Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt F***** und Karl-Heinz M***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Kurt F***** und Karl-Heinz M***** sowie die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil und den Beschluß des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 14.Dezember 1990, GZ 16 Vr 636/90-90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, der Angeklagten Kurt F***** und Karl-Heinz M***** und der Verteidiger Dr. Reitschmied und Dr. Grass, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO die dem Karl-Heinz M***** mit Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 5. Juli 1988, GZ 16 Vr 516/88-19, gewährte (teil-)bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Karl-Heinz M***** und Kurt F***** wurden des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Strafsatz) und Karl-Heinz M***** überdies des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem diesen Schuldsprüchen zugrundeliegenden Wahrspruch der Geschwornen hat Karl-Heinz M***** mit Hilfe des Kurt F*****, der ihm Tatwaffe samt Munition und Fluchtfahrzeug beschaffte, am 31.Mai 1990 maskiert und bewaffnet mit einer Schreckschußpistole, dem Kassier der RAIFFEISENBANK V*****, Filiale M*****, 236.290 S abgenötigt. Darüber hinaus hat Karl-Heinz M***** am 29.Mai 1990 in Feldkirch-Gisingen einen Personenkraftwagen unbefugt in Gebrauch genommen.
In ihren getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden rügen die beiden Angeklagten unter dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO das Unterbleiben von Zusatzfragen (§ 313 StPO) nach dem Vorliegen eines Zustandes der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB und von Eventualfragen (§ 314 StPO) in der Richtung einer Tatbegehung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 StGB jeweils in bezug auf das Verbrechen des Raubes.
Rechtliche Beurteilung
In der Hauptverhandlung sind jedoch dazu keine Tatsachen vorgebracht worden.
Schon die Verantwortung der Beschwerdeführer enthält keinerlei Hinweise in der Richtung, daß ihre Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit ausgeschlossen gewesen wäre. Die geständigen Beschwerdeführer haben vielmehr jeweils realitätsbezogen und detailliert die Planung, Vorbereitung und zielgerichtete Durchführung des Raubüberfalles auf eine Bank sowie ihr Verhalten danach geschildert und keineswegs auch nur sinngemäß behauptet, daß sie wegen ihrer Drogenabhängigkeit und (oder) Suchtgiftbeeinträchtigung nicht mehr in der Lage gewesen wären, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Der Umstand, daß im Verfahren ein - im Ergebnis aber negatives und lediglich eine Einschränkung des Dispositionsvermögens attestierendes - psychiatrisches Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit eingeholt wurde ist kein Tatsachenvorbringen in der angestrebten Richtung.
Soweit der Angeklagte M***** einwendet, die Frage der Zurechnungsunfähigkeit stelle sich bei strafbaren Handlungen von Heroinsüchtigen "immer", versucht er, die Sucht der Zurechnungsunfähigkeit gleichzustellen. Damit negiert er die im § 11 StGB genannten Voraussetzungen der Zurechnungsunfähigkeit und jegliche Strafbarkeit Süchtiger (vgl § 12 Abs. 2, zweiter Satz, SGG).
Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren deshalb zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar M***** zu fünf und F***** - unter Anwendung des § 41 StGB - zu drei Jahren. Es wertete dabei als erschwerend die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten M***** wegen Verbrechens des schweren Raubes sowie bei ihm auch das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen; mildernd fiel hingegen bei beiden Angeklagten das volle und reumütige Geständnis, die Sicherstellung des größten Teils der Raubbeute und die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit auf Grund der Suchtgiftergebenheit und eines aktuellen Drogenkonsums, ins Gewicht.
Mit ihren Berufungen begehren die beiden Angeklagten eine Reduktion der über sie verhängten Strafe, F***** überdies die Gewährung (teil-)bedingter Strafnachsicht. Die Staatsanwaltschaft beantragt Straferhöhung bei beiden Angeklagten.
Keine Berufung ist im Recht.
Bei M***** liegt zwar ein rascher Rückfall in der Probezeit vor; doch bewirkt dieser - wie noch ausgeführt - im vorliegenden Fall den Widerruf der bedingten Strafnachsicht. Die vorausgehende Suchtgiftdelinquenz des Angeklagten F***** hat nur zufolge, daß der Milderungsgrund des ordentlichen Lebenswandels wegfällt. Denn diese Taten beruhten nicht auf einem gleichartigen verwerflichen Beweggrund.
Im übrigen sind die Berufungsausführungen der Angeklagten bezüglich ihres Suchtgiftkonsums und der dadurch (vorwerfbar) eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit auf § 35 StGB und die Tatsache zu verweisen, daß das Geschwornengericht ohnehin den eine Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand ausreichend gewürdigt und als mildernd berücksichtigt hat.
Die Hilfeleistung des Angeklagten F***** durch Beschaffung von Waffe, Munition und Fluchtmöglichkeit war keineswegs ohne Bedeutung bei Ausführung der Tat. Finanzielle Schulden bei M***** können diese strafbare Hilfeleistung des F***** nicht entschuldigen. Das durch Verurteilungen geprägte Vorleben des F*****, die Art seiner Hilfe für einen bewaffneten Banküberfall sprechen gegen eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß er künftighin keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde, weshalb auch die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht bei ihm nicht in Frage kommt. Es war daher der erstrichterliche Strafausspruch zu bestätigen.
Im Recht ist hingegen die Staatsanwaltschaft, soweit sie einen Widerruf der früheren (teil-)bedingten Strafnachsicht bei M***** begehrt. Wegen der Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG und des schweren Raubes nach §§ 142, 143 StGB wurde M***** nämlich am 5. Juli 1988 zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wovon zwei Drittel bedingt nachgesehen wurden. Noch vor Ablauf von zwei Jahren (bei einer Probezeit von 3 Jahren) nach der Entlassung aus dem unmittelbar zu vollziehenden Teil dieser Strafe ist er rückfällig geworden. Es ist daher geboten, in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung auch die im vorangehenden Geschwornenurteil teilweise bedingt nachgesehene Strafe zu widerrufen um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Anmerkung
E25882European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00015.91.0423.000Dokumentnummer
JJT_19910423_OGH0002_0140OS00015_9100000_000