenden Senates 30.11.1987 ein, daß der Kläger vom 1.10.1988 bis 24.5.1989 Kranken- und Familiengeld von 110.263,70 S zu Unrecht bezogen habe, weil diese Leistungen wegen des Anspruches auf Folgeprovisionen zur Gänze geruht hätten. Weil der Kläger die beklagte Partei entgegen der ausdrücklichen Meldepflicht gemäß § 40 ASVG vom Fortbezug des Entgeltes in Form der Folgeprovisionen nicht in Kenntnis gesetzt habe, sei er zum Rückersatz verpflichtet. Aus der zit. Bestimmung und aus der Rsp ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Zahlungsempfänger durch eine Änderung der Rechtslage seiner Meldeverpflichtung enthoben wäre. Deshalb komme es nicht darauf an, ob der Kläger gewußt habe, daß Folgeprovisionen (nach der Rsp des OLG Wien) keinen Einfluß auf den Bezug von Barleistungen aus der Krankenversicherung hatten. Geldleistungen seien auch zurückzufordern, wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstelle, daß sie zu Unrecht erbracht worden seien.
Das Erstgericht wies die Klage ab und legte dem Kläger den Rückersatz von 110.263,70 S in 15 monatlichen Teilbeträgen auf.
Es ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Der Kläger arbeitet bei einem Versicherungsunternehmen als Angestellter. Er verdiente vor seinem Krankenstand ein monatliches Fixum von 3.000 S brutto und Provisionen zwischen 12.000 S und 15.000 S netto. Vom 1.12.1987 bis 18.6.1989 befand er sich arbeitsunfähig im Krankenstand. Während dieser Zeit bezog er von der beklagten Partei vom 1.10.1988 bis 24.5.1989 Kranken- und Familiengeld von insgesamt 110.263,70 S. Gleichzeitig erhielt er von seinem Arbeitgeber in den Monaten Februar 1988 bis Juni 1989 die im erstgerichtlichen Urteil für jeden Monat angeführten Bruttoprovisionen, und zwar unter der Provisionsnummer 4841.102 insgesamt 275.785,80 S, unter der Provisionsnummer 4841.101 14.660 S. Als der Kläger zu Beginn des Krankenstandes bei einem Angestellten der beklagten Partei die Auszahlung des Krankengeldes monierte, sagte ihm dieser, daß diese ohnehin anlaufe, derzeit bezöge er ohnehin Provisionen. Anläßlich eines weiteren Besuches des Klägers im Mai 1989 teilte man ihm seitens der beklagten Partei mit, er bekäme kein Krankengeld, weil er Provisionen bezogen habe. Von Anrechnungsbestimmungen der Folgeprovisionen auf das Krankengeld wußte der Kläger nichts. Eine Person in der Position des Klägers hätte jedoch bei Aufwendung durchschnittlicher Sorgfalt den Bezug von Folgeprovisionen neben dem Krankengeldbezug der beklagten Partei gemeldet. Erkundigungen, ob Folgeprovisionen auf das Krankengeld angerechnet würden, "hob" (wohl: holte) der Kläger nicht ein.
In der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht, der E des erkennenden Senates SSV-NF 1/59 folgend, davon aus, daß der Anspruch des Klägers auf Kranken- und Familiengeld in der Zeit vom 1.10.1988 bis 24.5.1989 wegen der in diesem Zeitraum bezogenen Folgeprovisionen ruhte, so daß die beklagte Partei dem Kläger in dieser Zeit zu Unrecht Kranken- und Familiengeld von 110.263,70 S erbracht habe. Der Kläger habe diesen Überbezug durch eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Meldepflicht herbeigeführt, weil er der beklagten Partei entgegen § 40 ASVG nicht jede Änderung in den für den Fortbestand der Bezugsberechtigung maßgebenden Verhältnissen binnen zwei Wochen angezeigt habe. Er habe zwar nichts davon wissen müssen, daß Folgeprovisionen auf das bezogene Krankengeld anzurechnen seien. Es reiche jedoch aus, daß ein maßstabgerechter Mensch in der Position des Klägers bei gehöriger Aufmerksamkeit den Bezug der Folgeprovisionen angezeigt hätte. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Kläger durch den gleichzeitigen Bezug von Folgeprovisionen und Kranken- bzw. Familiengeld während des Krankenstandes eine Verdoppelung seiner Einkünfte erfahren habe.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens (eigentlich Feststellungsmangels), unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.
