Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. *****, und
2. *****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 350.000 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. November 1989, GZ 16 R 183/89-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Juni 1989, GZ 8 Cg 196/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Kaufvertrag vom 19.12.1986 haben die Kläger vom Beklagten je zur Hälfte 16/1148-Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an KG/1 Garage und 140/1148-Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung top 4 der Liegenschaft EZ 737 KG *****, um einen Kaufpreis von S 1 Million erworben.
Die Kläger begehren vom Beklagten S 350.000 samt Anhang als Ausgleich für den im Verhältnis zum bezahlten Kaufpreis geringeren tatsächlichen Wert der Liegenschaft mit dem Vorbringen, der Beklagte habe ihnen durch seinen mit den Vertragsverhandlungen beauftragten Vermittler ausdrücklich zugesichert, daß die der Stadt Wien gehörende Nachbarliegenschaft in absehbarer Zeit nicht verbaut, sondern in einen Park umgewandelt werde, es sich also um eine Wohnung "im Grünen" handle. Diese Zusicherung sei für die Kläger von ausschlaggebender Bedeutung für den Ankauf der Wohnung gewesen. Erst nach Vertragsabschluß hätten die Kläger erfahren, daß die Eigentümerin der Nachbarliegenschaft die Errichtung eines Parks nicht in Erwägung gezogen habe, sondern vielmehr beabsichtige, eine Autobusgarage, die mit Lärm-, Abgas- und Lichtbehinderungen für die Wohnung der Kläger verbunden sein werde, zu errichten. Dies sei dem Beklagten bei Vertragsabschluß bekannt gewesen; das Garagenprojekt sei schon seit Jahren mit allen Anrainern erörtert worden. Da der Beauftragte des Beklagten dieses Garagenprojekt wider besseres Wissen verschwiegen und die Nichtverbauung der Nachbarliegenschaft zugesichert habe, hafte der Beklagte für den Minderwert. In eventu begehrten die Kläger die Feststellung der Haftung des Beklagten für die Wertminderung der Liegenschaftsanteile als Folge der (späteren) Errichtung einer Parkgarage auf der Nachbarliegenschaft.
Der Beklagte wandte ein, er habe die Immobiliengesellschaft ***** lediglich mit der Vermittlung von Kaufinteressenten für seine Liegenschaftsanteile beauftragt. Diese sei grundsätzlich nicht berechtigt gewesen, Zusagen in seinem Namen zu machen. Darüber hinaus bestreite er jegliche Täuschung der Kläger. Diese hätten sich auch durch Einsichtnahme in den Flächenwidmungsplan davon überzeugen können, daß die Nachbarliegenschaft als Betriebsbaugebiet/gemischtes Baugebiet gewidmet sei. Im übrigen stehe derzeit noch nicht fest, ob die Nachbarliegenschaft tatsächlich verbaut werde. Es mangle den Klägern daher am Rechtsschutzinteresse.
Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß der Beklagte der Immobiliengesellschaft ***** im Herbst 1986 den Auftrag erteilte, Kaufinteressenten für seine Wohnung zu vermitteln. Auf Grund eines Zeitungsinserates nahmen die Kläger mit der Immobiliengesellschaft Kontakt auf. Bei der Besichtigung der Wohnung sicherte deren Mitarbeiter den Klägern zu, daß die angrenzende Liegenschaft, auf die die Fenster der besichtigten Wohnung zeigten, nicht verbaut, sondern in einen Park umgewandelt werde. Diese Zusicherung war für die Kläger von ausschlaggebender Bedeutung für den Ankauf der Wohnung, weil sie insbesondere wegen einer Asthmaerkrankung ihres Sohnes eine Wohnung in Grünlage suchten, um eine weitgehende Staubfreiheit der Atemluft zu erreichen. Hätten sie von der geplanten Errichtung der Parkgarage gewußt, hätten sie sich nicht zum Kauf entschlossen. Nach weiteren Besichtigungen unterzeichneten die Kläger schließlich ein Anbot zum Abschluß eines Kaufvertrages mit einem Kaufpreis von S 1 Million.
Ende September 1986, also noch vor Abschluß des Kaufvertrages, erhielt der Beklagte eine Einladung der MA 69 zu einer Besprechung über den Erwerb von 4 m2 Grund der Liegenschaft EZ 737 KG ***** zum Zweck der Baureifgestaltung der benachbarten Liegenschaft EZ 1277 KG *****. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wußte der Beklagte, daß eine Bebauung der Nachbarliegenschaft durch die Gemeinde Wien geplant war. Der Beklagte beauftragte den mit dem Verkauf befaßten Mitarbeiter der Immobiliengesellschaft nicht, Interessenten zu sagen, die Nachbarliegenschaft werde nicht verbaut oder in einen Park umgewandelt; er informierte ihn vielmehr darüber, daß eine Autobusgarage geplant sei.
