TE OGH 1991/4/10 2Ob515/91

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Veröffentlicht am 10.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner, Dr. Schwarz und Dr. Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann K*****, vertreten durch Dr. Walter Macher, Dr. Alexander Grohmann und Dr. Peter Lambert, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1.) G***** AG, ***** vertreten durch Dr. Graham Schneider, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Firma Christian K*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Bruckner, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Zuhaltung eines Mietvertrages, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 4. Juli 1990, GZ 48 R 336/90-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19. Jänner 1990, GZ 47 C 21/88t-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen an Kosten des Revisionsverfahrens der beklagten Partei den Betrag von 3.019,20 S und den Nebenintervenienten den Betrag von je 3.623,04 S (darin je 603,84 S an Umsatzsteuer) zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist auf Grund des Mietvertrages vom 18.Jänner 1966 Mieter der im dritten Stock des der Beklagten gehörigen Hauses Wien ***** gelegenen Wohnung top. Nr.6 a. In dem genannten Mietvertrag wurde dem Kläger kein bestimmter Zugang zu der gegenständlichen Wohnung zugesagt. Der direkte Zugang zu dieser Wohnung war bis zur Durchführung von Umbauarbeiten durch die Beklagte durch den auf die Taborstraße führenden Haupteingang des Hauses gewährleistet. Sowohl der Kläger als auch die anderen Parteien des Hauses verwendeten jedoch von Anfang an nicht nur diesen Haupteingang, sondern auch den auf der rechten Grundstücksseite befindlichen, über den Hof in das Stiegenhaus führenden Eingang. Durch diesen Eingang fuhren auch Autos ein, die im Hof parken. Anschließend an den Haupteingang des Hauses befand sich ein aus dem Jahre 1892, der späthistorischen Epoche zuzuzählendes Vestibül samt Stiegenaufgang. Dieses Vestibül war für den Kläger auch einer der Gründe für die Anmietung seiner Wohnung. Dieses Motiv wurde jedoch im Mietvertrag nicht festgehalten. Auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 26.Juni 1985 wurde ***** folgende Bauführung bewilligt:

1) Die Verlegung des straßenseitigen Hauseinganges in den Hof samt den mit dieser Maßnahme verbundenen Änderungen der Stiegenanlage. 2) Die Umwidmung des ehemaligen Hauseinganges in Geschäftslokalität und Vereinigung mit dem benachbarten Lokal. 3)

Die Änderung der beiden Geschäftsportale an der linken Grundgrenze. 4) Die Einziehung einer Zwischendecke zur Schaffung von Nebenräumen und die Vornahme der sonst im Plan vorgesehenen baulichen Änderungen. 5) Die Errichtung eines Kfz-Einstellplatzes im Hof.

Durch diese Umbauarbeiten wurde der Anmarschweg über den Eingang auf der rechten Grundstücksgrenze um ungefähr 15 m länger als jener über den Haupteingang, der im Zuge der Umbauarbeiten entfernt worden ist. Die Postkästen, die sich früher im Stiegenhaus hinter dem Vestibül befanden, befinden sich jetzt im Eingang auf der rechten Grundstücksgrenze. Die Einlagerung der Kohle, die früher von der Taborstraße her, nämlich vor dem Hauptportal auf einer Kohlenrutsche in den Keller direkt erfolgte, muß nunmehr über den Hof erfolgen. Das Stiegenhaus ist nun über einen breiten, dem seinerzeitigen voll gleichwertigen Eingang zu erreichen, der sowohl vom Kläger als auch von seiner Ehefrau schon früher, als noch der andere Hauseingang vorhanden war, immer wieder verwendet worden war, insbesondere dann, wenn sie ihr Auto im Hof abstellten. Eine Gefährdung des Klägers und seiner Gattin sowie der übrigen Hausparteien ist durch aus- und einfahrende Autos nicht gegeben, da ein etwa 1,2 m breiter Gehsteig zur Verfügung steht. Auch unter dem Blickwinkel des Katastrophenschutzes ist durch den Umbau für den Kläger keine Beeinträchtigung gegeben, weil ja die Umbauarbeiten auf Grund einer rechtskräftigen Baubewilligung der Baupolizei erfolgten. Da dem Gebäude eine nennenswerte geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung nicht zukommt, liegt die Erhaltung des Hauses und somit auch des Vestibüls nicht im öffentlichen Interesse.

