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L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
SHG NÖ 2000 §35 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des JB in M, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Mai 2003, Zl. GS5-F-21.688/69-03, betreffend Kostenbeitrag nach dem NÖ Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm ein monatlicher Kostenbeitrag ab 1. August 2001 vorgeschrieben wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Vorschreibung eines Kostenersatzes für die stationäre Unterbringung im Zeitraum von 1. Jänner 2000 bis 31. Juli 2001 richtet, als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um eine erwachsene behinderte Person, der Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen im Sinne des § 32 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 durch Unterbringung in einem Heim auf Kosten des Landes Niederösterreich gewährt wird. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer auf Grund des § 35 NÖ SHG 2000 sowie der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2, ein Kostenbeitrag zu den Kosten der stationären Unterbringung für den Zeitraum 1. Jänner 2000 bis 31. Juli 2001 in der Höhe von EUR 10.384,95 und ab August 2001 ein monatlicher Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 220,93 vorgeschrieben.
Die Vorschreibung eines monatlichen Kostenersatzbeitrages ab 1. August 2001 wird mit dem Hinweis auf den dem Beschwerdeführer unter Einrechnung des Pflegegeldtaschengelds, des Pensionsanteils, der Sonderzahlungen, von 20 % der erhöhten Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrages und des therapeutischen Taschengelds verbleibenden monatlichen Gesamtbezug von EUR 482,11 im Jahre 2001 bzw. EUR 486,06 in den Jahren 2002 und 2003 begründet. Rechne man den Anteil von 80 % des Erhöhungsbetrags zu diesem Gesamtbezug hinzu, verfüge der Beschwerdeführer über EUR 703,04 im Jahre 2001 bzw. EUR 707,18 pro Monat. Dem erhöhten Pflege- und Therapieaufwand des Berufungswerbers als geistig behindertem Menschen werde durch die Gewährung der Sozialhilfemaßnahme und durch die Belassung der erwähnten Gelder, insbesondere des Pflegegeldtaschengeldes, zu seiner freien Verfügung Rechnung getragen. Das Pflegegeldtaschengeld diene auch der Beschaffung zusätzlicher persönlicher Assistenzleistungen. Für zusätzlich gewünschte persönliche Assistenzleistungen stünden dem Beschwerdeführer die ihm sonst verbleibenden Gelder zur Verfügung.
Die Vorschreibung des Kostenbeitrages für den Zeitraum 1. Jänner 2000 bis 31. Juli 2001 stützt sich unter Hinweis auf die §§ 32, 35 und 38 NÖ SHG 2000, LGBl. 9200-2, und die Verordnung der NÖ Landesregierung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2, darauf, dass dem Beschwerdeführer nach Mitteilung des Finanzamtes Tulln im Jahr 2001 eine Nachzahlung an Familienbeihilfe einschließlich erhöhter Familienbeihilfe von EUR 14.876,13 ausbezahlt worden sei. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 bzw. 2 Nö SHG sei der Beschwerdeführer zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Vorschreibung eines Kostenbeitrages für den Zeitraum 1. Jänner 2000 bis 31. Juli 2001:
1.1. § 38 Abs. 1 bis 3 NÖ Sozialhilfegesetz 2000, LGBl 9200- 0, lautet:
"§ 38
Ersatz durch den Hilfeempfänger
(1) Der Hilfeempfänger ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn
1.
er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;
2.
nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;
3. im Fall des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird;
(2) Von der Ersatzpflicht nach Abs. 1 sind ausgenommen:
1. Kosten für Maßnahmen (Hilfen zum Lebensbedarf), die vor Erreichung der Volljährigkeit gewährt wurden,
2. Kosten für Hilfen nach § 11 bei Schwangerschaft und Entbindung und
3. Kosten für die Erprobung auf einem Arbeitsplatz (§ 30 Abs. 1 Z. 4).
(3) Von der Verpflichtung zum Kostenersatz ist abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde."
1.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe ausgesprochen hat (vgl. zum Nö Sozialhilfegesetz etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 98/03/0289), sind Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln und ist es dabei nicht maßgeblich, aus welchen Quellen Ersparnisse gebildet wurden. Auch wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet wurden, die "bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0071), sind sie als Vermögen im Sinne der Regelungen über die Heranziehung des Vermögens bei der Leistung von Kostenersatz anzusehen. In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in dem genannten Erkenntnis vom 29. April 2002 auch für ein aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe entstandenes Vermögen erkannt, dass dieses die Grundlage für einen Ersatzanspruch bilden kann.