Es verneinte die behauptete Mangelhaftigkeit, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und schloß sich auch der vom erkennenden Senat in der E SSV-NF 1/59 vertretenen Rechtsansicht an. Für deren Richtigkeit spreche auch der vorliegende Fall, in dem der Kläger während des Krankenstandes Zuwendungen im doppelten Ausmaß seines sonstigen Bezuges erhalten habe. Dies könne nicht im Sinne der Sozialversicherungsgesetze sein. Die Meinung des Klägers, er wäre schlechter gestellt als andere Versicherungsnehmer, weil er während des Krankenstandes keine Versicherungsverträge abschließen könne und nach dem Krankenstand mit einem Absinken der Folgeprovisionen rechnen müsse, sei unrichtig. Folgeprovisionen liefen erst mit dem Ende des Versicherungsvertrages aus und würden daher meist Jahre hindurch bezogen, weshalb nach dem Ende des Krankenstandes nicht mit einem erheblichen Absinken der Einkünfte zu rechnen sei. In der gleichen Lage befinde sich ein Dienstnehmer, dessen Dienstverhältnis mit Anspruch auf Kündigungsentschädigung beendet werde. In einem solchen Fall könne der Krankenversicherungsträger nach der E des OLG Wien SSV 21/10 das Krankengeld zurückfordern, wenn für denselben Zeitraum zunächst Krankengeld und dann eine Kündigungsentschädigung gewährt worden sei, weil letztere Entgelt darstelle. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, der beklagten Partei den Bezug von Folgeprovisionen während des Krankenstandes gemeldet zu haben. Er habe darüber auch keine Erkundigungen eingezogen. Deshalb sei nicht darauf einzugehen, welche Rechtsauskünfte ihm erteilt worden seien. Sein Verschulden liege nicht in der Unterlassung der Erkundigungen, sondern darin, daß er trotz der Verdoppelung seiner Einkünfte während des Krankenstandes untätig geblieben sei. Es hätte ihm auffallen müssen, daß diese Einkommensgestaltung nicht gerechtfertigt sein konnte. Da er dennoch untätig geblieben sei, müsse ihm zumindest leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.
Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder allenfalls es, eventuell auch das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sozialrechtssache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.
Die nach § 46 Abs 1 Z 2 ASGG zulässige Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.)
Nach § 107 Abs 1 hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte
Geldleistungen ..... zurückzufordern, wenn der Zahlungsempfänger
(§ 106) ... den Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte
Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der
Meldevorschriften (§ 40) herbeigeführt hat oder .... erkennen
mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte (Satz 1). Geldleistungen sind ferner zurückzufordern, wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstellt, daß sie zu Unrecht erbracht wurden (Satz 2).
Von den im 1. Satz genannten besonderen Rückforderungstatbeständen kommen die Herbeiführung des Kranken- und Familiengeldbezuges durch bewußt unwahre Angaben oder bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen von vornherein nicht in Frage, weil diesbezüglich von der beklagten Partei nichts behauptet wurde und sich im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte ergaben.
Aber auch die beiden anderen Rückforderungsgründe dieses Satzes und der im 2. Satz genannte Rückforderungsgrund liegen nicht vor.
Nach § 40 Satz 1 sind die Zahlungsempfänger (§ 106) verpflichtet, jede Änderung in den für den Fortbestand der Bezugsberechtigung maßgebenden Verhältnissen .... binnen zwei Wochen dem zuständigen Versicherungsträger anzuzeigen.
Eine Verletzung der Meldevorschriften liegt schon bei leichter Fahrlässigkeit vor. Dabei sind die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Verschuldensmaßstäbe der §§ 1294 und 1297 ABGB heranzuziehen (SSV-NF 1/69; 3/96; 4/37 und 91). Leichte Fahrlässigkeit ist jedes nicht extreme Abweichen von der gebotenen Sorgfalt (ohne Schädigungsabsicht), sofern es subjektiv vorwerfbar ist (SSV-NF 3/96; 4/37 jeweils mwN). § 1294 ABGB spricht von einem "Versehen, wenn der Schaden aus schuldbarer Unwissenheit oder aus Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist". Nach § 1296 ABGB gilt "im Zweifel die Vermutung, daß ein Schaden ohne Verschulden eines anderen entstanden sei". Nach § 1297 leg.cit. "wird aber auch vermutet, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Wer bei Handlungen, woraus eine Verletzung der Rechte eines anderen entsteht, diesen Grad des Fleißes oder der Aufmerksamkeit unterläßt, macht sich eines Versehens schuldig". Es ist daher zu fragen, wie sich der maßstabgerechte Durchschnittsmensch oder eine sorgfältige Person in der konkreten Lage verhalten hätte (SSV-NF 3/96; 4/37 jeweils mwN).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann dem Kläger keine schuldhafte Verletzung der Meldevorschriften (§ 40) vorgeworfen werden.
