Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margit L*****, vertreten durch Dr. Ernst Stolz und Dr. Sepp Manhart, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagten Parteien 1.) Firma S***** OHG, 2.) Werner B*****, und 3.) Christa B*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Dr. Adolf Concin und Dr. Heinrich Concin, Rechtsanwälte in Bludenz, wegen S 91.858,81 und Feststellung infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 4. Dezember 1990, GZ 1 b R 188/90-27, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 14. August 1990, GZ 4 C 1058/89-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten. Im Rahmen des Hotelbetriebes, der unter der Zusatzbezeichnung "Reiterhof" geführt wird, bieten sie den Gästen Reitunterricht und Ausritte an, wobei fast ausschließlich Haflingerpferde zum Einsatz kommen. Bei diesen Pferden handelt es sich um eine besonders beliebte Rasse von Freizeitpferden. Diese Pferde gelten allgemein als unkompliziert, ruhig und ausgeglichen, sie werden wegen ihrer nervlichen Stabilität insbesondere auch für Reitanfänger gerne verwendet. In den Werbeprospekten der Erstbeklagten wird auf die "Reitabenteuerferien" hingewiesen, wobei es für die erwachsenen Reitabenteurer auch Anfängerunterricht, Koppelstunden und geführte Ausritte sowie auch längere Wanderungen in die herrliche Bergwelt mit Übernachtungen auf der Alphütte gäbe.
Die Klägerin war eine begeisterte Hobbyreiterin, nahm seit ihrem 12. Lebensjahr 50 bis 60 Reitstunden, beherrschte die drei Grundgangarten und ist auch schon ausgeritten. In den Pfingstferien 1989 wollte sie Reitstunden nehmen und wurde durch einen Bericht in einer Zeitschrift über "Haflinger-Trekking" auf das Hotel der beklagten Parteien aufmerksam. In diesem Bericht wurde darauf hingewiesen, daß Anfänger beim Sporthotel von Reitlehrerinnen eine Einführung in das Einmaleins des Reitens erhalten. Nachdem die Klägerin auf Anforderung Prospekte der erstbeklagten Partei erhalten hatte, buchte sie für die Woche nach Pfingsten einen Aufenthalt im Sporthotel, wobei sie insbesondere reiten wollte. Weder bei der Buchung, noch bei der Ankunft oder in weiterer Folge wurde über einen Haftungsausschluß der beklagten Parteien gesprochen. Im Stall, in dem die Pferde untergebracht sind, sind jedoch zwei handgeschriebene Hinweistafeln, wonach Reiten auf eigene Gefahr erfolgt. Die Klägerin hat jedenfalls eine dieser Tafeln gesehen, widmete dieser aber keine besondere Aufmerksamkeit, zumal derartige Tafeln auch bei ihren bisherigen Reitlehrinstituten angebracht waren. Die Klägerin nahm an den ersten beiden Tagen nach ihrer Ankunft jeweils eine Longestunde auf dem Reitplatz. Danach sagte der Reitlehrer zur Klägerin, sie brauche keine weiteren Longestunden und könne jetzt frei auf dem Platz reiten. Über seine Aufforderung buchte die Klägerin für den nächsten Tag eine Stunde zum freien Reiten. Am nächsten Tag war das von der Klägerin bisher gerittene Pferd Monique, ein eher temperamentvolles Pferd, von einem anderen Reitlehrer zu einem Ausritt mitgenommen worden, es stand nur das Pferd Miriam zur Verfügung, das von den Reitlehrern als eher lahm angesehen wurde und für Ausritte nicht sehr beliebt war und vor allem als Longierpferd eingesetzt wurde. Der Reitlehrer sagte zur Klägerin, das Pferd Miriam sei verrückt und er habe Angst. Als die Klägerin hierauf von der gebuchten Stunde zurücktreten wollte, erklärte der