Im Auftrag des Beklagten verfaßte ein Notar Ende Oktober 1986 einen Kaufvertragsentwurf, der beiden Streitteilen und der Immobiliengesellschaft zugestellt wurde. Am 19.12.1986 unterzeichneten die Streitteile, die bis zur Vertragsunterzeichnung nicht miteinander bekannt geworden waren, den Kaufvertrag. Über die Frage der Bebauung der Nachbarliegenschaft wurde nicht gesprochen und in den Kaufvertrag auch kein entsprechender Vertragspunkt aufgenommen.
Mit Kundmachung vom 3.3.1988 stellte die Stadt Wien einen Antrag auf Einleitung des Enteignungsverfahrens hinsichtlich zweier Teilflächen des Grundstückes 417/2 der Liegenschaft EZ 737 KG ***** im Ausmaß von zusammen 4 m2 zum Zweck der Baureifgestaltung (Bauplatzbeschaffung) der Nachbarliegenschaft EZ 1277 KG *****. Auf Grund dieses Antrages wurde vom Bezirksgericht ***** die Anmerkung der Einleitung des Enteignungsverfahrens bewilligt. Dieses ist noch nicht abgeschlossen.
Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, der Beklagte habe die Immobiliengesellschaft mit der Vermittlung des Verkaufes der Wohnung beauftragt. Deren Vertreter habe durch die irreführende Zusicherung, die Nachbarliegenschaft werde in einen Park umgewandelt, schuldhaft vorvertragliche Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, was sich der Beklagte zurechnen lassen müsse. Ein Schadenersatzanspruch bestehe jedoch nicht, weil ein Schaden tatsächlich noch nicht entstanden sei. Aus diesem Grund sei auch das Feststellungsbegehren nicht gerechtfertigt. Die bloße Einleitung eines Enteignungsverfahrens für Zwecke der Baureifgestaltung sei für ein rechtliches Interesse noch nicht ausreichend.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger keine Folge. Es führte rechtlich im wesentlichen aus, der Veräußerer habe dafür einzustehen, daß die verkaufte Sache die ausdrücklich bedungenen oder im Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweise. Die Zusicherung der Nichtverbauung der Nachbarliegenschaft könne nicht als ausdrücklich bedungene Eigenschaft der Sache angesehen werden, weil nicht alle Eigenschaften, die beim Geschäftsabschluß gesprächsweise von den Parteien erwähnt werden, schon als ausdrücklich bedungen anzusehen seien. Hiezu bedürfe es einer ausdrücklichen oder konkludenten Willenserklärung. Die falsche Information des Vertreters der Immobiliengesellschaft sei ungeachtet der entscheidenden Bedeutung, welche ihr die Kläger beim Ankauf der Wohnung beigemessen hätten, nur als bloße Information, also als Wissenserklärung zu werten. Es sei nämlich auch für die Kläger erkennbar nicht im Einflußbereich des Verkäufers gelegen gewesen, was mit der Nachbarliegenschaft geschehe. Überdies wäre zumindest eine Erwähnung der Zusicherung beim Vertragsabschluß mit dem Beklagten zu erwarten gewesen, hätten die Kläger die Zusicherung zum Vertragsinhalt machen wollen. Die Erklärung des Vermittlers sei auch nicht Vertragsinhalt geworden, weil dieser vom Beklagten tatsächlich nicht bevollmächtigt gewesen sei, Willenserklärungen abzugeben.
