Index
L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des R K in W, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. November 2002, Zl. RU5-B-241/001, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung und Wiederherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insofern, als damit das Ansuchen des Beschwerdeführers um nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) vom 31. Jänner 2002 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 27. Juni 2001 um nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung der bereits angelegten (ca. 2,5 ha) und der geplanten (ca. 1,0 ha) "Christbaum-Jung-Kultur" auf dem Grundstück Nr. 1856/1, Grünland-Landwirtschaft-Widmung, innerhalb des Landschaftsschutzgebietes Wienerwald in der KG A. unter Berufung auf § 8 Abs. 3 Z. 1 und Abs. 4 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes 2000, LGBl. 5500 (in der Folge: NÖ NatSchG), abgewiesen.
Ferner wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 2 NÖ NatSchG aufgetragen, auf seine Kosten sofort (spätestens jedoch bis 30. März 2002) die durch ihn bzw. mit seinem Wissen ausgepflanzte "Christbaum-Jung-Kultur" im Ausmaß von ca. 0,7 ha und ca. 1,8 ha auf dem genannten Grundstück restlos zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der Bescheid der BH mit der Maßgabe bestätigt, dass die Frist für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bis März 2003 erstreckt wurde.
Nach der Begründung habe die belangte Behörde im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens ein weiteres Gutachten eines Naturschutzsachverständigen eingeholt. Dieses Gutachten vom 4. Juni 2002 laute im Wesentlichen wie folgt:
"Befund:
Die Parzelle Nr. 1856/1 liegt im linksufrig des Pbachs gelegenen Einhang. Dort befindet sich ein größeres Wiesengebiet, das teilweise mit Streuobstbeständen und vereinzelt mit Solitärgehölzen ausgestattet ist. Der nördliche Bereich, in dem auch die zur Kulturumwandlung vorgesehene Fläche liegt, ist wiesengetöntes Offenland. Auf der verfahrensgegenständlichen Fläche stehen zwei schöne, alte Elsbeeren. Optisch und überblicksmäßig betrachtet, fügt sich die Projektsfläche nahtlos in die angrenzenden Wiesengebiete ein. Konkrete und optisch fernwirkende Grenzlinien wie sie am Stoß von Wiesen an Äcker annehmbar sind, existieren nicht. Es ergibt sich dadurch das Bild eines größeren, zusammenhängenden Wiesengebietes.
Bei genauer Analyse ist allerdings anhand der Pflanzenindikation festzustellen, dass hier eine bereits länger bestehende Ackerbrache vorliegt, die auch regelmäßig gemäht wurde. Zur Zeit befindet sich auf der Fläche eine Mischung in der Ruderalpflanzen und Ackerunkräuter gemeinsam mit Wiesenaspekten auftreten. In die Aufforstungsfläche eingestreut liegen stark vernässte Zonen mit einem entsprechend typischen und auf Nährstoffreichtum zeigenden Vegetationsbild. Vorwiegend in den nässebetonten Flächen sind die bereits ausgepflanzten Nadelbäume (Nordmannstannen) eingegangen. Im Gebiet konnten Erdkröte, Grasfrosch und Springfrosch nachgewiesen werden. Im Bereich der Pbachniederung liegen Fischteiche, die neben div. Kleingewässern als Laichplätze fungieren. Ein in den letzten Jahren einigermaßen regelmäßiger besetzter Brutplatz des Wiedehopfs liegt etwa 1 km westlich der ggst. Aufforstungsfläche. ...
Gutachten:
Im Gegenstand ist zu prüfen, ob durch die ggst. Kulturumwandlung/Christbaumkultur das Landschaftsbild, der Erholungswert der Landschaft, die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum, die Schönheit oder Eigenart der Landschaft oder der Charakter des besonderen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt wird. Im Folgenden werden nur jene Schutzparameter behandelt, die durch die Kulturumwandlung deutlich beeinträchtigt werden.
1. Landschaftsbild:
'Wienerwaldwiesen' sind alte, traditionelle und vor allem erhaltenswerte Kulturlandschaftselemente im Bereich des Wienerwaldes. Das Wiesengebiet, in dem die zur Kulturumwandlung vorgesehene Fläche liegt, beginnt im Süden mit einem wunderschönen alten Streuobstbestand, der in ein offenes Wiesengelände übergeht, in dessen oberen Bereich die beiden bereits angesprochenen Elsbeeren stehen. Begrenzt wird das Wiesengebiet von Wald und von der Pbachtalniederung. Anhand bereits bestehender Nadelgehölzaufforstungen im Bereich des Pbaches sowie auf einem Teilbereich des Wiesengebietes lassen sich die Wirkungen einer Christbaumkultur vor Ort gut ersehen. Die Christbaumkultur wirkt dabei als störendes, weil im Bereich des Flysch-Wienerwaldes landschaftsfremdes Element.
