Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adalbert H*****, vertreten durch Dr. Otto Philp, Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gabriele T*****, vertreten durch Dr. Gerhard Renner und Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 87.432,40 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. November 1990, GZ 14 R 79/90-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Jänner 1990, GZ 25 Cg 123/87-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.094,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 849,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger führte für die im Eigentum der Beklagten stehenden Häuser O*****-Straße ***** und B*****-Gasse ***** Dachdeckerarbeiten durch. Das Bezirksgericht Hernals hatte mit Grundsatzentscheidung ausgesprochen, daß das Erfordernis für notwendige Dachdeckerarbeiten für das Haus O*****-Straße *****
S 266.860,-- und für das Haus B*****-Gasse *****
S 172.952,-- beträgt. Die Parteien vereinbarten bezüglich der durchzuführenden notwendigen Erhaltungsarbeiten (§ 18 MRG), daß die Zahlung an den Kläger nach Maßgabe der behördlichen Genehmigung der Teil- und der Schlußrechnung und nach Maßgabe der Zuzählung des Darlehens zu erfolgen habe (Beilage 8). Der Kläger legte während seiner Tätigkeit für beide Häuser Teilrechnungen ohne Umsatzsteuer, und zwar für das Haus O*****-Straße ***** über einen Gesamtbetrag von S 264.210,-- und für das Haus B*****-Gasse ***** über einen Gesamtbetrag von S 172.952,--. Die Beklagte bezahlte diese Beträge. Am 16. September 1985 legte der Kläger Schlußrechnung, und zwar begehrte er für das Haus O*****-Straße ***** S 348.832,52 plus 20 % Umsatzsteuer im Betrag von S 69.766,50, insgesamt daher S 418.599,02. Für das Haus B*****-Gasse ***** begehrte er S 221.781,22 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer im Betrag von S 44.356,24, zusammen somit
S 266.137,46. In den Schlußrechnungen sind die bereits bezahlten Teilbeträge der Teilrechnungen ausgewiesen. Am 30. Oktober 1986 reichte die Beklagte die Schlußrechnungen zur Überprüfung ein, eine Entscheidung darüber erfolgte noch nicht.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage einen Betrag von S 87.432,40 als in der Schlußrechnung verzeichnete, für die Teilrechnungen zu leistende Umsatzsteuer.
Die Beklagte wendete ein, die begehrten Beträge seien noch nicht fällig, weil die Rechnungen von der Behörde noch nicht genehmigt worden seien. Überdies sei Fälligkeit auch deshalb nicht eingetreten, weil die Arbeiten mangelhaft seien und trotz wiederholter Rüge keine Behebung der Mängel erfolgt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, nach der Vereinbarung hätten Zahlungen erst nach Maßgabe der behördlichen Genehmigung der Teil- und Schlußrechnungen zu erfolgen. Insoweit die Beklagte Teilrechnungen, in welchen keine Umsatzsteuer ausgewiesen gewesen sei, gezahlt habe, habe es sich um Akontozahlungen der noch nicht fälligen Teilrechnungen gehandelt. Die begehrte Umsatzsteuer sei erst in den Schlußrechnungen verrechnet worden, und zwar global, nicht für die einzelnen Teilrechnungen. Die Umsatzsteuer der Teilrechnungen sei daher noch nicht fällig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, zwischen der Entstehung der Steuerschuld des Unternehmers und der zivilrechtlichen Verpflichtung des Werksbestellers zur Zahlung der Umsatzsteuer an den Unternehmer sei zu unterscheiden. Nach § 19 Abs. 2 UStG 1972 entstehe die Umsatzsteuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen