Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****verlag Gesellschaft mbH & Co KG, 2. K***** Verlag Gesellschaft mbH & Co KG, beide Wien 19.,Muthgasse 2, beide vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*****gesellschaft mbH, Wien 16.,Odoakergasse 34-36, vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 900.000; Revisionsrekursinteresse S 200.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 18.Jänner 1991, GZ 4 R 229/90-7, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. Oktober 1990, GZ 19 Cg 42/90-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß, der in seinem den Werbespot "Brennendes Zündholz" betreffenden Unterlassungsgebot als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß er unter Einschluß des unangefochten gebliebenen Teils insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Parteien gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei geboten, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Werbung für die periodische Druckschrift "D*****" zu unterlassen, den Werbespot "Brennendes Zündholz" mit der Aussage " ... uns ist nichts zu heiß" in seinem ersten Teil zu übernehmen und durch den lächerlich machenden Zusatz einer künstlichen Handprothese sowie die Aussage "Wir decken alles auf" abzuwandeln oder in sinngleicher Weise Werbeaussagen der "N***** K*****-Zeitung" zu übernehmen und abzuwandeln, wenn damit die "N***** K*****-Zeitung" lächerlich gemacht und herabgesetzt wird. Das Mehrbegehren, der Beklagten zu gebieten, es schlechthin zu unterlassen, Werbeaussagen der "N***** K*****-Zeitung" unmittelbar zu übernehmen sowie abzuwandeln, wird abgewiesen."
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.719,82 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.619,97 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Begründung:
Die Erstklägerin ist Verlegerin, die Zweitklägerin ist Medieninhaberin der "N***** K*****-Zeitung" (im folgenden kurz: K*****-Zeitung). Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Druckschrift "D*****". Im Auftrag der Klägerinnen stellte die Werbeagentur ***** P***** einen Kinospot her, welcher Teil der Werbekampagne " ... uns ist nichts zu heiß" war. Mit diesem Werbespot "Brennendes Zündholz" wurde in allen österreichischen Kinos für die "K*****-Zeitung" geworben. Dabei war das Aufflammen eines Zündholzes in Großaufnahme zu sehen und ein entsprechendes (lautes) Geräusch zu hören. Das Zündholz brannte dabei langsam vom linken zum rechten Bildrand, wo ein Daumen und ein Finger sichtbar wurden, die das Zündholz hielten. Das Zündholz brannte zur Gänze ab, ohne daß die Hand zuckte. Dabei war ein lauter werdendes Hintergrundgeräusch (Sound-Track) zu hören, bis in absoluter Stille die Einblendung des Inserts "uns ist nichts zu heiß" und danach die auf der Titelseite der "K*****-Zeitung" verwendete Wortmarke "K*****-Zeitung" eingeblendet wurde. Dieser Werbespot wurde mehrfach international ausgezeichnet.
Die Beklagte wirbt für ihre Zeitschrift "D*****" gleichfalls in Kinos mit einem dem Spot "Brennendes Zündholz" nachgeahmten Werbespot. An dessen Beginn flammt ebenfalls ein Zündholz in Großaufnahme auf. Die Flamme brennt vom linken zum rechten Bildrand, wo gleichfalls ein Daumen und ein Finger sichtbar werden. Auch hier ist der im Werbespot der Klägerinnen verwendete Sound-Track zu hören; nur die Einblendung "***** P*****" fehlt. Kurz bevor die Flamme die Finger erreicht, schwenkt die Kamera nach rechts, wo ein künstliches Gestell - eine Art Handprothese - sichtbar wird, das vorne künstliche Finger aufgesetzt hat. Die Flamme sengt die Finger deutlich sichtbar an. Danach erscheint die Einblendung des Textes "Wir decken alles auf" und der Wortbildmarke "D*****"; diese Texte werden auch gesprochen. Bis zum Schwenken der Kamera ist der Werbespot der Beklagten eine exakte Kopie des Werbespots der Klägerinnen. Bei der Produktion des Werbespots für die "K*****-Zeitung" war das Zündholz von einer echten Menschenhand gehalten worden.