Die Christbaumkultur teilt darüber hinaus den offenen Wiesen-Brachkomplex in zwei für das Landschaftsbild weitaus unbedeutendere, weil deutlich verkleinerte Wiesenbereiche auf. Die Dominanz des offenen Geländes im Gefüge des Landschaftsbildes am linksufrig des Pbaches gelegenen Einhang würde mit zunehmender Wuchshöhe der Christbäume verloren gehen, während im Gepräge des Landschaftsbildes das landschaftsfremde Element der Christbaumkultur beherrschende Bedeutung erlangt. Diese Wirkung ist gegeben, solange die Christbaumkultur besteht und somit nachhaltig.
2. Schönheit oder Eigenart der Landschaft:
Wienerwaldwiesen zählen neben den weitläufigen Buchenwäldern zu den wichtigsten Eigenartsmerkmalen des Naturraumes Flysch-Wienerwald. Sie bilden den Kontrast zu den weitläufig geschlossenen Wäldern, der gemeinsam mit der typischen Topographie den Reiz und den Charakter der Wienerwaldlandschaft begründet. Die Wienerwaldwiesen sind unter den typischen und großflächigen Komponenten des Wienerwaldes sicherlich die gefährdetste. Im Verfahrensgegenstand wird ein Eigenartsmerkmal des Wienerwaldes - ein Teil einer Wienerwaldwiese - in eine landschaftsfremde Ausprägung - Christbaumkultur - umgewandelt und dadurch der landschaftliche Zusammenhang der Wiese unterbunden. Damit verliert das betroffene Wiesengebiet ihre flächige Wirksamkeit sowie Eigenart und wird in ihrem Wert nachhaltig beeinträchtigt.
3. Ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum:
Abgesehen davon, dass die verfahrensgegenständlichen Flächen im Übergang von Ackerbrache zur Wiesengesellschaft ein Vielfaches artenreicher sind als eine monotone Christbaumkultur und sich alleine daraus eine massive Beeinträchtigung der ökologischen Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum ergibt, sei anhand der bisher im Verfahren diskutierten Amphibien und des Wiedehopfs die Wirkung der Kulturumwandlung dargestellt. Die näher besprochenen Arten fungieren dabei als wirkungsspezifische Indikatoren und stehen daher stellvertretend für die lokale und beeinflusste Zönose. Die Indikatoren wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt:
-
Vorkommen vor Ort
-
wirkungsspezifische Empfindlichkeit gegenüber der Wirkung der lokalen Veränderung und Fernwirkungen
Erdkröte (Bufo bufo):
Wiesen gehören zu den wichtigsten Sommerlebensräumen der Erdkröte. Größeren Dichten und Besiedlungshäufigkeiten erreichen nur noch Laubwälder, Nadelwälder werden zwar ebenso besiedelt, aber weitaus dünner und seltener als die beiden obgenannten Biotoptypen. Aber gerade Christbaumkulturen sind für die Erdkröte äußerst unattraktiv. Besonders nachteilig wirkt sich die Monotonie in Struktur und Artengarnitur auf Versteckmöglichkeiten und Nahrungserwerb aus.
Dagegen bietet das zur Kulturumwandlung vorgesehene Wiesen(brach)gebiet durch die Nähe zum Laichgewässer, das Angebot an feuchteren bis vernässten Zonen durch den Insektenreichtum sehr günstige Voraussetzungen für die Erdkröte. Das Vorhaben wird somit vor allem mit zunehmender Wuchshöhe der Christbäume zu einer empfindlichen Entwertung des betroffenen Sommerlebensraumes der Erdkröte führen. Diese Entwertung ist insofern nachhaltig, als sie direkt mit dem Bestand der Christbaumkultur korreliert.
