Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Floßmann und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie B*****, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Johann B*****, vertreten durch Dr. Gerald Herzog und Dr. Manfred Angerer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterhalt infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 9. November 1990, GZ 1 R 467, 473/90-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 22. Mai 1990, GZ 4 C 48/90t-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung
an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Zwischen den Streitteilen ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Im vorliegenden Unterhaltsprozeß begehrte die Klägerin vom Beklagten zuletzt die Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von S 9.000,-.
Der Beklagte beantragte die Klageabweisung mit der Begründung, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch insbesondere dadurch verwirkt, daß sie gegen ihn eine unbegründete Strafanzeige wegen Einbruchsdiebstahls und Urkundenfälschung erstattet und auch nach Einstellung des diesbezüglichen Strafverfahrens gegenüber seiner Dienstgeberin, der Bank ***** S*****, offensichtlich in Schädigungsabsicht weiterhin die Fälschung ihrer Unterschrift durch ihn behauptet habe.
Im Zuge des Verfahrens wurde wegen Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Beklagten ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet und der Unterhaltsstreit bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung unterbrochen, dennoch nahm das Erstgericht das Verfahren vorzeitig wieder auf, schloß die Verhandlung und fällte ein klageabweisendes Urteil. Diesem liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin legte am 9. 2. 1987 den Schlüsselbund des Beklagten mit dessen "Haus- und Bankschlüssel" derart auf einen kleinen Kasten im Vorzimmer, daß er hinter das Kästchen rutschen mußte; dies geschah dann auch. Der Beklagte stellte die Klägerin wegen des Abhandenkommens der Bankschlüssel zur Rede und wies sie darauf hin, daß er deshalb bei der Sicherheitsbehörde Anzeige erstatten müsse. Die Klägerin erwiderte, sie wisse nicht, wo die Schlüssel seien, er solle selbst schauen, wo er "sein Zeug" habe.
Am nächsten Morgen dachte die Klägerin: "Wie komme ich dazu, daß ich ihm die Schlüssel gebe, er soll sie ruhig suchen". Der Beklagte erklärte ihr abermals, er müsse den Verlust der Bankschlüssel bei der Sicherheitsbehörde melden; darauf erwiderte sie, daß sie nicht wisse, wo die Schlüssel seien. Der Beklagte erstattete dann wegen des Abhandenkommens der Schlüssel die Anzeige und meldete auch seinem Arbeitgeber, der Bank ***** S***** den Verlust der Schlüssel. Es handelt sich um die Schlüssel zum Haustor, zum Stiegenaufgang, zum Zugang zum Vorstandsbüro sowie zur Bürotüre des Beklagten bei der Bank. Damit hätte man auch zu Geheimakten der Bank kommen können. Noch am selben Tag wurden bei der Bank ***** S***** sämtliche Schlösser ausgetauscht. Am Abend des gleichen Tages gab die Klägerin dem Beklagten über dessen Drängen den Hinweis, daß die Bank- und Hausschlüssel hinter das Kästchen im Wohnzimmer gerutscht sein könnten. Am 26. 2. 1987 wurde der Beklagte, der bei der Bank als Prokurist tätig ist, vom Chef der Kreditabteilung informiert, es werde eine Vorstandssitzung stattfinden, weil die Klägerin am Vortag gegenüber dem Direktor der Kreditabteilung namens S***** und gegenüber dem Referenten Dr. A***** erklärt habe, daß eine Unterschrift von ihr auf einem Kreditantrag gefälscht sei und sie annehmen müsse, der Beklagte habe diese Unterschrift gefälscht oder sei an der Fälschung der Unterschrift beteiligt gewesen. Dabei ging es darum, daß "ein grundbücherlich besicherter Kreditvertrag wieder ausgenützt werden sollte". Der Beklagte hatte diesen Kreditvertrag seinerzeit mit nachhause genommen und ihn der Klägerin im Wohnzimmer zur Unterschrift vorgelegt. Sie setzte am 6. 10. 