Die Hausparteien wurden von den Umbaumaßnahmen vor deren Durchführung auch über die Hausvertrauensleute verständigt; sie haben diesen Umbaumaßnahmen zugestimmt. Erst späterhin haben sich Mieter (der Stiege 1) gegen die Entfernung des Haupteinganges ausgesprochen. Durch den Umbau des Hauses wurde aus dem bisherigen Hausflur zu einem Teil des Stiegenhauses (Vestibül) eine zusätzliche Geschäftsräumlichkeit im Ausmaß von ungefähr 30 m2 Nutzfläche geschaffen, die an K***** vermietet worden ist; außerdem wurde es mögich, die bisherigen - links und rechts vom Hausflur gelegenen - Geschäftslokale der "Firma" K***** zu verbinden. Darüber hinaus wurde mit Übereinkommen vom 15.November 1984 der Hauptmietzins für die straßenseitigen Lokale im Ausmaß von 68,92 m2 der "Firma" K***** ab 1.Jänner 1985 von bisher 16,30 m2 S und Monat (dies sogar einschließlich des Erhaltungsbeitrages) auf 50,--/m2 S und Monat erhöht. Die G***** AG bezahlte der beklagten Partei für die erteilte Umbauberechtigung einen Einmalbetrag von 200.000 S. Diesen Betrag hat die Hauseigentümerin in der Mietzinsreserve des Hauses verrechnet. Außerdem wurde der Mietzins der G***** AG für ihre Geschäftslokalitäten im Ausmaß von 86,11 m2 Nutzfläche mit Vereinbarung vom 15.November 1984 ab dem 1.Jänner 1985 auf 100,-- m2 S pro Monat erhöht. Der bisherige Mietzins betrug bei einer Fläche von 60,88 m2 nur 16,30 S pro Monat und Quadratmeter. Auf Grund dieser zusätzlichen Einnahmen - ca. 130.000 S jährlich - war die Beklagte in der Lage, in den Jahren 1987 und 1988 die Dachflächen des Hauses zu renovieren, die Wasserleitung zur Stiege II zu verstärken und die Steigleitung der Stiege II zu erneuern. Somit haben sämtliche Bewohner des Hauses - es gibt 53 Mietparteien - durch die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen einen erheblichen Vorteil erlangt.

Infolge der baulichen Veränderungen müssen nun sämtliche Parteien den auf der rechten Grundstücksgrenze befindlichen Eingang benützen.

Mit der am 4.November 1985 erhobenen Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Unterlassung der Beseitigung des Einganges zum Haus durch das Haupttor und hilfsweise für den Fall, daß die Beseitigungsarbeiten bereits vorgenommen worden sein sollten, die Wiederherstellung des früheren Zustandes. Durch die geplanten und begonnenen baulichen Veränderungen werde der Zu- und Abgang zum Bestandobjekt des Klägers wesentlich erschwert, weil das Stiegenhaus nur mehr über einen kleinen Hinterausgang zu erreichen sei, die T*****straße nurmehr über einen unzumutbaren Umweg über einen langgestreckten Hof durch eine Hofeinfahrt zu erreichen sei und der Zu- und Abgang durch aus- und einfahrende PKW gefährdet wäre. Darüberhinaus würde sich im Katastrophenfall der Fluchtweg verlängern und würde letztlich der bedungene Gebrauch des Mietobjektes durch Beseitigung des prachtvollen Vestibüls beeinträchtigt werden. Im zweiten Rechtsgang brachte der Kläger noch vor, daß bei der bei Beurteilung der Zulässigkeit von Umbauarbeiten vorzunehmenden Abwägung der Interessen des Vermieters und der Mieter jene der Mieter überwögen, weil der bloße Gewinn von 14 m2 zusätzlich vermietbarer Fläche in keinem vernünftigen Verhältnis zur Minderung der Wohnqualität des Mieters stünde.