Springfrosch (Rana dalatina):
Das klassische Habitat des Springfrosches ist der Buchenwald. Nadelwälder werden in der Regel nicht vom Springfrosch besiedelt. Offenes Gelände wird nicht gemieden, es bedarf aber das Vorhandensein von Gebüschreihen, die als Vernetzungslinien fungieren können. Da derartige Gebüsche in der verfahrensgegenständliche Fläche fehlen, ist deren Lebensraumqualität äußerst gering. Die Springfroschnachweise sind wohl auf die umliegenden Laub- und Mischwaldgebiete zurückzuführen. Nachteilige Wirkungen können sich aber bei Einsatz von Chemikalien zur Schädlingsbekämpfung ergeben, wenn dieser im Zeitraum der Laichwanderung bzw. der Rückwanderung erfolgt. Abgesehen davon reagiert der Springfrosch sehr sensibel auf den Eintrag von Gift- und Nährstoffen in die Laichgewässer.
Grasfrosch (Rana temporaria):
Wiesen aller Art sind der bevorzugte Landlebensraum des Grasfrosches, wobei sich vernässte Bereiche als besonders günstig erweisen. Die verfahrensgegenständliche Fläche bietet dem Grasfrosch gute Bedingungen. Die Umwandlung in eine Christbaumkultur kommt einer Totalentwertung des Habitats gleich. Auch hier ist festzustellen, dass im derzeitigen Entwicklungsstadium die Christbaumkultur noch kaum negativ wirkt. Die Beeinträchtigungen nehmen aber mit der voranschreitenden Wuchshöhe empfindlich zu. Somit sind auch in Bezug auf den Grasfrosch nachhaltige Beeinträchtigungen zu erwarten.
Wiedehopf (Upupa epops):
Der Wienerwald gehört zu den Randzonen des Verbreitungsgebiets dieser wärmeliebenden Art. Entsprechend gering ist die Dichte. Der Brutbestand des Wienerwaldes dürfte sich in den letzten Jahren nicht über 5 Brutpaare hinaus bewegt haben. In diesem Zusammenhang erhält der Brutplatz in etwa 1 km Entfernung eine besondere Bedeutung. Die vom Wiedehopf aufgesuchten Nahrungsgebiete (extensive Wiesen, Magerrasen, Trockenrasen) liegen im Wienerwald dabei in der auch weiteren Umgebung. Reviergrößen von mindestens 10 km2 sind in dieser Lage wahrscheinlich. Das ggst. Wiesengebiet ist somit als Nahrungsgebiet anzusehen. Sichtungen des Wiedehopfs im Bereich des betroffenen Wiesengebiets sind in dieser Hinsicht und nicht als direkter Brutnachweis im Bereich des Vorhabens zu interpretieren. Die Teilumwandlung in eine Christbaumkultur würde aber die Wiesenlandschaft als Futterplatz entwerten und aufgrund der für den Wiedehopf im Wienerwald herrschenden suboptimalen Randbedingungen unter Umständen sogar den Brutplatz gefährden.
Alle genannten Tierarten scheinen in den 'Roten Listen' Niederösterreichs auf. Die Amphibienarten werden dort allesamt als gefährdet geführt, der Wiedehopf ist vom Aussterben bedroht. Nachhaltige Beeinträchtigungen sind für alle hier als Indikatoren für die Wirkung des Vorhabens näher behandelten Tierarten zu erwarten. Besonders von den Maßnahmen betroffen sein werden der Grasfrosch und die Erdkröte, und mit Abstrichen der Springfrosch. In Bezug Wiedehopf wird die Entwertung des wichtigen Futterhabitats zu einer Aufgabe des für Wienerwaldverhältnisse regelmäßigen Brutplatzes beitragen.
4. Zusammenfassung:
Nachhaltige Beeinträchtigungen sind somit auf drei vom NÖ Naturschutzgesetz definierte Schutzgüter, nämlich Landschaftsbild, die Schönheit oder Eigenart der Landschaft und die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum zu erwarten. Da die aufgezeigten Beeinträchtigungen direkt mit der Flächenbeanspruchung und der nicht veränderbaren oder abzuschirmenden Erscheinungsform zusammenhängen, sind Vorkehrungen zur Hintanhaltung der Beeinträchtigungen nicht möglich. Die Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung kann daher nicht empfohlen werden."
Dieses Gutachten sei im Rahmen des Parteiengehörs sämtlichen Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht worden. Die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft habe sich mit Schreiben vom 8. Juli 2002 den Ausführungen des Gutachters vollinhaltlich angeschlossen. Mit Schreiben vom 16. Juli 2002 habe der Beschwerdeführer Gutachten der Niederösterreichischen Landes-Landeswirtschaftskammer vom 20. Februar 2002 und vom 15. Juli 2002 vorgelegt und um eine Ergänzung des Gutachtens des Amtssachverständigen angesucht.
