TE OGH 1991/4/11 4R17/91

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Veröffentlicht am 11.04.1991
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Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des J wider die beklagte Partei Republik Österreich wegen Anfechtung

(Streitinteresse S 52.881.--), infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.11.1990, 14 Cg 147/90-5, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es wie folgt lautet:

"1) Die nachangeführten Zahlungen des Gemeinschuldners J an die beklagte Partei werden den Gläubigern im Konkurs über das Vermögen des J gegenüber für unwirksam erklärt:

am 12.12.1989                                S    7.882.--

am 23.1.1990                                 S   18.488.--

am 27.2.1990                                 S   10.211.--

am 13.3.1990                                 S   16.300.--

                                             S   52.881.--

2) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 52.881.-- samt 4 % Zinsen seit 21.7.1990 zu bezahlen und an Prozeßkosten S 10.928,80 (darin enthalten S 2.200.-- Barauslagen und S 1.454,80 Umsatzsteuer) zu erset zen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens S 7.396,60 (darin enthalten S 4.000.-- Barauslagen und S 566,10 Umsatz steuer) zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Nachstehender Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht mehr strittig:

Über Antrag der Tiroler Gebietskrankenkasse wurde über das Vermögen des J mit Beschluß des Landes- als Konkursgerichtes Innsbruck vom 6.6.1990 zu S 52/90 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Das Konkursverfahren ist weiterhin anhängig. J, der nunmehrige Gemeinschuldner, hat mehrere Jahre lang bis zur Konkurseröffnung in Mutters einen Gastgewerbebetrieb in der Betriebsform einer Pizzeria unter der Bezeichnung "X" geführt. Während des letzten halben Jahres vor der Konkurseröffnung war er ständig hoch überschuldet und zahlungsunfähig. Dennoch hat er in diesem Zeitraum die im Spruch näher angeführten Zahlungen an den dort

einzeln angegebenen Tagen an die Beklagte geleistet. Die Beklagte war in fahrlässiger Unkenntnis über die bereits zur Zeit dieser Zahlungen eingetretene

Insolvenz des Gemeinschuldners. Der Gemeinschuldner hat die betreffenden Zahlungen durch Über weisungen über die Österreichische Postsparkasse an die Beklagte

geleistet, wobei der vom Gemeinschuldner jeweils verwendete Erlagschein zugleich als Abgabenerklärung diente. In diesen Erlagscheinen hat er neben den jeweils bezahlten Beträgen auch jeweils die einzelne Abgabenart und den Zeitraum, für welchen die einzelnen Abgaben bezahlt wurden, genau angeführt und zwar:

1. Zur Zahlung vom 12.12.1989 in Höhe von S 7.882.--:

Umsatzsteuer für Oktober 1989                S    6.236.--

Alkoholabgabe für Oktober 1989               S    2.454.--

Lohnsteuer für November 1989                 S      224.--

Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenaus

gleichsfonds für November 1989               S    1.657.--

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für Nov.1989 S      147.--

                                             S   10.718.--

abzüglich Gutschrift für Familienbeihilfe  - S    2.836.--

                                             S    7.882.--

2. Zur Zahlung vom 23.1.1990 in Höhe von S 18.488.--:

Umsatzsteuer für November 1989               S

11.774.--

Alkoholabgabe für November 1989              S    3.183.--

Lohnsteuer für Dezember 1989                 S    2.264.--

Dienstgeberbeitrag für Dezember 1989         S    3.017.--

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für

Dezember 1989                                S      268.--

                                             S   20.506.--

abzüglich Gutschrift für Familienbei

hilfe für Dezember 1989                    - S    2.018.--

                                             S   18.488.--

3. Zur Zahlung vom 27.2.1990 in Höhe von S 10.211.--:

Umsatzsteuer für Dezember 1989               S    5.103.--

Alkoholabgabe für Dezember 1989              S    3.460.--

Lohnsteuer für Jänner 1990                   S    1.833.--

Dienstgeberbeitrag für Jänner 1990           S    1.838.--

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für

Jänner 1990                                  S      163.--

                                             S   12.397.--

abzüglich Gutschrift für Familienbei

hilfe für Jänner 1990                      - S    2.186.--

                                             S   10.211.--

4. Zur Zahlung vom 13.3.1990 in Höhe von S 16.300.--:

Umsatzsteuer für Jänner 1990                 S   12.814.--

Alkoholabgabe für Jänner 1990                S    2.853.--

Lohnsteuer für Februar 1990                  S

1.006.--

Dienstgeberbeitrag für Februar 1990          S    1.665.--

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für

Februar 1990                                 S      148.--

                                             S   18.486.--

abzüglich Gutschrift für Familienbei

hilfe Februar 1990                         - S    2.186.--

                                             S   16.300.--

Die Beklagte hat die strittigen vier Zahlungen des Gemeinschuldners in Empfang genommen und entsprechend seinen Widmungen auf dem über ihn geführten Abgabenkonto jeweils gutgeschrieben. Die zu den einzelnen Abgabenarten jeweils angeführten Teilbeträge resultieren aus der betrieblichen Tätigkeit des Gemeinschuldners in den jeweils angeführten Monaten. Mit Schreiben vom 28.6.1990 erklärte der Masseverwalter der Beklagten, er fechte (auch) diese strittig verbliebenen Zahlungen des Gemeinschuldners nach den Bestimmungen der Konkursordnung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit an. Zugleich hat der Masseverwalter die Beklagte zur Rückzahlung auch dieser 4 Zahlungen aufgefordert. Die Beklagte verweigert zumindest seit 21.7.1990 eine Rückzahlung dieser 4 Zahlungen des Gemeinschuldners.

Mit seiner keinen Einlaufvermerk aufweisenden, aber spätestens am 21.8.1990 (Datum der richterlichen Verfügung auf S 1 in ON 1) eingebrachten Klage stellte der Kläger das in der Folge modifizierte aus dem Spruche ersichtliche

Begehren. Der Kläger brachte zusammengefaßt vor, der Gemeinschuldner sei bereits seit einigen Jahren vor Klagseinbringung zahlungsunfähig gewesen. Dies sei der beklagten Partei bekannt gewesen bzw. hätte ihr bekannt sein müssen. Innerhalb der letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung habe der Gemeinschuldner die im Urteilsbegehren angeführten Zahlungen an die beklagte Partei geleistet, die am 13.12.1989, 24.1.1990, 28.2.1990 und 14.3.1990 gebucht worden seien. Diese Zahlungen würden gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 KO angefochten. Die Anfechtung sei befriedigungstauglich.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Sie brachte zusammengefaßt vor, die vom Gemeinschuldner beglichenen Abgabenforderungen seien jeweils an folgenden Tagen fällig geworden:

S 7.882.--: am 10.12.1989,

S 18.488.--: am 10. 1.1990,

S 10.211.--: am 10. 2.1990,

S 16.300.--: am 10. 3.1990.

Alle durch die angefochtenen Zahlungen getilgten Abgaben seien sogenannte Selbstbemessungs- (Selbstberechnungs-) Abgaben. Bei der Umsatzsteuer- und der Alkoholabgaben-Vorauszahlung habe der Unternehmer für jeden Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) die darauf entfallende Steuerschuld bis zum 10. des zweitfolgenden Monats selbst zu bemessen und zu entrichten (Vorauszahlung) und die Voranmeldung abzugeben. Die Lohnabgaben seien vom Unternehmer bei jeder Lohnzahlung zu berechnen und einzubehalten. Sie seien spätestens am 10. des Folgemonats an das Finanzamt abzuführen. Das hier

gegebene Steuerschuldverhältnis sei ein Dauerschuldverhältnis. Werde nun dieses öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis Zug-um-Zug nach Entstehen der Steuerschuld bei Fälligkeit bzw. kurze Zeit danach durch Zahlung der Abgaben erfüllt, dann scheide unter analoger Anwendung der Judikatur über die Anfechtungs-Festheit von Zug-um-Zug abgewickelten Dauerschuldverhältnissen (etwa dem fortgesetzten Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt) eine Anfechtung aus. Das Steuerschuldverhältnis sei nicht als nachteiliges Rechtsgeschäft zu qualifizieren. Im übrigen hätte den Masseverwalter die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der angeführten Zahlungen getroffen, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Konkursverfahren eröffnet gewesen wäre. Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab und erkannte den Kläger schuldig, der beklagten Partei an Prozeß kosten S 6.040.-- zu ersetzen.

