TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/19 2002/06/0026

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Veröffentlicht am 19.12.2005
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Index

L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
BauO Tir 1998 §22;
BauO Tir 1998 §45;
BauO Tir 2001 §22;
BauO Tir 2001 §45;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Mag. BS in I, vertreten durch Dr. Gert Kastner, Dr. Hermann Tscharre und Mag. Martin Wolf, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Templstraße 32, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 30. November 2001, Zl. I-1800/2001, betreffend Untersagung einer Anzeige nach der Tiroler Bauordnung 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2000 brachte die beschwerdeführende Partei beim Amt für Straßen- und Verkehrsrecht des Stadtmagistrats der Landeshauptstadt Innsbruck die beabsichtigte Anbringung von zehn hinterleuchteten Werbekästen mit Plakatwechslern für zwei oder mehrere Motive ("Citylights") mit den Abmessungen 1250mm x 1850mm x 250mm (B/H/T) an der Außenseite einer näher angeführten Mauer in der B-Straße und K-Straße (Kirche S) zur Anzeige. Am 1. Februar 2001 wurde dieses Schreiben der Abteilung für Planung und Baurecht des Magistrats der Landeshauptstadt Innsbruck übermittelt.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2001 untersagte der Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck nach Einholung einer stadtplanerischen Stellungnahme der Stadtplanung der Landeshauptstadt Innsbruck, Magistratsabteilung III - Planung und Baurecht, der beschwerdeführenden Partei die Aufstellung der beantragten Werbekästen gemäß § 45 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998).

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, in der sie unter anderem den Antrag stellte, das Vorhaben neuerlich durch einen kundigen Sachverständigen begutachten zu lassen. Die belangte Behörde forderte bei der Magistratsabteilung III, Planung und Baurecht - Stadtplanung, ein ergänzendes Gutachten an. In diesem, in Stellungnahme und Gutachten gegliederten und von Ing. P gezeichneten Schreiben wird auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Die Gartenmauer weist eine Länge von 38,50 m (B-Straße), 6,0 m (Eckbereich) und 11,80 m (K-Straße) auf. Das heißt, dass derzeit auf einer Gesamtlänge von 56,30 m horizontale Länge, genau 4 vertikale Linien (mit einer Länge von je 2,10 m) vorhanden sind (Mauerbeginn, 2 x Knick im Eckbereich und Mauerende) daraus resultiert ein eindeutig 'liegendes Format (56,30 / 2.10 m)'. Wenn künftig 10 Plakatvitrinen mit 'stehendem Format (1,25 / 2,10 m)' montiert sind, ergeben sich pro Vitrine 2 vertikale Linien (da es sich um Kästen handelt, ergeben sich eigentlich 4 vertikale Linien pro Vitrine) mal 10 Vitrinen ergibt 20 bis 40 vertikale - die Mauerhöhe übeschreitende - Linien (mit eine Länge von je 1,85 m).

Zudem wird das jetzt einheitlich horizontale obere Mauerende 10 mal unterbrochen, wodurch eine 'zinnenartige' Form der Mauer entsteht. ... (Es) kann vom Einhalten der horizontalen Linien jedenfalls nicht gesprochen werden.

...

Wie schon im Befund angeführt, sind weder an der betreffenden Kirchenmauer, noch unmittelbar im Bereich der Kirche Werbeeinrichtungen vorhanden. Auch im weiter betrachteten Umfeld (K-Straße und B-Straße), noch entlang des S-Ringes, noch im gesamten Stadtgebiet von I ist - wie im Befund bereits erwähnt - eine derartige Werbeanlage vorhanden. D. h. der dortige Bereich stellt sich dem Betrachter als ein städtebaulicher Bereich dar, dessen gestalterische Ordnung einerseits durch die begrünten Vorgärten des Pfarrzentrums und der Kaserne, sowie durch die hochstämmige Allee in der K-Straße, sowie andererseits durch die schlichten und unauffälligen, in den Proportionen, Materialien, Farbgebung und Struktur harmonisierenden baulichen Anlagen - Kirche, Gartenmauer, 'Stalingrad' - gekennzeichnet ist.

Aus diesem Erscheinungsbild resultiert ein optisch ruhiges, homogen wirkendes und qualitätsvolles Straßen- und Ortsbild.