grundsätzlich mit dem Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden seien. Gemäß § 1170 ABGB sei das Entgelt in der Regel nach vollendetem Werk zu entrichten. Werde das Werk in gewissen Abteilungen erbracht, sei der Unternehmer befugt, einen verhältnismäßigen Teil des Entgelts schon vorher zu fordern. "In der Regel" heiße, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Der Begriff des Entgelts umfasse neben dem Werklohn auch die Umsatzsteuer, welche gleichzeitig mit dem Werklohn zu zahlen sei. Die Umsatzsteuerbeträge seien zivilrechtlich Teil des vereinbarten Entgelts. Sie würden unabhängig von der Entstehung der Steuerschuld des Unternehmers (§ 19 Abs. 2 UStG 1972) im privatrechtlichen Verhältnis zwischen Unternehmer und Besteller dann fällig, wenn die Entgeltforderung als solche fällig werde. Mit der Fälligkeit des Werklohnes habe demnach der Werkbesteller auch die Umsatzsteuer an den Unternehmer zu entrichten. Es könne daher die Entstehung der Steuerschuld des Unternehmers durchaus von der zivilrechtlichen Verpflichtung des Werkbestellers zur Zahlung der Umsatzsteuer an den Unternehmer abweichen. Nach Zivilrecht sei etwa der Werkbesteller zur Zahlung des Entgelts (Werklohn und Umsatzsteuer) bei mangelhaft erbrachtem Werk nicht verpflichtet. Bis zur Verbesserung der Mängel könne der Besteller das gesamte Entgelt zurückhalten, auch wenn der Unternehmer die Umsatzsteuer bereits entrichtet habe. Um einen Vorsteuerabzug ermöglichen zu können (§ 12 UStG 1972), seien Rechnungen auszustellen, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen sei (§ 11 UStG 1972). Weise eine Rechnung die Umsatzsteuer nicht gesondert auf, so sei - sofern nichts anderes vereinbart worden sei - davon auszugehen, daß die Umsatzsteuer darin enthalten sei. Im vorliegenden Fall hätten die Parteien eine Vereinbarung getroffen, wonach Zahlungen erst nach der behördlichen Genehmigung der gelegten Teil- und Schlußrechnungen zu erfolgen hätten. Die Parteien hätten demnach eine Fälligkeitsvereinbarung getroffen. Die mit den Teilrechnungen zur Zahlung vorgeschriebenen Beträge enthielten aber keine Umsatzsteuer. Die Beklagte sei daher mit der Legung der Teilrechnungen auch nicht zur Zahlung einer Umsatzsteuer verpflichtet. Sie wäre mangels einer behördlichen Genehmigung nach der getroffenen Vereinbarung aber auch nicht zur Begleichung der Teilrechnungen verpflichtet gewesen. Es könne daher mangels Fälligkeit der Teilrechnungen von Vorschußleistungen der Beklagten ausgegangen werden. Erst mit den Schlußrechnungen seien der Beklagten auch die Umsatzsteuern - allerdings für die Gesamtbeträge - zur Zahlung vorgeschrieben worden. Zur Zahlung dieser Umsatzsteuer wäre die Beklagte aber erst mit der Fälligkeit der Schlußrechnungen verpflichtet. Zu dieser streitentscheidenden Frage habe das Erstgericht zutreffend auf die zwischen den Parteien getroffene Fälligkeitsvereinbarung hingewiesen. Davon aber, daß die gelegten Schlußrechnungen schon fällig wären, gehe auch der Kläger nicht aus. Daß die Verweigerung der Zahlung der Umsatzsteuer etwa in schikanöser Rechtsausübung erfolgt wäre, habe der diesbezüglich beweispflichtige Kläger nicht behauptet. Auch habe er nicht vorgebracht, daß die getroffene Vereinbarung mit Rücksicht auf die lange Säumigkeit der Magistratsabteilungen etwa einer ergänzenden Vertragsauslegung zu unterziehen wäre. Aus den bereits angeführten Gründen könne dem Kläger nicht beigepflichtet werden, die Beklagte hätte für die von ihr geleisteten Beträge die Umsatzsteuer