Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Johannes S***** Stefan S*****, in Obsorge der Mutter Gundila S***** infolge Revisionsrekurses des Vaters Johann S*****, vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 7. November 1990, GZ R 958/90-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 13. August 1990, GZ P 20/85-29, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Johannes und Stefan S***** sind die ehelichen Kinder von Johann und Gundila S*****. Die Ehe der Eltern wurde mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 25. 11. 1986 geschieden. Das Erstgericht verpflichtete den Vater, ab 19. 12. 1989 für den mj. Johannes S 2.550,- und für den mj. Stefan S 2.000,- an monatlichem Unterhalt zu bezahlen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Die Vorinstanzen gingen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Ehegatten S***** kauften während aufrechter Ehe das Haus E*****, in dem Johann S***** ein Antiquitätengeschäft und eine Galerie eröffnete. Er hatte die Bundesfachschule für Holzbearbeitung in Hallstatt besucht, hatte anschließend als Restaurator gearbeitet und eine Ausbildung an der Akademie für Bildende Künste absolviert. Johann S***** arbeitete als freischaffender Künstler.
Gundila S***** betrieb im genannten Haus, in dem auch die eheliche Wohnung der Ehegatten war, eine Boutique.
Johann S***** verließ im Herbst 1984 seine Familie und zog ins Ausland. Gundila S***** vermietete die Räume ihrer Boutique und betreibt seither das Antiquitätengeschäft.
Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 8. 9. 1986 wurden der zwischen Gundila S***** und ihrem Mieter abgeschlossene Mietvertrag und die Überlassung der Mietzinse an Gundila S***** zur Sicherung des Unterhaltes der ehelichen Kinder pflegschaftsbehördlich genehmigt. Das Geschäftslokal wurde in der Zwischenzeit anderweitig vermietet.
Im Ehescheidungsverfahren ***** des Kreisgerichtes Wels erwirkte Gundila S***** am 19. 11. 1986 eine einstweilige Verfügung, mit der Johann S***** bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens und der nachfolgenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung verboten wurde, die Wohnung und die Geschäftsräume im Haus ***** zu betreten. Diese einstweilige Verfügung ist nach wie vor aufrecht, das Aufteilungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Zumindest seit Erlassung der einstweiligen Verfügung disponiert Gundila S***** über das Haus ***** allein und verwaltet auch die Einnahmen. Aus den Mietzinsen (S 12.000,- monatlich für die Boutique) und den Einnahmen aus dem Antiquitätenhandel bestreitet sie ihren Unterhalt und den ihrer Kinder.
Johann S***** ist wieder verheiratet und lebt seit April 1987 als freischaffender Künstler in Italien. Er erzielt keine Einkünfte, weil ihm angeblich der Verkauf seiner Kunstwerke nicht gestattet ist. Seinen Lebensunterhalt bestreitet im wesentlichen seine Frau.
Das Rekursgericht verwies darauf, daß die Kinder aufgrund der getrennten Haushaltsführung ihrer Eltern einen Anspruch auf Unterhalt in Form einer Geldrente gegen den nicht betreuenden Elternteil haben. Von einem pflichtbewußten Familienvater wäre der Aufbau einer neuen Existenz und damit die Verschaffung einer Einkommensgrundlage zu erwarten, die ihn in die Lage versetzt, seinen Unterhaltspflichten nachzukommen. Gegen diese Pflicht habe der Unterhaltsschuldner verstoßen, weshalb das Erstgericht mit Recht die sogenannte Anspannungstheorie angewendet habe. Die festgesetzten Unterhaltsbeträge lägen im übrigen ohnedies unter dem Regelbedarf. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bedürfe es keiner Feststellung von Zahlungen, die der Unterhaltsschuldner zwischen Antragstag und Beschlußfassung zum Unterhalt geleistet habe, noch der ziffernmäßigen Anführung dieser Beträge im Zahlungsbefehl. Es brauche daher nicht näher untersucht zu werden, ob der Vater der Mutter ein Sparbuch übergeben hat, um daraus Beträge für den Unterhalt der Kinder abzuheben. Daß der Vater im Rechtshilfeweg nicht einvernommen worden sei, begründe keinen Verfahrensmangel, weil ohnedies auf seine schriftlichen Äußerungen Bedacht genommen wurde. Der ordentliche Revisionsrekurs werde zugelassen, weil die Frage, ob zwischen Antragstag und Unterhaltsfestsetzung geleistete Unterhaltszahlungen im Spruch der Unterhaltsentscheidung zu berücksichtigen sind, in der Rechtsprechung unterschiedlich gelöst worden sei. Außerdem läge keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vor, ob die Anwendung der Anspannungstheorie im vorliegenden Fall eine unbillige Härte darstellt.
Rechtliche Beurteilung
In seinem Revisionsrekurs bekämpft der Vater die Auffassung des Rekursgerichtes, daß auf seine Einwendung, er habe den Unterhalt der Kinder durch Übergabe eines Sparbuches an die Mutter gesichert, nicht einzugehen war. Außerdem vertritt er den Standpunkt, daß die Anwendung der Anspannungstheorie in seinem Fall eine unbillige Härte darstelle. Seine Ausführungen sind teilweise berechtigt:
Es ist richtig, daß nach früherer Judikatur (vgl. etwa EFSlg. 23.221; EFSlg. 38.207 ua) nicht zu überprüfen war, ob der Unterhaltspflichtige zwischen dem Antragstag und der gerichtlichen Beschlußfassung bereits Unterhaltszahlungen geleistet hat. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch in seiner ausführlich begründeten Entscheidung 1 Ob 676/89 nunmehr klargelegt, daß nur allfällige Zahlungen des Unterhaltsschuldners, die bei der Entscheidung nicht, berücksichtigt werden konnten, bei der Unterhaltsentscheidung außer Betracht zu bleiben haben; werden Zahlungen vor Schaffung des Titels geleistet, hat der Schuldner Anspruch darauf, daß ihm keine höhere Unterhaltsverpflichtung auferlegt wird, als sie sich unter Berücksichtigung dieser Zahlungen ergibt. Demgemäß darf nicht dahingestellt bleiben, ob der Vater - wie er
behauptet - der Mutter zur Alimentierung der Kinder zwei Sparbücher mit je ungefähr S 150.000,- Einlagestand übergeben hat. Diese Frage ist vielmehr zu klären und für den Fall, daß sich die Behauptung des Vaters als richtig herausgestellt, der vor Schaffung dieses Exekutionstitels faktisch geleistete Unterhalt entsprechend der dargelegten neuen Judikatur zu berücksichtigen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zur Vornahme der in diesem Belang erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen aufzuheben.
Auf die Ausführungen des Revisionsrekurses darüber, daß dem Vater zu Unrecht die Möglichkeit der Erzielung eines entsprechenden Einkommens zugemutet wurde, ist derzeit nicht weiter einzugehen, weil dies vor der noch erforderlichen Klärung des Sachverhaltes nicht zweckdienlich wäre.
Anmerkung
E25415European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00507.91.0313.000Dokumentnummer
JJT_19910313_OGH0002_0020OB00507_9100000_000