Index
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Ing. KA in U, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. April 2003, Zl. U-13.536/17, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst (BH) vom 1. März 2002 wurde dem Beschwerdeführer die naturschutzrechtliche Bewilligung für die obertägige Gewinnung von mineralischen Rohstoffen im Rahmen der Phase 1 ("Sanierung") des eingereichten Gewinnungsbetriebsplanes sowie zur Errichtung eines Zwischenlagers, weiters für die Vorhaben Phase 2a ("Werkstraße außerhalb des Abbaugebietes"), Phase 2b ("Errichtung einer Werkstraße innerhalb des Abbaugebietes") sowie für Phase 3 ("Erste Abbauphase") erteilt.
Der Landesumweltanwalt erhob Berufung gegen die Erteilung der Bewilligung für die Vorhaben gemäß den Phasen 2a, 2b und 3.
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. April 2003 wurde der Berufung Folge gegeben und die naturschutzrechtliche Bewilligung
1. zur obertägigen Gewinnung von mineralischen Rohstoffen im Ausmaß von ca. 18.174 m3 sowie zur Errichtung einer Werkstraße außerhalb des eigentlichen Abbaugebietes im Rahmen der Phase 2a auf näher bezeichneten Grundstücken der Gemeinde Längenfeld,
2. zur obertägigen Gewinnung von mineralischen Rohstoffen im Ausmaß von ca. 122.000 m3 sowie zur Errichtung einer Werkstraße im Rahmen der Phase 2b auf näher bezeichneten Grundstücken der Gemeinde Längenfeld, und
3. zur obertägigen Gewinnung von mineralischen Rohstoffen im Ausmaß von ca. 342.000 m3 im Rahmen der Phase 3 auf näher bezeichneten Grundstücken der Gemeinde Längenfeld versagt.
Begründend wurde zunächst eine
naturkundefachliche Stellungnahme dargestellt, der zufolge das vom geplanten Abbau betroffene Gelände an der orographisch linken Seite des Ötztales im Raum des Bergsturzes von Köfels (Köfler Bergsturzgebiet) und zwar des so genannten "Kitzwaldes" gelegen sei. Das Abbaugebiet ziehe sich südlich der Ferdinandsbrücke der Ötztaler Bundesstraße entlang der bereits tief eingeschnittenen Erosionsrinne den Hang hinauf und breite sich hinter der Geländekante auf der Verebnungsfläche aus. Vom geplanten Abbau sei eine Gesamtfläche von 10,4 ha betroffen, wovon sich ein Teil auf den steilen Hangbereich und der andere Teil auf stark kupiertes, aber ebenes Gelände im oberen Bereich erstrecke. Die für Brechanlage, Zufahrtsweg und Deponieräume bereits genutzten Flächen würden sich auf ca. 1,9 ha belaufen, die neu zu errichtende Zufahrtsstraße nehme zusätzlich ca. 1,5 ha in Anspruch. Der geplante Abbau sowie die Sanierung sollen in 6 Abbauphasen erfolgen, wobei mit einer Kubatur von insgesamt knapp 3 Mio. m3 gerechnet werden könne. In der ersten Phase finde die Sanierung des Abbauareals in Form der Schaffung einer Manipulationsfläche (Abbauplateau) statt. Der Abtransport des gewonnenen Materials könne in diesem Zeitraum (ca. sechs Jahre) über die Köfler Straße bzw. direkt vom Abbaugebiet über eine Forststraße der ÖBF zur Köfler Straße erfolgen. In dieser Phase müsse eine Massenbewegung von rund 340.000 m3 Material durchgeführt werden. Im Zuge der zweiten Phase werde die Werkstraße errichtet, die die grundsätzliche Voraussetzung für jeglichen weiteren Abbau darstelle, weil außerhalb der Sanierung (Phase 1) die Köfler Straße für Transporte nicht zur Verfügung stehe. Die mehr als 1 km lange Straße führe durch schwierigstes Gelände. Mit dem damit verbundenen Materialabtrag sei mit einer Bauzeit von über drei Jahren zu rechnen. Durch den Verlauf der 5 m breiten Straße im Bereich des Hennentales würden bis dato nahezu unberührte und entsprechend naturnahe Waldbestände massiv betroffen. Die Abbauphase 3 umfasse den weiteren Abbau entlang der Abbaugrenze am Oberhang, wobei eine laufende Rekultivierung der Böschungen mittels Mulchsaat und Aufforstung in der darauf folgenden Vegetationsperiode vorgesehen sei. Die Phase umfasse einen Zeitraum von mehreren Jahren; eine Materialentnahme von rund 577.000 m3 sei vorgesehen. In den folgenden Phasen 4 bis 6 werde das Niveau laufend abgesenkt und rücke das obere Ende der Zufahrt immer weiter nach unten.
Das betroffene Gebiet weise hinsichtlich seiner
aktuellen Vegetation mehrere Besonderheiten auf, wobei im Rahmen des Abbau- und Sanierungskonzepts drei Vegetationseinheiten unterschieden würden:
