TE OGH 1991/3/19 11Os23/91

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Veröffentlicht am 19.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maria H***** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 16. November 1990, GZ 26 Vr 2125/89-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das Urteil, das in seinem Ausspruch nach dem § 263 Abs. 2 StPO unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maria H***** des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach dem § 142 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt, weil sie am 18.Oktober 1989 in L***** der Verkäuferin Maria S***** durch nicht erhebliche Gewaltanwendung gegen ihre Person eine Flasche Weinbrand im Wert von 165 S mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegnahm.

Dieses Urteil ficht die Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a und b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung an.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Schöffengerichtes war Maria H***** ständige Kundin des in ihrem Wohnhaus etablierten Lebensmittelgeschäftes. Dort war die damals 17-jährige Maria S*****, ein Einzelhandelslehrling, als Verkäuferin tätig und hatte von ihrem Chef die Anweisung erhalten, der Angeklagten entgegen den bisherigen Gepflogenheiten Waren nur mehr gegen Barzahlung auszufolgen. Am 18.Oktober 1989 wünschte die Angeklagte verschiedene Lebensmittel und eine Flasche Weinbrand zu kaufen, worauf die Verkäuferin die Waren auf das Verkaufspult stellte, die Angeklagte gab diese Sachen mit Ausnahme der Weinbrandflasche in eine Plastiktragtasche und äußerte den Wunsch, erst einige Tage später bezahlen zu dürfen, was ihr Maria S***** unter Hinweis auf die Anweisung des Geschäftsinhabers nicht gewähren wollte. Als die Angeklagte Anstalten traf, auch die Weinbrandflasche einzupacken, ergriff die Verkäuferin die Flasche. Die Angeklagte bog ihr aber zwei Finger der linken Hand nach hinten, sodaß das Mädchen Schmerzen verspürte und die Flasche losließ. Hierauf nahm die Angeklagte unter Zurücklassung der übrigen Waren die Flasche mit dem Vorsatz an sich, durch die Zueignung sich oder andere unrechtmäßig zu bereichern, und verließ eilends das Geschäft.

Die Tatrichter folgten bei diesen Feststellungen weitgehend den Aussagen der Zeugin Maria S*****, soweit es sich um das Tatverhalten der Angeklagten handelte, und meinten zur subjektiven Tatseite, es liege "klar, sinnfällig und unmißverständlich auf der Hand", daß die Angeklagte die Weinbrandflasche mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung "wegnehmen wollte" (S 118).

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht weist die Mängelrüge (Z 5) darauf hin, daß bei dieser Urteilsannahme zum inneren Vorhaben der Angeklagten deren Verantwortung, der Ansicht gewesen zu sein, die Waren wie bisher auch nachträglich bezahlen zu können, nicht erörtert wurde. Tatsächlich bestätigte nämlich auch Maria S*****, daß der Angeklagten in der Vergangenheit vielfach der Kaufpreis kreditiert wurde und sie immer nach Mahnung ihre Schulden bezahlt habe. Es kann darum die Schlußfolgerung des Erstgerichtes, auf Grund des Verhaltens der Angeklagten liege ihr Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung "unmißverständlich auf der Hand", nicht ohneweiters nachvollzogen werden, wenn man - was ebenfalls unterblieb - in Betracht zieht, daß Maria H***** nach dem Sachverständigengutachten eine grenzdebile, primitive, ungebildete, zu abnormen Reaktionen neigende Persönlichkeit ist, die zum Tatzeitpunkt auch leicht alkoholisiert war (S 73 iVm S 111). Ging die Angeklagte aber (unter Mißdeutung der gegenteiligen Bekundungen der Verkäuferin) irrtümlich davon aus, daß der Geschäftsinhaber letztlich doch mit der Ausfolgung des Weinbrandes gegen nachträgliche Bezahlung einverstanden sei, wäre ein essentielles subjektives Tatbestandsmerkmal des Raubes in Frage zu stellen (Kienapfel BT2 Rz 68 zu § 142 StGB iVm Rz 177, 180 bis 182 zu § 127 StGB). Insoweit erweist sich die vom Schöffengericht nur pauschal ohne Erörterung der dagegen sprechenden Beweise gewählte Urteilsbegründung zu diesem für die rechtliche Subsumtion - allenfalls nur unter den milderen Tatbestand der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (Leukauf-Steininger2 RN 32 zu § 142 StGB) - wesentlichen Umstand als unvollständig (Z 5). Daneben bestehen aber auch erhebliche Bedenken (Z 5 a) gegen die allein aus dem von der Zeugin S***** geschilderten Tatablauf abgeleitete ("auf der Hand liegende") Schlußfolgerung auf vorsätzliche unrechtmäßige Bereicherung.

Damit zeigte sich schon bei einer nichtöffentlichen Beratung, daß die Wiederholung der Hauptverhandlung in erster Instanz unumgänglich ist, weshalb im Einklang mit dem Antrag der Generalprokuratur das Urteil in seinem schuldigsprechenden Teil kassiert und die Verfahrenserneuerung angeordnet werden mußte (§ 285 e StPO).

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E25526

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00023.91.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19910319_OGH0002_0110OS00023_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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