TE OGH 1991/4/10 1Ob688/90

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Veröffentlicht am 10.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma M***** Handelsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Götz Schattenberg, Dr. Ernst Moser, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 170.000 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. Oktober 1990, GZ 5 R 80/90-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 13. April 1990, GZ 6 Cg 351/89-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Herbert A***** bot dem Beklagten namens der klagenden Partei am 12. Oktober 1987 mündlich einen Backenbrecher zum Verkauf an. Am 20. Oktober 1987 stellte die klagende Partei dem Beklagten ein schriftliches Anbot mit einem Preis des Backenbrechers von S 220.000 exklusive Mehrwertsteuer, Lieferzeit ca . 6 Monate. "Zahlung: 15 % Anzahlung, 85 % nach Erhalt der Ware. Alternativ:

15 % Anzahlung, 85 % in Gegenverrechnung von Lieferungen und Leistungen wie Stahlbau, Servicearbeiten sowie Transporte zu akzeptablen Bedingungen, spätestens jedoch 12 Monate nach Erhalt der Ware. Dieses zinsenlose Finanzierungsangebot wird gewährt unter Voraussetzung einer guten Bonität." Auf der Basis dieses schriftlichen Anbotes erteilte der Beklagte der klagenden Partei einen mündlichen Lieferauftrag, der nur in einigen Punkten (vor allem hinsichtlich des Kaufpreises) vom Anbot abwich. Die klagende Partei bestätigte diesen mündlichen Auftrag mit Schreiben vom 3. November 1987. Nach diesem Schreiben war ein Kaufpreis exklusive Umsatzsteuer von S 200.000 vereinbart. Die Lieferzeit betrug maximal sechs Monate nach Anzahlung. Die Zahlungsbedingungen waren nunmehr wie folgt angegeben: "15 % Anzahlung, 85 % durch Gegenverrechnung von Lieferungen und Leistungen wie Stahlbau, Servicearbeiten sowie Transporte zu akzeptablen Bedingungen, spätestens jedoch 12 Monate nach Erhalt der Lieferung zinsenlos." Mit Schreiben vom 11. November 1987 teilte auch der Beklagte der klagenden Partei mit, er bestelle gemäß dem Anbot vom 20. Oktober 1987 einen Backenbrecher mit folgender Zahlung: "S 33.000 mit beiliegendem Scheck ...... S 187.000 in Form von Gegenleistung Stahlbau und Transport, die Mehrwertsteuer von S 44.000 bei Fälligkeit nach Lieferung und Rechnungslegung."

Die klagende Partei begehrt einschließlich kapitalisierter Zinsen den Restkaufpreis von S 185.300 samt Anhang. Bezüglich der Kompensationsgeschäfte sei man davon ausgegangen, daß der Beklagte einen entsprechenden Stahlunterbau konstruieren und anfertigen werde, auf dem der Backenbrecher montiert werden sollte. Diese Anlage wäre von den Streitteilen als Referenzanlage verwendet worden; im Falle eines Verkaufes dieses Backenbrechers an andere Kunden hätte der Beklagte den entsprechenden Unterbau mitgeliefert. Zu solchen Geschäften sei es jedoch nicht gekommen, da der Beklagte die Maschine nicht einsatzbereit gemacht habe. Dem Beklagten sei es von vornherein klar gewesen, daß es sein Geschäftsrisiko sei, ob solche Aufträge an ihn herangetragen würden.