Die Beklagte und die beiden Nebenintervenienten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil die beabsichtigten Baumaßnahmen baubehördlich genehmigt worden seien, der Zugang zur Wohnung des Klägers dadurch auch nicht wesentlich erschwert würde, auch Gründe des Katastrophenschutzes nicht gegen die Baumaßnahmen sprächen, das vom Kläger genannte im Vorhandensein des Vestibüls gelegene Motiv für die Anmietung der Wohnung rechtlich unerheblich sei und durch den Umbau zusätzlicher Nutzraum verbunden mit der Möglichkeit, günstigere Mietzinse zu erlangen, gewonnen worden sei. Damit hätten auch schon verschiedene Instandsetzungsarbeiten finanziert werden können. Aus diesen Vorteilen für die Nebenintervenienten und das Haus als gesamtes ergäbe sich, daß die Interessen der Beklagten gegenüber dem Interesse des Klägers an der Erhaltung des Stiegenhauses überwögen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß dem Kläger vertraglich kein Anspruch auf einen bestimmten Zugang zu seiner Wohnung zustehe. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß ein funktionell annähernd gleichwertiger zweiter Hauseingang an der rechten Grundstücksgrenze vorhanden sei, dessen Gebrauch eine Erschwerung der Benützung bzw. Erreichung des Mietobjektes durch den Kläger nicht darstelle. Daß dem Kläger vertraglich das Vorhandensein des schönen historistischen Vestibüls zugesagt worden wäre, sei nicht erwiesen. Wenn es auch für den Kläger etwa Motiv gewesen sein sollte, die Wohnung im Haus wegen des alten Vestibüls zu mieten, so habe dieses Motiv in den Vereinbarungen keinen Niederschlag gefunden. Daß die Erhaltung des Vestibüls aus kunsthistorischen Gründen seiner Entfernung nicht entgegenstehe, sei durch einen Bescheid des Bundesdenkmalamtes erwiesen. Durch die baubehördliche Bewilligung des geplanten Umbaus sei auch gesichert, daß ausreichend Fluchtwege im Katastrophenfall anderweitig vorhanden seien. Eine ernstliche Erschwerung oder Gefährdung der Ausübung der Mietrechte des Klägers sei also nicht erwiesen. Hingegen habe die Beklagte durch die Auflösung des bisherigen Vestibüls, das räumlich den Geschäftslokalen der beiden Nebenintervenienten zugeschlagen worden sei, große Vorteile gewonnen. Die Nebenintervenienten hätten nämlich für die gesamten von ihnen gemieteten Objekte wesentlich höhere Mietzinse vereinbart, die Erstnebenintervenientin für die erteilte Umbauberechtigung außerdem einen Einmalbetrag von 200.000 S bezahlt. Dadurch seien zusätzliche Einnahmen für die Beklagte entstanden, die sie der Mietzinsreserve zugeschlagen habe und woraus bereits einige notwendige Reparaturen des Hauses (Dachflächen, Wassersteigleitung) hätten durchgeführt werden können. Damit hätten nicht nur die Beklagte, sondern auch die Bewohner des Hauses durch die vom Kläger bekämpften Maßnahmen einen erheblichen Vorteil erlangt, der die Nachteile des Klägers (Verlängerung des Zugangsweges zu seiner Wohnung um 15 m) weit überwiege. Der klagende Mieter habe daher die Auflassung des bisherigen Hauseinganges zu dulden und sei sein Unterlassungs- bzw. Wiederherstellungsbegehren nicht berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer mängelfreien und nachvollziehbaren Beweiswürdigung und erachtete davon ausgehend auch die Rechtsrüge der Berufung als unberechtigt.