Im Gegensatz dazu dominieren die beantragten Citylights durch die Aneinanderreihung einzelner, beleuchteter großformatiger, üblicherweise bunter und über die Mauer ragender Plakate, den städtebaulich ruhigen Raum entscheidend und stellen einen Fremdkörper für das Areal der Kirche bzw. des Pfarrzentrums dar und stören dieses optisch ruhige, homogene und qualitätsvolle Erscheinungsbild erheblich. Diese negative Wirkung wird bei Dunkelheit durch die Beleuchtung noch weiter verstärkt. Das vom Architekten bewusst gewählte, dezente und schlichte Erscheinungsbild der Kirche wird übertrumpft, die Gartenmauer durch die nachträgliche Applikation der Vitrinen zum Werbeträger degradiert und lässt die, das Straßenbild prägende, Bepflanzung visuell in den Hintergrund rücken. Die Architektur und die bepflanzten Freiräume gehen in einer Flut von Reizen unter und werden überflüssig.

...

Neben der K Allee und der H-Straße stellt der S-Ring eine der Haupterschließungsstraßen von I dar und übt somit auch eine für die Gesamtstadt 'imageprägende Funktion' aus, wobei gerade der S-Ring durch die künftige Autobahnabfahrt 'M' noch an Bedeutung gewinnen wird. Es gilt also diesen urbanen Bereich durch eine besondere Gestaltung und Nutzung aufzuwerten bzw. die vorhandenen städtebaulichen und stadtgestalterischen Qualitäten zu erhalten und damit ein attraktives Entree der Stadt zu bilden. Dies ist jedenfalls durch das ggst. Ansuchen nicht möglich, da der Passant nicht die Möglichkeit hat, den jeweiligen stadträumlichen Bereich, anhand der ihm eigenen, spezifischen Merkzeichen zu identifizieren. Der Straßenraum wird optisch überlastet und der Rahmen der Wahrnehmung der Passanten durch anonyme und verwechselbare Produktwerbung gestört, woraus ein zufälliges und inhomogenes Straßen- und Ortsbild mit einer aufdringlichen Wirkung entsteht. Das Absinken des stadtgestalterischen Niveaus ist die Folge.

...

Aus der Sicht des Gutachters stellt der Vergleich mit - über das gesamte Stadtgebiet verstreuten - Werbeeinrichtungen wie den Citylights bei Bushaltestellen und das Heranziehen von Werbeeinrichtungen aus anderen städtebaulichen Bereichen zur Beurteilung für das ggst. Orts- und Straßenbild - wie dies in der Berufung erfolgt ist - eine falsche Ausgangsposition und eine subjektive Einschätzung dar - jedoch verzeihbar -, da der Rechtsvertreter kein Fachmann ist.

Auch wenn die 'Respektlosigkeit' der Werbeanlage gegenüber dem Kirchenbauwerk und der Kirchengemeinde kein Kriterium für eine Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes darstellt, so muss für jedermann - auch für den 'Nicht-Fachmann' - einsichtig sein, dass bestimmte Bereiche der Stadt wie z.B. Kinderspielplätze, Naherholungsgebiete, Parks, Schul- und Kindergarteneinrichtungen und auch der Nahbereich von religiösen Einrichtungen im Hinblick auf die jeweilige Nutzung, Aufenthalts- und Erholungsqualität und ganz allgemein aus Gründen der Stadthygiene von bestimmten Einrichtungen - wozu auch derartige Werbeanlagen zählen - frei bleiben sollen.

Zusammenfassend betrachtet wird festgestellt, dass die beantragte Werbeanlage auf Grund ihrer Größe, Farbe und Lichtwirkung, das derzeit optisch ruhige, homogene und qualitätsvolle Erscheinungsbild des Bereiches künftig dominiert, das grundlegende architektonische Konzepte des Kirchenareals ignoriert und einen Fremdkörper für den dortigen Bereich darstellt, wodurch insgesamt eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes hervorgerufen wird.

Auch eine geringe Anzahl von Werbeeinrichtungen würden an diesem Standort diesbezüglich keine Änderung bewirken."

Dieses Gutachten wurde der beschwerdeführenden Partei mit am 16. Mai 2001 zugestelltem Schreiben vom 14. Mai 2001 mit dem Hinweis, es bestehe die Gelegenheit, dazu binnen dreier Wochen Stellung zu nehmen, zur Kenntnis gebracht.