Der Beklagte wendete ein, er habe das Anbot der klagenden Partei mündlich angenommen. Am 3. November 1987 habe die klagende Partei an ihn eine schriftliche Auftragsbestätigung gesandt. Mit Schreiben vom 11. November 1987 habe auch der Beklagte nochmals die Auftragserteilung bestätigt und der Bestätigung einen Scheck von S 33.000 als Anzahlung beigelegt (später brachte der Beklagte vor, er habe vom Nettobetrag S 30.000, das seien 15 % der Auftragssumme bezahlt). In Übereinstimmung mit der Auftragsbestätigung sei nochmals darauf hingewiesen worden, daß die restliche Kaufsumme in der Höhe von S 187.000 in Form von Gegenleistungen aus dem Bereich des Stahlbaues und des Transportes abgegolten werde. Das Gerät sei im Frühjahr 1988 geliefert worden. Es sei aber beim Beklagten mangels Auftragserteilungen bisher noch nicht in Betrieb gegangen. Der Beklagte sei bereit, die vereinbarten Gegenleistungen zu erbringen. Die klagende Partei habe aber solche Kompensationsgeschäfte nicht in Auftrag gegeben. Der Beklagte habe im Sinne der getroffenen Vereinbarung darauf vertrauen dürfen, daß ihm solche Kompensationsgeschäfte zur Abgeltung des restlichen Kaufpreises angeboten werden. Es läge ausschließlich bei der klagenden Partei, daß sie kein einziges Mal an den Beklagten herangetreten sei, um von ihm eine Gegenleistung zahlungshalber zu verlangen. Bei den Gesprächen vor Vertragsabschluß mit Herbert A***** sei auch die Rede davon gewesen, daß die vereinbarten Kompensationsgeschäfte in der Lieferung weiterer solcher Stahlunterbauten bestehen könnten. Es seien jedoch auch diesbezüglich Aufträge an den Beklagten nicht herangetragen worden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. April 1990 brachte der Beklagte ergänzend vor, sollte das Gericht zum Ergebnis kommen, daß der Kaufpreis in bar spätestens 12 Monate ab Lieferung der Anlage fällig sei, so läge zwischen den Streitteilen ein wesentlicher Irrtum vor, weil der Beklagte dieses Geschäft nie abgeschlossen hätte, wenn 85 % des Kaufpreises in bar zu bezahlen gewesen wären. Diesen Irrtum habe die klagende Partei veranlaßt und nicht ausgeräumt, wie sich aus der Formulierung der Auftragsbestätigung ergebe. Da die Rechnung gelegt wurde und die Streitteile Sollversteuerer seien, sei die Umsatzsteuer über den gesamten Rechnungsbetrag, auch wenn die Leistung erst später erbracht werden sollte, sofort abzuführen gewesen. Das seien S 40.000, so daß ein Gesamtbetrag von S 70.000 vom Beklagten tatsächlich bezahlt worden sei. Daraus ergebe sich, daß auch die klagende Partei davon ausgegangen sei, daß die Gegenleistung jederzeit erbracht werden könne. Dies gab die klagende Partei als richtig zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 170.000 samt Anhang statt. Das Mehrbegehren wies es unangefochten ab. Über den unbestrittenen Sachverhalt hinaus stellte es fest, die Vereinbarung über die Gegengeschäfte sei von Herbert A***** so gemeint gewesen, daß der Beklagte unter Verwendung des am 19. Mai 1988 ausgelieferten Backenbrechers binnen vier bis fünf Wochen eine Referenzanlage aufbauen soll, die man weiteren Kaufinteressenten vorführen könne. Im Zusammenhang mit den daraufhin zu erwartenden Bestellungen von Backenbrechern durch weitere Interessenten sollte der Beklagte die Begleitarbeiten (Unterbau, Transport usw) im Auftrag der klagenden Partei durchführen können. Da für Herbert A***** aber nicht abschätzbar gewesen sei, ob und wann es zu solchen Gegengeschäften komme, sollte der nach einem Jahr (ab Lieferdatum, gemeint ab Rechnungsdatum) noch offene Restkaufpreis jedenfalls zur Zahlung fällig sein (also jedenfalls ab 8. Juni 1989). Eine Verpflichtung der klagenden Partei, die ausständigen 85 % des Kaufpreises unter allen Umständen durch Gegenaufträge