Reitlehrer, die gebuchte Stunde müsse auf jeden Fall bezahlt werden. Er schlug der Klägerin vor, anstelle der gebuchten Stunde zum Freireiten eine Longestunde zu nehmen, dann müsse die Klägerin keine Angst haben, weil er das Pferd führe. Als die Stute Miriam aus dem Stall gebracht wurde, gab es Schwierigkeiten, weil ihr Fohlen unbedingt mitgehen wollte. Bei der Koppel schien das Pferd dann aber vollkommen ruhig und machte keine Probleme. Nachdem die Klägerin bereits längere Zeit geritten war und verschiedene Übungen gemacht hatte, schlug das bisher vollkommen ruhige Pferd zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin die Hände locker auf die Schenkel aufgestützt hatte, ohne ersichtlichen Grund plötzlich nach hinten aus. Die Klägerin verlor das Gleichgewicht und stürzte auf den zum Unfallszeitpunkt recht harten Boden, auf dem teilweise Steine herausschauten. Dabei erlitt sie eine Verletzung eines Lendenwirbels. Es kann nicht festgestellt werden, aus welchem Grund das Pferd Miriam plötzlich ausgeschlagen hat. Es ist möglich, daß dies durch den Stich einer Bremse war, es sind jedoch auch andere Gründe denkbar. Ein derartiges Verhalten ist auch bei einem sehr ruhigen Pferd ohne ersichtlichen Grund möglich. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß das Verhalten des Pferdes durch einen reiterischen Fehler der Klägerin oder durch einen Fehler des Reitlehrers verursacht worden ist. Die Klägerin trug bei diesem Unfall die übliche Reitkleidung einschließlich einer Reiterkappe und einer wattierten Jacke.
Die Klägerin brachte vor, sie habe durch den Sturz vom Pferd einen Schaden von insgesamt S 137.788,22 erlitten, von dem sie vorsichtsweise derzeit nur 2/3 geltend machte, somit S 91.858,81. Außerdem wurde die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für künftige Schäden im Ausmaß von 2/3 begehrt. Die Klägerin führte aus, das ihr zur Verfügung gestellte Pferd sei nervös und unberechenbar gewesen, was auch dem Reitlehrer bekannt gewesen sei. Die beklagten Parteien hafteten als Betreiber des Reitstalles, sie hätten die Fehler des Reitlehrers zu vertreten und den Zustand des Bodens. Hilfsweise stützte die Klägerin ihr Begehren auch auf § 1320 ABGB.
Die beklagten Parteien wendeten ein, das Reiten sei "auf eigene Gefahr" erfolgt, überdies habe die Klägerin den Sturz wegen eigener Ungeschicklichkeit selbst zu vertreten.
Das Erstgericht schränkte die Verhandlung "auf den Grund der geltend gemachten Forderung" ein und sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Klagsforderung dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehe. Es vertrat die Ansicht, es gehöre zum Risiko des Reitsports, daß ein Reiter durch eine unvorhergesehene Reaktion des Pferdes aus dem Sattel geworfen werde. Die beklagten Parteien hafteten jedoch, weil sie dem Zustand des Reitplatzes zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt hätten. Durch die Härte des Bodens sei jedenfalls das Unfallsrisiko der Klägerin wesentlich erhöht worden. Für ein Mitverschulden der Klägerin seien keine Anhaltspunkte gegeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Leistungsbegehren der Klägerin mit 2/3 zu Recht und mit 1/3 nicht zu Recht bestehe. Die Entscheidung über die Höhe des Anspruches, über das Feststellungsbegehren und die Kosten wurde der Endentscheidung vorbehalten. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, durch das Anbringen der Hinweistafeln sei kein Haftungsausschluß vereinbart worden. Die Klägerin sei auf einen Haftungsausschluß nie persönlich hingewiesen worden, die Tafeln hätten sich im Pferdestall, somit an einem Ort befunden, den die Gäste nicht unbedingt betreten müßten. Es sei vom Zufall abhängig gewesen, ob die Klägerin die Tafeln zur Kenntnis nahm. Daraus, daß die Klägerin die Tafeln wahrgenommen und in der Folge den Reitsport ausgeübt habe, könne nicht abgeleitet werden, daß sie mit dem Haftungsausschluß einverstanden gewesen sei. Davon hätten auch die beklagten Parteien nicht im Sinne des § 863 Abs.1 ABGB (kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln) ausgehen können. Der Hinweis, wonach das Reiten auf eigene Gefahr erfolge, könne auch in dem Sinn verstanden werden, daß das allgemeine Sportrisiko des Reitens vom Gast auf sich genommen werde und insofern keine Haftung bestehe. Die Klägerin habe zwar die Tatsache, daß sie zu Sturz gekommen sei, mangels eines Verschuldens der beklagten Parteien im Hinblick auf das Sportrisiko selbst zu vertreten, doch treffe die beklagten Parteien deshalb ein erhebliches Verschulden an den Verletzungen der Klägerin, weil der Reitplatz nicht in entsprechendem Zustand gewesen sei, was für die Verletzungen der Klägerin mitursächlich gewesen sei. Die Klägerin habe jedoch die schlechte Beschaffenheit des Reitplatzes erkennen können und habe trotzdem die Reitstunde genommen. Sie habe daher eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zu vertreten, sodaß eine Schadensteilung gerechtfertigt sei, und zwar im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der beklagten Parteien. Hiebei sei zu berücksichtigen, daß nach herrschender Rechtsprechung im Fall einer Teileinklagung eines Schadens ohne Einräumung eines Mitverschuldens dann, wenn der Schadensteil unter Berücksichtigung des festgestellten Mitverschuldens zu ermitteln sei, über das Begehren des Klägers nicht hinausgegangen werden könne. Gemäß § 405 ZPO habe daher die Klägerin lediglich Anspruch auf 2/3 des geltend gemachten Anspruches und nicht auf 2/3 der gesamten Schadenersatzforderung.
Die beklagten Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß Leistungs- und Feststellungsbegehren abgewiesen werden. Hilfsweise wird Abänderung dahin beantragt, daß das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu 50 % zu Recht und zu 50 % nicht zu Recht bestehe. In eventu stellen die beklagten Parteien einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs.1 ZPO), aber nicht berechtigt.
Nach Rechtsprechung und Lehre ist ein Verzicht auf künftige Schadenersatzforderung im Fall leichter Fahrlässigkeit grundsätzlich wirksam, sofern durch diese sogenannte "Freizeichnung" nicht auf gänzlich unvorhersehbare oder atypische Schäden verzichtet wird, mit denen nicht gerechnet werden konnte, oder die Vereinbarung wegen der wirtschaftlichen Vormachtstellung oder Monopolstellung des durch den Ausschluß Begünstigten gegen die guten Sitten verstößt (SZ 51/169 mwN ua). Die Rechtsprechung läßt diesen Haftungsausschluß - im Gegensatz zu einem Teil der Lehre (Koziol2 I 353; Deutsch, Haftungsrecht I 333) - auch im Fall von Personenverletzungen zu (RZ 1980/3; SZ 52/57; ZVR 1982/266). Solche Verzichtserklärungen sind aber als Ausschaltung von grundsätzlich zustehendem Recht eher einschränkend auszulegen, werden sie doch, wenn sie generell erfolgen, mit Recht als anstößig empfunden (SZ 52/57 mwN).