zu zahlen, weil die Schlußrechnungen auch die Teilrechnungen umfassen. Auch könne dem Kläger nicht gefolgt werden, daß die Grundsatzentscheidung eine behördliche Genehmigung darstelle. Mit der Grundsatzentscheidung werde nur ein Kostenvoranschlag, nicht aber eine Rechnung genehmigt. Auch sei für den Rechtsstandpunkt des Klägers nichts gewonnen, wenn er die Umsatzsteuer bereits entrichtet habe. Auch aus dem Durchführungserlaß 119 Abs. 2 lit. a zum Umsatzsteuergesetz, wonach der Auftragnehmer die Umsatzsteuer aus der Summe der gezahlten Voraus- und Abschlagszahlungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen habe, könne eine zivilrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Umsatzsteuer der Teilrechnungen nicht abgeleitet werden. Die allfällige Tatsache, daß für die Beklagte die Umsatzsteuer infolge der Möglichkeit des Vorsteuerabzuges lediglich eine Durchlaufpost darstelle, sei für ihre zivilrechtliche Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer an den Unternehmer von keiner Bedeutung. Es ergebe sich somit zusammenfassend, daß die Zahlung der Umsatzsteuer für das erbrachte Werk von der Fälligkeit des Werklohnes abhängig sei. Mangels Fälligkeit der Schlußrechnungen sei die Beklagte zur Zahlung der Umsatzsteuer, auch wenn sich diese nur auf Teilleistungen der Schlußrechnung beziehe, noch nicht verpflichtet.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs. 1 ZPO), aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, die Vereinbarung Beilage 8 sei ein Entgegenkommen von ihm gegenüber der Beklagten gewesen. Die Vereinbarung sei so auszulegen, daß die Beklagte nach Baufortschritt Zahlungen zu leisten habe, diese aber nicht höher sein sollten, als die von der Schlichtungsstelle überprüften Beträge. Lege man die Vereinbarung nach Sinn und Zweck und nicht völlig gegen den Kläger aus, dann habe die Beklagte Zahlungen zu leisten, solange diese im Rahmen der Grundsatzentscheidung blieben.
Dem ist entgegenzuhalten, daß nach dem Wortlaut der Vereinbarung Beilage 8 Zahlung nach Maßgabe der behördlichen Genehmigung der Rechnung erfolgt. Wohl ist nach § 914 ABGB der Wortlaut einer Vereinbarung nicht allein maßgebend, sondern die Absicht der Parteien. Ist - wie im vorliegenden Fall - der Inhalt eines schriftlichen Vertrages aber klar und deutlich, dann hat zunächst die wörtliche (grammatikalische) Auslegung zu erfolgen. Erst wenn feststeht, daß der schriftliche Vertragsinhalt die Absicht der Parteien nicht richtig wiedergibt, ist der Parteiwille zu erforschen und der Vertrag zu ergänzen (MietSlg. XXV/20; 7 Ob 622/79 ua; vgl. auch SZ 60/216; BankArch 1990, 843). Eine vom Inhalt einer Urkunde abweichende Parteiabsicht ist nur dann zu erforschen, wenn dies von einer der Parteien behauptet und unter Beweis gestellt wird (9 Ob A 131/89). Nun hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 25. September 1987, ON 3, unter Hinweis auf die Vereinbarung zwar ein Vorbringen über die Fälligkeit der Teilrechnungen erstattet, er hat aber keinerlei Beweise über eine vom Wortlaut der Vereinbarung abweichende Parteiabsicht angeboten. Es ist daher vom eindeutigen und klaren Wortlaut der Vereinbarung auszugehen, wonach Zahlung erst nach behördlicher Genehmigung der Rechnungen erfolgt. Daher sind auch die mit den Teilrechnungen vorgeschriebenen Beträge nicht fällig und damit auch nicht die Umsatzsteuer, die einen Teil der Entgeltforderung darstellt und gleichzeitig mit der übrigen Entgeltforderung des Werkunternehmers fällig wird (SZ 48/140; SZ 52/42).