1. Schuttfächer- und Blockhaldenvegetation verschiedener Sukzessionsstadien
2. Fichten-Lärchen-Kiefern-Blockwald der steilen Abbauflanken und
3. Erico-Pinetum sylvestris mit subalpin anmutendem Unterwuchs einer Zwergstrauchheide.
Auf eine Wiedergabe der äußerst artenreichen Vegetationseinheiten werde verzichtet. Es werde lediglich festgehalten, dass sich im Bereich der Schuttfächer die verhältnismäßig feuchtigkeitsbedürftige Grünerle befinde, die hier eine Einheit mit Birken und Latschen bzw. Weiden aufbaue und als Ausstrahlung der subalpinen Stufe gelte. Dies bestätige die Sonderstellung des gegenständlichen Felssturzgebietes hinsichtlich seiner Vegetationsdecke, die als Antwort auf die besonderen edaphischen Gegebenheiten Hochgebirgsverhältnisse auf niedrigen Höhen wiedergäbe. Durch das Felssturzereignis, das sich vor ca. 9000 Jahren ereignet habe, seien nicht nur der Boden, sondern auch Samen, Wurzeln, ganze Pflanzen usw. alpin-subalpiner Arten in die Tiefe gerissen worden, sodass auf relativ niedrigen Höhen zwischen
1.100 m und 1.300 m Seehöhe Pflanzen aus hochalpinen Regionen gediehen. Dazu komme, dass derartige Formationen ein eigenes, entsprechend der Höhenlage viel höher anzusehendes Kleinklima aufwiesen. Zusammen mit dem Fehlen einer durchgehend kontinuierlichen Bodenentwicklung könnten daher Pflanzen subalpiner bis alpiner Formenkreise konkurrenzfähig bleiben, weil sie von ihrer natürlichen Höhenlage her mit ungünstigen äußeren Bedingungen leicht fertig würden. Während die Ostflanke zur Ötztaler Ache hinab durch verschiedene Sukzessionsstadien der Vegetation geprägt sei und pflanzensoziologisch eine Zwischenstellung der Einheiten aufzeige (einerseits Mitteleuropäische Schlag- und Vorwaldgesellschaften, andererseits Nordisch-Subalpine Hochstauden- und Hochgras-Fluren oder Gebüsche) habe sich in stabilen Bereichen ein nährstoffarmer Blockwald als Dauergesellschaft etablieren können. Solche Waldgesellschaften seien hoch bedeutsame, lokal begrenzte Dauergesellschaften der montanen Stufe. Hervorzuheben sei das Vorkommen der Rostroten Almrose auf einer derart geringen Höhenlage von ca. 1.150 m Seehöhe. Der größte Teil des geplanten Abbaugebietes sowie der zu errichtenden Werkstraße im Bereich des Hennentales werde von weiten Kiefernwäldern mit subalpin anmutendem Unterwuchs beherrscht. Auf Grund der ganz besonders langsamen und unvollständigen Bodenreifung könne von einem insgesamt äußerst nährstoffarmen Pinetum sylvestris (Rotkiefernwald) gesprochen werden, der sogar Pinus mugo (Latsche) im Unterwuchs aufweise. Somit könne der gegenständliche Kiefernwald als edaphisch bedingte Schlussgesellschaft definiert werden, zumal nur auf Böden, die nährstoffarm genug blieben, wie dies auf Bergsturzmassen der Fall sei, flächige Kiefernwälder zu überdauern vermocht hätten, die das Bild der ersten nacheiszeitlichen Bewaldungsphase widerspiegelten. Daher würden solche Wälder als Reliktföhrenwälder angesprochen. Die Bedeutung des gegenständlichen Waldbereiches finde sich auch in der landesweiten Biotopkartierung (Gemeinde Längenfeld; Biotopnummer 2022-101/1), in der seitens des Bearbeiters eine - nicht verwirklichte - Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet vorgeschlagen worden sei.
Durch den geplanten Materialabbau sowie durch die Errichtung einer neuen Werkstraße würden die beanspruchten Flächen vollkommen zerstört und eine keinesfalls vertretbare Zurückdrängung des gegenständlichen Landschaftselements erfolgen. Der Abbau von Bodenschätzen greife zwar überwiegend punktuell in die Landschaft ein, führe dort aber zu einer völligen Beseitigung der vorhandenen Lebensräume. Der gegenständliche Lebensraum sei aus naturkundefachlicher Sicht nach den allgemeinen landschaftsökologischen Kriterien wie Natürlichkeit, Repräsentanz, Seltenheit, Komplexität, Reproduzierbarkeit und Alter in höchstem Maße schutzwürdig. Betreffend das Kriterium "Natürlichkeit" sei festzuhalten, dass auf Grund der geringen Nutzbarkeit des Areals anthropogene Veränderungen kaum stattgefunden hätten und - sollte es nicht zum geplanten Abbau kommen - auch in Zukunft nicht stattfinden würden. Auf Grund des schwierig zu bewirtschaftenden Geländes und des teilweise sehr seichtgründigen Bodens seien auch von forstlicher Seite her kaum größere Beeinträchtigungen zu erwarten. Selbst die Bedeutung des Gebiets für die Erholung sei gering. Auf Grund der standörtlichen Besonderheit mit seinem verzahnten Mosaik aus verschiedensten Struktur- und Vegetationseinheiten in einem ausgedehnten zusammenhängenden Raum repräsentiere der Bergsturz von Köfels und somit auch der betroffene Teilbereich einen "Biotoptyp weit über die Landesgrenzen hinaus". Derart wenig veränderte Reliktföhrenwälder, die sich hinsichtlich ihres derzeit großteils ausgebildeten Klimaxstadiums auch in den nächsten Jahrzehnten nicht wesentlich ändern würden, seien sicherlich als eine Seltenheit anzusehen, speziell im Hinblick auf die zunehmend schnellere anthropogene Inanspruchnahme der alpinen Landschaft. Schon auf Grund der naturnahen Ausbildung sei auch das Kriterium der "Wertigkeit" als hoch einzustufen. Bezüglich des Kriteriums der "Reproduzierbarkeit" und des "Alters" sei festzuhalten, dass eine Reproduzierbarkeit des Reliktföhrenwaldes wegen des mageren Standortes, der Trockenheit und der langen Entwicklungszeit des Komplexes nur im Laufe von Jahrhunderten möglich sei. Eine Rekultivierung mit standorttypischen Baumarten sei lediglich als Kosmetik zur Befriedigung des Interesses an der Wahrung des Landschaftsbildes geeignet. Die Ausbildung des entsprechenden Bodens und Unterwuchses müsse jedoch jedenfalls der natürlichen Sukzession überlassen werden und benötige Zeiträume in Größenordnungen, die durch heute übliche Planungszeiträume nicht abgedeckt seien. Fraglich sei überhaupt, ob in diesem Punkt verlässliche Prognosen möglich seien. Zusammenfassend müsse somit davon ausgegangen werden, dass der Köfler Bergsturz ein Biotop repräsentiere, das hinsichtlich seiner standortlichen Besonderheiten über die Landesgrenzen hinausreiche und somit von nationaler, wenn nicht sogar von internationaler Bedeutung sei.