Der Werbespot der Klägerinnen "Brennendes Zündholz" war in Österreich so bekannt geworden, daß er von einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der "K*****-Zeitung" in Verbindung gebracht wurde. Wer den Werbespot der Beklagten erstmals sah, erwartete zunächst die Werbung für die "K*****-Zeitung".
Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit ihrem Werbespot in einer gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoßenden Weise den wettbewerblichen Besitzstand der Klägerinnen an dem Spot "Brennendes Zündholz" übernommen und gleichzeitig die Klägerinnen und ihre Zeitung lächerlich gemacht habe, begehren diese zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Werbung für die periodische Druckschrift "D*****" zu unterlassen, Werbeaussagen der periodischen Druckschrift "K*****-Zeitung" unmittelbar zu übernehmen sowie abzuwandeln, insbesondere wenn damit die klagende Partei lächerlich gemacht und herabgesetzt werden, insbesondere den Werbespot "Brennendes Zündholz" mit der Aussage " ... uns ist nichts zu heiß" bezüglich des ersten Teils "Brennendes Zündholz" zu übernehmen und durch den lächerlich machenden Zusatz einer künstlichen Handprothese und die Aussage "Wir decken alles auf" abzuwandeln
Der Erstrichter wies, ohne die Beklagte anzuhören, den Sicherungsantrag ab. Durch den Werbespot der Beklagten werde das Produkt der Klägerinnen - die "K*****-Zeitung" - nicht lächerlich gemacht oder herabgesetzt. Das Ausnützen einer fremden Werbeidee verstoße nicht gegen die guten Sitten, weil die Parteien auf dem Gebiet der Werbung nicht im Wettbewerb miteinander stünden.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der beanstandete Werbespot verstoße gegen die guten Sitten, weil die Beklagte darin eindeutig Bezug auf den schon bekannten Werbespot der Klägerinnen genommen und diesen sowie die "K*****-Zeitung lächerlich gemacht habe. Sie habe damit die Leistungen der Klägerinnen in sittenwidriger Weise abgewertet.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, soweit ihr damit schlechthin - ohne Einschränkung auf die festgestellten und sinngleichen Äußerungen - verboten wurde, Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" unmittelbar zu übernehmen sowie abzuwandeln. Die Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beklagten verboten werde, den Werbespot "Brennendes Zündholz" mit der Aussage " ... uns ist nichts zu heiß" teilweise zu übernehmen und den lächerlich machenden Zusatz einer künstlichen Handprothese sowie die Aussage "Wir decken alles auf" abzuwandeln, oder in sinngleicher Weise Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" zu übernehmen und abzuwandeln, wenn damit die "K*****-Zeitung" lächerlich gemacht und herabgesetzt wird; das Mehrbegehren wolle abgewiesen werden.
Die Klägerinnen beantragen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die beanstandete Fassung des Unterlassungsgebotes nicht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang steht; er ist auch berechtigt.
Ob der von den Klägerinnen geltend gemachte Verstoß nur ein auf den Werbespot "Brennendes Zündholz" eingeschränktes Verbot rechtfertigen könnte, braucht hier nicht untersucht zu werden, weil sich die Beklagte gegen eine allgemeinere Fassung des Unterlassungsgebotes nicht zur Wehr setzt, sondern vielmehr selbst in ihrem Rechtsmittelantrag eine Erweiterung des Verbotes auf den Fall vorsieht, daß sie "in sinngleicher Weise" Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" (und nicht nur den Werbespot "Brennendes Zündholz) - unter einer weiteren
Voraussetzung - übernehme oder abwandle. Die Beklagte wendet sich nur dagegen, daß ihr mit dem angefochtenen Beschluß ganz allgemein ohne jede Einschränkung verboten wurde, Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" unmittelbar zu übernehmen sowie abzuwandeln. Darin ist ihr zuzustimmen, weil das angefochtene Unterlassungsgebot in diesem Belang tatsächlich nicht gerechtfertigt ist:
Ein Unterlassungsgebot ist dann zu weit gefaßt, wenn der Beklagte damit zu Unterlassungen verurteilt worden ist, zu denen er bei richtiger Auslegung des materiellen Rechtes nicht verpflichtet wäre (Deimbacher, Wie weit darf ein Unterlassungsbegehren gefaßt sein?, ÖBl 1980, 36 f). Das trifft hier ungeachtet dessen zu, daß nach ständiger Rechtsprechung eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebotes - im Verein mit konkreten Einzelverboten - meist schon deshalb notwendig ist, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (ÖBl 1980, 46; ÖBl 1983, 134; MR 1989, 104; 4 Ob 17/91 uva). Der vom Beklagten tatsächlich verübten Handlung kann bei ihrer Beschreibung durch eine allgemeinere Fassung ein breiterer Rahmen gegeben werden (Pastor,
Der Wettbewerbsprozeß3, 817 und 831 ff; 4 Ob 17/91); dabei muß der Kern der Verletzungshandlung erfaßt sein (Pastor aaO 666; 4 Ob 17/91). Der allgemein gehaltene Teil des von den Klägerinnen begehrten und vom Rekursgericht erlassenen Verbotes geht aber über den Kern der Verletzungshandlung - also dessen, womit die Beklagte rechtswidrig gehandelt hat - hinaus. Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, ist ja das Nachahmen fremder Reklame an sich zulässig und verstößt nur bei Hinzutreten besonderer weiterer Umstände gegen § 1 UWG (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 572 Rz 522 zu § 1 dUWG). Dann kann aber der Beklagten das Übernehmen und Abwandeln von Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" nicht schlechthin untersagt werden. Das Rekursgericht hat die Sittenwidrigkeit der beanstandeten Handlungsweise darin erblickt, daß damit die Zeitung der Klägerinnen in aggressiver Weise herabgesetzt und lächerlich gemacht werde. Bei verallgemeinernder Beschreibung dieses Verhaltens kann der Beklagten demnach nur verboten werden, Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" unmittelbar zu übernehmen sowie abzuwandeln, wenn (und nicht "insbesondere" wenn) damit die Klägerinnen (oder ihre Zeitung) lächerlich gemacht und herabgesetzt werden. Der Zusatz des Wörtchens "insbesondere" ist somit in diesem Zusammenhang nicht bloß - wie die Klägerinnen selbst zugestehen (S. 62) - "weglassungswürdig", sondern rechtlich verfehlt.
Wenn es auch zutrifft, daß zwischen einer vom Sicherungsantrag sprachlich weniger abweichenden Umformulierung ("der Beklagten zu verbieten, Werbeaussagen der periodischen Druckschrift "K*****-Zeitung" unmittelbar zu übernehmen sowie abzuwandeln, wenn damit die klagende Partei lächerlich gemacht und herabgesetzt wird, insbesondere den Werbespot ...) und der von der Beklagten begehrten Fassung ("oder in sinngleicher Weise Werbeaussagen der "K*****-Zeitung" zu übernehmen und abzuwandeln ...") kein inhaltlicher Unterschied besteht, war der letzteren Fassung der Vorzug zu geben, weil es zweckmäßig scheint, das konkrete Einzelverbot an die Spitze zu stellen und darauf das verallgemeinernde Verbot folgen zu lassen. Die von der Beklagten beantragte Fassung des Unterlassungsgebotes entspricht auch im letzten Halbsatz - "wenn damit die "K*****-Zeitung" (und nicht "die klagende Partei") lächerlich gemacht und herabgesetzt wird ..." - besser dem Entscheidungswillen des Rekursgerichtes, hat es doch davon gesprochen, daß die beanstandete Werbung die "K*****-Zeitung" herabsetze, karikiere (S. 48), als minderwertig hinstelle und lächerlich mache (S. 49).
Dem Revisionsrekurs war sohin Folge zu geben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, 41, 50, 52 ZPO. Von einem bloßen Formalerfolg der Beklagten kann entgegen der Meinung der Klägerinnen (S. 62) im Hinblick auf die nicht nur sprachliche, sondern auch inhaltliche Änderung des angefochtenen Spruches keine Rede sein.
Anmerkung
E25448European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00022.91.0409.000Dokumentnummer
JJT_19910409_OGH0002_0040OB00022_9100000_000