Es billigte die Ansicht des Erstgerichtes, daß aus der 20jährigen Benützung des Einganges durch das Hauptportal nicht abgeleitet werden könne, dieser Eingang müsse auch weiterhin zur Verfügung stehen. Gegenstand des zwischen den Streitteilen bestehenden Mietvertrages sei primär die vom Kläger gemietete Wohnung. Nach dem Inhalt des Vertrages sei nur diese allein vom Bestandrecht umfaßt. Selbstverständlich habe der Bestandgeber auch die Benützung nicht in Bestand gegebener Flächen durch den Bestandnehmer soweit zu dulden, als es dem Bestandzweck entspräche (vgl. Würth in Rummel2, Rz 2 und 3 zu § 1098 ABGB). Damit umfasse das dem Mieter eingeräumte Benützungsrecht auch den freien und ungehinderten Zugang zum Bestandobjekt (vgl. MietSlg. 36.150, 38.161). Diese Berechtigung habe der Kläger bisher im wesentlichen durch den alten Haupteingang samt Vestibül, fallweise auch durch die an der rechten Grundstücksgrenze gelegene Hauseinfahrt, ausgeübt. Nach den Feststellungen sei nicht erwiesen, daß dem Kläger der Bestand dieses alten Einganges in der bisherigen Form vertraglich zugesagt worden wäre, oder daß sein Motiv, die Wohnung im Haus wegen dieses schönen Eingangs zu mieten, zum Vertragszweck gemacht worden wäre. Es sei auch nicht hervorgekommen, daß der Bestand dieses alten Hauseinganges gleichsam als mitbedungen anzusehen wäre, weil etwa der Kläger seine eigenen Bestandräumlichkeiten zu Repräsentationszwecken oder ähnlichem verwende. Aus dem aus § 1109 ABGB abgeleiteten Grundsatz des schonenden Gebrauchs der Bestandsache ergäbe sich aber, daß der Bestandnehmer zumutbare Maßnahmen des Bestandgebers zu dulden habe, wenn dadurch die Ausübung seines Bestandrechtes nicht wesentlich beeinträchtigt werde (vgl. MietSlg. 31.226 f, 35.187). Eine Erschwerung über ein dem Mieter zumutbares Maß hinaus müsse dieser nicht dulden (vgl. MietSlg. 35.187, 36.155). Schon daraus ergäbe sich, daß, wenn nicht vertraglich anderes vereinbart sei, ein bestimmter Hauseingang und Zugang zur Wohnung dem Mieter nicht gewährleistet werden müsse. Bei der Frage, ob ein Mieter das Versetzen des Haustores an eine andere Stelle zu dulden habe, komme es also zunächst darauf an, ob damit eine wesentliche Erschwerung des Gebrauchsrechtes gegenüber dem bisherigen Zustand zu erblicken sei (vgl. MietSlg. 23.143, 35.187, 38.016). Im wesentlichen wende sich der Berufungswerber gegen die vom Erstgericht bejahte Zumutbarkeit der Veränderung für den Kläger, die sich aus einer Interessenabwägung ergäbe. Bereits im ersten Rechtsgang sei die dazu ergangene Rechtsprechung vom Berufungsgericht ausführlich dargestellt worden. Für den Berufungswerber sei also nichts gewonnen, wenn er lediglich nachzuweisen versuche, daß die beabsichtigte Änderung nicht die einzige Möglichkeit darstelle, das Haus und dessen Bewohner vor Nachteilen zu bewahren. Er übersehe ja, daß dies Fälle seien, in denen die Interessenabwägung stets zu Gunsten des Bestandgebers auszufallen habe (vgl. MietSlg. 26.107, 28.127, 31.226). Das bedeute aber nicht, daß eine Zumutbarkeit für den Mieter nur dann gegeben sei, wenn ein derart schwerwiegendes berechtigtes Interesse des Vermieters vorhanden ist. Die Frage der Zumutbarkeit des Eingriffs habe stets das Ergebnis einer Abwägung der Interessen aller Beteiligten zu sein (vgl. MietSlg. 31.226, 28.126, Würth, aaO, Rz 8 zu § 1098 ABGB mwN)). Die Abwägung der einander widersprechenden Interessen führe vielmehr dazu, daß je schwerwiegender das Interesse des Vermieters zu bejahen sei, umso mehr die Zumutbarkeit für den Mieter gegeben sein werde bzw. umso mehr ihm zuzumuten sein werde. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bestehe durch die Auflassung des bisherigen Haupteinganges und die Zurverfügungstellung der an der rechten Grundstücksgrenze gelegenen Hauseinfahrt als nunmehr einziger Zugangsmöglichkeit eine gewisse, wenn auch nicht schwerwiegende Beeinträchtigung des Klägers. Lediglich dadurch, daß der von der Straße aus in Hauseinfahrt, Hof und Haus zurückzulegende Gehweg um 15 m verlängert werde, entstehe eine gewisse Unannehmlichkeit und damit geringfügige Erschwerung der Ausübung des Bestandrechtes; dies selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger sich bereits im 66.Lebensjahr befinde. Eine Verlängerung in dem geschilderten Ausmaß stehe in keinerlei Verhältnis zu Wegen, die auch ältere Personen im Stadtgebiet bei Erledigungen und Einkäufen zurückzulegen hätten. Daß aus der veränderten Kohlenzustellung für den Kläger selbst kein Nachteil erwachse, sei bereits im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge dargetan worden. Auch die Verlegung der Postkästchen vermöge keinerlei Erschwerung für den Mieter selbst darzustellen, da sich diese zwar nicht mehr am alten Ort, doch ohne Umweg zu erreichen im Bereich des neuen Hauseinganges befänden. Der seelische Unbill, die Unlustgefühle, die der Kläger dadurch erleide, daß nicht mehr das alte historistische Vestibül vorhanden sei, sondern er das Haus durch eine Hauseinfahrt und gleichsam einen Nebenaufgang vom Hof aus betreten müsse, vermögen hier nicht in die Beurteilung einzufließen, da sie eine objektive Erschwerung der Ausnützung der Bestandrechte nicht darstellten.