Der Naturschutzsachverständige habe mit Schreiben vom 25. September 2002 folgende Replik erstattet:
"In dieser Stellungnahme des Beschwerdeführers wird der Gebrauch des Begriffs Wiese für die in Rede stehenden Flächen kritisiert. Dieser Begriff wurde deshalb gewählt, weil die betroffenen Flächen sowohl was ihre landschaftliche Erscheinung als auch was ihre ökologische Ausprägung einer Wiesengesellschaft - eventuell einer Wiesenbrache - weitaus näher stehen als einer relativ kurzfristig bestehenden Ackerbrache. Auffallend ist eine fast geschlossene Vegetationsdecke mit einem starken Auftreten der Gräser, das Fehlen von Gehölzen mit Ausnahme der gesetzten Nordmannstannen, für eine Ackerbrache sehr geringe Häufigkeit von Pionier und Ruderalpflanzen. ...
In Bezug auf amphibienökologische Belange dokumentiert die seitens des Berufungswerbers vorgelegte Stellungnahme geringe Kenntnisse. Die Wanderbewegungen der genannten Amphibienarten lassen sich nicht auf die Laichwanderung im Frühjahr reduzieren - um weiteren 'Missverständnissen' in Bezug auf den Begriff Frühjahr vorzubeugen, die ersten Springfrösche und Erdkröten können schon im Februar an ihren Laichgewässern eintreffen. Wanderungen erfolgen weiters von den Laichgewässern zu den Landlebensräumen und von diesen zu Überwinterungsplätzen, die wiederum auch gewechselt werden können. Zonen im Umfeld der Laichgewässer sind dabei besonders interessant, weil sich der Aktionsradius der Individuen der Amphibienpopulation durch eine gewisse Entfernung vom Laichgewässer definiert (Erdkröte bis 3 km, Springfrosch bis in der Regel ca. 1,5 km, Grasfrosch bis ca. 800 m). Die in Rede stehenden Flächen liegen allesamt weit innerhalb des bevorzugten Aktionsraumes der drei genannten Amphibienarten. Während die ggst. Flächen für den Springfrosch nur pessimale Landlebensraumstruktur bietet, dient er der Erdkröte als Landlebensraum und Winterquartier sowie dem Grasfrosch als Landlebensraum und mit Abstrichen als Winterquartier. Der in der Stellungnahme des Berufungswerbers vorgeschlagene Verzicht auf Herbizid- und Insektizideinsatz im Zeitraum der Laichwanderung des Springfrosches reicht somit bei weitem nicht aus, um negative Wirkungen auf die Amphibien (auch Erdkröte und Grasfrosch sind betroffen) hintan zu halten. Die als Beilage 2 der Stellungnahme des Berufungswerbers vorgelegten Empfehlungen zum ökologischen Anbau von Christbäumen in Österreich mögen vielleicht eine Verbesserung gegenüber angewandten Praktiken sein, bestätigen aber die im Gutachten des unterzeichneten Sachverständigen vorgebrachten Argumente hinsichtlich einer gravierenden Habitatverschlechterung durch die Christbaumkultur. Es wäre zu weit gegriffen auf alle Empfehlungen der Broschüre einzugehen, deshalb sei schlagwortartig auf einige Kapitel hingewiesen:
-
Eine Begleitwuchsregulierung bewirkt zusätzlich zur Wirkung der Christbaumkultur eine deutliche Artenzahlreduktion sowohl der Vegetation als auch der wirbellosen Fauna, die die Nährstoffbasis der Amphibien darstellt. Ebenfalls ist hinsichtlich der Nährtiere mit einer empfindlichen Abnahme der Individuenzahlen zu rechnen.
-
Ebenso bedenklich im Hinblick auf die Entwertung des Amphibienlebensraumes sind beispielsweise die Regulierung des Unterwuchses und Reduzierung der Unterschlupfmöglichkeiten (6.3. Alternativen zu Rodentiziden), Mulchen, Einsatz von Fungiziden, Insektiziden und Pestiziden. ..."
In einer abschließenden Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer eine Äußerung der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer vom 10. Oktober 2002 vorgelegt. Daraus gehe hervor, dass während der Verkaufsverhandlungen die Bewirtschaftung auf der verfahrensgegenständlichen Fläche eingestellt worden sei und diese unbewirtschaftete Fläche eben in eine "Wiese" mutiert sei. Es könne jedoch nicht angenommen werden, dass die Fläche in Zukunft als Wiese bewirtschaftet werde, da dies aus wirtschaftlichen Gründen kaum denkbar sei.
