Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Vormundschaftssache des am 26. Juli 1989 geborenen mj. Rene Z*****, infolge Revisionsrekurses der REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. November 1990, GZ 44 R 763/90-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 17. September 1990, GZ 13 P 288/90-9, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit dem - noch nicht rechtskräftigen - Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 25. Mai 1990, GZ 16 C 24/90b-14, wurde Franz Stamminger, der in diesem Verfahren wegen unbekannten Aufenthaltes von einem Abwesenheitskurator vertreten wurde, als a. e. Vater des am 26. Juli 1989 geborenen Mj. festgestellt und in Anwendung der sogenannten Anspannungstheorie zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 1.950,-- verpflichtet. Er befindet sich seit 31. März 1990 in gerichtlicher Strafhaft, die voraussichtlich am 9. August 1992 enden wird.
Am 31. Mai 1990 beantragte der durch den Magistrat der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie für den 21. Bezirk) als besonderen Sachwalter vertretene Mj. die Gewährung von "Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 3, 4 UVG" in der Höhe des Viertel-Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbweisen nach § 293 Abs. 1 c bb 1. Fall (§ 108 f) ASVG.
Das Erstgericht bewilligte dem Mj. für die Zeit vom 1. Mai 1990, bis 31. März 1991 gemäß § 4 Z 4 UVG einen Unterhaltsvorschuß von monatlich S 925,-- (das ist der beantragte Viertel-Richtsatz) und nahm in der Begründung der Entscheidung nur auf das noch nicht rechtskräftige Vaterschaftsfeststellungs- und Unterhaltsurteil, nicht jedoch auf die Haft des aus dem genannten Urteil verpflichteten Vaters Bezug.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, der dem Erstgericht die unzulässige Vermengung der Vorschußtatbestände nach § 4 Z 3 und 4 UVG vorwarf und den Vorschußgrund der Z 4 wegen begründeter Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG sowie den Haftvorschußgrund der Z 3 mangels rechtskräftig feststehender Vaterschaft des Unterhaltsschuldners verneinte, nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte aus: Der vorliegende Sachverhalt sei beiden Vorschußnormen zu unterstellen. Zwar wären begründete Bedenken gegen eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners im Rahmen einer Vorschußgewährung nach Z 4 zu beachten, doch könne ein Haftvorschuß nach Z 3 ohne rechtskräftigen (Unterhalts-) Titel in Richtsatzhöhe, die hier unter der Titelhöhe liege, bewilligt werden. Eine andere Auslegung dieser Bestimmungen führte dazu, daß gegen die Absichten des Gesetzgebers, der Kindern in den jeweils gesondert vorliegenden Vorschußfällen entsprechende Titel- bzw. Richtsatzvorschüsse zukommen lassen wolle, in der vorliegenden vermengten Fallkonstellation überhaupt kein Unterhaltsvorschuß zukäme. Zu dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege keine veröffentlichte Judikatur vor.
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unterhaltsvorschüsse sind zu gewähren: gemäß § 4 Z 3 UVG, wenn
dem Unterhaltsschuldner auf Grund einer Anordnung in einem
strafgerichtlichen Verfahren länger als einen Monat die Freiheit
entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht
erfüllen kann; und gemäß § 4 Z 4 UVG, wenn die Vaterschaft zu
einem unehelichen Kind in erster Instanz festgestellt und einem
mit der Klage auf Feststellung der Vaterschaft verbundenen
Unterhaltsbegehren entweder, zumindest mit einem Teilbetrag, in
erster Instanz stattgegeben oder hierüber für den Fall der
rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft ein gerichtlicher
Vergleich geschlossen worden ist. Nach § 5 Abs 1 UVG gilt im
Falle der Vorschußgewährung nach § 4 Z 4 UVG als Exekutionstitel
dieses Urteil oder dieser Vergleich. Gemäß § 6 Abs 1 UVG dürfen
die Vorschüsse monatlich den Richtsatz für pensionsberechtigte
Halbwaisen nach § 293 Abs 1 c bb 1. Fall ASVG, vervielfacht mit
dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108 f ASVG), nicht
übersteigen. Nach § 6 Abs 2 Z 1 UVG ist ua im Falle des § 4 Z 3
UVG einem Kind monatlich bis zum Ende des vor Vollendung seines
sechsten Lebensjahres liegenden Monates ein Viertel des im Abs 1
genannten Höchstbetrages zu gewähren. Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat
das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen,
soweit in den Fällen ... des § 4 Z 4 begründete Bedenken
vorhanden sind, daß die im Exekutionstitel festgesetzte
Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen
Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.
§ 7 Abs 2 UVG lautet: "Werden einem Kinde Vorschüsse nach den ...
§ 4 Z 4 gewährt und wird dem Unterhaltsschuldner die Freiheit im
Sinne des § 4 Z 3 entzogen, so ist dies kein Grund, die bisher gewährten Vorschüsse zu versagen; wird dem Unterhaltsschuldner aber für länger als sechs Monate die Freiheit entzogen, so sind nach Ablauf dieser Zeit von Amts wegen anstelle der bisher gewährten Vorschüsse solche nach § 4 Z 3 zu gewähren, soweit ein entsprechender Antrag nicht bereits früher gestellt worden ist."
Nach dieser ausdrücklichen Gesetzesanordnung steht die mangelnde Rechtskraft des Vaterschaftsurteiles der Gewährung von Vorschüssen nach § 4 Z 3 UVG wegen nachfolgender Inhaftierung des Unterhaltspflichtigen nicht entgegen. Es ist nun kein Grund erkennbar, warum der Gesetzgeber im - hier
gegebenen - umgekehrten Fall, nämlich bei Inhaftierung des Vaters noch vor Fällung des Vaterschaftsurteiles in erster Instanz, dem Kind diesen Unterhaltsvorschuß nach § 4 Z 3 UVG versagen wollte. Auch Knoll verweist im Komm zum UVG in ÖA Rz 8 zu § 4 Z 4 auf die Zulässigkeit des Vorschusses nach § 4 Z 4 UVG bei vorangegangener Inhaftierung des Unterhaltsverpflichteten und den bei gegenteiliger Annahme gegebenen Wertungswiderspruch; Voraussetzung für eine Beschlußfassung nach § 4 Z 3 UVG sei daher auch in diesem Fall nur das Vorliegen eines Unterhaltstitels im Sinne des § 4 Z 4 UVG. Ein solcher Titel ist hier vorhanden.
Da der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht, der Mangel einer rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft stehe einer Vorschußgewährung nach § 4 Z 3 UVG entgegen, nicht gefolgt werden konnte, war dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E25746European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00523.91.0411.000Dokumentnummer
JJT_19910411_OGH0002_0080OB00523_9100000_000