Das Erstgericht ging vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte daraus in rechtlicher Beziehung, der Kläger stütze die Anfechtungsklage auf § 31 Abs. 1 Z. 2 KO. Nach dieser Bestimmung seien nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen anfechtbar, durch die ein anderer Konkurs gläubiger Sicherstellung oder Befriedigung erlange, und alle vom Gemeinschuldner mit anderen Personen eingegangenen, für die Gläubiger nachteiligen Rechtsgeschäfte, wenn dem

anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt gewesen seien oder bekannt hätten sein müssen. Hier stehe außer Streit, daß der Gemeinschuldner zur Zeit der angefochtenen Zahlungen bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Die beklagte

Partei habe überdies ihre fahrlässige Unkenntnis über die schon zur Zeit der Zahlungen eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners zugestanden. Bei den angefochtenen Zahlungen handle es sich um Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, durch welche die Beklagte, eine künftige Konkursgläubigerin, teil weise Befriedigung erlangt habe. Ebenso wie § 30 Abs. 1 KO setze auch § 31 Abs. 1 Z. 2 KO eine bereits bestehende Gläubigerstellung voraus. Zug-um-Zug-Geschäfte schlössen eine erfolgreiche Anfechtung wegen Begünstigung gemäß § 30 Abs. 1 KO, aber auch wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 erster Fall KO aus. Auch der fortgesetzte Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt sei der Zug-um-Zug-Abwicklung eines Zielschuldverhältnisses gleich zustellen. Von einer solchen Zug-um-Zug-Abwicklung könne erst dann nicht mehr gesprochen werden, wenn das auf einen be stimmten Verrechnungszeitraum entfallende Arbeitsentgelt erst nach Ablauf der nächstfolgenden Verrechnungsperiode gezahlt werde. Diese Grundsätze seien analog auf den festgestellten Sachverhalt anwendbar, weil hier eine Zug-um-Zug ähnliche Abwicklung erfolgt sei. Alle hier angefochtenen Zahlungen beträfen Zahlungen des Gemeinschuldners für Abgaben, welche aus seinem laufenden Betrieb resultierten. Er habe die Zahlungen jeweils binnen weniger Tage nach Eintritt der Fälligkeit dieser Abgaben geleistet, sodaß ein enger ursächlicher und zeitlicher Zusammenhang dieser Zahlungen mit dem laufenden Betrieb des Gemeinschuldners bestehe. Für jeden Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) habe der Unternehmer die darauf entfallende Steuerschuld an Umsatzsteuer bis zum 10. des zweitfolgenden Kalendermonates selbst zu bemessen und zu entrichten (Vorauszahlung) und eine Voranmeldung abzugeben (§ 21 Abs. 1 UStG). Von alkoholischen Getränken werde neben der Umsatzsteuer eine Alkoholabgabe eingehoben, welche in gleicher Weise eine Selbstberechnungsabgabe sei. Jeder Arbeitgeber habe für jeden Arbeitnehmer am Ort der Betriebsstätte ein Lohnkonto zu führen, in dem unter Beachtung der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte sämtliche für den Steuerabzug beachtenswerten Verhältnisse anzuführen seien. Die Lohnsteuer sei vom Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung zu berechnen und vom Lohn einzubehalten. Der Arbeitgeber habe sie spätestens am 10. des Folgemonates an das Finanzamt abzuführen. Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigten, hätten den sogenannten Dienstgeber beitrag zu leisten. Er sei als Selbstbemessungsabgabe monatlich abzuführen. Gleiches gelte für den Zustand zum Dienstgeber beitrag. Hieraus ergebe sich, daß der Gemeinschuldner durch die nunmehr angefochtenen Zahlungen jeweils bestimmt erklärte Abgaben aus der laufenden Fortführung seines Betriebes jeweils kurze Zeit nach Eintritt der Fälligkeit bezahlt habe, sodaß eine Zug-um-Zug ähnliche Abwicklung vorliege. Die Anfechtungs klage sei sohin als unbegründet abzuweisen. Dagegen richtet sich eine rechtzeitige Berufung der klagenden Partei. Diese macht inhaltlich den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und stellt den Berufungsantrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollen Klagsstattgebung abzuändern.

In einer rechtzeitigen Berufungsbeantwortung stellt die beklagte Partei den Antrag, der Berufung keine Folge zu geben. Der Berufung mangelt eine Bezeichnung des Urteils, gegen welches sie sich richtet. Da aber aus dem Rubrum der Berufung sowie aus der Zitierung des Aktenzeichens des Erstgerichtes und aus dem Inhalt der Berufungsausführungen eindeutig hervorgeht, daß sich die Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes vom 12.11.1990, 14 Cg 147/90-5, richtet, hinderte dieser Mangel nicht die sachliche Behandlung des Rechtsmittels (vgl. Fasching, Lehrbuch2 Rz 1780).

Gleiches gilt für den der Berufung weiters anhaftenden Mangel des Fehlens einer Anfechtungserklärung. Aus dem Berufungsantrag ist nämlich unzweifelhaft zu erschließen, daß das Urteil des Erstgerichtes seinem gesamten Inhalt nach angefochten wird (vgl. Fasching, Kommentar IV 59; JBl. 1972, 103; 4 R 335/88, 4 R 134/89 des OLG Innsbruck u.a.).