Bei Abwägung des Gutachtens des Amtssachverständigen für Naturschutz gegenüber den vom Beschwerdeführer vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen sei die belangte Behörde der Ansicht, dass den Ausführungen des Naturschutzsachverständigen ein höheres Beweisgewicht zukomme, da insbesondere hinsichtlich des Amphibienschutzes vom Beschwerdeführer keine gleichwertigen Argumente vorgebracht worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 8 Abs. 3 Z. 1 NatSchG bedürfen in Landschaftsschutzgebieten die Kulturumwandlung von Flächen mit einem Ausmaß von mehr als einem Hektar einer Bewilligung durch die Behörde.
In Landschaftsschutzgebieten sind bewilligungspflichtige Vorhaben oder Maßnahmen nach § 8 Abs. 4 NÖ NatSchG zu versagen, wenn
1.
das Landschaftsbild,
2.
der Erholungswert der Landschaft,
3.
die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum,
4.
die Schönheit oder Eigenart der Landschaft oder
5.
der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen (§ 7 Abs. 4) weitgehend ausgeschlossen werden kann. Bei der Vorschreibung von Vorkehrungen ist auf die Erfordernisse einer zeitgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung so weit wie möglich Bedacht zu nehmen.
Gemäß § 7 Abs. 3 NÖ NatSchG liegt eine nachhaltige Beeinträchtigung der ökologischen Funktionstüchtigkeit des betroffenen Lebensraumes insbesondere vor, wenn
1. eine maßgebliche Störung des Kleinklimas, der Bodenbildung, der Oberflächenformen oder des Wasserhaushaltes erfolgt,
2. der Bestand und die Entwicklungsfähigkeit an für den betroffenen Lebensraum charakteristischen Tier- und Pflanzenarten, insbesondere an seltenen, gefährdeten oder geschützten Tier- oder Pflanzenarten, maßgeblich beeinträchtigt oder vernichtet wird,
3. der Lebensraum heimischer Tier- oder Pflanzenarten in seinem Bestand oder seiner Entwicklungsfähigkeit maßgeblich beeinträchtigt oder vernichtet wird oder
4. eine maßgebliche Störung für das Beziehungs- und Wirkungsgefüge der heimischen Tier- oder Pflanzenwelt untereinander oder zu ihrer Umwelt zu erwarten ist.
Nach § 7 Abs. 4 NÖ NatSchG sind mögliche Vorkehrungen im Sinne des Abs. 2:
die Bedingung oder Befristung der Bewilligung
der Erlag einer Sicherheitsleistung sowie
die Erfüllung von Auflagen, wie beispielsweise die Anpassung von Böschungsneigungen, die Bepflanzung mit bestimmten standortgerechten Bäumen oder Sträuchern, die Schaffung von Fisch-Aufstiegen, Grünbrücken oder Tierdurchlässen.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, dass das streitgegenständliche Grundstück, auf dem eine Christbaumkultur im Ausmaß von mehr als einem Hektar errichtet worden ist, innerhalb des Landschaftsschutzgebietes Wienerwald liegt. Im Beschwerdefall war daher eine Bewilligung gemäß § 8 Abs. 3 Z. 1 NÖ NatSchG erforderlich.
Gemäß § 8 Abs. 4 NÖ NatSchG ist das bewilligungspflichtige Vorhaben (bereits) zu versagen, wenn einer der dort genannten Tatbestände gegeben ist.
Nach Auffassung der belangten Behörde lag unter anderem eine nachhaltige Beeinträchtigung der ökologischen Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum vor. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf das Gutachten des Amtssachverständigen, da das Vorbringen des Beschwerdeführers insbesondere hinsichtlich des Amphibienschutzes "keine gleichwertigen Argumente" habe bieten können.
Eine solche Beeinträchtigung ist nach § 7 Abs. 3 leg. cit. unter anderem dann gegeben, wenn der Lebensraum heimischer Tier- oder Pflanzenarten in seinem Bestand oder seiner Entwicklungsfähigkeit maßgeblich beeinträchtigt oder vernichtet wird (vgl. Z. 3).