Die bewußt falsche Information durch den Vertreter der Immobiliengesellschaft habe die Kläger zum Abschluß des Kaufvertrages veranlaßt. Die Vertragsparteien hätten bereits im Rahmen der Vorbereitung des Vertragsabschlusses Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Geschäftspartner wahrzunehmen, deren Verletzung Schadenersatzansprüche begründe. Dazu zähle auch die Verpflichtung, das Anbot wahrheitsgemäß zu erstellen und (veranlaßte Irrtümer) über geschäftswesentliche Tatsachen aufzuklären, wenn zu erkennen sei, daß der Vertragspartner im Vertrauen darauf Dispositionen treffen wolle. Bediene sich der Schuldner bei der Vorbereitung des Vertragsabschlusses eines Gehilfen, der mit seinem Willen im Rahmen der ihm obliegenden Verbindlichkeiten tätig werde und damit auch die vorvertraglichen Sorgfaltspflichten wahrzunehmen habe, hafte er für dessen schuldhaftes Verhalten wie für eigenes nach § 1313a ABGB. Diese Haftung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gehilfe selbständig arbeite, soferne er nur für den Schuldner tätig werde und dieser die Befugnis habe, dem Gehilfen Weisungen zu erteilen. Der Beklagte habe dem Makler nach seinem eigenen Vorbringen alle erforderlichen Verkaufsunterlagen zur Verfügung gestellt und diesem - mit Ausnahme verbindlicher Zusagen - alle Vorbereitungen des Vertragsabschlusses, auch die Besichtigung der Wohnung und die Beantwortung allfälliger Fragen zum Kaufobjekt, überlassen. Es bestehe kein Zweifel, daß die bewußt falsche Auskunft, die für den Kaufentschluß der Kläger von erkennbarer Bedeutung gewesen sei, hätte sie der Beklagte selbst erteilt, diesen schadenersatzpflichtig gemacht hätte. Die Heranziehung eines Maklers könne an der Haftung des Geschäftsherrn für dessen Verhalten zunächst grundsätzlich nichts ändern; dessen Verschulden sei ihm grundsätzlich zuzurechnen.
Trotzdem habe der Beklagte die Täuschung der Kläger durch den Makler im Ergebnis nicht zu vertreten. Die Haftung des Beklagten für den Makler scheide nämlich dann aus, wenn dieser auf Grund einer eigenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber den Klägern tätig geworden sei, weil er dann eine selbständige Leistung geschuldet und erbracht habe, während der Erfüllungsgehilfe nur jene des Schuldners ausführe. Ein Vermittlungsauftrag könne ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. Eine stillschweigende Auftragserteilung sei schon dann anzunehmen, wenn der Interessent die vom gewerbsmäßigen Realitätenvermittler für ihn entfaltete Tätigkeit kenne und ihr nicht widerspreche. Die Kläger hätten sich der Tätigkeit des Maklers nutzbringend bedient und seien mit ihm in Vertragsverhandlungen eingetreten. Habe ein Realitätenvermittler mit beiden Vertragsparteien eine Vermittlungsvereinbarung getroffen, lasse sich die Haftung eines der Vertragspartner, hier des Beklagten, für das schuldhafte Verhalten des Maklers im Rahmen seiner Tätigkeit für beide Geschäftspartner nicht mehr rechtfertigen. Damit habe der Beklagte das schuldhafte Verhalten des Immobilienmaklers im Ergebnis nicht zu vertreten.
Schließlich scheide eine Vertragskorrektur wegen listiger Irreführung nach § 872 ABGB schon deshalb aus, weil die Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen ohne Täuschung über die Verwendung der Nachbarliegenschaft zu einem Vertragsabschluß (zu anderen Bedingungen) nicht bereit gewesen wären.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Kläger ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Es unterliegt zunächst keinem Zweifel, daß die bewußt wahrheitswidrige Zusage des vom Beklagten mit der Vermittlung des Verkaufes seiner Eigentumswohnung beauftragten Realitätenvermittlers (bzw dessen Mitarbeiters) an die Kläger, die an das Haus angrenzende Liegenschaft werde nicht verbaut, sondern in einen Park umgewandelt werden, für den Kaufentschluß der Kläger ursächlich war, hätten sie sich doch nach den getroffenen Feststellungen nicht zu diesem Kauf entschlossen, wenn sie von der geplanten Verbauung der Nachbarliegenschaft Kenntnis gehabt hätten.
Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes muß der Beklagte diesen Umstand, daß nämlich der von ihm mit der Vermittlung des Verkaufes seiner Eigentumswohnung beauftragte Realitätenvermittler (bzw dessen Mitarbeiter) die Kläger im Sinne des § 870 ABGB durch List zum Abschluß des Kaufvertrages veranlaßte, gegen sich gelten lassen. "Dritter" im Sinne des § 875 ABGB ist keinesfalls jede Person außer dem Erklärenden und dem Erklärungsgegner. Es kommt entscheidend auf die Funktion an, die der Täuschende beim Zustandekommen des Geschäftes einnimmt. Nur ein am Geschäftsabschluß Unbeteiligter kann als "Dritter" im Sinne des § 875 ABGB angesehen werden, nicht aber eine Person, die maßgeblich auf der Seite eines der Beteiligten am Zustandekommen des Geschäftes mitgewirkt hat. Eine von einem mit der Vermittlung des Verkaufes einer Liegenschaft beauftragten Immobilienmakler in dieser Eigenschaft, also als Beauftragter des Verkäufers, begangene Täuschung des Kaufinteressenten muß der Verkäufer gegen sich gelten lassen (SZ 44/59; MietSlg 38.070 mwN ua).