Ein Sturz vom Pferd ist gewiß nicht unvorhersehbar, eine dabei erlittene Verletzung ist keinesfalls ein atypischer Schaden. Trotzdem gelangten die Vorinstanzen aber mit Recht zu dem Ergebnis, eine Haftung der beklagten Parteien sei nicht aufgrund eines Verzichtes der Klägerin ausgeschlossen. Ein Haftungsausschluß durch Anschlag, den der Erklärungsempfänger gesehen hat, wurde zwar als wirksam angesehen (SZ 41/14; RZ 1980/3), der Umfang des Haftungsausschlusses hängt jedoch vom Inhalt des Anschlages ab. Im vorliegenden Fall waren im Stall zwei handgeschriebene Tafeln mit der Aufschrift "Reiten auf eigene Gefahr" angebracht. Daß es sich hiebei um einen Ausschluß für alle von den beklagten Parteien und ihren Erfüllungsgehilfen leicht fahrlässig verschuldeten Schäden handeln sollte, war für die Gäste der beklagten Parteien nicht eindeutig erkennbar, zumal diese nicht erwarten konnten, die beklagte Partei, die das Reiten als besondere Attraktion ihres Unternehmens anbietet, wolle jegliche Haftung ablehnen, auch wenn ihr eine Verletzung der ihr obliegenden Verpflichtungen anzulasten ist. Zu berücksichtigen ist, daß es beim Reiten auch zu Unfällen kommen kann, wenn denjenigen, in dessen Betrieb dieser Sport ausgeübt wird, keinerlei Verschulden trifft, oft wird die Ursache eines Sturzes vom Pferd nachträglich nicht feststellbar sein. Auch im vorliegenden Fall blieb ungeklärt, weshalb das Pferd plötzlich nach hinten ausschlug und dadurch die Klägerin aus dem Gleichgewicht brachte. Ein Anschlag "Reiten auf eigene Gefahr" kann daher als bloßer Hinweis auf die Gefährlichkeit dieses Sportes und darauf aufgefaßt werden, daß Schäden entstehen können, für die niemand schadenersatzpflichtig ist, zumal auch ein besonders sorgfältiger Reitlehrer nicht in der Lage sein wird, Stürze der Reiter vom Pferd immer zu verhindern. Ein Anschlag mit dem hier festgestellten Inhalt kann so verstanden werden, daß für Schäden, die der Reiter selbst herbeigeführt hat oder die durch ein unvorhersehbares Verhalten des Pferdes entstehen, nicht gehaftet wird. Ein derartiger Anschlag mag deshalb durchaus zweckmäßig sein, damit insbesondere Anfänger darauf hingewiesen werden, daß sie bei Ausübung des Reitsportes Schäden erleiden könnten, für welche sie keinen Ersatz bekommen. Aus der Formulierung "Reiten auf eigene Gefahr" ergibt sich aber keinesfalls, daß eine Haftung der beklagten Parteien auch dann nicht bestehen soll, wenn diese ihre sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen insofern verletzen, daß sie nicht für eine ordnungsgemäße Beschaffenheit des Reitplatzes sorgen. Da - wie bereits ausgeführt - ein Haftungsverzicht eher einschränkend auszulegen ist, führt das Vorhandensein der von der Klägerin wahrgenommenen Tafeln nicht zu einem Ausschluß der Haftung für Verletzungen, für die der nicht ordnungsgemäße Zustand des Bodens des Reitplatzes eine Mitursache war.
Daß die Beschaffenheit des Bodens, wie sie vom Erstgericht festgestellt wurde, nicht ordnungsgemäß war, bestreiten auch die Revisionswerber nicht, sie meinen nur, es könne ihnen lediglich eine leichte Sorgfaltsvernachlässigung angelastet werden. Dies ist aber insofern ohne Bedeutung, als mangels eines wirksamen Haftungsausschlusses auch für leichte Fahrlässigkeit gehaftet wird.
Nicht berechtigt sind auch die Revisionsausführungen, die sich gegen die Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der beklagten Parteien richten. Die beklagten Parteien trifft die Verantwortung dafür, daß der Boden nicht ordnungsgemäß war und bei Stürzen daher eine erhöhte Verletzungsgefahr bestand. Der Klägerin, die die Entscheidung des Berufungsgerichtes, wonach sie 1/3 ihres Schadens selbst zu tragen habe, nicht bekämpfte, kann aber kein anderer Vorwurf gemacht werden, als daß sie, obwohl der Zustand des Bodens erkennbar war, vom Reitangebot der erstbeklagten Partei Gebrauch gemacht hat. Bei dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, die beklagten Parteien zum Ersatz von 2/3 des Schadens der Klägerin zu verhalten.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E25139European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00516.91.0313.000Dokumentnummer
JJT_19910313_OGH0002_0020OB00516_9100000_000