Betreffend die Auswirkungen des Vorhabens auf das Landschaftsbild müsse gesagt werden, dass eine nachhaltige und irreversible Störung zu erwarten sei. Derart großflächig geländeverändernde Maßnahmen, die im vorliegenden Fall durch den Abbau von ca. 3 Mio. m3 Material durchgeführt würden, hätten jedenfalls eine starke optische Beeinträchtigung zur Folge. Charakteristisch für das Ötztal seien die hintereinander geschalteten, klar voneinander getrennten Räume, die sich aus einer Reihe von Verengungen (meist durch Bergstürze entstanden) und Erweiterungen zusammensetzten. Die Verengungen stellten unbesiedelte, bewaldete Steilstufen dar, die einen eher abweisenden und gefährlichen Charakter besäßen, während die Erweiterungen (Talbecken) bereits früh besiedelt und intensiv landwirtschaftlich genutzt worden seien. Diese Abfolge typischer und großräumiger Strukturmerkmale ergäbe einen deutlichen Kontrast, der für das Ötztal charakteristisch sei. Der Betrachter erfahre die unterschiedlichen Talabschnitte in einer hintereinander geschalteten Reihe und erhalte somit ein äußerst vielfältiges Bild des gesamten Tales. Diese Vielfalt werde durch den geplanten Abbau sowie durch dessen Infrastruktur (Brechanlage, Zufahrt, Deponie etc.) nachhaltig verändert und gestört, weil diese anthropogenen Merkmale auf ein durch starke Naturpräsenz gekennzeichnetes Gebiet träfen, das diesen somit völlig konträr sei. Dies sei umso schwer wiegender, als angesichts der starken Unterrepräsentiertheit von Naturlandschaften speziell in Tallagen Gegebenheiten wie die vorliegenden als unbedingt schützenswert einzustufen seien. Durch die irreversible Veränderung der Geländeform (bis zu 60 m tiefer Einschnitt in die Geländekante) sowie der Oberfläche (Vereinheitlichung mit homogen beschaffenen Sanierungsflächen im Vergleich zum derzeitigen Wechsel zwischen Blockwald, schütter bewachsenen und unbewachsenen Schuttfächern und steil anstehenden Abbrüchen und Felsblöcken) werde auch die Eigenart des Bergsturzgebietes gravierend beeinträchtigt. Zusammenfassend müsse von einer Verfremdung des Landschaftsbildes, einer Minderung der Vielfalt sowie einer Veränderung der Eigenart der Landschaft gesprochen werden, die durch natürliche Prozesse nie entstehen könnten. Auch wenn das Gebiet nicht als typischer Erholungsraum bezeichnet werden könne, so sei doch der Erlebnis- und Erholungswert für den interessierten Besucher, der die Unberührtheit und Intaktheit einer Naturlandschaft suche, als äußerst hoch einzustufen. Dies belege auch der neu errichtete geologische Naturlehrpfad, der im Bereich des Hennentales verlaufe. Durch den geplanten Abbau werde jedoch dieses Bild der derzeit noch präsenten Naturgewalten in Richtung "Zähmung", menschliche Inanspruchnahme und Ausbeutung verzerrt, sodass auch hinsichtlich des Erholungs- und Erlebniswertes nachhaltige Störungen zu erwarten seien. Bei plangemäßem Abbau sei daher zu erwarten, dass die Grundsätze des Tiroler Naturschutzgesetzes im gegenständlichen Bereich nicht gewahrt würden.
Dem von der Berufungsbehörde eingeholten raumordnungsfachlichen Gutachten zufolge liege der Durchschnittsbedarf an Baurohstoffen - wie näher dargelegt - bei ca. 12 t pro Einwohner und Jahr. Der regionale Versorgungsbereich sei mit etwa 50 km zu begrenzen. Dies entspreche der praktischen Erfahrung der Obergrenze bei der Transportentfernung und sei durch Unternehmerbefragungen bestätigt worden. Ausnahmen im Fall von Wasserbausteinen seien möglich. Aus einer Gegenüberstellung der aktuellen Erzeugung mit der Bedarfssituation zeige sich, dass der Gesamtbedarf an mineralischen Rohstoffen aus den Abbauen in der Region gedeckt werden könne bzw. sogar eine leichte Überproduktion bestehe. Daran ändere sich auch bei einer mittelfristigen Vorschau auf die nächsten fünf Jahre nichts bzw. dürfte es dann sogar zu einer weiteren Erhöhung des Überangebotes mit entsprechenden Folgewirkungen (Marktverdrängung durch Kampfpreise, Konzentration, Erhöhung des Exports) kommen. Erst in einer noch weiter gehenden Vorschau bis etwa 2012 würde sich auf Grund des Erschöpfens von zwei Abbaupotenzialen im Raum "Breitmure" ein rechnerisches Defizit ergeben. Dieses Manko könne durch eine Erhöhung der Produktionsmengen in den verbleibenden Abbauen der "Breitmure" ausgeglichen werden, deren Lebensdauer sich dadurch natürlich verringere. Mit der Durchführung des Sanierungsabbaues am Standort "Kitzwald" könne nicht nur der aktuelle regionale Durchschnittsbedarf an Wasserbausteinen abgedeckt werden, sondern es sei bei entsprechender Gestaltung der Transportkosten auch möglich, in angrenzende Regionen, vor allem in den Bezirk Innsbruck und sogar in das angrenzende Ausland zu liefern. Während der Laufzeit der Sanierungsphase im gegenständlichen Steinbruch erhöhe sich das Überangebot, weil mittelfristig keine größeren Baustellen an den öffentlichen Gewässern anstünden. In einer langfristigen Vorschau bis etwa 2012 käme es im Falle der Nichtgenehmigung des beantragten Abbaues sowie im Falle der Nichtgenehmigung einer weiteren Abbauerweiterung im Kaunertal zu einem Defizit in quantitativer Hinsicht (ca. 30.000 t pro Jahr) sowie in qualitativer Hinsicht (nur mehr karbonatische Wasserbausteine). Dieses Defizit könnte zum einen durch Lagerhaltung der zuvor erzeugten Überschussmengen, zum anderen durch eine Zufuhr vom Steinbruch Griesberg am Brenner ausgeglichen werden. Auch an diesem Abbaustandort stehe ein großes Erweiterungsprojekt an, das die teilweise Mitversorgung der Oberländerregion auf lange Sicht ermöglichen würde.