1986 unter eine vorgedruckte Verpflichtungserklärung in Anwesenheit des Beklagten ihre Unterschrift. Sie unterschrieb dabei "blind" und sagte: "Von mir kannst Du alles haben". In der Vorstandssitzung der Bank wurde die Angelegenheit in Anwesenheit des Beklagten erörtert und beschlossen, daß die Unterschrift der Klägerin solange als echt zu gelten habe, bis das Gegenteil bewiesen sei und daß seitens der Bank keine sonstigen Maßnahmen ergriffen würden. Über die Angelegenheit waren außer den beiden genannten Bankangestellten auch Reinhard G***** der Referent für Privatkredite, sowie der Personalchef und der gesamte Vorstand der Bank informiert. Es wurde auch eine Aktennotiz über den Besuch der Klägerin in der Bank, bei dem sie den gegen den Beklagten gerichteten Verdacht geäußert hatte, angefertigt. Am 21. 5. 1987 erstattete die Klägerin durch ihren Rechtsvertreter Dr. Franiek gegen den Beklagten eine Strafanzeige wegen schweren Betruges, weil dieser ihre Unterschrift auf einem Kreditantrag gefälscht habe. Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. 7. 1989 wurde die Verpflichtung der Bank ***** S***** zur Wahrung des Bankgeheimnisses aufgehoben und die Bank aufgefordert, den Originalkreditvertrag zur Verfügung zu stellen. Diese Aufforderung erging über die offizielle Post der Bank unter der Bezeichnung: "Strafsache gegen Johann B*****". Nach Einvernahme der Angestellten Dr. A***** und Reinhard G***** wurde das Strafverfahren gegen den Beklagten eingestellt. Am 15. 9. 1987 stellte die durch einen Rechtsanwalt vertretene Klägerin einen Subsidiarantrag verbunden mit dem Antrag auf Beiziehung eines Schriftsachverständigen. Dieser kam in seinem Gutachten vom 15. 11. 1987 zu dem Ergebnis, daß die Unterschrift auf dem Kreditvertrag eindeutig von der Klägerin stamme. Hierauf wurde der Subsidiarantrag der Klägerin von der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt am 3. 12. 1987 als unbegründet zurückgewiesen. Der Klägerin war bewußt, daß sie mit den von ihr gesetzten Schritten die Existenz des Beklagten gefährdet. Sie war jedoch der Meinung: "Wenn man mich obdachlos auf die Straße stellt, weil man mich ohne einen Groschen Unterhalt nach 21 Jahren auf die Straße jagen will und mir nicht einmal das Geld für die Miete einer Wohnung gegeben hat, auf was soll ich da noch Rücksicht nehmen? Ich habe alles verloren." Am 24. 10. 1988 erstattete die Klägerin gegen den Beklagten beim Gendarmeriepostenkommando K***** eine Anzeige wegen Einbruchsdiebstahls mit dem Vorwurf, der Beklagte habe im Jänner 1987 während ihrer mehrwöchigen Abwesenheit einen in ihrem Besitz befindlichen Bücherkasten aufgebrochen und 15 Briefe, die sie ihren Töchtern geschrieben habe, sowie einen Goldring gestohlen. Anlaß hiefür war, daß der Beklagte in dem zwischen den Streitteilen geführten Verfahren 4 C 25/88 des Bezirksgerichtes K***** die Kopie eines Schreibens der Klägerin vom 2. 6. 1987 an die Tochter C***** als Beweismittel vorgelegt, die Klägerin aber seit längerem solche Briefkopien vermißt hatte. Allerdings hatte sie eine Kopie dieses Schreibens bereits mit Schriftsatz vom 30. 12. 1987 im Pflegschaftsverfahren betreffend ihre Tochter C***** als Beweisstück vorgelegt. Der Beklagte hatte Anfang des Jahres 1987 den versperrten Bücherschrank gewaltsam geöffnet, weil sich darin wichtige Akten befanden. Die Anzeige gegen ihn wurde am 16. 3. 1988 von der Staatsanwaltschaft K***** gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt. Mit Schreiben vom 7. 10. 1988 erklärte die Klägerin gegenüber Direktor M***** von der Bank ***** S*****, daß sie "der Prokurist und Leiter des Vorstandbüros, Dr. B*****, falsch über die Besicherung des Kredites informiert habe. Mit Schreiben vom 15. 12. 1988 ersuchte die Klägerin Direktor S*****, ihr die Salden der Kreditverbindlichkeiten per 31. 12. 1988 mitzuteilen. Der vorletzte Absatz dieses Schreibens lautet:
"Nachdem der Anwalt der Bank ***** S*****, Dr. H*****, versucht, mich als Lügnerin hinzustellen, sehe ich mich gezwungen, mit einer neuerlichen Aufrollung der Unterschriftenfälschung des Prokuristen der BKS, Herrn Dr. Hans B*****, meine Wahrheit zu beweisen, daß ich bei meinem Leben schwöre, diesen Absatz unter diesen Kreditvertrag des Kontos 400-005176 nie gesehen und unterschrieben habe."