an den Beklagten ausgleichen zu lassen, sollte nach der Vorstellung von Herbert A***** nicht begründet werden. An sich sei aber auch Herbert A***** davon ausgegangen, daß bei ordnungsgemäßer Installierung einer Referenzanlage durch den Beklagten ausreichend Gelegenheit für Gegengeschäfte bestehen würde. Tatsächlich sei aber kein einziges Gegengeschäft abgewickelt worden, zumal der Verkauf von weiteren Backenbrechern nicht den Erwartungen des Herbert A***** entsprochen habe bzw. bei den tatsächlich verkauften Backenbrechern die Käufer selbst für die Installationsarbeiten bzw. die Anfertigung der Untergestelle gesorgt hätten. Ob das Ausbleiben von Aufträgen, die ein Gegengeschäft mit dem Beklagten zur Folge gehabt hätten, auf eine nach Einschätzung des Herbert A***** unzureichende Präsentation des Backenbrechers durch den Beklagten, der tatsächlich keine den Vorstellungen des Herbert A***** entsprechende Referenzanlage gebaut habe, zurückzuführen sei, könne nicht festgestellt werden. Ebensowenig könne festgestellt werden, daß im Zeitpunkt der Verfassung des Schreibens des Beklagten vom 11. November 1987 an die klagende Partei die Auftragsbestätigung der klagenden Partei vom 3. November 1987 ihm noch nicht zugegangen gewesen wäre. Die klagende Partei habe im Zusammenhang mit dem Verkauf von Backenbrechern in der Zeit vom 3. November 1987 bis 4. November 1988 bzw. auch bis zum 19. Mai 1989 keine Aufträge erhalten, die sie dem Beklagten als Subunternehmer hätten weitergeben können. Der Beklagte habe die mit der klagenden Partei getroffene Vereinbarung dahingehend verstanden, daß er den Restkaufpreis auf alle Fälle mit Gegengeschäften ausgleichen könne und daß nur die nach einem Jahr noch nicht ausgeglichene Forderung ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen wäre. Eine Vorstellung über die Höhe dieser Verzinsung habe der Beklagte aber nicht gehabt. Außerdem sei nach Einschätzung des Beklagten keine Abmachung in der Richtung getroffen worden, daß er innerhalb einer bestimmten Frist eine Referenzanlage errichten müsse. Er sollte nur den Backenbrecher als solchen zur Besichtigung für andere Interessenten zur Verfügung halten. Wenn er nicht 85 % des Kaufpreises mit Gegengeschäften hätte ausgleichen können, hätte er den Backenbrecher nicht gekauft.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß dem Schreiben des Beklagten vom 11. November 1987 keine Relevanz zugebilligt werden könne, da der Beklagte damit versucht habe, eine Modifizierung des bereits abgeschlossenen Kaufvertrages herbeizuführen. Diese Änderungen habe die klagende Partei aber nicht akzeptiert. Sie sei selbst als Kaufmann nicht verpflichtet gewesen, zur Vermeidung einer Rechtswirksamkeit dieser Modifikation diesem Schreiben ausdrücklich zu widersprechen. Die Entscheidung des Beklagten zum Vertragsabschluß sei zwar ganz wesentlich von der ihm eingeräumten Möglichkeit von Kompensationsgeschäften beeinflußt gewesen, es wäre aber seine Sache gewesen, darauf zu bestehen, daß eine Verpflichtung der klagenden Partei im Vertrag festgehalten werde. Die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung lägen nicht vor. Der sicherlich wesentliche Irrtum des Beklagten sei von der klagenden Partei nicht veranlaßt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Es mangle an einer objektiven Mehrdeutigkeit der Erklärung der klagenden Partei. Eine undeutliche Äußerung läge nicht vor. Soweit in der Berufung damit argumentiert werde, daß die klagende Partei nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, dem Beklagten die zugesagten Kompensationsgeschäfte zukommen zu lassen, so könne diese Frage deshalb dahingestellt bleiben, weil sie die Gültigkeit der getroffenen Zahlungsvereinbarung nicht betreffe.