Die Berufung ist daher sachlich zu behandeln.

Die klagende Partei hat auf die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich verzichtet, die

beklagte Partei hat keinen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt, sodaß gemäß § 492 Abs. 1 ZPO ihr Verzicht darauf anzunehmen ist. Gemäß § 492 Abs. 2 ZPO konnte daher über die Berufung in nicht öffentlicher Sitzung erkannt werden.

Die Berufung ist begründet.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht allerdings herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß Anfechtungstatbestände nach § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 KO eine bereits bestehende Gläubigerstellung voraussetzen und daher die Forderung des Anfechtungsgegners zur Zeit der Sicherstellung oder Befriedigung bereits - zumindest bedingt oder betagt - bestanden haben muß. Betreffen hingegen die bekämpften Rechtshandlungen gleichzeitig begründete Gläubigerrechte, dann kommt die Anfechtung wegen dieser Tatbestände grundsätzlich nicht in Betracht. Diese Auffassung wird im wesentlichen damit begründet, daß durch die Anfechtungstatbestände nicht solche Geschäfte des Gemeinschuldners in der Krise unterbunden werden sollen, bei denen gleichwertige Leistungen eingetauscht werden, dem Gemeinschuldner also ein seiner Leistung entsprechender Gegenwert zufließt; auch soll der infolge seiner Zahlungsunfähigkeit kreditunwürdige Schuldner nicht völlig vom Abschluß zweiseitig verbindlicher vermögensrechtlicher Geschäfte ausgeschlossen werden (SZ 61/101 = WBl. 1988, 373 = EvBl. 1989/21 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; WBl. 1989, 192; JBl. 1990, 666). Diese Grundsätze wurden von der Rechtsprechung auch auf die Abwicklung von Arbeitsverträgen angewendet, insoferne darin ein Austausch von Geld und Arbeiten nach dem Zug-um-Zug-Prinzip erblickt werden kann. Dies wird dann angenommen, wenn die Zahlung des Arbeitsentgeltes für einen Verrechnungsabschnitt nicht so spät nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, daß der notwendige zeitliche Zusammenhang mit den bereits erbrachten Arbeitsleistungen nach der Verkehrsauffassung nicht mehr als gegeben angesehen werden kann (SZ 61/101 = WBl. 1988, 373 = EvBl. 1989/21; WBl. 1989, 192; ablehnend König in ÖBA 1989, 18).

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes können aber diese

Kriterien für die Annahme einer anfechtungsfesten Befriedigung

bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht angewendet

werden. Es fehlt nämlich - wie die Berufung völlig richtig

erkennt - an einem für ein Zug-um-Zug-Geschäft essentiellen

Austausch von Leistungen. Ferner fehlt es an einer mit der

angefochtenen Rechtshandlung (Zahlung) gleichzeitig erfolgten

Begründung von Gläubigerrechten (siehe zu diesem Erfordernis

insbesondere SZ 57/87 = RdW 1984, 242, und SZ 61/101 = WBl.

1988, 373 = EvBl. 1989/21 m.w.H.). Ein anfechtungsfestes

Zug-um-Zug-Geschäft liegt ja nur vor, wenn durch ein vom

Gemeinschuldner eingegangenes Rechtsgeschäft erst ein Gläubiger

entstanden und dieser sogleich durch dasselbe Rechtsgeschäft zur

seiner Deckung gelangt ist (RdW 1985, 43 = EvBl. 1985/93). Hieran

fehlt es aber hier. Nicht nur, daß die Steuerverbindlichkeiten

des Gemeinschuldners nicht rechtsgeschäftlich entstanden

sind (wenngleich sie auf wirtschaftlichen Gegebenheiten

beruhen, die ihrerseits auf Rechtsgeschäfte des Gemeinschuldners

zurückgehen), fehlt es auch an der - wie dargestellt -

zur Verneinung einer Anfechtbarkeit unerläßlichen

Einheit zwischen anspruchsbegründendem und zur Befriedigung

führendem Rechtsgeschäft.

Die Argumenation der beklagten Partei, daß schließlich beim

Eintritt eines einen Steueranspruch auslösenden Tatbestandes

gleichzeitig aus der Sicht des Steuergläubigers ein Anspruch

und aus der Sicht des Steuerschuldners eine Schuld entstehe,

bringt nur Selbstverständliches zum Ausdruck und vermag nicht

darüber hinwegzutäuschen, daß eine (Haupt-)Verbindlichkeit nur

auf Seiten des Steuerschuldners entsteht. Damit wird somit

keineswegs das für ein Zug-um-Zug-Geschäft typische

Zusammentreffen und sofortige (oder doch in nur engem

zeitlichen Rahmen erfolgte) Austauschen von Leistung und

Gegenleistung aufgezeigt. An einem solchen Leistungsaustausch fehlt es hier eben.