Am 6. 3. 1989 hat die Klägerin in der Zeit von 14 Uhr 30 bis 16 Uhr 15 vor dem Gebäude der Bank ***** S***** in K***** gegen den Beklagten mit an ihrer Brustseite und am Rücken befestigten Plakaten demonstriert, die folgende Aufschrift trugen:
"Dr. Hans B*****, 47 Jahre, verdient im Monat S 41.000,- und hält sich ein Reitpferd und zahlt monatlich dafür S 5.000,- Unterhalt. Ich habe einen Prozeß um Unterhaltszahlung verloren und die Frau Dr. ....... hat mir geraten, mich auf die Straße zu stellen und zu protestieren, um meine Unterhaltsansprüche geltend zu machen."
In seiner rechtlichen Beurteilung zog das Erstgericht insbesondere aus den wiedergegebenen Feststellungen den Schluß, daß die Klägerin durch ihre Handlungweise den Beklagten gegenüber anderen Personen in unqualifizierter Weise herabgesetzt und seine Berufsausübung empfindlich gestört habe. Stelle man den schweren Eheverfehlungen der Klägerin den von ihr ins Treffen geführten Alkoholabusus des Beklagten gegenüber und gehe man dabei von der Parteiaussage der Klägerin sowie den bisherigen Beweisergebnissen aus, so könne das Gericht keinen Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum des Beklagten und ein in diesem Zusammenhang stehendes Fehlverhalten und den Eheverfehlungen der Klägerin erblicken. Die von der Klägerin begangenen Eheverfehlungen seien als Verwirkungstatbestand zu qualifizieren.
Das Berufungsgericht verwarf die von der Klägerin wegen Nichtigkeit erhobene Berufung und gab ihrem Rechtsmittel im übrigen nicht Folge. Es erklärte die Revision nicht für zulässig und führte in seiner Entscheidungsbegründung aus:
Der Umstand, daß das Erstgericht keinen formellen Beschluß auf Aufhebung der Unterbrechung gefaßt habe, schade nicht, weil die Anberaumung einer Verhandlung insoweit genüge und im übrigen zwischenzeitig Rechtsanwalt Dr. Michael R***** rechtskräftig gemäß § 238 Abs.2 AußStrG zum einstweiligen Sachwalter der Klägerin bestellt worden sei. Auch die Zurückweisung der Ablehnung des Erstrichters sei inzwischen in Rechtskraft erwachsen, sodaß ein diesbezüglicher erstgerichtlicher Verfahrensmangel im Rechtsmittelstadium nicht mehr zu berücksichtigen sei. Somit liege der behauptete Nichtigkeitsgrund keinesfalls vor.
Das Unterbleiben der Parteienvernehmung der Klägerin zufolge Nichterscheinens trotz gehöriger Ladung stelle aus den im einzelnen angeführten Gründen keinen Verfahrensmangel dar, ebensowenig die gemäß § 281 a ZPO erfolgte Verlesung von Beweisergebnissen, weil die Klägerin sich gegen diese Verlesung nicht sogleich ausgesprochen habe. Auch die Rüge, das Erstgericht habe bestimmte Zeugen nicht einvernommen, sei nicht stichhältig, weil jegliche Konkretisierung dafür fehle, zu welchen Beweisthemen diese Zeugen hätten aussagen sollen. Der erstgerichtlichen Beweiswürdigung sei aus den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zu folgen.