In einer Stellungnahme vom 25. Oktober 2001 brachte die beschwerdeführende Partei vor, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 26. Februar 2001 entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 4 TBO nicht innerhalb der dort vorgesehenen Ein-Monatsfrist erlassen worden sei, das angezeigte Vorhaben sei daher zu gestatten und der Bescheid vom 26. Februar 2001 zu beheben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG unter Hinweis auf § 45 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2001 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung nach auszugsweiser Wiedergabe des ergänzten Gutachtens im Wesentlichen damit, dass sie sich auf Grund des erhobenen Befundes und des in sich schlüssigen Gutachtens im engeren Sinne zur Frage einer Beeinträchtigung des Orts- oder Straßenbildes des gegenständlichen Stadtteiles den Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen anschließen könne. Die angezeigten zehn Werbeeinrichtungen beeinträchtigten das vorgegebene Orts- oder Straßenbild im Sinne des § 45 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 1998 erheblich. Sohin sei der Berufung spruchgemäß keine Folge zu leisten und die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 2 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, sind untergeordnete Bauteile wie die gegenständlichen Werbekästen der Behörde anzuzeigen. § 22 Abs. 3 leg. cit. in der hier maßgeblichen Fassung der TBO 1998, LGBl. Nr. 15 vor der Novelle LGBl. Nr. 74/2001, sieht vor, dass die Behörde das Vorhaben innerhalb eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Bauanzeige zu untersagen hat, wenn es nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften unzulässig ist. Gemäß Abs. 4 der genannten Bestimmung darf es ausgeführt werden, wenn es in der Monatsfrist weder als bewilligungspflichtig festgestellt noch untersagt wird. Gleichartige Regelungen enthält § 45 TBO 1998 in der angeführten Fassung hinsichtlich der Errichtung, Aufstellung und Änderung von frei stehenden Werbeeinrichtungen innerhalb geschlossener Ortschaften.

Im vorliegenden Fall wurde die Errichtung von an einer Mauer angebrachten Werbekästen - und nicht von frei stehenden Werbekästen - angezeigt. Dadurch, dass die belangte Behörde § 45 und nicht § 22 TBO 2001 angewendet hat, wurde die beschwerdeführende Partei angesichts der bezogen auf den vorliegenden Fall bestehenden Inhaltsgleichheit dieser Vorschriften nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juli 2005, Zl. 2004/06/0057).

Die beschwerdeführende Partei hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil der Untersagungsbescheid der Behörde erster Instanz vom 26. Februar 2001 nicht in der gesetzlichen Ein-Monatsfrist nach Einbringung ihrer Anzeige erlassen worden sei.

Damit zeigt die beschwerdeführende Partei keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die angeführte einmonatige Frist des § 22 Abs. 3 TBO 1998 beginnt nämlich erst nach Einbringung "der vollständigen Bauanzeige" zu laufen. Aus der Aktenlage ist zu ersehen, dass der Bauanzeige der beschwerdeführenden Partei entgegen § 22 Abs. 2 TBO 1998 jedenfalls keine Planunterlagen in zweifacher Ausfertigung angeschlossen waren. Damit konnte die Rechtswirkung des § 22 Abs. 2 erster Satz TBO 1998 nicht eintreten und war die Untersagung der Bauanzeige auch nach Verstreichen einer mehr als einmonatigen Zeitspanne nach Einbringung der unvollständigen Bauanzeige zulässig.

Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, dass ihr nach Abschluss des erstinstanzlichen Beweisverfahrens keine Möglichkeit gegeben worden sei, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, dadurch sei ihr Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs in erster Instanz ist als saniert anzusehen, wenn die Partei im Berufungsverfahren die Möglichkeit hatte, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen (vgl. die von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2003, zu § 37 AVG unter E 62a angeführte hg. Rechtsprechung). Im Übrigen wurde das ergänzende Gutachten, auf welches sich die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides stützte, der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 14. Mai 2001 zur Kenntnis gebracht. Die beschwerdeführende Partei ließ die darin gesetzte Frist zur Stellungnahme aber ungenutzt verstreichen. Der Beschwerdevorwurf der Verletzung des Parteiengehörs ist daher nicht begründet.

Die beschwerdeführende Partei meint, das Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde sei unzureichend und einseitig zu ihrem Nachteil geführt worden. Die beantragten Werbeeinrichtungen beeinträchtigten das Stadt- und Ortsbild nicht. Bei Anbringung einzelner Werbevitrinen müsste man sogar von einer gelungenen Gestaltung der vorhandenen Baufläche sprechen.

Der Beurteilung der belangten Behörde, die das ergänzende Gutachten als schlüssig erkannte, kann nicht entgegen getreten werden, zumal es auch die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, der Aussage im Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten. Der Verwaltungsgerichtshof kann jedenfalls die im Gutachten vertretene Auffassung, die sich auch die belangte Behörde zu Eigen machte, durchaus als schlüssig und nachvollziehbar beurteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002060026.X00

Im RIS seit

20.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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