Der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, die vom Realitätenvermittler begangene Täuschung der Kläger sei nicht dem Beklagten zuzurechnen, weil sich auch die Kläger der Tätigkeit des Realitätenvermittlers nutzbringend bedient hätten und damit mit ihm ein Vertragsverhältnis eingegangen seien, ist nicht zu folgen. Das Berufungsgericht unterscheidet hier nicht zwischen zwei voneinander zu trennenden Vertragsverhältnissen. Es ist durchaus zutreffend, daß jemand, der auch ohne vorangegangenen Auftrag die Dienste eines Maklers in Anspruch nimmt, verpflichtet ist, diese auch zu honorieren, denn insoweit wird der Makler auch zum Vorteil des Interessenten tätig. Dies ändert aber nichts daran, daß der Makler, soweit er namens seines Auftraggebers mit dem Interessenten Verhandlungen führt und diesem Informationen erteilt, als Vertreter seines Auftraggebers tätig wird und daß in diesem Umfang seine Tätigkeit dem Geschäftsherrn zuzurechnen ist.
Muß sich demnach im vorliegenden Fall der Beklagte die dargestellte Täuschung der Kläger durch den von ihm beigezogenen Realitätenvermittler (bzw dessen Mitarbeiter) zurechnen lassen, dann treffen ihn die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen.
Gemäß § 870 ABGB ist, wer von dem anderen Teil durch List zu einem Vertrag veranlaßt wurde, ihn zu halten nicht verbunden. Diese Gesetzesbestimmung ermöglicht dem Getäuschten die Anfechtung des Vertrages, also seine Aufhebung wegen des unterlaufenen Willensmangels.
Dies streben die Kläger mit der vorliegenden Klage nicht an. Sie wollen die von ihnen gekaufte Eigentumswohnung behalten, verlangen aber vom Beklagten die Rückzahlung eines Teiles des geleisteten Kaufpreises in der Höhe des Klagsbetrages, "weil der tatsächliche Wert des Kaufgegenstandes gegenüber einer gleichartigen Eigentumswohnung in der bei Kaufabschluß zugesicherten besonderen Grünlage um mindestens S 350.000,-- geringer sei".
In der Rechtsprechung wird auch dem im Sinne des § 870 ABGB Getäuschten das Recht auf Vertraganpassung im Rahmen der Anordnung des § 872 ABGB eingeräumt (SZ 50/35; SZ 53/108; SZ 54/88 uva), wobei der listig Irreführende einem solchen Begehren die Einwendung, daß er den Vertrag anders nicht geschlossen hätte, nur zum Schutz eigener begründeter wesentlicher Interessen entgegensetzen kann, nicht aber, um den betrügerisch herausgelockten Vorteil zu behalten (SZ 59/126 mwN). Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes hindert die Behauptung der Kläger (und die im Sinne dieser Behauptung getroffene Feststellung), daß sie ohne Täuschung über die Verbauung der Nachbarliegenschaft zum Abschluß des Kaufvertrages nicht bereit gewesen wären, eine Vertragsanpassung im Sinne des § 872 ABGB nicht. Die Kläger haben mit ihrer Klagsführung durchaus eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht die Aufhebung des von ihnen geschlossenen Kaufvertrages, sondern eine Entschädigung in Geld anstreben. Der Beklagte hat Einwendungen in dem Sinne, daß er den Vertrag in Verfolgung eigener begründeter wesentlicher Interessen anders nicht geschlossen hätte, nicht erhoben.
Faßt man das vorliegende Hauptbegehren der Kläger als solches auf Vertragsanpassung im Sinne des § 872 ABGB auf, so wäre es somit unter den festgestellten Umständen dem Grunde nach berechtigt. Die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht, daß eine Entwertung des Kaufgegenstandes nicht vorliege, weil das Bauverfahren hinsichtlich der Verbauung der Nachbarliegenschaft noch nicht abgeschlossen und mit der Bautätigkeit noch nicht begonnen worden sei, ist nicht nachvollziehbar. Es liegt vielmehr im Sinne der Behauptungen der Kläger durchaus nahe, daß schon erhoffte oder befürchtete Veränderungen der Umgebung einer Liegenschaft (besonders eines Wohnhauses) auf deren Marktwert einen Einfluß haben können, sobald die zu erwartenden Veränderungen einem interessierten Personenkreis bekannt werden, die Preise auf dem Immobilienmarkt sich also schon vor der tatsächlichen Änderung diesen Erwartungen anpassen.
