Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
TGSt 1994 §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des VW in B, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Ferner Hornung & Partner, Rechtsanwälte GmbH, 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 3. Juni 2003, Zl. KUVS-889/4/2003, betreffend eine Übertretung des Tiertransportgesetzes-Straße, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 erstattete der Tiertransport-Inspektor des Landes Kärnten bezogen auf einen am 27. September 2000 vom Beschwerdeführer (als Lenker und Tiertransportbetreuer) durchgeführten Transport von Rindern Anzeige gegen diesen, den Zulassungsinhaber des Transportfahrzeuges und den über die Tiere Verfügungsberechtigten. Dem Beschwerdeführer wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - vorgeworfen, er habe nicht für eine ausreichende Betreuung gesorgt, "zumal er nicht im Stande ist, einen gestürzten und festliegenden Stier, auf dem und über den die anderen Tiere steigen, aus seiner Lage zu befreien". Dem Zulassungsbesitzer wurde vorgeworfen, nicht für eine ausreichende Betreuung gesorgt zu haben, "zumal er nicht dafür Sorge trägt, dass ein gestürzter und festliegender Stier, auf dem und über den die anderen Tiere steigen, vom Betreuer aus dieser Lage befreit wird"; weiters wurde er angezeigt, weil er nicht die Gefährdung der Gesundheit der Tiere durch andere verhindert habe, "indem er nicht verhindert (habe), dass ein Tier so stürzen und in so eine Lage kommen kann, dass es Gefahr läuft, von anderen zu Tode getreten zu werden".
Der Beschwerdeführer wurde hinsichtlich des mit der erwähnten Anzeige gegen ihn erhobenen Vorwurfes von der Bezirkshauptmannschaft Villach am 20. März 2001 zur Rechtfertigung aufgefordert und schließlich mit Straferkenntnis vom 19. März 2003 für schuldig erkannt, er habe am 27. September 2000 um 8.50 Uhr mit einem näher bezeichneten Tiertransportfahrzeug auf der Tauernautobahn auf Höhe des Parkplatzes T, in Richtung Italien, mit Ausgangspunkt B in Deutschland und Entladeort Triest einen Tiertransport von Schlachttieren (Rinder) durchgeführt, wobei er es unterlassen habe, "als Lenker während des Transportes dafür Sorge zu tragen, dass sich die Tiere nicht selbst gefährden oder die anderen Tiere nicht gefährdet werden, zumal Sie nicht im Stande gewesen sind, einen gestürzten und festliegenden Stier, auf den und über den die anderen Tiere gestiegen sind, aus seiner Lage zu befreien". Er habe dadurch "§ 16 Abs. 3 Z 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 des Tiertransportgesetzes-Straße, BGBl. Nr. 411/1994, in der derzeit geltenden Fassung" verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 16 Abs. 3 Z 2 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 726,--- (7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Die belangte Behörde führte über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung am 3. Juni 2003 eine Berufungsverhandlung durch, in der der als Amtssachverständiger befragte Tierstransport-Inspektor auf ein von ihm bei der Inspektion am 27. September 2000 angefertigtes Lichtbild verwies, dem zu entnehmen sei, dass ein Stier auf der rechten Seitenfläche liege und ein weiterer Stier mit seinem linken Hinterbein oberhalb und mit dem rechten Hinterbein unterhalb des Halses stehe. Der liegende Stier habe sich erst nach einer Stunde 53 Minuten befreien können. Bei einem derartigen Transport würde sich der Lenker (der Beschwerdeführer) bei Betreten der Ladefläche selbst gefährden. Eine sachgerechte Betreuung der Tiere durch den Lenker, wenn er zugleich der Betreuer sei, bestünde darin, die anderen Tiere zu "verscheuchen", das liegende Tier in die entsprechende Position eines Wiederkäuers zu bringen - die Brustbauchlage - und das Haupt des Tieres aufzurichten. Dies sei im gegebenen Fall schon deshalb nicht möglich gewesen, weil immer wieder andere Tiere auf den liegenden Stier gestiegen seien. Ein "Verscheuchen" der Tiere im dargestellten Sinn sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen und er habe dies auch nicht versucht. Die beabsichtigte Fahrt zur Abladestelle sei nicht sofort möglich gewesen, weil die Exekutive und der Amtssachverständige noch zwei weitere zuvor angehaltene Transporter zu inspizieren gehabt hätten. Diese Inspektion habe die erwähnte Stunde und 53 Minuten gedauert, der Stier habe sich dann selbst aus seiner Lage befreien können. Der Lkw sei für den Tiertransport geeignet gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Die belangte Behörde führte aus, sie folge bei ihren Feststellungen den Angaben des Tiertransport-Inspektors in der Berufungsverhandlung. Erwiesen sei, dass ein Stier zumindest mit einem Hinterbein auf einem unter ihm liegenden Stier gestanden sei, was eine Gefährdung des liegenden Tieres darstelle. Zum Berufungseinwand, die von den Kontrollorganen festgestellte Situation sei erst bei der Anhaltung eingetreten, führte die belangte Behörde aus, der Lenker eines Lkw-Zuges müsse mit Bremsmanövern rechnen und wäre daher gehalten gewesen, die Tiere so zu verladen, dass eine Gefährdung selbst im Falle eines Sturzes vermieden werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. § 8 Tiertransportgesetz-Straße (TGSt), BGBl. Nr. 411/1994, lautet auszugsweise:
"Haltung während des Transports
§ 8. (1) Werden Güter und Tiere in demselben Laderaum befördert, dürfen die Güter nicht so verladen werden, dass sie das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigen können. Güter, die bereits wegen ihrer Beschaffenheit das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigen können, dürfen nicht in demselben Laderaum mit Tieren befördert werden. Wenn mehrere Tiere während des Transports in demselben Laderaum gehalten werden (gemeinsamer Transport), so ist dafür Sorge zu tragen, dass sie sich oder die anderen Tiere nicht gefährden.
(2) (...)
(3) (...)"
Gemäß § 16 Abs. 3 Z 2 TGSt, BGBl. Nr. 411/1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002, begeht, wer als Lenker eines Fahrzeuges, mit dem ein Tiertransport durchgeführt wird, - unter anderem - dem § 8 leg. cit. zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von EUR 726,-- bis EUR 3633,-- zu bestrafen.
2. Zunächst kann der Ansicht des Beschwerdeführers, § 8 Abs. 1 TGSt sehe eine Verpflichtung zur Vermeidung allfälliger Gefährdungen (nur) anlässlich der Verladung vor, der Transport sei aber in Deutschland begonnen worden, weshalb der Beschwerdeführer bei Beachtung der Bestimmung des § 2 Abs. 1 VStG im Inland nicht strafbar sei, nicht gefolgt werden.
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift richtig festhält, ist schon der Überschrift zu § 8 TGSt ("Haltung während des Transports") zu entnehmen, dass die nach dieser Bestimmung auferlegten Verpflichtungen nicht nur im Zeitpunkt der Verladung der zu transportierenden Tiere, sondern für die gesamte Dauer des Tiertransportes gelten. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum TGSt (1068 BlgNR XVIII. GP 10), wo ausgeführt wird, es solle durch die §§ 8 bis 10 TGSt "vermieden werden, dass das Wohlbefinden der Tiere über das unbedingt notwendige Ausmaß beeinträchtigt wird"; dass der Gesetzgeber diesen Gesetzeszweck nur in Bezug auf den Verladevorgang hätte verfolgen wollen, kann den Erläuterungen nicht entnommen werden.
3. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die belangte Behörde habe nicht angeführt, welches konkrete Verhalten er unterlassen habe bzw. welche Sicherungsmaßnahmen adäquat und notwendig gewesen wären. Der Beschwerdeführer habe auch nicht schuldhaft gehandelt.
3.1. Im vorliegenden Fall lautete die Tatanlastung im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahin, der Beschwerdeführer als Lenker habe es bei einem konkret bezeichneten Transport unterlassen, "dafür Sorge zu tragen, dass sich die Tiere nicht selbst gefährden oder die anderen Tiere gefährdet werden, zumal Sie nicht im Stande gewesen sind, einen gestürzten und festliegenden Stier, auf den und über den andere Tiere gestiegen sind, aus seiner Lage zu befreien".
