TE OGH 1991/4/11 6Ob524/91

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Veröffentlicht am 11.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonore P*****, vertreten durch Dr. *****, wider die beklagte Partei Ilhan B*****, vertreten durch Dr.*****, wegen S 35.000,- sA und Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 9. November 1990, GZ 41 R 604/90-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14. Mai 1990, GZ 43 C 64/88m-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.175,36 (darin S 362,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte mit dem Vorbringen, sie sei Hauptmieterin der Wohnung top Nr ***** im Haus *****, vom Beklagten als ihrem Untermieter an rückständigen Untermietzinsen von S 3.500,-

monatlich für die Monate April 1987 bis Jänner 1988 S 35.000,- sA sowie die Räumung der Wohnung, weil sie das Untermietverhältnis gemäß § 1118 ABGB aufgelöst habe.

Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin, weil diese wegen Nichtigkeit des Hauptmietvertrages nicht Hauptmieterin der Wohnung sei. Es bestehe auch kein Mietzinsrückstand. Es sei nämlich vereinbart worden, daß der Beklagte die Hausbesorgerarbeiten im Hause ***** ohne Entgelt verrichte, dafür aber keinen Untermietzins zu zahlen habe. Im übrigen sei der Untermietvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig; es werde Irrtum und Arglist eingewendet.

Im Verfahren 43 C 447/87 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien haben die Hauseigentümer den vom Hausverwalter (dem Ehemann der Klägerin) mit der Klägerin abgeschlossenen Hauptmietvertrag über die Wohnung top Nr ***** im Haus ***** angefochten. In diesem Verfahren wurde rechtskräftig ausgesprochen, daß der zwischen den Hauseigentümern und der Klägerin als Hauptmieterin abgeschlossene Mietvertrag über die Wohnung top Nr ***** nichtig ist.

Mit Beschluß vom 23. 8. 1989 stellte das Erstgericht gemäß § 33 Abs 2 und Abs 3 MRG fest, daß für die Monate April 1987 bis Jänner 1988 ein Mietzinsrückstand von insgesamt S 35.000,-

besteht. Dieser rechtskräftig festgestellte Mietzinsrückstand wurde vom Beklagten nicht bezahlt.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Partei das Bestandobjekt top Nr ***** im Haus *****, geräumt zu übergeben, sowie S 35.000,- sA zu zahlen.

Rechtlich führte es aus, die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Untermietzinses für die von ihm bewohnte Wohnung sei unabhängig vom Benützungstitel der Klägerin. Die Gültigkeit des Untermietvertrages, gegen welche keinerlei substantiiertes Vorbringen erstattet worden sei, werde durch die festgestellte Nichtigkeit des Hauptmietvertrages nicht berührt. Da die Klägerin dem Beklagten den Gebrauch des Bestandobjektes eingeräumt habe, stehe ihr auch das vereinbarte Entgelt zu. Der Rückstand sei auch nach dessen rechtskräftiger Feststellung nicht beglichen worden; damit sei auch das Räumungsbegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das vom Beklagten angefochtene Ersturteil im Umfange des Räumungsbefehles als Teilurteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Soweit der Beklagte zur Zahlung von S 35.000,- sA verpflichtet wurde, hob es das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf.

Rechtlich habe ein gemäß § 33 Abs 2 und Abs 3 MRG gefaßter rechtskräftiger Beschluß über den Mietzinsrückstand keine über das Räumungsverfahren hinausgehende Rechtskraftwirkung. Er bewirke nur, daß die Höhe des Zinsrückstandes im Verfahren über das Räumungsbegehren nicht mehr geprüft werden müsse. Die auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklage sei die Geltendmachung der aus dem obligatorischen Rechtsverhältnis sich ergebenden Rückgabeverpflichtung. Der Einwand, daß der Hauptmietvertrag der Klägerin nichtig sei, habe auf die Gültigkeit des zwischen den Streitteilen wirksamen Untermietvertrages keinen Einfluß, weil dieser von der materiellen Berechtigung des Bestandgebers unabhängig sei. Da der Beklagte die ihm eingeräumte Nachzahlungsmöglichkeit nicht genützt habe, sei das Räumungsbegehren berechtigt.

Für die zugleich geltend gemachte Mietzinsforderung sei aber die Höhe des aushaftenden Bestandzinses neuerlich zu prüfen. Da das Ersturteil keinerlei Feststellungen enthalte, aus denen die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 35.000,- abgeleitet werden könne, sei insoweit eine Ergänzung erforderlich. Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil sei zuzulassen, "weil es einer Klarstellung des Höchstgerichtes über das Verhältnis des inter partes wirksamen Rechtsgeschäftes mit dem materiellen Nichtberechtigten zum Erlöschen des Untermietverhältnisses nach § 1112 ABGB bedürfe".