Rechtlich habe das Erstgericht ausführlich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung eine Unterhaltsverwirkung eintrete. Es bedürfe keiner weitergehenden Erörterung, daß das Verstecken der Bankschlüssel mit den für den Beklagten unangenehmen Konsequenzen, die wiederholten fälschlichen Anschuldigungen gegenüber dem Dienstgeber des Beklagten, die unbegründeten Strafanzeigen gegen ihn und nicht zuletzt die für ihn selbstverständlich äußerst unangenehme Demonstration vor seinem Dienstgeber ausreichten, um eine Unterhaltsverwirkung anzunehmen. Wenn schon, wie in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien EFSlg. 50.199 ausgeführt worden sei, ein einzelnes Schreiben mit dem Versuch einer Anschwärzung des Ehegatten beim Dienstgeber genüge, um eine Unterhaltsverwirkung anzunehmen, müsse dies umso eher gelten, wenn ein Ehegatte fortgesetzt versuche, die Existenz des anderen Ehegatten zu vernichten. Besonders deutlich gehe die Einstellung der Klägerin aus ihrer eigenen Aussage hervor, es sei ihr bewußt gewesen, daß sie mit den von ihr gesetzten Schritten die Existenz des Beklagten gefährde. Ihr Versuch, ihre Handlungsweise damit zu rechtfertigen, daß sich auch der Beklagte ihr gegenüber nicht ehegerecht verhalten habe, verblasse im Hinblick auf ihr kraß die eheliche Beistandspflicht verletzendes Verhalten.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Klägerin eine auf die Revisionsgründe des § 503 Z 1, 2 und 4 ZPO gestützte außerordentliche Revision mit dem Antrage auf Zulassung und Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen wegen Nichtigkeit oder auf Abänderung im Sinne der Klagestattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision ist aus den bei Behandlung der Rechtsrüge näher dargelegten Gründen zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Den umfangreichen Revisionsausführungen über angebliche, vom Erstgericht gesetzte Nichtigkeitsgründe ist zu erwidern, daß das Berufungsgericht die Nichtigkeitsberufung der Klägerin verworfen hat. Diese beschlußmäßige Entscheidung ist nach ständiger Rechtsprechung (JBl 1955, 276 uva, zuletzt etwa 2 Ob 512/90) vor dem Obersten Gerichtshof nicht anfechtbar. Angebliche erstgerichtliche Verfahrensmängel, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können nach der ständigen Rechtsprechung (SZ 22/106 uva) in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden.
Die Revisionsgründe des § 503 Z 1 und 2 ZPO liegen daher nicht vor.
In ihrer Rechtsrüge bekämpft die Klägerin die Rechtsansicht der Vorinstanzen über ein kraß ehewidriges Verhalten ihrerseits, verweist auf die Eheverfehlungen des Beklagten, der ihr Verhalten provoziert habe, und macht geltend, daß bei der Beurteilung der Frage der Unterhaltsverwirkung im Sinne des § 94 Abs.2 ABGB nicht nur das objektive Gewicht der als bescheinigt angenommenen ehewidrigen Verhaltensweisen, sondern auch das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des Ehegatten in Betracht zu ziehen sei. Es komme demgemäß auch darauf an, ob ein Verschulden des Ehegatten an seinen Verfehlungen vorliege und er die Tragweite seines Verhaltens zu beurteilen vermöge. Die Vorinstanzen lasteten ihr vornehmlich den Umstand an, sie habe im Feber 1987 unbegründet wider ihren Ehemann bei dessen Dienstgeber den Vorwurf erhoben, er habe eine Unterschriftenfälschung begangen bzw. er habe an einer solchen mitgewirkt. Weiters werde ihr zur Last gelegt, sie habe gegen ihn im Mai 1987 und dann im Oktober 1988 unbegründet Strafanzeige erstattet. Wegen dieser Umstände habe sie nach Meinung der Vorinstanzen ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil ihr dieses Verhalten subjektiv vorwerfbar sei. Davon könne überhaupt keine Rede sein. Die Erstattung einer Strafanzeige gegen den anderen Ehegatten könne nur dann eine Eheverfehlung darstellen, wenn diese Anzeigeerstattung aus feindlicher Einstellung und Rachegefühl erfolgt wäre. In diesem Zusammenhang lege hier das Erstgericht ein völlig inkonsequentes Verhalten an den Tag. So stelle es in OZ 81 des Ehescheidungsverfahrens hinsichtlich der Klägerin fest:
"Sie war von diesem Zeitpunkt an überzeugt, daß die Unterschrift auf dem Kreditvertrag nicht von ihr stammt" .... "Die Beklagte war der festen Meinung, daß sie den gegenständlichen Kreditvertrag nicht unterfertigt hat". Diese Feststellungen widersprächen aber der Meinung des Erstgerichtes, daß die Anzeigeerstattung der Klägerin subjektiv vorwerfbar sei. Davon könne auch keine Rede sein, weil sie immer fest davon überzeugt gewesen sei, den in Rede stehenden Kreditvertrag nicht unterfertigt zu haben. Der Beklagte gründe die von ihm behaupteten Unterhaltsverwirkungen nur auf drei Tatbestände. Die angeblichen Angriffe und Mißhandlungen bzw. Drohungen stellten selbst nach Ansicht der zweiten Instanz keinen diesbezüglichen Verwirkungsgrund dar, ebensowenig ein ihr vorgeworfener Angriff gegen die gemeinsame Tochter. Die Erstattung der Strafanzeige sei erweislich in gutem Glauben erfolgt, wie ihr dies auch das Erstgericht zugebilligt habe. Mangels Geltendmachung weiterer Verwirkungstatbestände könnte auf solche selbst bei deren Vorliegen nicht Bedacht genommen werden. Somit könne die Rechtsmißbrauchsklausel hier nicht zum Tragen kommen. Im übrigen habe der Beklagte seinerseits schon früher, und zwar im Jahre 1987, mit dem Einbringen von Strafanzeigen begonnen. Die Klägerin sei der festen Überzeugung, daß es ihr gutes Recht sei, ihrem Glauben durch Worte und Taten Ausdruck zu verleihen, zumal sie der unerschütterlichen Annahme sei, daß die fragliche Unterschrift nicht von ihr stamme. Niemals habe sie die Vertrauensstellung ihres Mannes gefährden wollen, von ihren Rechten dürfe sie aber Gebrauch machen. Was den angezeigten Einbruchsdiebstahl anlange verweise sie nochmals auf die Tatsache, daß der Beklagte selbst zugebe, ihren Kasten aufgebrochen zu haben. Von einer unbegründeten Anzeigeerstattung könne sohin keine Rede sein. Nicht Sorglosigkeit, wie in AS 269 unrichtig angeführt, sondern völlige Verzweiflung hätte sie zu den schon bekannten Schritten bewogen. Was die Schlüsselsache anlange so sei ihr nach der Aktenlage nicht bewußt gewesen, daß der Beklagte dies seiner Bank melden müsse, sie sei aber der festen Überzeugung gewesen, daß diese Sache nicht nur von ihrem Mann, sondern auch von den Untergerichten überbewertet werde, eine "derart harmlose Sache könne keine schwere Eheverfehlung sein". Da ihr die Vorinstanzen ihre "Demonstration" im März 1989 als schwere Eheverfehlung zur Last legten, erscheine es notwendig, den Text der Tafel, die sie damals getragen habe, einer Prüfung zu unterziehen. Er laute: "Seite 1:
Zeitungsartikel: Daneben: Oberprokurist der Bank ***** S***** Dr. Hans B***** und sein Anwalt, Hausanwalt der BKS - Anwalt Dr. .....
verdient monatlich netto
S 41.000,-
sein Reitpferd kostet monatlich
S 5.000,-
Beide wollen mit Hilfe von
Richterin Dr. ..... , geboren am .....
Richter Dr. ..... und Dr. .....
und Dr. .....
Dr. ..... und Dr. ..... = Rotarier
Ehefrau Rosemarie B*****
obdachlos - schuldig - ohne Unterhalt
nach 23 Jahren Ehe + blaugeschlagenem Gesicht von alkoholisierten
Oberprokuristen der BKS aus dem Haus 1/2 - 1/2 jagen.
Richter und Anwalt gute Freunde gegen Ehefrau
Die Ehefrau früher auch noch betrügerische Anwältin
Dr. .....
ICH WILL VOR EIN UNABHÄNGIGES GERICHT!
Seite 2: .....(=
ähnlicher Text) .....
.....
Zeitungsbild am Ende"
Alles in allem könne keine Rede davon sein, daß die "Demonstration" im März 1989 eine schwere Eheverfehlung darstelle, wobei der Vollständigkeit halber auf die Tatsache verwiesen werde, daß der Beklagte zu diesem Zeitpunkt die eheliche Wohnung schon zwei Jahre lang verlassen gehabt habe und die Ehe der Streitteile damals schon unheilbar zerrüttet gewesen sei.
