Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien
1. K***** Gesellschaft mbH & Co ***** KG, 2. K***** Gesellschaft mbH, ***** 3. M***** Gesellschaft mbH & Co KG, 4. M***** Gesellschaft mbH, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 490.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17.Dezember 1990, GZ 4 R 196/90-28, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5.Juli 1990, GZ 38 Cg 110/89-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich des bereits rechtskräftig gewordenen Teils zur Gänze wie folgt zu lauten hat:
"Das Klagebegehren
1. die Beklagten seien schuldig, ab sofort beim Vertrieb der periodischen Druckschrift "N*****-Zeitung" das Ankündigen und/oder Durchführen (einschließlich des Veröffentlichens oder sonstigen Vorstellens der Gewinner und/oder des Zuwendens der Gewinne) von Gewinnspielen und/oder anderen Werbemaßnahmen zu unterlassen, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes verlost werden oder der Erhalt von Preisen sonst von einem Zufall abhängig ist, wenn dabei - etwa durch die Teilnahmebedingungen oder die Art der Ankündigung - der Eindruck erweckt wird, daß zur Teilnahme der Erwerb der Druckschrift notwendig oder zumindest förderlich ist, insbesondere ab sofort das Ankündigen und/oder Durchführen von Gewinnspielen zu unterlassen, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes ausgespielt werden, wenn die einzelnen Gewinne in der "N*****-Zeitung" - insbesondere in aufeinanderfolgenden Ausgaben - näher beschrieben werden und/oder wenn das Gewinnspiel - etwa im Rundfunk - beworben wird, ohne daß in jeder einzelnen Zeitungsverschleißstelle die Möglichkeit besteht, auf andere Weise als durch den Erwerb der "N*****-Zeitung" Näheres über dieses Gewinnspiel, insbesondere die Teilnahmebedingungen und die Art der Gewinne, zu erfahren;
2. die klagenden Partei werde ermächtigt, den Spruch des über diese Klage ergehenden Urteils binnen sechs Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Parteien, wofür diese zur ungeteilten Hand haften, jeweils in der Größe einer ganzen Seite in Normallettern mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und gesperrt sowie fett gedruckten Namen der Prozeßparteien in zwei Sonntag-Gesamtösterreich-Ausgaben der "N*****-Zeitung" und in zwei Ausgaben der Zeitschrift "D*****" sowie durch Verlesen des Urteilsspruchs (einschließlich Urteilskopf und der Worte "Im Namen der Republik!") in drei Sendungen "Ö 3-Wecker" des Österreichischen Rundfunks, jeweils zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr, veröffentlichen zu lassen,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den zur ungeteilten Hand berechtigten beklagten Parteien die mit S 89.239,96 (darin enthalten S 14.873,32 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die klagende Partei ist ferner schuldig, den zur ungeteilten Hand berechtigten beklagten Parteien die mit S 59.958 (darin enthalten S 6.993 Umsatzsteuer und S 18.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die erstbeklagte GmbH & Co KG ist Medieninhaberin, die drittbeklagte GmbH & Co KG Verlegerin der "N*****-Zeitung"; die zweitbeklagte GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten, die viertbeklagte GmbH persönlich haftende Gesellschafterin der Drittbeklagten.
Auf den Seiten 20 und 21 der Ausgabe der "N*****-Zeitung" vom 28.3.1989 wurde ein "Abenteuer-Spiel" angekündigt; dabei wurden unter Verwendung von Lichtbildern insgesamt 17 Abenteuer schlagwortartig dargestellt (zB: "Cowboy auf einer Ranch in Arizona", "Mit Boris Becker nach Wimbledon", "Als Fotomodell nach Mailand", "Eine Rolle im neuen James Bond-Film" usw). Die - unter der Überschrift "So spielen Sie mit"
bekanntgegebenen - Teilnahmebedingungen lauteten wie folgt:
"Schreiben Sie uns auf einer Postkarte, welches Abenteuer Sie gerne erleben möchten und
begründen Sie möglichst originell, warum gerade Sie für dieses Abenteuer der/die Richtige sind. (Beim Abenteuerwunsch "Fotomodell" bzw "Filmrolle" legen Sie bitte ein Foto bei.)
Eine Jury von K*****-Redakteuren wird die drei originellsten Begründungen auswählen und mit den gewünschten Abenteuern honorieren.
Ihre Postkarte senden Sie an........
Mit der Teilnahme am Spiel erklären Sie sich mit den
Entscheidungen der Jury einverstanden.
Die drei ausgewählten Abenteurer werden schriftlich verständigt.
Der Kauf der K***** ist nicht Bedingung......".
Auch an den folgenden Tagen wurde auf dieses Spiel mehrmals hingewiesen, und zwar durch weitere Ankündigungen - wie "Abenteuer-Spiel, Abenteurer gesucht", "Abenteuer-Spiel, 18 Abenteuer warten auf Sie!", "Abenteuer-Spiel, wählen Sie das Abenteuer ihres Lebens" -, durch neuerliches Anführen sämtlicher zu gewinnenden Abenteuer und der Spielbedingungen sowie durch Artikel, mit denen einzelne Abenteuer näher erläutert wurden.