Im zweiten Rechtsgang habe das Erstgericht die erforderlichen Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, inwiefern ein schwerwiegendes berechtigtes Interesse des Vermieters an der Veränderung vorliege. Die Feststellungen hätten ergeben, daß die Vermieterin zusätzlich ungefähr 30 m2 an wertvoller Geschäftsraummiete auf einer der Haupteinkaufsstraßen des ***** Gemeindebezirkes gewonnen habe, die sie nutzbringend und gewinnbringend, da die Mietzinseinnahmen steigernd, an die Nebenintervenienten habe vermieten können. Die Feststellungen hätten weiters ergeben, daß es dadurch zum Abschluß von neuen Mietzinsvereinbarungen gekommen sei, wodurch auch die bisherigen Mietzinse von bisher 16,30 S pro Quadratmeter und Monat auf 100,-- S pro Quadratmeter bzw. 50,-- S pro Quadratmeter hätten erhöht werden können. Zusätzlich sei eine Einmalzahlung der Erstnebenintervenientin in Höhe von 200.000 S erfolgt. Das Erstgericht habe Mietzinsmehreinnahmen pro Jahr von ca. 130.000 S festgestellt, durch welche Beträge die Beklagte instandgesetzt worden sei, Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten im Haus vorzunehmen. Diese Mietzinseingänge zusammen mit der Einmalzahlung der Erstnebenintervenientin stellten eine verbesserte Ertragsfähigkeit des alten Zinshauses dar. Dem Berufungswerber sei zuzugestehen, daß die vorgenommene Änderung des Eingangs keineswegs die einzige Möglichkeit darstelle, das Haus und dessen Bewohner vor Nachteilen zu bewahren. Doch seien die Interessen des Vermieters an den gesteigerten Mietzinseinnahmen zum Zweck der Erhaltung des Hauses in der festgestellten Höhe als schwerwiegendes berechtigtes Interesse des Vermieters zu qualifizieren. Bei Abwägung dieser beiden dargestellten Interessen ließe sich die Zumutbarkeit der Veränderung für den Kläger bejahen.

Den Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes gründete das Berufungsgericht auf § 500 Abs.2 Z 1 ZPO, jenen über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision auf den Umstand, daß zu der hier zu entscheidenden Frage, ob eine spürbare Steigerung von Mietzinseinnahmen für ein altes Zinshaus, die dem Vermieter es ermöglicht, Verbesserungsarbeiten am Haus durchzuführen, ein nach § 1098 ABGB zu berücksichtigendes wichtiges Interesse des Vermieters darstellt, das ihn berechtigt, eine, wenn auch nur geringfügige Beeinträchtigung des Benützungsrechtes eines Mieters zu veranlassen, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte und die beiden Nebenintervenienten beantragten in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision keine Folge zu geben.