Soweit in der Revision zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels ausgeführt wird, es liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darüber vor, ob eine Grundsatzentscheidung als behördliche Genehmigung der Teilrechnungen anzusehen sei, ist darauf hinzuweisen, daß in der Vereinbarung ausdrücklich das Wort "Rechnungen" verwendet wurde, die Grundsatzentscheidung aber nicht aufgrund von Rechnungen, sondern von Kostenvoranschlägen ergeht. Auch der Kläger geht bei der Ausführung der Revision davon aus, daß die Grundsatzentscheidung keine behördliche Genehmigung der Rechnungen darstellt, er hat im Verfahren, in welchem er seine Ansprüche aus der Schlußrechnung geltend macht, mit der Beklagten auch "Ruhen" vereinbart und dies in seinem Schriftsatz vom 19. Dezember 1989, ON 34, damit begründet, es liege noch keine behördliche Genehmigung vor.
Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann auch daraus, daß die Beklagte die in den Teilrechnungen vorgeschriebenen Beträge bezahlte, keine Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer abgeleitet werden. Auch wenn in den Teilrechnungen jeweils bestimmte, bereits abgeschlossene Arbeiten verrechnet wurden, kann in der Zahlung der Rechnungsbeträge kein Anerkenntnis der Fälligkeit und der Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer erblickt werden. Obwohl es sich bei den Rechnungsbeträgen nicht um runde Summen handelte, sind die Zahlungen als Vorschüsse zu werten. Leistet der Schuldner beim Werkvertrag Voauszahlungen vor Fälligkeit, dann folgt daraus nicht, daß er auch die Umsatzsteuer zu diesen freiwilligen Zahlungen leisten muß.
Die Revisionsausführungen, die Umsatzsteuer spiele in einem Verfahren nach § 18 MRG keine Rolle, sie sei wegen der Möglichkeit des Vorsteuerabzuges ein Durchlaufposten, die Fälligkeit könne daher nicht davon abhängig sein, ob die Schlichtungsstelle die Rechnung genehmige, nehmen keine Rücksicht auf die Vereinbarung, wonach Fälligkeit der Rechnungsbeträge und damit auch der Umsatzsteuer erst nach behördlicher Genehmigung eintritt.
Die Frage, wann die Steuerschuld des Klägers hinsichtlich der Umsatzsteuer entsteht, hat auf die Zahlungspflicht der Beklagten keinen Einfluß, auf die diesbezüglichen Revisionsausführungen braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.
Den Ausführungen des Berufungsgerichtes, schikanöse Rechtsausübung sei nicht behauptet worden, hält der Kläger entgegen, die Schädigungsabsicht liege auf der Hand, weil die Beklagte bei Bezahlung der Umsatzsteuer diese sofort als Vorsteuer abziehen könnte. Die Frage, ob die Beklagte tatsächlich durch die Bezahlung der Umsatzsteuer an den Kläger keinerlei Nachteil hätte, braucht jedoch nicht erörtert zu werden, weil Schikane nur bei Ausübung eines Rechtes ohne eigenes Interesse mit dem Zweck, einen anderen zu schädigen, vorliegt (Koziol-Welser8 I 437; Reischauer in Rummel, Rz 59 zu § 1295; SZ 56/46 uva). Ein fehlendes Interesse der Beklagten an der Nichtzahlung, das nach Meinung des Revisionswerbers "auf der Hand liegt", reicht daher nicht aus, um Schikane annehmen zu können. Das zusätzliche Erfordernis für Schikane, nämlich der ausschließliche Zweck, den Kläger zu schädigen, wurde aber in erster Intanz nicht behauptet.
Aus allen diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E25417European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00513.91.0313.000Dokumentnummer
JJT_19910313_OGH0002_0020OB00513_9100000_000