TE OGH 1991/3/21 7Ob531/91

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Veröffentlicht am 21.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Martina S*****, vertreten durch ihre Eltern Hermann und Maria S*****, diese vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Land Tirol, vertreten durch Dr. Herbert Hillebrand und Dr. Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 240.000 sA (Revisionsstreitwert S 80.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5. November 1990, GZ 4 R 293/90-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. August 1990, GZ 15 Cg 457/89-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 170.000 samt 4 % Zinsen aus S 30.000 vom 21. Februar 1986 bis 18. November 1987, aus S 50.000 vom 19. November 1987 bis 30. Mai 1990 und aus S 200.000 seit 31. Mai 1990 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 70.000 samt 4 % Zinsen seit 31. Mai 1990 wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 80.523,17 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 7.847,87 Umsatzsteuer und S 14.902,20 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.338,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.556,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren ist in der Hauptsache nur mehr der der Klägerin vom Erstgericht zuerkannte Betrag von S 80.000 an Verunstaltungsentschädigung strittig. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung dieses Teilanspruchs ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Das Berufungsgericht ging davon aus, daß die ausgedehnte Nekrose von Haut- und Unterfettgewebe am rechten Handrücken der Klägerin mit Beteiligung der Sehnen und die nachfolgenden Kontrakturen in den Fingergrundgelenken II bis V rechts schon im Zeitpunkt der Einbringung der Klage am 15. Jänner 1986 vorhanden und den Eltern der Klägerin bekannt waren. Der erst am 30. Mai 1990 durch Klagsausdehnung geltend gemachte Anspruch einer Entschädigung für Verunstaltung sei daher verjährt. Die Unterbrechungswirkung des erfolgreichen Feststellungsbegehrens erstrecke sich nur auf künftige, noch nicht fällige Ansprüche. Der Verunstaltungsschaden nach § 1326 ABGB sei nicht deshalb, weil die Verhinderung im besseren Fortkommen bei einem Jugendlichen erst in der Zukunft auftrete, ein zukünftiger Schaden. Seine Fälligkeit habe bloß die Möglichkeit der künftigen Behinderung zur Voraussetzung. Diese sei aber auch schon bei einem Unmündigen gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, daß die Unterbrechungswirkung eines Feststellungsbegehrens grundsätzlich nur künftige Ansprüche erfaßt. Wie der Oberste Gerichtshof jedoch bereits wiederholt ausgesprochen hat, bewirkt die Einbringung einer mit einer Leistungsklage verbundenen, in der Folge erfolgreichen Feststellungsklage, daß einzelne Schadenersatzansprüche, selbst wenn sie bereits zum selben Zeitpunkt mit Leistungsklage hätten begehrt werden können, auch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungszeit im anhängigen Prozeß durch Ausdehnung geltend gemacht werden können (ZVR 1979/113, 1977/217; EvBl 1974/110; ZVR 1966/57, 1962/196; 2 Ob 24/85; 1 Ob 586/80). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Verjährungseinrede der beklagten Partei ist daher, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, nicht berechtigt.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verunstaltungsentschädigung (vgl. hiezu Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1326 mwN) kann nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes nicht zweifelhaft sein. Die beklagte Partei wendet sich, abgesehen von ihrem Verjährungseinwand, auch lediglich gegen die Höhe des Zuspruchs. Maßgebend hiefür ist insbesondere das Ausmaß der Entstellung und die Größe und Wahrscheinlichkeit der dadurch bedingten Behinderung des besseren Fortkommens und der Minderung der Heiratschancen (ZVR 1984/90; 8 Ob 11/85 uva). Nach den vom Erstgericht unbekämpft festgestellten und auch aus den Lichtbildern Beilage B ersichtlichen ausgedehnten Nekrosen am rechten Handrücken in Verbindung mit der erheblichen Bewegungseinschränkung, die auch eine muskuläre Verschmächtigung am rechten Arm zur Folge hat, liegt eine, insbesondere bei einer Frauensperson als schwerwiegend zu qualifizierende Entstellung vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wird die rechte Hand der Klägerin von ihrer Umgebung auch als kalt und grauslich empfunden. Es kann demnach auch nicht fraglich sein, daß die Heiratsaussichten und das bessere Fortkommen der Klägerin mit großer Wahrscheinlcihkeit beeinträchtigt werden. Die Bemessung der Verunstaltungsentschädigung durch das Erstgericht mit insgesamt S 160.000 erscheint daher keineswegs überhöht. Im Falle der von der beklagten Partei zitierten Entscheidung ZVR 1989/119 war in dritter Instanz kein höherer Betrag Gegenstand der Beurteilung. Die in ZVR 1988/193 ff dargestellten Fälle betreffen nicht Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und sind überdies mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben. Bei der Wiederherstellung des Ersturteils waren jedoch die offenkundigen Schreibfehler beim Zinsenzuspruch zu berichtigen.

Die Kostenbeschwerde in der Berufung der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Mit ihrem Schmerzengeldanspruch hat die Klägerin letztlich zur Gänze obsiegt. Bei Beurteilung des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen ist der Gesamtstreitwert zugrundezulegen. Für den ersten Rechtsgang ergibt sich nach der nicht bemängelten Bewertung des Feststellungsbegehrens, daß die Klägerin nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil des Gesamtanspruchs unterlegen ist, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlaßt hat. Die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO durch das Erstgericht ist daher zu billigen. Hinsichtlich der im zweiten Rechtsgang geltend gemachten Verunstaltungsentschädigung sind die Voraussetzungen des § 43 Abs 2 zweiter Fall ZPO gegeben. Eine offenbare Überklagung liegt nicht vor.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens des zweiten Rechtsganges beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25478

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00531.91.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19910321_OGH0002_0070OB00531_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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