1.3. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie der Vorschreibung des Kostenersatzes nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ SHG das aus der Nachzahlung der Familienbeihilfe stammende Vermögen zu Grunde legte.
Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Zur Vorschreibung eines monatlichen Kostenbeitrages ab 1. August 2001:
2.1. § 35 Nö SHG, LGBl. 9200-0, lautet:
"§ 35
Ausmaß der Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen
(1) Die Gewährung der Hilfen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen hat unter Berücksichtigung ihres Einkommens und verwertbaren Vermögens, bei teilstationären und stationären Diensten auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, inwieweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundes- und landesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind, zu erfolgen. Bei teilstationären Diensten erfolgt die Bemessung des Kostenbeitrages im Verhältnis zum zeitlichen Ausmaß der Maßnahme.
Das nach den bundes- und landesgesetzlichen Pflegegeldregelungen dem pflegebedürftigen Menschen gebührende Taschengeld bleibt dem Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu seiner Verfügung."
2.2. Die belangte Behörde hat die Heranziehung des Erhöhungsbetrags der Familienbeihilfe zu 80 % zur Kostenbeitragsleistung damit begründet, dass diese Heranziehung zumutbar sei, weil es sich um eine dem Pflegegeld vergleichbare Leistung für erhebliche Behinderung handle. Diese Heranziehung sei bei einer Maßnahme, mit der Hilfe zur sozialen Eingliederung in einer stationären Einrichtung gewährt werde, zulässig, da im Rahmen dieser Maßnahme der Lebensunterhalt des Hilfeempfängers vollends sichergestellt sei. Die belangte Behörde verweist auf den zwischen dem Land Niederösterreich und dem Verein, der das Heim, in dem der Beschwerdeführer untergebracht ist, betreibt, abgeschlossenen Vertrag, der die vom Verein zu erbringenden Leistungen regelt, und beruft sich darauf, erhoben zu haben, dass zu den Leistungen des Vereins B auch die Unterkunft, Verpflegung, Grundausstattung von Toiletteartikel, Betreuung in Werkstätten und Förderungsgruppen, Freizeitunternehmungen, das Feiern von Festen, Therapien und sportliche Aktivitäten gehörten.
2.3. Diese Feststellungen stützen sich dem vorgelegten Akt zufolge auf eine Rücksprache mit dem Einrichtungsleiter des Vereins, der das Heim, in dem der Beschwerdeführer untergebracht ist, führt (Aktenvermerk vom 22. November 2002).
Zu diesen Feststellungen wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die Zurverfügung-Stellung von Toiletteartikel auf den Beschwerdeführer nicht zutreffe, weil über die allen Bewohnern zur Verfügung gestellte Seife hinaus Toiletteartikel nur dann zur Verfügung gestellt würden, wenn der Bewohner über kein oder nur ein sehr geringes Einkommen verfüge. Der Beschwerdeführer erhalte weiters im Hinblick auf sein Einkommen keine Bekleidungsbeihilfe und kein Sozialhilfetaschengeld.
Was die Veranstaltung von Festen anlange, sei die Feststellung nur insoweit zutreffend, als das Heim die Organisation übernehme, die Kosten jedoch von den Heimbewohnern zu tragen seien.
Auch die Versorgung mit einem praktischen Arzt und einem Facharzt für Psychiatrie erfolge derart, dass der Beschwerdeführer die Behandlung in Form von Behandlungsbeiträgen zum Teil selbst zu finanzieren habe.
Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer hohe Telefonspesen, wozu zu bedenken sei, dass behinderte Menschen nur eingeschränkte Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit der Außenwelt hätten.
Auf die besonderen Bedürfnisse des Beschwerdeführers und insbesondere die Notwendigkeit zur Organisierung und Bezahlung von Besuchsdiensten war bereits in der im Berufungsverfahren im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme vom 9. Jänner 2003 hingewiesen worden. In dieser Stellungnahme wurden auch mangelnde Feststellungen der belangten Behörde gerügt.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die oben wiedergegebenen Feststellungen zu den vom Verein konkret erbrachten Leistungen im Heim, in dem der Beschwerdeführer untergebracht ist, wiederholt. Eine Ergänzung der mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Sachverhaltsfeststellungen nach der Stellungnahme vom 9. Jänner 2003 ist nicht ersichtlich. Im Akt erliegen aus der Zeit nach der genannten Stellungnahme lediglich (für den Beschwerdefall nicht relevante) Unterlagen betreffend eine Erhebung, welche Leistungen Caritasheime erbringen, sowie eine Mitteilung des Vereins für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft über vom Beschwerdeführer getätigte Ausgaben, die in der Pflegschaftsrechnung aufscheinen, bzw. das Fehlen von Belegen über jene Ausgaben, die der Beschwerdeführer von dem ihm persönlich überlassenen Geld tätige, und allfällige Möglichkeiten, diesbezüglich Beweis zu erheben.