Da es an so gut wie allen wesentlichen Voraussetzungen für die

Annahme eines Zug-um-Zug-Geschäftes fehlt und auch nach

Auffassung des Berufungsgerichtes von keinem genügend

"ähnlichen Fall" (vgl. Bydlinski in Rummel, ABGB2, RdZ 4 zu

§ 7 ABGB) gesprochen werden kann, kommt auch eine analoge

Anwendung der für Zug-um-Zug-Geschäfte entwickelten

anfechtungsrechtlichen Grundsätze nicht in Betracht.

Der Umstand, daß die hier zu behandelnden

Steuerverbindlichkeiten letztlich auf anfechtungsfeste

Rechtsgeschäfte des Gemeinschuldners zurückgehen mögen

(was aber zumindest hinsichtlich der Umsatzsteuer

keineswegs von vorneherein feststeht, weil ja nicht

gesagt werden kann, daß sie / nur / durch

Zug-um-Zug-Geschäfte ausgelöst wurde), vermag am

gewonnenen Ergebnis nichts ändern. Hiedurch kann

nämlich eine Anfechtungssicherheit von Steuerzahlungen

keineswegs bewirkt werden.

Nach diesen Grundsätzen bleibt der Gemeinschuldner im Sinne der dargestellten Judikatur zu Zug-um-Zug-Geschäften berechtigt. Die aufgezeigte rechtspolitische Zielsetzung, wonach der infolge seiner Zahlungsunfähigkeit kreditunwürdige Schuldner nicht völlig vom Abschluß zweiseitig verbindlicher vermögensrechtlicher Geschäfte ausgeschlossen werden soll, ist daher nicht in Frage gestellt. Mit der Anfechtbarkeit von Abgaben-Zahlungen hat dies aber nach Auffassung des Berufungsgerichtes nichts zu tun.

Es kommt entgegen der Auffassung der beklagten Partei aber auch nicht darauf an, daß die gegenständlichen Abgaben und Lohnabgaben vertragsrechtlich ein Bestandteil des Entgeltes sind und daß eine abgabenrechtliche Verpflichtung zur Abführung der entsprechenden Abgaben besteht. Es wurde nämlich schon aufgezeigt, daß die Bejahung einer Anfestungsfestigkeit gegen über dem Vertragspartner noch keineswegs eine Anfechtbarkeit der Zahlungen von daraus resultierenden Abgabenverbindlich keiten zur Folge hat.

Es geht aber auch der (in der Klagebeantwortung enthaltene) Einwand der beklagten Partei fehl, wonach den Massever walter die Verpflichtung zur Abführung der Steuer getroffen hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt

bereits das Konkursverfahren eröffnet gewesen wäre. Diesfalls hätte es sich nämlich um eine Masseforderung gehandelt und es würde sich das Anfechtungsproblem gar nicht stellen.

Das vom Erstgericht bejahte Anfechtungshindernis besteht sohin nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht. Dies unabhängig davon, daß der Gemeinschuldner die betreffenden Zahlungen jeweils bereits kurz nach Eintritt der Fälligkeit geleistet hat.

Da im übrigen die Anfechtungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 Z. 2 (erster Fall) KO nicht strittig sind, war das angefochtene Urteil im Sinne einer vollen Klagsstattgebung abzuändern. Einer Bewertung des Rechtsgestaltungsbegehrens bedurfte es nicht (SZ 61/101).

Die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtsganges beruht auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungsverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.

Die einzelnen angefochtenen Zahlungen stehen zueinander in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang. Es handelt sich um voneinander unabhängige Rechtshandlungen iSd § 27 KO (vgl. JBl. 1982, 380). Die Voraussetzungen des § 55 JN für eine Zusammenrechnung sind daher nicht gegeben und es sind die einzelnen angefochtenen Zahlungen daher auch zur Beurteilung der Revisionszulässigkeit nicht

zusammenzurechnen (vgl. RdW 1989, 100 = ÖBA 1989, 539). Keine der angefochtenen Zahlungen übersteigt den Betrag von S 50.000.--. Es war daher auszusprechen, daß die Revision jedenfalls unzulässig ist (§§ 500 Abs. 2 Z. 2, 502 Abs. 2 ZPO).

Anmerkung

EI00005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:1991:00400R00017.91.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19910411_OLG0819_00400R00017_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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