Auf Grund einer Stellungnahme des Beschwerdeführers habe der raumordnungsfachliche Sachverständige sein Gutachten dahin ergänzt, dass am Standort Griesberg am Brenner im langjährigen Durchschnitt ca. 80.000 t hochwertiges Silikatgestein abgebaut würden. Davon entfielen etwa 90 % auf Wasserbau- und Bauwerksteine und der Rest auf Bruchschotter. Die maximale Produktionskapazität an diesem Standort mit dem vorhandenen Aufarbeitungsgerät liege bei etwa 200.000 t pro Jahr; die genehmigten Reserven betrügen etwa 700.000 t. Ein Erweiterungsprojekt sehe eine Gesamtabbaumenge von etwa 2 Mio. m3 (ca. 4,5 Mio. t) vor. Die Firma S. in Längenfeld im Ötztal gewinne Silikatschotter aus der Ötztaler Ache und zwar im langjährigen Durchschnitt etwa 26.000 t pro Jahr. In einer mittelfristigen Vorschau könne auch das Erweiterungsprojekt der Firma P. im Kaunertal nicht unerwähnt bleiben. Die dort vorliegende Gesteinsqualität sei jener am Standort "Kitzwald" gleichwertig. Es sei anzunehmen, dass an diesem Standort - wie bisher - Wasserbausteine mit einem Anteil von etwa 30 % und weiters Werksteine und Silikatschotter gewonnen würden. Der durchschnittliche regionale Bedarf an Wasserbausteinen dürfte bei etwa 80.000 t pro Jahr liegen. Dazu komme, soweit abschätzbar, der Bedarf der Großbaustellen sowie der Bedarf aus Reservehaltung für Katastrophenereignisse. Die Annahme eines jährlichen Bedarfes von 50.000 m3 Asphalt- und Betonzuschlagstoffen scheine für das Ötztal realistisch zu sein. Anzumerken sei, dass es im Ötztal und im angrenzenden Inntal eine ganze Reihe von Betonwerken, jedoch kein Asphaltmischwerk gäbe. Mittelfristig sei die Angebotssituation für die Versorgung des Ötztales aus den hier bestehenden Abbaustandorten ausreichend. Betreffend den Bedarf an Zuschlagstoffen für säureresistenten Beton sei darauf zu verweisen, dass es neben der Firma S. in Längenfeld, die Silikatschotter aus der Ötztaler Ache entnehme, in Tirol eine Reihe weiterer Abbauer von silikatischem Gestein gebe, in denen dieses zu Schotter gebrochen werden könne. Für bestimmte Betonklassen würden entsprechend den einschlägigen Normen säureresistente Zuschläge gefordert (Silikatschotter). Ein wesentlicher Anwendungsbereich für diesen Beton sei der Siedlungswasserbau (Kläranlagen). Der Ausbaugrad der Siedlungswasserwirtschaft sei bereits sehr hoch und es stünden kaum mehr Neuerrichtungen, sondern allenfalls Erweiterungen an. Auch im Straßenbau sei nach dem Lückenschluss auf der Arlbergstraße bei Strengen und dem Ausbau der Reschenbundesstraße, bei dem das Material aus dem Tunnelausbau vor Ort gewonnen werden dürfte, keine großen Bauvorhaben zu erwarten. Überdies wäre für den hier zur Anwendung kommenden Filterkies der Silikatschotter ein zu hochwertiger Rohstoff. Für das größte Verkehrsinfrastrukturvorhaben in Tirol, den Neubau einer Eisenbahntrasse im Unterinntal sei vorgeschrieben, dass die Sohlbereiche gegen Säureangriffe geschützt werden müssten. Dies geschehe durch Beschichtungen auf Kunstharzbasis. Allenfalls würden Sammelbecken für die Niederschläge mit säureresistentem Beton ausgeführt, wobei die Kubaturen allerdings gering seien. Auch in der chemischen Industrie (z.B. für Lösemittelbehälter) und in anderen Industrieanwendungen kämen die erwähnten Beschichtungen zum Einsatz; es werde nicht der Bauwerkskörper selbst aus Spezialbeton hergestellt. Der Gesamtbedarf nach Zuschlagstoffen für säureresistenten Beton sei zwar schwer abzuschätzen, beschränke sich aber auf Spezialanwendungen wie z.B. die Flughafenpiste in Innsbruck. Außerdem gäbe es technische Alternativen und überdies noch andere Abbaumöglichkeiten im Versorgungsbereich.