2.4. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde auf Grund der von ihr gepflogenen Erhebungen davon ausgegangen ist, dass dem Beschwerdeführer der Lebensunterhalt "vollends" erbracht werde, ist die Behörde im Ergebnis davon ausgegangen, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers einschließlich seiner besonderen Bedürfnisse als behinderter Mensch jedenfalls durch das Zusammenwirken der in der Einrichtung erbrachten Sachleistungen mit den dem Beschwerdeführer auf verschiedener Grundlage zufließenden Geldleistungen sichergestellt sei. Es sei daher zulässig, den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe zu 80 % zur Kostenbeitragsleistung heranzuziehen.
2.5. Diese letztere Auffassung entspricht, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. September 2003, Zl. 2003/10/0090, dargelegt hat, nicht dem Gesetz. Es kommt nämlich entscheidend darauf an, ob der Lebensunterhalt des Hilfeempfängers einschließlich der besonderen Bedürfnisse, die dieser als behinderter Mensch hat, im Rahmen der Maßnahme, d.h. im Rahmen der mit der Unterbringung erbrachten Leistungen vollends gesichert ist. Nicht aber entspricht es dem Gesetz, den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe in den Einkommensbegriff einzubeziehen, wenn der Lebensunterhalt des Hilfeempfängers einschließlich der besonderen Bedürfnisse, die dieser als behinderter Mensch hat, erst im Zusammenwirken zwischen den im Rahmen der Unterbringung gewährten Leistungen einerseits und weiteren, dem Hilfeempfänger von anderen Stellen und aus anderen Titeln zugewendeten Geldleistungen andererseits sichergestellt ist.
Die im genannten Erkenntnis dargelegten Gründe, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, treffen auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zu, soweit mit dem angefochtenen Bescheid ein monatlicher Kostenbeitrag ab August 2001 vorgeschrieben wird.
2.6. Bei dieser Rechtslage ist es streitentscheidend, ob die Feststellungen hinsichtlich der Erbringung von Leistungen, die den gesamten Lebensunterhalt des Beschwerdeführer einschließlich seiner Bedürfnisse als behinderter Mensch abdecken, in der Einrichtung, in der er untergebracht ist, auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens getroffen wurden, bzw. ausreichend begründet wurde, dass der gesamte Lebensunterhalt des Beschwerdeführers einschließlich seiner besonderen Bedürfnisse durch die Leistungen des Heimes abgedeckt wird.
In diesem Zusammenhang ist jedoch das unter 2.3. wieder gegebene Beschwerdevorbringen geeignet, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat sich einerseits auf die vom Leiter der Einrichtung gestützten Auskünfte hinsichtlich des Leistungsangebotes gestützt, ohne die vom Beschwerdeführer relevierte Frage der Kostentragung zu prüfen, und ist andererseits in ihrer Bescheidbegründung nicht auf das Vorbringen hinsichtlich des Bedarfs zur Organisierung und Finanzierung des Besuchsdienstes eingegangen. Die Frage der Kostentragung wurde in der Auskunft des Heimleiters entweder nicht angesprochen, oder aber (hinsichtlich der Therapien) darauf hingewiesen, dass die Kosten zum Teil von der Einrichtung, zum Teil von den Bewohnern getragen würden.
Soweit die belangte Behörde in der Bescheidbegründung (ergänzend) darauf verweist, dass dem Beschwerdeführer aus seinen Mitteln ausreichend Geld zur Bestreitung dieser Ausgaben zur Verfügung stehe, hat sie nach dem Vorgesagten (vgl. Punkt 2.4.) eine verfehlte Rechtsauffassung zu Grunde gelegt.
Die Feststellung, dass durch die im Heim erbrachten Leistungen der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers vollends sichergestellt sei, beruht hingegen auf einem mangelhaften Verfahren.
2.7. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit mit ihm ein monatlicher Kostenbeitrag ab August 2001 vorgeschrieben wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Dezember 2005
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel"zu einem anderen Bescheid"European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003100200.X00Im RIS seit
06.02.2006Zuletzt aktualisiert am
29.05.2013