Die Revision des Beklagten gegen das Teilurteil ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß nach § 33 Abs 2 MRG (früher § 21 Abs 2 MG) über die strittige Höhe des Bestandzinsrückstandes keine über den Räumungsprozeß hinausgehende Rechtswirkung zukommt. Ein solcher Beschluß stellt keine Endentscheidung dar, sondern entscheidet nur eine für den Räumungsprozeß wichtige Vorfrage. Die Frage der Höhe des Bestandzinses ist daher in einem Rechtsstreit über die Bestandzinsklage neuerlich zu prüfen, selbst wenn er mit dem Räumungsprozeß verbunden war bzw beide Begehren in einer Klage (§ 227 ZPO) gestellt worden waren (SZ 38/203 = MietSlg 17.587; MietSlg 29.404; 8 Ob 534/88 ua).

Auf die Ausführungen des Revisionswerbers, der sich gegen diese Einschränkung der Rechtswirkungen wendet und eine nicht näher begründete Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 33 Abs 2 MRG behauptet, ist nicht einzugehen, weil Gegenstand der Entscheidung nur die Überprüfung des Teilurteiles des Berufungsgerichtes, nicht aber der bereits rechtskräftige Beschluß nach § 33 Abs 2 MRG ist. Der Anregung des Beklagten, die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesbestimmung beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, kann schon aus diesem Grund nicht nähergetreten werden.

Zutreffend wird in der Revision ausgeführt, daß die aus welchen Gründen immer eintretende Beendigung der Hauptmiete auch die Untermiete beendet, selbst wenn sie auf längere Zeit abgeschlossen worden wäre (MietSlg 23.154 ua). Dies bedeutet, daß dem Vermieter (Hauseigentümer) gegenüber der Rechtstitel des Untermieters zugleich mit jenem des Hauptmieters untergeht und der Untermieter sich dem Vermieter (Hauseigentümer) gegenüber auf keinen Rechtstitel mehr berufen kann. Es darf aber nicht übersehen werden, daß das Verhältnis zwischen Haupt- und Untermieter ein abgesondert vom Hauptmietverhältnis bestehendes Schuldverhältnis darstellt. Ob dieses Schuldverhältnis auch zwischen den Vertragspartnern mit dem Ende der Hauptmiete seine Rechtswirksamkeit verliert, ist nach dem Inhalt dieses Schuldverhältnisses zu beurteilen. Nach Maßgabe dieses Vertragsverhältnisses ist der Fortbestand des zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Bestandverhältnisses auch nach dem Ende des Hauptmietverhältnisses möglich, weil einen Mietvertrag nicht nur der Eigentümer oder Bestandnehmer, sondern auch der Verwahrer oder Prekarist des Bestandobjektes und sogar ein Unbefugter ohne jeden Rechtstitel abschließen kann

(MietSlg 19.131 mwN). Auch der titellose Hauptmieter bleibt an den Untermietvertrag gebunden (vgl MietSlg 21.155 mwN), weil die Rechtswirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages von seiner Erfüllbarkeit unterschieden werden muß. Dies bedeutet, daß der Wegfall oder auch die nachträglich festgestellte Ungültigkeit des Bestandrechtes des Hauptmieters, welche diesen zur Räumung verpflichten, keinen Kündigungsgrund gegenüber dem Untermieter bilden. Dieser behält vielmehr, auch wenn der Hauptmieter zur Räumung verpflichtet ist, bis zu dessen tatsächlicher Entfernung ihm gegenüber auf Grund des mit ihm bestehenden Vertragsverhältnisses weiterhin das Recht, im Bestandobjekt belassen zu werden, hat aber insolange auch seine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung des Untermietzinses zu erfüllen.

Der Revisionswerber übersieht bei seinen Ausführungen, daß die Klägerin im vorliegenden Fall ihren Räumungsanspruch nicht darauf gestützt hat, sie selbst sei gegenüber dem Hauseigentümer zur Räumung verpflichtet, sondern vielmehr einen Rückstellungsanspruch nach den §§ 1118, 1109 ABGB geltend macht, nämlich die Verletzung des inter partes wirksamen Untermietverhältnisses durch den Beklagten durch Unterlassen von Mietzinszahlungen für einen Zeitraum, in welchem der Beklagte die Bestandräumlichkeiten diesem Vertrag gemäß benützt hat. Dem Hauptmieter, der wegen titelloser Benützung des Bestandgegenstandes selbst zur Räumung verpflichtet ist, kann auch ein rechtliches Interesse an der Rückstellung des Bestandobjektes durch den Untermieter nicht abgesprochen werden, weil er seiner eigenen Räumungsverpflichtung nur dann vollständig nachkommen kann, wenn er das Bestandobjekt dem Berechtigten frei von anderen Personen, denen er Nutzungsrechte einräumte, übergibt.

Die Vorinstanzen haben den Beklagten daher zu Recht zur Räumung verpflichtet (vgl ZBl 1935/52).

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E26010

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00524.91.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19910411_OGH0002_0060OB00524_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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