Ab 28.3.1989 warben die Beklagten mehrmals täglich auch im Hörfunk (Ö-Regional und Ö 3) mit insgesamt 60 Spots für dieses Spiel, beispielsweise mit folgendem Text:
"Mit Boris Becker nach Wimbledon? Das Abenteuer wartet. Jetzt 18 x beim K***** Abenteuer-Spiel. Alles weitere beim K*****-Zeitungsgeschäft".
Die Beklagten ließen auch an zahlreichen Trafiken Plakate anbringen, auf denen unter der Überschrift "Welches dieser Abenteuer wollen Sie erleben?" die Abenteuer vorgestellt und die Teilnahmebedingungen bekanntgegeben wurden. Ähnliche Bekanntgaben erfolgten durch Flugzettel (Auflage 1 Million), die in Trafiken verteilt wurden; diese Ankündigungsmittel waren jedoch nicht während der gesamten Spieldauer bei allen Verschleißstellen vorhanden.
Die klagende Mitbewerberin begehrt, die Beklagten im Sinne des im Spruch wiedergegebenen Begehrens schuldig zu erkennen. Die gesamte Werbung für das "Abenteuer-Spiel" sei so angelegt gewesen, daß die Teilnahme am Spiel ohne den Kauf der "N*****-Zeitung" praktisch nicht möglich gewesen wäre. Interessenten hätten sich veranlaßt gesehen, die "N*****-Zeitung" zu kaufen, um Näheres über das Spiel, insbesondere die Art der einzelnen Preise, zu erfahren. Das Gewinnspiel sei aber auch deshalb nicht völlig unabhängig vom Warenbezug gewesen, weil nicht bei allen Trafiken die erforderlichen Informationen über das Gewinnspiel erhältlich gewesen seien; Interessenten, die nur durch die Radiowerbung von dem Spiel erfahren hätten, hätten sich daher ebenfalls veranlaßt gesehen, die "N*****-Zeitung" zu kaufen. Selbst wenn aber alle erforderlichen Ankündigungen lückenlos verbreitet worden wären, wäre der Kauf der K*****-Zeitung noch immer die bequemste Art gewesen, um an dem Spiel teilzunehmen. Die von den Beklagten gemachten Vergleichsangebote hätten nicht alles umfaßt, was die Klägerin von den Beklagten im Prozeß erlangen könne; schon deshalb könnten die Beklagten damit nicht den Wegfall der Wiederholungsgefahr dokumentieren. Überdies zeigten die zahlreichen Verstöße der Beklagten gegen § 28 UWG, deretwegen die Klägerin auf Grund des im vorangegangenen Provisorialverfahrens erlangten Titels Exekution geführt habe, daß die Beklagten gar nicht ernstlich gewillt seien, künftig von gleichartigen Verstößen Abstand zu nehmen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Das "Abenteuer-Spiel" sei erstmals bei seinem Beginn vorgestellt worden. Schon die erste Ankündigung habe alles enthalten, was für die Teilnahme an dem Spiel erforderlich gewesen sei. Soweit die Beklagten in anderen Medien dafür geworben hätten, hätten die dadurch gewonnen Interessenten alles Notwendige bei den Zeitungsverschleißstellen erfahren können, ohne daß der Kauf der "N*****-Zeitung" dafür erforderlich gewesen wäre. Selbst wenn das Informationsmaterial nicht bei allen Trafiken erhältlich war, wäre ein nur unbedeutender Teil des Publikums davon betroffen gewesen; dieser Personenkreis hätte sich aber in den Trafiken ausreichend informieren können, ohne die Zeitung kaufen zu müssen. Die Kenntnis näherer Einzelheiten über die Preise sei für die Teilnahme an dem Spiel nicht erforderlich gewesen. Schließlich hätten die Beklagten der Klägerin auch ausreichende Vergleichsangebote erstattet, weshalb die Wiederholungsgefahr weggefallen sei.
Das Erstgericht gab der Klage im wesentlich statt und wies nur das auf mehr als einmalige Urteilsveröffentlichung im Hörfunk gerichtete Begehren ab. Das Gewinnspiel hänge schon deshalb von einem Zufall im Sinne des § 28 UWG ab, weil die den Zufall bestimmenden Tatsachen überwogen hätten. Die Ankündigung, daß die drei "originellsten Begründungen" von einer Jury ausgewählt werden, lasse keine konkreten Kriterien für die Bewertung der Leistungen der Teilnehmer erkennen; trotz der Ankündigung, daß die Gewinner von einer Jury ausgewählt würden, hänge daher die Erlangung der Gewinne von einem Zufall ab. Da auch die Werbematerialien mit den Spielinformationen nicht überall in den Trafiken aufgelegt waren, sei für einen nicht unerheblichen Teil der Interessenten die Teilnahme an dem Spiel mit dem Kauf der Zeitung notwendig verbunden gewesen, zumindest aber der Kauf der Zeitung für die Teilnahme daran als erforderlich erachtet worden; daran habe auch der Hinweis, daß der Kauf der Zeitung nicht Bedingung für die Teilnahme am Spiel sei, nichts mehr ändern können. Psychischer Kaufzwang sei aber auch dadurch ausgeübt worden, daß die zu gewinnenden Preise zunächst nur stichwortartig bekanntgegeben und die näheren Informationen darüber erst in den folgenden Zeitungsausgaben gegeben wurden. Für das Finden origineller Begründungen hätte es auch näherer Informationen über die Preise bedurft.