Vor Eingehen in die Rechtsmittelausführungen ist festzuhalten, daß es hier nicht um die Frage der Benützung oder von Veränderungen des Bestandgegenstandes des Mieters zur Durchführung von Arbeiten geht, sondern um die Zulässigkeit von Veränderungen des Miethauses, die den Bestandgegenstand des Klägers selbst nicht betreffen, zumal der hier von den baulichen Veränderungen betroffene Zugang zur Wohnung des Klägers selbst nicht Gegenstand des Mietvertrages geworden ist; es liegt somit keine Streitigkeit vor, die nach § 8 Abs.2 MRG zu beurteilen und daher in das besondere außerstreitige Verfahren nach dem MRG verwiesen wäre (§§ 37 Abs.1 Z 5, 8 Abs.2 MRG).

Die gegen die somit zu Recht im streitigen Verfahren ergangene Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß der Bestandnehmer - aus dem Grundsatz des schonenden Gebrauchs der Bestandsache abgeleitet - zumutbare Maßnahmen des Bestandgebers zu dulden hat, wenn dadurch das Bestandrecht nicht wesentlich beeinträchtigt wird, und daß die Zumutbarkeit beabsichtigter Maßnahmen des Bestandgebers das Ergebnis der Abwägung der Interessen aller Beteiligten ist (vgl. Würth, aaO, Rz 8 zu § 1098 samt Rechtsprechungsnachweis). Es entspricht auch der Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß der Mieter unter diesen Voraussetzungen auch nützliche Bauführungen des Vermieters zu dulden hat (Klang in Klang2 V 126; Würth, aaO, Rz 26 zu § 1118 samt Rechtsprechungshinweis; weiters SZ 46/20; MietSlg. 26.101; 27.173/11 ua). Dem Revisionswerber ist wohl darin beizupflichten, daß bei Kollision von Sachbesitz und Rechtsbesitz - wie Koziol-Welser8 II 20 lehren - letzterer grundsätzlich vorgeht und der Sachbesitz nur so weit reicht, als er nicht durch den Rechtsbesitz eingeschränkt ist, damit ist aber für den Revisionswerber nichts gewonnen, weil eben § 1118 letzter Satz ABGB hinsichtlich der bei nützlichen Bauführungen entstehenden Interessenkollision die genannte Lösung normiert. Auch der Hinweis des Revisionswerbers auf die Bestimmungen des § 1096 ABGB sowie der §§ 4 und 5 MRG einerseits sowie § 8 MRG anderseits geht ins Leere, weil jene Bestimmungen Bestandgeberpflichten betreffen, es hier aber um das Recht des Vermieters zur Vornahme von Veränderungen geht, die Bestimmung des § 8 MRG hingegen sich auf Fälle bezieht, in welchen die baulichen Veränderungen - wie bereits erwähnt - den Mietgegenstand selbst betreffen. Die genannten Bestimmungen können daher entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht als Maßstab für das hier von der Beklagten in Anspruch genommene Recht auf Veränderung des nicht zum Gegenstand des Mietvertrages gemachten Zuganges zum Mietgegenstand herangezogen werden. Damit kann aber auch keine Rede davon sein, daß im vorliegenden Fall die Interessenabwägung gar nicht erforderlich gewesen wäre.

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger auch gegen das Ergebnis der von den Vorinstanzen vorgenommenen Interessenabwägung. Insoweit er in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Entscheidungen MietSlg. 31.226 und 31.227 meint, wirtschaftliche Interessen allein seien überhaupt kein Kriterium, und eine Interessenabwägung käme überhaupt erst in Frage, wenn festgestellt wäre, daß die vom Vermieter geplante Maßnahme die einzig mögliche sei, das Haus und dessen Bewohner vor Nachteilen zu bewahren, kann ihm nicht gefolgt werden. Daß wirtschaftliche Interessen des Vermieters bei der Interessenabwägung unberücksichtigt bleiben müssen, läßt sich nicht begründen. Es erscheint vielmehr durchaus verständlich und legitim, daß ein Bestandgeber im Hinblick auf die ihn gesetzlich treffende Erhaltungspflicht (§ 1096 ABGB, § 3 MRG) bestrebt ist, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten die Mietzinseinnahmen zu erhöhen und damit die Mietzinsreserve so groß wie möglich zu gestalten. Dieses wirtschaftliche Streben ist auch schutzwürdig, weil es der Sicherung der Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten dient und außerdem den mietzinsrechtlich geschützten Mietern insofern zugutekommt, als dadurch ihre Heranziehung zur Finanzierung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten nicht erforderlich oder doch hinausgeschoben wird. In die hier vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung haben nämlich auch die Interessen der übrigen Mieter einzufließen. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß eine spürbare Steigerung von Mietzinseinnahmen für den Eigentümer eines alten Zinshauses ein im Rahmen der Interessenabwägung nach den §§ 1098, 1108 letzter Satz ABGB zu berücksichtigendes wichtiges Interesse darstellt.