Nach den vom Sachverständigen für Raumordnung eingeholten Informationen gehe der Hauptteil des Bedarfes nach Wasserbausteinen, und zwar etwa 70.000 t pro Jahr, auf die Gebietsbauleitung der Wildbach- und Lawinenverbauung mittleres Inntal zurück. Diese habe allerdings mitgeteilt, dass hinsichtlich des langfristigen Bedarfes nur sehr schwer eine Bedarfsschätzung abgegeben werden könne, weil dieser auch von Einzelereignissen abhängig sei. Der räumliche Schwerpunkt für Maßnahmen dieser Gebietsbauleitung liege jedenfalls im Wipptal und seinen Seitentälern. Daher sei der Steinbruch Griesberg am Brenner auf Grund der Nähe und der Transportmöglichkeiten über die Autobahn für eine Versorgung prädestiniert. Der Zukauf erfolge zurzeit auch zu mehr als 90 % aus diesem Abbau und nur zu einem geringen Teil vom Abbau im Oberland.
Der Beschwerdeführer habe in seiner abschließenden Stellungnahme erwidert, der Steinbruch Griesberg am Brenner sei auf Grund seiner Lage schwer zu erreichen; die Zufahrtsstraße hätte schon öfter wegen Lawinengefahr gesperrt werden müssen. Auch würden dort keine Betonzuschläge erzeugt, sondern lediglich Bruchschotter. Mit den aus der Ötztaler Ache entnommenen Materialien sei es unmöglich, höherwertigen Beton zu erzeugen, weil diese Materialien nicht die geforderte Verwendungsklasse erfüllten. Dies werde durch ein Schreiben der Prüfanstalt für Baustoffe und Gesteine der Tiroler Wasserkraftwerke AG belegt. Auch die im Kaunertal abgebauten Gesteinsmaterialien würden nicht die Gesteinsqualität des Abbaues von "Kitzwald" aufweisen. Schließlich weise auch das durch Recycling gewonnene Material der Firma S. niemals jene Qualität auf, wie ein Zuschlagstoff, der aus natürlichem Vorkommen gewonnen werde. Daher bestünden bei diesen durch Recycling gewonnenen Materialien landesweit Absatzprobleme. Diese Materialien seien auf den Einsatz für die Erzeugung von Betonen unterster Güte beschränkt. Betreffend den Export von Gesteinsmaterialien habe der Beschwerdeführer darauf verwiesen, dass Lieferungen aus dem Ötztal in den südbayerischen Raum unter dem Aspekt des Umweltschutzes zu begrüßen seien, weil bei einem sonst erforderlichen Antransport aus den Granitsteinbrüchen nördlich der Donau weitere Transportwege zurückgelegt werden müssten.
Nach Auffassung der Berufungsbehörde sei - den Darlegungen des naturkundefachlichen Sachverständigen folgend - von einer massiven Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes auszugehen. Ein die Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 NatSchG überwiegendes öffentliches Interesse am Vorhaben des Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können. Der regionale Durchschnittsbedarf an Wasserbausteinen sei sichergestellt, mittelfristig sei sogar ein Überangebot zu erwarten. Das sich langfristig ergebende Defizit könne auch ohne das Vorhaben des Beschwerdeführers ausgeglichen werden. Was den Export nach Südbayern betreffe, so sei dieser zwar aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig und zweckmäßig, dies genüge aber nicht für die Annahme eines öffentlichen Interesses an der Deckung des Bedarfes im Versorgungsgebiet. Auch ein erst langfristig sich ergebendes Defizit bei Beton- und Asphaltzuschlagstoffen könne aus nahe gelegenen Abbaugebieten ausgeglichen werden. Dass das Vorkommen "Kitzwald" das einzige Abbaugebiet in Tirol sei, in dem Zuschlagstoffe für säureresistenten Beton abgebaut werden könnten, sei unzutreffend. Es gäbe vielmehr eine Reihe weiterer Abbaue in Tirol, wo silikatisches Gestein zu Schotter gebrochen werden könne. Im Übrigen bestehe nur ein geringer Bedarf nach säureresistenten Betonzuschlagstoffen. Soweit der Beschwerdeführer die Eignung anderer Abbaue in Frage stelle, übersehe er, dass die Eignung der anderen Abbaue in den diesbezüglichen Genehmigungsverfahren geprüft worden sei. Dem Schreiben der Tiroler Wasserkraft AG sei zwar zu entnehmen, dass das Material aus dem Abbau S. nicht jene Qualität aufweise, wie jenes aus dem Steinbruch "Kitzwald" und dass letzteres für die Versorgung der Ötztales bevorzugt zur Anwendung kommen sollte. Dass der Abbau "Kitzwald" jedoch zur Deckung des Bedarfes notwendig sei, könne auch diesem Schreiben nicht entnommen werden. Der Beschwerdeführer habe die sachverständigen Darlegungen, wonach der beantragte Abbau zur Bedarfsdeckung nicht notwendig sei, nicht widerlegt. Es sei daher die beantragte Bewilligung zu versagen gewesen.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 16. Juni 2003, B 756/03, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 lit. b des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (im Folgenden: Tir NatSchG), LGBl. Nr. 26/2005 (Wiederverlautbarung), bedürfen der maschinelle Abbau mineralischer Rohstoffe, die Errichtung und Aufstellung von Anlagen zur Gewinnung oder Aufbereitung mineralischer Rohstoffe und von Anlagen zur Aufbereitung von Mischgut oder Bitumen außerhalb geschlossener Ortschaften einer Bewilligung, sofern hiefür nicht nach einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 58 Abs. 1 genannten Gesetz eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich ist. Weiters bedürfen gemäß § 6 lit. d Tir NatSchG der Neubau von Straßen und Wegen oberhalb einer Seehöhe von 1.700 m oder mit einer Länge von mehr als 500 m, mit Ausnahme von Straßen, für die in einem Bebauungsplan die Straßenfluchtlinien festgelegt sind, und von Güterwegen nach § 4 Abs. 1 des Güter- und Seilwege-Landesgesetzes einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.
Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist - von im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen -
gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. zu erteilen,
a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder
b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.
Gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. hat dieses Gesetz zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass
a)
ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
b)
ihr Erholungswert,
c)
der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und
d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt
bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.
Dem angefochtenen Bescheid liegt zunächst die Auffassung zu Grunde, das Vorhaben des Beschwerdeführers beeinträchtige entsprechend den Darlegungen des naturkundefachlichen Sachverständigen die Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 Tir NatSchG. Das Vorhaben bewirke eine vollkommene Zerstörung des Landschaftselements, nachhaltige und irreversible Störungen sowie Verfremdungen des Landschaftsbildes, gravierende Beeinträchtigungen der Eigenart des Bergsturzgebietes, eine Minderung der Vielfalt sowie eine Veränderung der Eigenart der Landschaft, und weiters nachhaltige Störungen des Erholungs- und Erlebniswertes. Demgegenüber bestehe kein das Interesse des Naturschutzes an der Hintanhaltung dieser Beeinträchtigungen überwiegendes öffentliches Interesse am beantragten Vorhaben. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, es bestehe entgegen den Darlegungen des raumordnungsfachlichen Sachverständigen ein öffentliches Interesse an seinem Vorhaben, das in der Deckung des Bedarfes nach Wasserbausteinen sowie nach Beton- und Asphaltzuschlagstoffen liege, er habe dieses öffentliche Interesse aber nicht schlüssig darzulegen vermocht.
§ 29 Abs. 1 Tir NatSchG schreibt eine Interessenabwägung vor, bei der die Interessen des Naturschutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. den an der Erteilung der Bewilligung bestehenden öffentlichen Interessen gegenüberzustellen sind. Die Entscheidung, welche Interessen überwiegen, muss - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zu Bestimmungen, die eine Interessenabwägung vorsehen, ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2001, Zl. 99/10/0055, und die dort zitierte Vorjudikatur) - in der Regel eine Wertentscheidung sein, weil die konkurrierenden Interessen meist nicht monetär bewertbar sind. Um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen, ist es daher erforderlich, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüberzustellen. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 Tir NatSchG durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dient, gegenüberzustellen.
Der Beschwerdeführer macht zunächst in Ansehung der von der belangten Behörde angenommenen Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Tir NatSchG Verfahrensmängel geltend. Es sei unzutreffend, dass der beantragte Steinbruch innerhalb des Biotops Nr. 2022/101-1 gelegen sei und 18 % der Gesamtfläche dieses Biotops einnehme. Die Biotopfläche werde lediglich durch einen Teil des Weges in der Phase 2a berührt und auch das nur am Rande. Der Bergsturzbereich sei 10,8 km2 groß, vom beantragten Vorhaben (Phasen 2a, 2b und 3) werde eine Fläche von lediglich 45.055 m2, also nur ein ganz geringer Flächenanteil in Anspruch genommen. In diesen Phasen würden auch nicht knapp 3 Mio. m3, sondern knapp 700.000 m3 Gestein abgebaut. Die gesamte Bergsturzmasse entspreche ca. 3 Mrd. m3 Gestein, es würden also nur ca. 0,2% der Bergsturzmasse abgebaut. Bei einer jährlichen Produktion von 40.000 m3 würde in Phase 2 und 3 17,5 Jahre abgebaut. Was die "massive Betroffenheit" von nahezu unberührten und entsprechend naturnahen Waldbeständen durch den Verlauf der 5 m breiten Straße im Hennental anlange, so werde die Vegetation lediglich auf der Fahrbahn und im Bereich der Böschungsmauerungen bei den drei Kehren verdrängt. Für darüber hinausgehende Beeinträchtigungen fehle jeder Anhaltspunkt. Es könne aber nicht jede noch so kleine Fläche bereits für sich als Lebensraum angesehen werden. Vielmehr müsste eine gewisse Geschlossenheit und Abgrenzbarkeit des Gebietes vorliegen. Betrachte man das gesamte Gebiet des Köfler Bergsturzes als Lebensraum, so sei nicht nachvollziehbar, wieso dieser durch die geringe Flächenbeanspruchung zerstört werde. Im Übrigen sei die betroffene Fläche, anders als 25 % der Tiroler Landesfläche, nicht als besonderes Schutzgebiet nach dem Tir NatSchG erklärt; es gehöre somit zu den weniger schützenswerten 75 % des Landesgebietes, auf dem ein Kiefernwald stocke, wie auf 23.000 ha Landesfläche auch. Die Biotopkartierung sage über die Bedeutung dieses Gebietes nichts aus, abgesehen davon, dass der Steinbruch nicht im Bereich des Biotops gelegen sei und die Biotopkartierung von der belangten Behörde selbst und offenbar mit dem Zweck erstellt worden sei, die verfahrensgegenständliche Erweiterung des Steinbruches zu verhindern. Die Naturnähe gehe dem Gebiet bereits durch Ausführung der rechtskräftig bewilligten Sanierungsphase verloren, das verzahnte Mosaik aus verschiedensten Struktur- und Vegetationseinheiten werde durch die Ausführung des Steinbruches nicht beseitigt. Wegen der geringen Flächenbeanspruchung würden die unberührten Flächen des Köfler Bergsturzes auch nach Ausführung des beantragten Vorhabens nichts von ihrer Besonderheit verlieren. Dass im Gebiet des Köfler Bergsturzes bestimmte Tiere und Pflanzen nicht mehr bestehen könnten, sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, zumal nicht einmal ausgeführt worden sei, welche Tiere und Pflanzen in ihren Möglichkeiten der Ausbreitung behindert würden. Was die angenommene Beeinträchtigung von Vielfalt und Eigenart der Landschaft anlange, habe die belangte Behörde übersehen, dass nicht 3 Mio. m3, sondern in den antragsgegenständlichen Phasen 2 und 3 lediglich 700.000 m3 Gesteinsabbau vorgesehen sei. Konkret werde in Phase 3 eine relativ ebene Fläche oberhalb des eigentlichen Bergsturzes um etwa 15 m bis 20 m vertieft, nicht jedoch ein 60 m tiefer Einschnitt in die Geländekante ausgeführt. Ob der Übergang von einer Ebene zu einer Steilfläche 25 m weiter oben oder weiter unten erfolge, sei für das Landschaftsbild irrelevant. Die belangte Behörde habe ihre gegenteilige Auffassung auch nicht näher begründet. Das Vorhaben werde auch am Wechsel zwischen Verengungen und Erweiterungen des Ötztales nicht das Geringste ändern. Wenn die belangte Behörde aber auf die Monotonie von Sanierungsflächen hinweise, übersehe sie, dass eine diese Monotonie vermindernde Sanierung vorgeschrieben werden könne. Eine Verfremdung der Landschaft sei schließlich ebenso wenig nachvollziehbar dargelegt worden, wie eine Beeinträchtigung des Erholungswertes.