Schadenersatzansprüche mache der Beklagte aber nicht geltend. Das erstmals in der Berufung vorgebrachte Argument, die Möglichkeit 85 % des Kaufpreises durch Kompensationsgeschäfte tatsächlich abstatten zu können, sei für beide Parteien Geschäftsgrundlage gewesen, stelle eine unbeachtliche und unzulässige Neuerung dar. Auch auf einen gemeinsamen Geschäftsirrtum über das zukünftige Anfallen von Kompensationsgeschäften habe sich der Beklagte in erster Instanz nicht berufen. Selbst wenn sich der Beklagte in einem Irrtum befunden habe, sei dieser nicht durch die klagende Partei veranlaßt worden. Die klagende Partei habe sich einer für einen aufmerksamen Geschäftspartner eindeutigen Erklärung bedient. Der Beklagte habe nur mangels Aufwendung der gebotenen Sorgfalt dies mißverstehen können.

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Obwohl das Erstgericht nach seinem Beweisbeschluß vom 23. Februar 1990 ein Beweisverfahren darüber abführte, wie die im schriftlichen Anbot und im Bestätigungsschreiben der klagenden Partei fixierte Zahlungsvereinbarung über eine Möglichkeit von Gegengeschäften durch Lieferungen und Leistungen des Beklagten innerhalb eines Jahres zu verstehen sei, traf es keine Feststellungen, welche Erklärungen die vertragsschließenden Parteien dazu anläßlich des vom Beklagten zugestandenen mündlichen Vertragsabschlusses abgegeben haben. Das Erstgericht stellte nur fest, welche Meinung und welche Vorstellungen der für die klagende Partei tätig gewordene Herbert A***** zu diesen Gegengeschäften hatte. Ob Herbert A***** aber seine persönlichen Ansichten dem Beklagten gegenüber auch zum Ausdruck gebracht hat, wie der weitere Verlauf der Vertragsgespräche war und zu welchen Zahlungsbedingungen sodann der Vertragsabschluß erfolgte, stellte das Erstgericht nicht fest.

Um den objektiven Erklärungswert der beiderseitigen zum mündlichen Vertragsabschluß führenden Willensäußerungen verläßlich beurteilen zu können, bedarf es der Feststellung des Gesamtverhaltens der am Vertragsabschluß beteiligten Personen (Mayer-Maly in Münchener Kommentar2 Rz 44 zu § 133 BGB), insbesondere in der Richtung, welche Erklärungen, die einen Rückschluß auf die damit verbundene Absicht der Parteien zulassen, bei Vertragsabschluß abgegeben wurden (SZ 59/223 mwN; Rummel2 Rz 4 zu § 914 ABGB; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 24 zu § 914; Mayer-Maly aaO Rz 47). Erst wenn die Feststellungen in dieser Richtung ergänzt werden, kann abschließend beurteilt werden, unter welchen Zahlungsbedingungen der Vertragsabschluß zustandekam, und wie die sowohl im Anbot als auch im Bestätigungsschreiben der klagenden Partei enthaltene Formulierung "85 % in Gegenverrechnung von Lieferungen und Leistungen wie Stahlbau, Servicearbeiten sowie Transporte zu akzeptablen Bedingungen" zu verstehen sei: Ob darunter, wie es der Standpunkt der klagenden Partei ist, nur im Zusammenhang mit dem Verkauf von weiteren Backenbrechern fallende Leistungen gemeint waren, oder, wie dies vom Beklagten schon in der Klagebeantwortung mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht wurde, sich die Gegengeschäfte unbeschränkt auf das gesamte vom Beklagten zur Verfügung gestellte Leistungsanbot erstrecken sollten, wobei die klagende Partei nach Treu und Glauben auch dazu verpflichtet gewesen wäre, solche Gegengeschäfte in Auftrag zu geben.

Erst wenn feststeht, welche Erklärungen die Streitteile anläßlich des mündlichen Vertragsabschlusses abgaben, kann der objektive Erklärungswert ihrer Willensäußerungen sowie weiters beurteilt werden, ob sich der Beklagte allenfalls in einem Erklärungs- oder Geschäftsirrtum befand und ob dieser im Sinn des § 871 ABGB beachtlich ist.

Der Revision ist Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Rechtssache gemäß § 510 Abs 1 ZPO an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E25613

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00688.9.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19910410_OGH0002_0010OB00688_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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