Die Vertragsänderung im Sinne des § 872 ABGB berechtigt nicht einfach zur Forderung der Differenz zwischen dem vereinbarten und dem wirklichen Wert der Leistung; es ist vielmehr die dem Berechtigten obliegende Leistung verhältnismäßig im Sinne einer relativen Berechnungsmethode zu ändern: Der vereinbarte Preis muß sich zum geänderten Preis so verhalten wie der Wert der Sache ohne Mangel zum Wert der Sache mit Mangel (SZ 48/112 mwN ua). Nur so kann die von den Parteien dem Vertragsabschluß zugrundegelegte Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung (subjektive Äquivalenz), die ja, soweit sie nicht durch Willensmängel beeinflußt ist, keiner Korrektur bedarf und zugänglich ist, aufrechterhalten bleiben.
Es führt auch zu keinem anderen Ergebnis, wenn man das vorliegende Hauptbegehren der Kläger unter dem Gesichtspunkt des § 874 ABGB beurteilt. Nach dieser Bestimmung hat derjenige, der einen Vertrag durch List bewirkt hat, für die nachteiligen Folgen Genugtuung zu leisten. Die Leistung eines negativen Vertragsinteresses durch den Schädiger kommt bei Aufrechterhaltung des Vertrages durch den Getäuschten (wie im vorliegenden Fall) nicht in Betracht. Im Sinne des der Vorschrift des § 1323 ABGB zugrundeliegenden Ausgleichsgedankens muß sich auch ein den Klägern in Geld gebührender Schadenersatz dafür, daß sie infolge der an ihnen begangenen Täuschung ein Kaufobjekt erwarben, das in einem bestimmten Punkt (Grünlage) den ihnen zugesagten Eigenschaften nicht entsprach, an der oben dargestellten relativen Berechnungsmethode orientieren. Denn auch ein derartiger nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu leistender Wertausgleich hat zu berücksichtigen, daß sich eine in einem Kaufvertrag getroffene Preisvereinbarung aus den verschiedensten - auch durchaus
subjektiven - Beurteilungskriterien der Parteien ableitet, die, soweit sie nicht durch ein einen Anspruch auf Schadenersatz begründendes Verhalten beeinflußt werden, eines Ausgleiches im Sinne eines Geldersatzes nicht bedürfen und zugänglich sind.
Soweit die Kläger den Vertrag aufrechterhalten, ist ihnen in diesem Sinne kein Schaden entstanden. Diesbezüglich muß die in der Preisvereinbarung zum Ausdruck gekommene subjektive Äquivalenz aufrechterhalten bleiben. Eines Ausgleiches bedarf nur der Nachteil aus der fehlenden wertbestimmenden Eigenschaft. Dieser muß, weil er einen Teil des ausgehandelten Kaufpreises betrifft, gleichfalls nach derselben subjektiven Äquivalenz beurteilt werden.
Auch unter dem Gesichtspunkt eines ihnen nach der Vorschrift des § 874 ABGB zu leistenden Schadenersatzes können daher die Kläger vom Beklagten als Ausgleich für einen Minderwert der ihnen verkauften Eigentumswohnung nicht mehr verlangen als das, was ihnen im Sinne der oben dargestellten relativen Berechnungsmethode zusteht.
Da im vorliegenden Fall Feststellungen, die die Berechnung des den Klägern zustehenden Ausgleichsanspruches nach dieser relativen Berechnungsmethode ermöglichen, nicht getroffen wurden, erweist sich die Rechtssache als nicht spruchreif. Es waren daher in Stattgebung der Revision der Kläger die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben; die Rechtssache war zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren (zweckmäßigerweise auf Grund eines einzuholenden Sachverständigengutachtens) zu klären haben, wie hoch der Marktwert der hier in Frage stehenden Eigentumswohnung unter Berücksichtigung der den Klägern zugesagten Eigenschaften (Nichtverbauung und Umwandlung der angrenzenden Liegenschaft in einen Park) und ohne diese Eigenschaften im Dezember 1986 war. Erst dann wird im Sinne obiger Rechtsausführungen erschöpfend über das Hauptbegehren der Kläger abgesprochen werden können.
Zum Eventualbegehren der Kläger ist unter diesen Umständen derzeit noch nicht Stellung zu nehmen.
Der angeordnete Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E25704European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00600.9.0321.000Dokumentnummer
JJT_19910321_OGH0002_0060OB00600_9000000_000