Die ordnungsgemäße Begründung eines Bescheides, der auf Grund einer Interessenabwägung nach § 29 Tir NatSchG ergeht, erfordert u. a. die umfassende und ins Einzelne gehende Feststellung jener Tatsachen, die die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur, den Erholungswert, den Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und den Naturhaushalt (§ 1 Abs. 1 Tir NatSchG) im betroffenen Gebiet ausmachen. Dazu bedarf es einer nachvollziehbaren naturwissenschaftlichen, auf qualitative und quantitative Aspekte des Problems Rücksicht nehmende, auf den Einzelfall bezogene Begründung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1996, Zl. 94/10/0039, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - dem naturkundefachlichen Gutachten folgend - dargelegt, es würden vom Vorhaben des Beschwerdeführers Flächen beansprucht, die naturkundliche Besonderheiten insoferne aufwiesen, als auf relativ niedriger Seehöhe Pflanzen aus hochalpinen Regionen gediehen bzw. auf denen Reliktföhrenwälder anzutreffen seien, die das Bild der ersten nacheiszeitlichen Bewaldungsphase widerspiegelten und die in einem so geringen Ausmaß Veränderungen erfahren hätten, dass sie als selten anzusprechen seien. Jedenfalls die beanspruchten Flächen würden ihre naturkundliche Besonderheit verlieren.
Ob diese Flächen inner- oder außerhalb des Biotops Nr. 2002- 101/1 laut Biotopkartierung gelegen sind, ist nicht entscheidend; das Vorliegen eines Biotops laut Biotopkartierung ist weder Voraussetzung für die Bewilligungsbedürftigkeit des beantragten Vorhabens gemäß § 6 lit. b oder d NatSchG, noch bei Anwendung des Bewilligungstatbestandes gemäß § 29 Abs. 1 Tir NatSchG entscheidend.
Selbst nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers wird für das beantragte Vorhaben eine Fläche von 45.055 m2 in Anspruch genommen. Eine mit dieser Inanspruchnahme unweigerlich einhergehende Zerstörung des hier bestehenden, die erwähnten Besonderheiten aufweisenden Naturhaushaltes steht jedoch bereits im Widerspruch zu den allgemeinen Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 Tir NatSchG, einen möglichst unbeeinträchtigten Naturhaushalt ebenso zu bewahren wie die Eigenart der Landschaft.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, Reliktföhrenwälder stellten entgegen der auf sachverständiger Grundlage gewonnenen Annahme der belangten Behörde keine Seltenheit in Tirol dar, ist zu entgegnen, dass es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, ein entsprechendes fachlich untermauertes Vorbringen im Verwaltungsverfahren zu erstatten. Dies ist nicht geschehen.
Steht das Vorhaben des Beschwerdeführers aber schon aus diesen Gründen im Widerspruch zu den Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 Tir NatSchG, so kommt eine Bewilligung nach § 29 Abs. 1 lit. a leg. cit. nicht in Betracht. Vielmehr ist diesfalls eine Bewilligung gemäß § 29 Abs. 1 lit. b leg. cit. nur dann zulässig, wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 Tir NatSchG überwiegen. Denn auch eine - nach Auffassung des Beschwerdeführers - vergleichsweise geringfügige Beeinträchtigung der durch das Tir NatSchG geschützten öffentlichen Interessen des Naturschutzes macht eine Bewilligung im Sinne des § 29 Abs. 1 lit. a leg. cit. unzulässig und eine Interessenabwägung erforderlich.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen solcher anderer öffentlicher Interessen verneint, weil ein ungedeckter regionaler Bedarf an Wasserbausteinen bzw. an Beton- und Asphaltzuschlagstoffen weder derzeit bestehe, noch mittelfristig zu erwarten sei. Ein solcher Bedarf könnte sich allenfalls langfristig ergeben, es könne aber - trotz des Mangels verlässlicher Grundlagen für eine langfristige Prognose - davon ausgegangen werden, dass auch ein langfristiger Bedarf ohne Verwirklichung des beantragten Vorhabens aus anderen Abbauen gedeckt werden könne. Eine Ausführung des Vorhabens des Beschwerdeführers sei daher auch unter dem Gesichtspunkt des langfristigen Bedarfes nicht erforderlich.