Was den neurlichen Hinweis des Revisionswerbers auf jene Rechtsprechung anlangt, die im Rahmen der Abwägung der Interessen aller Beteiligten als weiteres Erfordernis verlangt, daß es sich bei der vorgesehenen Maßnahme um die einzige Möglichkeit handeln müsse, das Haus oder dessen Bewohner vor Nachteilen zu bewahren, so ist er auf die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen. Die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse läßt es nicht zu, die in jenen Fällen maßgeblich gewesenen Umstände zum allgemeinen Grundsatz zu machen und auch auf anders gelagerte Fälle anzuwenden (vgl. auch den diesbezüglichen Hinweis von Würth, aaO, Rz 8 zu § 1098). Bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung spielt es daher keine Rolle, daß die Änderung des Zuganges zum Bestandobjekt des Klägers keineswegs notwendig ist, um das Haus oder dessen Bewohner vor Nachteilen zu bewahren.

Im Rahmen der Bekämpfung des Ergebnisses der von den Vorinstanzen vorgenommenen Interessenabwägung macht der Revisionswerber den Vorinstanzen auch zum Vorwurf, sie hätten der Ablehnung des von ihm im Zusammenhang mit der Unmöglichkeit der Aufrechterhaltung der bisherigen Kohlenzustellung gebrachten Argumentes gegen die Zulässigkeit der Änderung des Zuganges zu seinem Bestandobjekt lediglich eine Vermutung zugrundegelegt. Auch hier kann dem Revisionswerber nicht gefolgt werden. Die Vorinstanzen haben vielmehr im Rahmen der Erörterung der Frage, ob die notwendig werdende Änderung der Zustellung von Brennmaterial dem Kläger zumutbar ist, die allgemeinen Lebenserfahrungen berücksichtigt und dabei auch das Sachvorbringen nicht außer acht gelassen. Inwiefern die Sachverhaltsgrundlage unvollständig oder unrichtig sein sollte, läßt der Kläger in seiner Revision auch nicht erkennen. Daß das Brennmaterial abgetragen werden muß, wenn es nicht durch eine Rutsche in den Keller befördert werden kann, ist selbstverständlich und bedurfte keiner näheren Erörterung. Die Frage, ob der Kläger dadurch eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung erleiden könnte, konnten die Vorinstanzen mit Recht unerörtert lassen, weil der Kläger im Verfahren erster Instanz eine derartige Belastung nicht einmal anklingen ließ. Entsprechendes gilt auch für die Ansicht der Vorinstanzen, daß auch die Verlegung der Postfächer nicht geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Änderung des Zuganges zu begründen. Welche Bedeutung der Feststellung, in welchem Umfang sich der Zugang zu den Postkästen geändert hätte, wenn der Kläger das Haus nicht durch den neuen Eingang verlasse, sondern nur die Post behebe, im Rahmen der hier vorzunehmenden allgemeinen Interessenabwägung zukommen sollte, wird in der Revision nicht dargetan und ist auch nicht erkennbar. Ausgehend von den im städtischen Bereich üblichen Gegebenheiten ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Einschätzung der als den baulichen Veränderungen sich für den Kläger ergebenden Beeinträchtigungen seines Gebrauchsrechtes im Sinne der Ablehnung der Annahme einer wesentlichen Erschwerung oder Gefährdung durchaus zu billigen.

Der Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E25925

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00515.91.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19910410_OGH0002_0020OB00515_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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