Daß der Kläger eine Meldung trotz ausdrücklicher Belehrung unterlassen hätte, was regelmäßig ein Verschulden begründen würde (SSV-NF 1/69; 4/91), wurde nie behauptet und ist auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen. Daß ein Leistungsempfänger meint oder weiß, daß der zu meldende Sachverhalt dem Versicherungsträger schon bekannt ist, wird im allgemeinen auf sein Verschulden ohne Einfluß sein, weil dadurch allein die Meldepflicht nicht aufgehoben wird und er auch nicht davon ausgehen darf. Etwas anderes gilt aber, wenn der Leistungsempfänger aus besonderen Gründen annehmen durfte, daß die Meldung auf das Vorgehen des Versicherungsträgers keinen Einfluß haben würde, weil dieser etwa schon zum Ausdruck gebracht hat, daß er die zu meldende Tatsache für nicht erheblich halte, oder wenn er schon ergänzende Erhebungen zu dem zu meldenden, ihm aber schon bekannten Sachverhalt veranlaßt hat. In solchen Fällen ist dem Leistungsempfänger zuzubilligen, daß er seine Meldung für völlig bedeutungslos hält und daher davon ausgehen darf, dazu nicht mehr verpflichtet zu sein (SSV-NF 4/91).
Diese Ausnahme trifft beim Kläger zu. Als er nämlich zu Beginn des Krankenstandes bei einem Angestellten der beklagten Partei die Auszahlung des Krankengeldes monierte, sagte ihm dieser, daß sie ohnehin anlaufe, derzeit bezöge er ohnehin Provisionen. Deshalb durfte der Kläger annehmen, daß der dem Versicherungsträger bereits bekannte Bezug von Provisionen während des Krankenstandes auf den Krankengeldbezug keine Auswirkungen haben werde. Es durfte daher davon ausgehen, daß ihn diesbezüglich keine Meldepflicht treffe.
Deshalb kann auch nicht mit Grund gesagt werden, der Kläger hätte als Zahlungsempfänger erkennen müssen, daß ihm das neben den Folgeprovisionszahlungen geleistete Kranken- bzw. Familiengeld nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. (Zur Auslegung dieses Rückforderungstatbestandes wird auf SSV-NF 2/68 mwN verwiesen.)
Schließlich liegt auch der im § 107 Abs 1 letzter Satz genannte besondere Rückforderungstatbestand nicht vor. Zur Auslegung dieses Satzes wird zunächst auf die E des erkennenden Senates SSV-NF 2/29 und 127 Bezug genommen. In der zweitgenannten E wurde ausgeführt, es sei dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß es sich bei der nachträglichen Feststellung (eines Anspruches auf Weiterleistung der Geld- oder Sachbezüge) um eine Feststellung durch eine gerichtliche Entscheidung handeln müsse. Ein solcher Weiterleistungsanspruch könne auch durch einen zwischen den Dienstvertragspartnern geschlossenen gerichtlichen Vergleich festgestellt werden. Die Wortfolge "wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge" darf jedoch nicht iS von "wegen eines (dem Versicherungsträger, der Leistungen zu Unrecht erbracht hat,) nachträglich bekanntgewordenen Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge" mißverstanden werden.
Daraus ergibt sich, daß der Kläger mangels eines Rückforderungstatbestandes nach § 107 Abs 1 nicht zum Rückersatz der von der beklagten Partei rückgeforderten Kranken- bzw. Familiengeldbezüge verpflichtet ist. Deshalb mußte nicht geprüft werden, ob es sich dabei um zu Unrecht erbrachte Leistungen handelt. Der erkennende Senat mußte daher hier nicht auf die Jabornegg aaO folgende Kritik des Klägers an der E SSV-NF 1/59 = ZAS 1988, 27 eingehen. Es sei aber bemerkt, daß der erkennende Senat in der E 12.3.1991 10 Ob S 70/91 an der kritisierten Rsp festgehalten hat.
Daher war der Revision Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen waren im klagestattgebenden Sinne abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
Anmerkung
E26086European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00062.91.0312.000Dokumentnummer
JJT_19910312_OGH0002_010OBS00062_9100000_000