TE OGH 1991/3/12 10ObS53/91

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Veröffentlicht am 12.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl (Arbeitgeber) und Mag. Karl Dirschmied (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Norbert Lehner und Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei ALLGEMEINE UNFALLVERSICHERUNGSANSTALT (Landesstelle Wien), Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Entschädigung nach dem Unfall vom 20. September 1987, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 1990, GZ 33 Rs 151/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 1. März 1990, GZ 4 Cgs 242/89-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 9. August 1989 lehnte die beklagte Partei einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom 20. September 1987 ab, weil die Voraussetzungen des § 176 Abs. 1 Z 7 ASVG nicht vorlägen.

Die dagegen - nach den gemäß § 509 Abs. 3 ZPO durch einen ersuchten Richter des Erstgerichtes unter Zuziehung der Parteien durchgeführten Erhebungen und Beweisaufnahmen

rechtzeitig - erhobene auf "Bezahlung einer Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom 20. September 1987" gerichtete Klage stützt sich darauf, daß sich der Kläger am genannten Tag von seiner Wohnung in *****W***** zur Wohnung des Abschnitts(feuerwehr)kommandanten (von N*****) in *****L***** begeben habe, wo eine schon länger geplante, der Verfassung einer Einladung zur Atemschutzeinsatzübung der Feuerwehren des Unterabschnittes 8 am 3. Oktober 1987 dienende Besprechung vereinbart gewesen sei. Die Besprechung sei deshalb für den Sonntag angesetzt worden, weil der Kläger wegen beruflicher Überlastung während der Woche keine Zeit gehabt habe und vor einem kurz bevorstehenden Urlaub noch alle andrängenden Termine erledigt werden sollten. Weil es Sonntag gewesen sei und schönes Wetter geherrscht habe, sei er mit dem Fahrrad gefahren, wobei ihn seine Frau mit dem Hund begleitet habe. Im Ortsgebiet von R***** sei der Kläger bzw. sein Hund von zwei Schäferhunden angefallen worden, zu Sturz gekommen und schwer verletzt worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie wendete ein, der Kläger sei damals mit seiner Frau mit dem Rad zu einer Besprechung wegen eines Atemschutzeinsatzes beim Abschnittskommandanten gefahren. Das Ehepaar habe seinen Hund an der Leine mitgeführt. Als sich zwei Schäferhunde aus einem Haus auf seinen Hund gestürzt und zu raufen begonnen hätten, sei der Kläger zu Sturz gekommen. Weil die Mitnahme des Hundes auf dem Weg zur Besprechung und das Eingreifen des Klägers in die Rauferei der Hunde seiner privaten Sphäre zuzurechnen und in keinem Zusammenhang und Interesse der örtlichen Feuerwehr gestanden seien, liege kein versicherter Arbeitsunfall vor.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Dabei ging es im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der Kläger war (jedenfalls) am 20. September 1987 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr N*****, wo er die Funktion des Leiters des Finanzverwaltungsdienstes innehatte. Daneben übte er auf höherer Ebene die Funktion des Leiters des Verwaltungsdienstes des Abschnittsfeuerwehrkommandos N***** aus, das seinen Sitz am Wohnsitz des Abschnittsfeuerwehrkommandanten in *****L***** hat. Für Herbst 1987 war in einem Unterabschnitt dieses Abschnitts, dem sechs Feuerwehren angehören, eine Atemschutzübung vorgesehen, die zur Sicherstellung ihres zweckentsprechenden Verlaufes "ausgeschrieben" werden mußte. Deshalb forderte der Abschnittsfeuerwehrkommandant den Kläger auf, mit ihm (letztlich) am 20. September 1987 um 19.00 Uhr am Sitz des Abschnittskommandos Zeit, Ort und konkreten Ablauf der Atemschutzübung zu besprechen. Der Kläger hätte dann im Sinne dieser Besprechung vom Abschnittskommandanten den Auftrag erhalten, die Übung "auszuschreiben", dafür einen Feuerwehrarzt und einen Sachbearbeiter zur Überprüfung der Übungsgeräte vor der eigentlichen Übung stellig zu machen und ein geeignetes Übungsobjekt am Übungsort zu organisieren. Die Wegstrecke zwischen dem Wohnsitz des Klägers (W*****) und dem Besprechungsort (L*****) beträgt zwischen vier und fünf Kilometer, das Gelände verläuft im wesentlichen eben. Um pünktlich um 19.00 Uhr in L***** zu sein, entschloß sich der Kläger, gegen 17.45 Uhr von zu Hause mit dem Fahrrad aufzubrechen. Damit er den Weg nicht alleine machen müsse, fuhr seine Frau mit einem Fahrrad mit und wurde auch der Hund des Klägers mitgenommen. Der Hund lief, vom Kläger an der Leine gehalten, neben dem Fahrrad her. Der Kläger gab der Fahrt zum Abschnittskommandanten auch den Charakter einer "Spazierfahrt". Gegen 18.00 Uhr, also etwa 15 Minuten nach der Abfahrt, passierten der Kläger und seine Frau die Ortschaft R*****. Als sie sich einem Anwesen näherten, dessen Eigentümer zwei Schäferhunde halten, die vorher schon zweimal Menschen Bißwunden zugefügt hatten, erkannte die Frau des Klägers, daß sich diese Hunde im Garten des Anwesens aufhielten und daß das Tor geöffnet war. Sie warnte den Kläger vor den Hunden. Dieser stieg sogleich vom Rad und ließ es fallen. In diesem Augenblick kam schon ein Schäferhund aus dem Garten gelaufen und stürzte sich auf den Hund des Klägers, den dieser nach wie vor an der Leine führte. In der nun beginnenden Rauferei zwischen seinem Hund und dem ersten Schäferhund versuchte der Kläger, diesen abzuwehren. Nun kam auch der zweite Schäferhund herbei und beteiligte sich an der Rauferei der beiden anderen Hunde. Der Kläger versuchte nun, die Schäferhunde durch Schreien, Schlagen und Treten von seinem Hund abzuwehren. Nunmehr ließen die Schäferhunde vom Hund des Klägers ab, fielen jedoch über den Kläger her. Dieser versuchte, die beiden Hunde abzuwehren und kam dabei zu Sturz. Durch den Sturz erlitt der Kläger, der von den beiden Hunden nicht am Körper gebissen wurde, - hingegen wurde seine Kleidung (Trainingsanzug) durch Bisse beschädigt, - Körperbeschädigungen (Verrenkung im rechten Ellbogengelenk mit Bruch des Speichenköpfchens und eine Wunde am rechten Knie). Durch die Folgen der Armverletzungen ist der Kläger seit dem Ende des Krankenstandes (1. November 1987) bis auf weiteres in seiner Erwerbsfähigkeit um 20 vH gemindert.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß Wege von Mitgliedern von freiwilligen Feuerwehren (Feuerwehrverbänden), die der Vorbereitung einer technischen Feuerwehrübung dienen, grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stünden. Weil der Kläger diesen Weg durch die Mitnahme seines Hundes freizeitmäßig (mit)gestaltet habe, habe er auch im eigenwirtschaftlichen Interesse gehandelt und die Gefahr derart vergrößert, daß der Versicherungsschutz nicht zum Tragen komme.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.