Dem hält die Beschwerde zunächst entgegen, die belangte Behörde habe die Bindungswirkung der ihr von der BH erteilten Genehmigung nach dem MinroG missachtet. Auf Grund der rechtskräftig gewordenen Genehmigung stehe fest, dass an der Verwirklichung des Steinbruches ein öffentliches Interesse bestehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt die Auffassung vertreten, dass bei Bestehen einer bergrechtlichen Gewinnungsbewilligung die Verwirklichung des entsprechenden Bergbauvorhabens zwar als im öffentlichen Interesse gelegen zu beurteilen ist, die naturschutzbehördliche Genehmigung damit aber nicht vorweggenommen wird. Auch der Umstand, dass die zur Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes zuständige Behörde das öffentliche Interesse an der Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes gegen die "anderen öffentlichen Interessen im Hinblick auf die Versagung des Gewinnungsbetriebsplanes" abzuwägen hat (vgl. § 83 Abs. 1 und 2 MinroG), bedeutet nicht, dass die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes das Ergebnis der naturschutzbehördlichen Interessenabwägung vorwegnehme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2001, Zl. 99/10/0145, und die dort zitierte Vorjudikatur). Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die nach dem MinroG erteilte Genehmigung zeigt daher für sich noch keinen Mangel der Interessenabwägung der belangten Behörde auf.
Die belangte Behörde hat sich - wie dargelegt - eingehend mit der Frage des Bedarfes nach den im beantragten Steinbruch abzubauenden Materialien befasst und unter dem Gesichtspunkt des regionalen Bedarfes nach Wasserbausteinen und Beton- sowie Asphaltzuschlagstoffen ein öffentliches Interesse im Sinn des § 29 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG verneint. Der Beschwerdeführer erachtet die Verneinung des Bedarfes als mangelhaft begründet. Er verweist auf die seines Erachtens nicht ausreichende Berücksichtigung der Qualität des von ihm zu gewinnenden Materials, die fehlende Berücksichtigung des Exports in das Tiroler Unterland, nach Südtirol, nach Vorarlberg, in den bayerischen Allgäu und in die Schweiz, die seines Erachtens zu Unrecht erfolgte Einbeziehung von Unternehmen in die Bedarfsfeststellung, die nur Kalkstein (nicht aber - wie er - kristalline Bruchsteine) gewinnen würden sowie die Nichtbeachtung des Umstandes, dass er bei den Unwettern im Jahre 1999 das einzige Unternehmen gewesen sei, das in der Lage war, dringend benötigte Flussbausteine in großem Umfang zu liefern. In die langfristige Bedarfserhebung (für die Zeit ab 2012) hätten nur bereits genehmigte Steinbrüche einbezogen werden dürfen, andernfalls würde "von einem völlig unsicheren Sachverhalt" ausgegangen. Schließlich stelle auch die Deckung des Bedarfes deutscher Wasserbauämter und Flussmeisterstellen im südbayerischen Raum ein öffentliches Interesse dar, zumal ein Vorteil für die gesamte Europäische Union auch im öffentlichen Interesse Österreichs liege.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung nicht auf. Für die Annahme, der beantragte Steinbruch liege im Sinn des § 29 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG im öffentlichen Interesse ist nämlich nicht entscheidend, ob Absatzmöglichkeiten für die hier produzierten Produkte bestehen. Betriebswirtschaftliche Erwägungen reichen für sich zur Begründung eines öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des beantragten Vorhabens nicht aus. Da im vorliegenden Fall ein öffentliches Interesse am Steinbruch ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherung releviert wurde, ist vielmehr entscheidend, ob der vom Beschwerdeführer beantragte Steinbruch zur Sicherung der - andernfalls gefährdeten - Versorgung mit den entsprechenden Materialien notwendig ist. Nur wenn gesagt werden kann, dass der Steinbruch in diesem Sinn einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherung leistet, liegt er - unter diesem Gesichtspunkt - im öffentlichen Interesse.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist allerdings konkret nicht zu entnehmen, dass ohne Verwirklichung des beantragten Vorhabens die regionale oder auch überregionale Versorgung mit Wasserbausteinen bzw. mit Beton- und Asphaltzuschlagstoffen gefährdet wäre. Mit dem Hinweis auf den Bedarf bestimmter Stellen sowie mit der Vermutung, dieser Bedarf könne durch bestimmte Unternehmen nicht bzw. nicht immer gedeckt werden, wird nicht aufgezeigt, dass im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde, die in nicht unschlüssiger Weise von einem ausreichenden Angebot (bzw. sogar von einem Überangebot) an entsprechender Materialien ausgeht, eine Gefährdung der bestehenden Bedarfsdeckung bzw. der Deckung des in Hinkunft konkret zu erwartenden Bedarfes zu befürchten steht.
Auf den besonderen Bedarf infolge von Katastrophenereignissen kann über eine - ohnedies berücksichtigte - Reservelagerhaltung hinaus im Rahmen einer auf verlässliche Grundlagen gestützten Bedarfsprognose nicht Rücksicht genommen werden; würde diesfalls doch - wie der Beschwerdeführer an anderer Stelle selbst rügt - von einem "völlig unsicheren Sachverhalt" ausgegangen. Es wird daher mit dem im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstatteten Hinweis auf die Versorgungssituation mit Wasserbausteinen im Zuge der Hochwasserkatastrophe des Sommers 2005, bei der über Nacht ein enormer unvorhergesehener Bedarf entstanden sei, keine Fehlerhaftigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Bedarfsprognose aufgezeigt.
Konnte die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgehen, es bestehe unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdung der Versorgung mit Wasserbausteinen bzw. mit Beton- und Asphaltzuschlagstoffen kein öffentliches Interesse am Vorhaben des Beschwerdeführers - das Bestehen eines anderen öffentlichen Interesses an der Ausführung des Vorhabens wurde auch vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt -, so ist auch die Annahme, es liege kein das Interesse des Naturschutzes an der Bewahrung der natürlichen Eigenart und eines möglichst unbeeinträchtigten Naturhaushaltes überwiegendes öffentliches Interesse vor, nicht rechtswidrig. Ob und inwiefern durch das beantragte Vorhaben weitere Interessen des Naturschutzes (insbesondere an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes der Landschaft) beeinträchtigt würden, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Dezember 2005
Schlagworte
freie BeweiswürdigungBesondere Rechtsgebiete DiversesSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003100209.X00Im RIS seit
06.02.2006Zuletzt aktualisiert am
24.11.2016