Mit diesen Ausführungen wirft die Klägerin im Sinne ihrer gemäß § 502 Abs.1 ZPO zur Frage der Rechtsmittelzulässigkeit aufgestellten einleitenden Revisionsbehauptungen ausdrücklich auch die hier für die Entscheidung maßgebliche Rechtsfrage der subjektiven Vorwerfbarkeit des ihr angelasteten Fehlverhaltens auf.
Diesen Ausführungen kommt grundsätzlich Berechtigung zu.
Gemäß § 94 Abs.2 ABGB kann der bisher unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Ehegatten nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes dann nicht mehr geltend machen, wenn dessen Geltendmachung insbesondere wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung ist bei der Beurteilung einer Verwirkung des Unterhaltsanspruches dem Grunde nach einerseits das objektive Gewicht der als bescheinigt angenommenen schweren Eheverfehlungen und andererseits auch das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des den Unterhalt beanspruchenden Ehegatten entscheidend (RZ 1978/45 S 86; EFSlg. 35.191; 5 Ob 573/83; 7 Ob 505/87 ua).
Es kann nun im vorliegenden Fall den Vorinstanzen durchaus darin beigepflichtet werden, daß das von ihnen mit bindender Wirkung für den Obersten Gerichtshof festgestellte ehewidrige Verhalten der Klägerin allein seinem objektiven Gewicht nach die Annahme einer rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruches rechtfertigt. Die Frage, ob und in welchem Grad der Klägerin dieses Verhalten auch subjektiv vorwerfbar ist, blieb aber ungeprüft. Dies, obschon das Erstgericht wegen Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Klägerin den Rechtsstreit zwecks Einleitung eines die Klägerin betreffenden Sachwalterschaftsverfahrens unterbrach und sodann rechtskräftig ein einstweiliger Sachwalter zur Vertretung der Klägerin bestellt wurde. Nach der Art der von der Klägerin gegenüber dem Beklagten erhobenen Vorwürfe und ihres in diesem Zusammenhang an den Tag gelegten Verhaltens bestehen tatsächlich begründete Bedenken, ob und inwieweit ihr auch subjektive Verantwortlichkeit zurechenbar ist. Diese Frage kann nur durch ein einzuholendes Sachverständigengutachten geklärt werden. In dem diesem Prozeßakt angeschlossenen und die Klägerin betreffenden Akt des Sachwalterschaftsverfahrens erliegt ein Sachverständigengutachten, nach dessen Inhalt die Klägerin in ihren laufenden Rechtsstreitigkeiten um Unterhalt, Vermögensteilung und Scheidungsgründe "auf Grund des auf diese Themen fokusierten paranoiden Syndroms nicht prozeßfähig" sei, wenn man unter Prozeß- bzw. Verhandlungsfähigkeit "jene Fähigkeit versteht, die eigenen Interessen innerhalb und außerhalb eines Verfahrens vernünftig wahrzunehmen und seine Ansprüche bzw. seine Verteidigung in entsprechender Weise zu führen"; es könne "eine ausreichende Einsicht und entsprechende Distanzierung von ihrem paranoidem Ideengut und dem daraus resultierenden Fehlverhalten" nicht festgestellt werden.
Dieses in einem anderen Verfahren erstattete und daher hier nur illustrativ verwertbare Gutachten enthält somit jedenfalls Hinweise auf eine allenfalls nicht vorhandene oder doch herabgesetzte Verantwortlichkeit der Klägerin für das ihr als Verwirkungstatbestände angelastete Verhalten.
Zur Frage, ob die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten verwirkt hat, weil ihr objektiv grob ehewidriges Verhalten in hinreichendem Maße auch subjektiv vorwerfbar ist, muß das Verfahren somit vom Erstgericht durch Aufnahme der hiefür erforderlichen Beweise, insbesondere auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, ergänzt werden; danach wird über den Klageanspruch neuerlich zu entscheiden sein.
Demgemäß war der Revision im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E25738European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00529.91.0321.000Dokumentnummer
JJT_19910321_OGH0002_0080OB00529_9100000_000