Es ging davon aus, daß der Kläger, als er sich am 20. September 1987 auf den Weg zur Besprechung mit dem Abschnittskommandanten begeben habe, unter dem Versicherungsschutz des § 176 Abs. 1 Z 7 ASVG gestanden sei. Allerdings sei grundsätzlich nur der direkte Weg von der Wohnung zum Arbeitsplatz (hier dem Besprechungsort) geschützt. Werde dieser Weg durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen, so stehe diese selbst nicht unter Versicherungsschutz. Würden auf einem Weg eigenwirtschaftliche und geschützte Aufgaben erledigt und lasse sich der Weg klar in diesen Aufgaben dienende Teile zerlegen, dann sei nur der betrieblichen Aufgaben dienende Teil des Weges geschützt. Der eigenwirtschaftliche Charakter werde nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die auf dem Weg erledigte eigenwirtschaftliche Verrichtung in irgendeiner Beziehung zur geschützten Beschäftigung stehe, sie müsse mit dieser vielmehr im ursächlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen. Der Kläger habe auf dem grundsätzlich geschützten Weg zum Besprechungsort seinen Hund mitgenommen, der von zwei Schäferhunden angegriffen worden sei. Als der Kläger versucht habe, seinen Hund vor den Schäferhunden zu schützen und diese abzuwehren, sei er gestürzt und habe sich verletzt. Der Schutz seines Hundes stelle aber eine im höchstpersönlichen Interesse des Klägers gelegene, mit der vom Abschnittskommandanten angeordneten Besprechung in keinem Zusammenhang stehende eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar, durch die der innere Zusammenhang zur geschützten Tätigkeit gelöst worden sei.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs. 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs. 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 176 Abs. 1 Z 7 ASVG sind den Arbeitsunfällen Unfälle

gleichgestellt, die sich in Ausübung der den Mitgliedern von

freiwilligen Feuerwehren (Feuerwehrverbänden), ... im Rahmen der

Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalles obliegenden

Pflichten ... ereignen.

Dieser Versicherungsschutz erstreckt sich gemäß § 176 Abs. 5 ASVG iVm § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG auch auf die damit rechtlich wesentlich zusammenhängenden Wege zum und vom Ort der Ausübung dieser Pflichten. Daher ist auch ein Unfall auf einem Weg zum und vom Ort der Ausübung der den Mitgliedern von freiwilligen Feuerwehren (Feuerwehrverbänden) obliegenden Pflichten nur dann einem Arbeitsunfall gleichgestellt, wenn er sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Ausübung dieser Pflichten ereignet (§ 175 Abs. 1 ASVG).