Dieser Umstand kann dem Gutachten des Amtssachverständigen allerdings nicht nachvollziehbar entnommen werden:
Dass Christbaumkulturen für die Erdkröte "äußerst unattraktiv" sind, sich "die Monotonie in Struktur und Artengarnitur auf Versteckmöglichkeiten und Nahrungserwerb" nachteilig auswirkt und "vor allem" die zunehmende Wuchshöhe der Christbäume zu einer "empfindlichen Entwertung" des betroffenen Lebensraumes der Erdkröte führen wird, besagt noch nicht, dass (und gegebenenfalls aus welchen Gründen) Bestand oder Entwicklungsfähigkeit des Lebensraumes maßgeblich beeinträchtigt oder gar vernichtet würde. Vielmehr fehlt jede diesbezügliche Prognose ebenso wie eine nachvollziehbare Begründung für die getroffenen Aussagen. Gleiches gilt für die "Totalentwertung" des Lebensraumes für den Laubfrosch: Weder ist damit gesagt, dass der Lebensraum so verschlechtert wird, dass eine maßgebliche Reduzierung der Froschpopulation die unvermeidliche Folge wäre, noch, dass diese in ihrer Entwicklungsmöglichkeit drastisch eingeschränkt wäre. Ferner wird nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass der Ausfall der für die beschwerdegegenständliche Christbaumkultur benötigten Fläche als Nahrungsgebiet für den Wiedehopf auch nur irgendeine Auswirkung hätte.
Hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bzw. der Schönheit oder Eigenart der Landschaft ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes in landschaftsbildlicher Hinsicht die Auffassung vertritt, dass erst eine auf hinreichenden Ermittlungsergebnissen - insbesondere auf sachverständiger Basis - beruhende, großräumige und umfassende Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der Landschaft es erlaubt, aus der Vielzahl jene Elemente herauszufinden, die der Landschaft ihr Gepräge geben und daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssten. Für die Lösung der Frage, ob das solcherart ermittelte Bild der Landschaft durch das beantragte Vorhaben nachteilig beeinflusst wird, ist dann entscheidend, wie sich dieses Vorhaben in das vorgefundene Bild einfügt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Februar 2002, Zl. 99/10/0188, mwN). Die Feststellung, ein Vorhaben beeinträchtige das Landschaftsbild, bedarf einer so ausführlichen Beschreibung des Bildes der Landschaft, dass die Schlussfolgerung der Störung dieses Bildes durch das Vorhaben nachvollziehbar gezogen werden kann (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 95/10/0101). Handelt es sich um einen zusätzlichen Eingriff, dann ist entscheidend, ob sich diese weitere Anlage oder Einrichtung in das vor ihrer Einrichtung gegebene und durch bereits vorhandene menschliche Eingriffe mitbestimmte Wirkungsgefüge der bestehenden Geofaktoren einfügt oder eine Verstärkung der Eingriffswirkung hervorruft (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 4. Juli 2005, Zl. 2002/10/0001).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hat die belangte Behörde insbesondere nicht dargelegt, ob und mit welchem Gewicht das in der Christbaumkultur gelegene fremde Landschaftselement auf die das Landschaftsbild prägenden Elemente verändern so einwirkt, dass von einer nachteiligen Beeinflussung des gesamten Bildes der Landschaft gesprochen werden kann.
Um die beherrschende Eigenart der Landschaft zu erkennen, bedarf es ferner einer hinreichenden, auf sachverständiger Ebene gefundenen Ermittlungsergebnissen beruhenden, großräumigen und umfassenden Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der betreffenden Landschaft, damit aus der Vielzahl jene Elemente herausgefunden werden können, die der Landschaft ihr Gepräge geben und die daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen.
Diesen Anforderungen entspricht das oben wiedergegebene Gutachten des Amtssachverständigen nicht.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war dieser insofern wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Unabhängig von einer Bestrafung nach § 36 sind Personen, die den Bestimmungen dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen oder Bescheiden zuwider gehandelt haben, gemäß § 35 Abs. 2 NÖ NatSchG von der Behörde zu verpflichten, den früheren Zustand wiederherzustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand den Interessen des Naturschutzes bestentsprechend abzuändern. Zu diesem Zweck kann die Behörde auch die Verpflichtung zur Erstellung eines Sanierungsplanes vorschreiben; dieser Plan ist der Behörde zur Bewilligung vorzulegen.
Mangels einer im Beschwerdefall erforderlichen Bewilligung war daher die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gemäß § 35 leg. cit. aufzutragen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher diesbezüglich als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Dezember 2005
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietBesondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002100229.X00Im RIS seit
03.02.2006Zuletzt aktualisiert am
19.07.2009