Die von den Beklagten gemachten auf das konkrete Spiel und ähnliche Spiele beschränkten Vergleichsangebote hätten nicht ausgereicht, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, würden doch durch eine derartige Einschränkung eines Unterlassungstitels Umgehungen allzu leicht gemacht. Wegen der massiven Werbung der Beklagten für das beanstandete Spiel sei auch eine mehrfache Urteilsveröffentlichung in den beantragten Zeitschriften sowie eine einmalige Veröffentlichung im Hörfunk erforderlich.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Die Beweiswürdigungsrüge - mit der die negative Feststellung bekämpft worden war, daß nicht habe festgestellt werden können, daß vor rund 3/4 aller Verschleißstellen Plakate mit den schlagzeilenartig dargestellten Gewinnen und den Teilnahmebedingungen aufgestellt worden waren - komme nicht zum Tragen, weil schon die bloß schlagzeilenartige Beschreibung der Abenteuer die Interessenten veranlaßt habe, die Zeitung zu kaufen, um originelle Begründungen im Sinne der Teilnahmebedingungen finden zu können. Im übrigen trat das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Abweisung des gesamten Begehrens, hilfsweise im Sinne der Abweisung des über eine jeweils einmalige Urteilsveröffentlichung in der "N*****-Zeitung" und in der Wochenzeitschrift "D*****" hinausgehenden Veröffentlichungsbegehrens, abzuändern.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtspechung des Obersten Gerichtshofes zum Begriff des "Zufalls" im Sinne des § 28 UWG abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.
Ein "Zufall" im Sinne des § 28 UWG liegt dann vor, wenn der
Eintritt des Erfolges weder vom zielbewußten Handeln oder von der
Geschicklichkeit des Leistungsansprechers noch allein vom
Belieben des Leistungspflichtigen abhängt, sondern noch weitere
Bedingungen hinzutreten müssen, die außerhalb des Willens dieser
Personen liegen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 71; SZ
10/11; ÖBl 1978, 45; ÖBl 1982, 46; MR 1988, 167; ÖBl 1989, 112 =
SZ 62/10 = WBl 1990, 379 uva). Dabei muß aber der Erfolg nicht
ausschließlich vom Zufall abhängen; es genügt, wenn die den
Zufall bestimmenden Tatsachen überwiegen (ÖBl 1981, 53). Die
Gewährung einer Zuwendung (Prämie) hängt also nicht ausschießlich
oder überwiegend vom Zufall ab, wenn beispielsweise die "beste
Leistung" von einer Jury ausgewählt wird (WBl 1990, 379; 3 Ob
116/89), sind doch für die Beurteilung einer Leistung oder eines
Werkes trotz des Einflusses durch vom Zufall bestimmte Tatsachen
überwiegend objektiv meßbare Umstände maßgebend. Der erkennende
Senat hält an dieser Auffassung trotz der Kritik Nitsches in der
Entscheidungsbesprechung WBl 1990, 379 fest, welcher - im
Hinblick auf den erklärten Gesetzeszweck - den subjektiven
Zufallsbegriff aus der Sicht des Spielteilnehmers für
entscheidend hält und deshalb die Auffassung vertritt, daß der
einzelne Spielteilnehmer auch bei der Prämierung der "besten
Leistung" regelmäßig die Leistungen der anderen Spielteilnehmer
nicht kennt und daher nicht die Gewißheit haben kann, daß er
gewinnen werde. Dieser "subjektive Zufallsbegriff" deckt sich
aber nicht mit der allgemeinen Vorstellung von einem Zufall; gibt
es objektive Kriterien für die Beurteilung einer Leistung, dann
hängt die Auswahl der "besten Leistung" durch eine Jury eben
nicht von einem "Zufall" ab. Auch die Auswahl der 3 originellsten
Begründungen durch eine aus Journalisten bestehende Jury ist demnach nicht "zufällig", gibt es doch ausreichende objektive Kriterien, an denen die Originalität von Begründungen gemessen werden kann; wollten aber die Beklagten die Auswahl in Wahrheit nach ihrem Belieben treffen, dann war die Zuwendung erst recht nicht "zufällig" im Sinne des § 28 UWG (WBL 1990, 37).
Ob die Beklagten gegen das ZugG verstoßen haben, muß nicht geprüft werden, weil das angestrebte Unterlassungsgebot nur zufallsabhängige Zuwendungen erfaßt.
Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klage abgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO; jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.
Anmerkung
E25666European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00026.91.0423.000Dokumentnummer
JJT_19910423_OGH0002_0040OB00026_9100000_000