Deshalb besteht auch auf einem Weg zum und vom Ort einer solchen Pflichtenausübung dann kein Unfallversicherungsschutz, wenn die Zurücklegung des Weges keine wesentliche Ursache des Unfalls ist, sondern sich der Unfall nur gelegentlich der Zurücklegung des Weges eignet. Das Feuerwehrmitglied genießt auf solchen Wegen keinen weitergehenden Versicherungsschutz als bei der Pflichtenausübung selbst (so zB. auch Brackmann, aaO 72. Nachtrag 486 c bis 486 dI).

Das Bundessozialgericht hat zB. den Versicherungsschutz nach dem dem § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG entsprechenden § 550 Abs. 1 RVO bei einem Arbeitnehmer verneint, der sich auf dem Heimweg vom Ort seiner Tätigkeit dadurch verletzte, daß er in die Aktentasche griff, um einen Apfel herauszunehmen und sich dabei an einem in der Tasche befindlichen offenen Messer schnitt (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 37). Diese Unfallgefahr war auf dem Heimweg weder entstanden noch latent vorhanden; sie war vielmehr unabhängig von Zurücklegen des Heimweges überall dort gegeben, wo sich der Träger der Aktentasche in deren Nähe aufhielt. Der Unfall ereignete sich deshalb nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Zurücklegen des Heimweges, sondern nur gelegentlich desselben (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 53).

Gleiches hat (grundsätzlich) auch zB. für den Biß des mitgeführten eigenen Hundes zu gelten (Brackmann, aaO 72. Nachtrag 486 dI mit weiteren Fundstellen der beiden zit. E des BSG), weil das Mitführen des eigenen Hundes (in der Regel - eine Ausnahme wäre zB. ein Blindenführhund) nicht dem Zurücklegen des Weges zum oder vom Ort der versicherten Tätigkeit dient (Brackmann, aaO 72. Nachtrag 486 f), sondern üblicherweise nur im privaten Interesse liegt.

Das trifft auch im vorliegenden Fall zu, in dem der Kläger zwar nicht vom mitgeführten eigenen Hund gebissen, sondern von zwei fremden Hunden zu Sturz gebracht wurde, die mit seinem Hund gerauft hatten und über den Kläger hergefallen waren, nachdem es ihm durch Schreien, Schlagen und Treten gelungen war, sie von seinem Hund abzuwehren. Wegen dieses engen wesentlichen Zusammenhanges der Verletzung des Klägers mit dem nur in seinem privaten Interesse gelegenen Schutz seines mitgeführten eigenen Hundes ereignete sich dieser Unfall nur gelegentlich der Zurücklegung des Weges zur versicherten Pflichtenausübung und ist daher einem Arbeitsunfall nicht gleichzuhalten. Anders wäre es, wenn der Kläger von den beiden fremden Hunden ohne den festgestellten engen Zusammenhang mit seinem mitgeführten eigenen Hund zu Sturz gebracht worden wäre, weil dann ein mit dem Zurücklegen des Weges ursächlich zusammenhängender Unfall vorläge (so auch Brackmann, aaO 72. Nachtrag 486 f).

Ähnlich wie in dem zu SSV-NF 4/52 entschiedenen Fall, in dem der erkennende Senat ausführte, daß der Versicherte, der sich mit seinem Auto auf dem Weg zur Arbeitsstätte befand und dabei einen anderen Verkehrsteilnehmer durch verkehrswidriges Fahren, grundlose Belehrungen und Anspucken provoziert hatte, während der anschließenden tätlichen Auseinandersetzung nicht unter Unfallversicherungsschutz stand, weil der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall wegen einer aus betriebsfremden Motiven selbstgeschaffenen Gefahr fehlte, lag es im nunmehr zu entscheidenden Fall nahe, daß sich die mit dem vom Kläger mitgeführten Hund raufenden fremden Hunde gegen den sie anschreienden, schlagenden und tretenden Kläger wenden werden, zumal nicht nur Hundebesitzern bekannt ist, daß miteinander raufende Hunde in solchen Fällen sogar häufig ihren Halter bedrohen oder gar verletzen. Damit lag aber nicht mehr ein zur allgemeinen Risikosphäre des Weges zum Ort der Pflichtenausübung gehörender bloßer Angriff durch fremde Hunde vor, der noch dem geschützten Zurücklegen des Weges zugerechnet werden könnte. Dieser Weg war daher nur mehr Schauplatz der Verwirklichung einer mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängenden selbstgeschaffenen Gefahr.

Daß die beiden fremden Hunde den Kläger auch dann angegriffen hätten, wenn er seinen Hund nicht mitgeführt oder nicht auf die festgestellte Art in die Rauferei der Hunde eingegriffen hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt, so daß die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzgemäß ausgeführt ist.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E25327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00053.91.0312.000

Dokumentnummer

JJT_19910312_OGH0002_010OBS00053_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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