3.2. Gemäß § 44a Z 1 VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände im Spruch des Straferkenntnisses so genau zu umschreiben, dass 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 2000, Zl. 97/21/0223). Es reicht nicht aus, wenn sich die Tatanlastung in der Anführung des gesetzlichen Tatbestandes erschöpft, ohne konkret zu umschreiben, worin die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale bestanden habe bzw. durch welches Verhalten des Täters dies geschehen sein soll. Eine sich im Wesentlichen als Wiederholung des Gesetzestextes darstellende Umschreibung der Tatanlastung wird jedenfalls dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, Zl. 92/04/0214).
Bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung durch Unterlassung ist zur Konkretisierung des Tatvorwurfes die individualisierte Beschreibung jener Handlungen im Spruch erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen und nach Ansicht der Behörde rechtswidrigerweise nicht gesetzt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0026).
3.3. Als Tat, deren Umschreibung über die bloße Wiederholung des gesetzlichen Tatbestandes hinausgeht, liegt dem Beschwerdeführer nach dem Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses zur Last, dass er nicht im Stande gewesen sei, "einen gestürzten und festliegenden Stier, auf den und über den die anderen Tiere gestiegen seien, aus seiner Lage zu befreien".
Der darüber hinaus im Spruch dieses Straferkenntnisses (allgemein) enthaltene Vorwurf, der Beschwerdeführer habe nicht dafür Sorge getragen, "dass sich die Tiere nicht selbst gefährden oder die anderen Tiere gefährdet werden", ist eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes.
Soweit die belangte Behörde im Rahmen der Bescheidbegründung noch ausführte, der Beschwerdeführer wäre im Hinblick auf mögliche Bremsmanöver gehalten gewesen, die Tiere so zu verladen, dass eine Gefährdung im Falle eines Sturzes vermieden werde, so kommt eine allfällige Pflichtverletzung bei der Verladung - abgesehen davon, dass eine solche Tatanlastung im Spruch des Straferkenntnisses nicht zum Ausdruck kommt - schon deshalb nicht als Grundlage einer Bestrafung des Beschwerdeführers in Betracht, weil ein solcher Vorwurf innerhalb der Verjährungsfrist (§ 31 VStG) gegen ihn nicht erhoben wurde.
3.4. In Bezug auf die zuvor angeführte, dem Beschwerdeführer angelastete Tat wird ihm eine Unterlassung vorgeworfen. Bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung durch Unterlassung ist die individualisierte Beschreibung jener Handlungen im Spruch erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen. Im vorliegenden Fall hat die Behörde dem Beschwerdeführer aber lediglich die Unfähigkeit zur Befreiung des Tieres als solche vorgeworfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, welche Handlungen er hätte vornehmen sollen. Somit wird auch der Tatvorwurf, der Beschwerdeführer sei nicht im Stande gewesen, "einen gestürzten und festliegenden Stier ... aus seiner Lage zu befreien", den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht, sodass der angefochtene Bescheid sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig erweist.
4. Lediglich der Vollständigkeit halber ist daher noch darauf hinzuweisen, dass der in der Berufungsverhandlung als Sachverständiger vernommene Tiertransport-Inspektor ausgesagt hat, es sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, den liegenden Stier aus seiner Lage zu befreien; der Lenker hätte dazu in sachgerechter Weise nur mit einem "Verscheuchen" der anderen Tiere vorgehen können, beim (dazu offenbar notwendigen) Betreten der Ladefläche hätte sich der Lenker aber selbst gefährdet. Die beabsichtigte Fahrt zur Abladestelle sei ebenfalls nicht sofort möglich gewesen, weil die Exekutive und der Amtssachverständige noch zwei weitere zuvor angehaltene Transporter zu inspizieren gehabt hätten. Die belangte Behörde konnte daher ohne Auseinandersetzung mit der Aussage des Tiertransport-Inspektors auch nicht davon ausgehen, den Beschwerdeführer treffe - in Bezug auf den ihm konkret gemachten Tatvorwurf, er sei nicht im Stande gewesen, den gestürzten Stier aus seiner Lage zu befreien - ein Verschulden.
5. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II 333.
Wien, am 19. Dezember 2005
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Unterlassungsdelikt Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003030199.X00Im RIS seit
17.01.2006