Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Schütz, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Z***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl F. Engelhart und Dr. Nikolaus Reininger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Revisionsinteresse S 350.000,-), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Dezember 1990, GZ 5 R 132/90-71, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27. März 1990, GZ 18 Cg 103/87-65, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß in Punkt a) der Entscheidung des Erstgerichtes die Worte "während der allgemeinen Besuchszeit des Wilhelminen-Spitals (derzeit zwischen 13.30 Uhr und 15.00 Uhr)" zu entfallen haben. Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 24.293,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 2.382,30 Umsatzsteuer und S 10.000,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht untersagte der Beklagten u.a., im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Blumen in Wien an Sonn- und Feiertagen ihre Betriebsstätten offenzuhalten und/oder eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, soweit dies nicht gesetzlich zulässig ist; von diesem Verbot nahm es (im Rahmen der Teilabweisung des Klagebegehrens) das Offenhalten der Betriebsstätte der Beklagten in Wien 16, Maroltingergass 88, an Sonn- und Feiertagen während der allgemeinen Besuchszeit des Wilhelminen-Spitals (derzeit zwischen 13.30 Uhr und 15.00 Uhr) aus.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-
übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision nur insoweit, als vom Verbot des Offenhaltens ihrer Betriebsstätte in Wien 16, Maroltingergasse 88, an Sonn- und Feiertagen lediglich die allgemeine Besuchzeit des Wilhelminen-Spitals (13.30 Uhr bis 15.00 Uhr) ausgenommen wurde. Die Beklagte beantragt, die Entscheidung der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die genannte Filiale vom Verbot des Offenhaltens an Sonn- und Feiertagen (ohne Beschränkung) ausgenommen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zu der von der Revisionswerberin relevierten Frage, ob das Offenhalten von Blumengeschäften bei Krankenanstalten nur während der allgemeinen Besuchszeiten zulässig ist, in der zur Auslegung des Pkt I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARGVO BGBl 1984/149 iVm § 1 UWG bisher ergangenen Rechtsprechung (ÖBl 1988, 99 = SZ 60/254; ähnlich, zum Teil Krankenanstalten, zum Teil Friedhöfe oder beides betreffend, 4 Ob 12/88; 4 Ob 16/88; 4 Ob 37/88) zu dieser erheblichen Frage nicht Stellung genommen wurde.
Die Revision ist auch berechtigt.
Daß die Filiale der Beklagten in Wien 16, Maroltingergasse 88, im Sinne der zitierten Ausnahmevorschrift "bei" einer Krankenanstalt (nämlich dem Wilhelminen-Spital) liegt, wurde schon im Provisorialverfahren (Entscheidung vom 14. 6. 1988, 4 Ob 37/88) mit eingehender Begründung bejaht und ist nicht mehr strittig.
Zur Frage der Besuchszeiten dieser Krankenanstalten hat das Erstgericht folgende Feststellungen getroffen:
Für Patienten der allgemeinen Gebührenklasse und Patienten der Sonderklasse, die in Mehrbettzimmern liegen, ist Besuchszeit am Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag von 13.30 Uhr bis 15.00 Uhr und am Mittwoch von 18.00 Uhr bis 19.00 Uhr; Ausnahmeregelungen gelten für die Intensivstationen, wo täglich von 13.45 Uhr bis 14.00 Uhr Besuchszeit ist, sowie für die Früh- und Neugeborenenstation, die täglich von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr für die Eltern und von 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr für die (sonstigen) Angehörigen Besuchszeit hat. In der Kinder-Internen-Abteilung, der Kinder-Internen-Abteilung mit Psychosomatik und der Kinder-Infektions-Abteilung ist den ganzen Tag Besuchszeit. Für Patienten der Sonderklasse, die in Einzelzimmern liegen, wird die Besuchszeit vom Verantwortlichen der Abteilung unter Bedachtnahme auf medizinische Erfordernisse individuell geregelt.
Die Beklagte hält ihr Geschäft in Wien 16, Maroltingergasse 88, an Sonn- und Feiertagen von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr geöffnet.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß die genannte Ausnahmebestimmung für Blumengeschäfte, die bei Krankenhäusern liegen, den Zweck habe, den Krankenhausbesuchern nur während der allgemeinen Besuchszeit an Sonn- und Feiertagen das Einkaufen von Blumen in der Nähe des Krankenhauses zu ermöglichen; diese Norm sei nicht so ausdehnend auszulegen, daß sie das Offenhalten der Blumengeschäfte auch während jener Zeiten an Sonn- und Feiertagen gestatte, in denen eine Besuchzeit für einzelne besondere Abteilungen oder für jene Patienten der Sonderklasse, die in Einzelzimmern untergebracht seien, besteht.
Das Berufungsgericht billigte diese Ansicht und meinte, daß auch nur während der allgemeinen Besuchszeit ein besonderer Bedarf des Publikums nach einer solchen Einkaufsmöglichkeit bestehe. Der Verordnungsgeber habe nur ein Offenhalten "während der Besuchszeiten" gestattet, so daß es auch nicht zulässig sei, das Geschäft schon vor dem Beginn der Besuchszeit offenzuhalten, damit den Krankenbesuchern, die Blumen kaufen, die volle Besuchszeit zum Krankenbesuch zur Verfügung stehe.
Wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner ersten Entscheidung (SZ 60/254 = ÖBl 1988, 99 - Blumen-Sonntagsverkauf; vorher siehe auch ÖBl 1986, 158 - Blumenverkauf in Friedhofsnähe) zur Auslegung des Pkt I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARGVO BGBl 1984/149 ("in Betrieben der Bundesinnung der Gärtner und Blumenbinder (für die) Betreuung der Kunden im Detailverkauf
aa) bei Friedhöfen während der Öffnungszeiten und bei Krankenanstalten während der Besuchszeiten, ...") ausgeführt hat, liegt der offenkundige Zweck dieser Bestimmung des Ausnahmekataloges zur ARGVO darin, all denen, die einen Friedhof während der Öffnungszeiten oder eine Krankenanstalt während der Besuchszeiten aufsuchen wollen, die Möglichkeit zu geben unmittelbar vorher Blumen zu kaufen, auch wenn der Besuch in eine Zeit fällt, zu der Wochenend- und Feiertagsruhe herrscht. Der Verordnungsgeber ist aber nicht so weit gegangen, zu diesem Zweck den Gärtnern und Blumenbindern ganz allgemein das Offenhalten (aller einschlägigen Geschäfte) auch an Sonn-, Feier- und Samstagen zu gestatten; er hat vielmehr die Ausnahmeregelung auf Betriebe dieser Geschäftszweige bei Friedhöfen und bei Krankenanstalten und überdies auch nur auf die Öffnungs- bzw. Besuchzeiten dieser Einrichtungen beschränkt.
Um dem Zweck, den Besuchern die Möglichkeit zum Blumenkauf zu geben, Genüge zu tun, sind aber unter "Besuchszeiten" einer Krankenanstalt nicht nur die Besuchszeiten für Patienten der allgemeinen Gebührenklasse, sondern alle Besuchszeiten zu verstehen, die auf einer generellen Regelung der Krankenanstalt beruhen, also auch besondere, für alle Betroffenen geltende Besuchszeiten in einzelnen Abteilungen, wie etwa im vorliegenden Fall die (allerdings für eine Erweiterung der Öffnungszeiten nicht relevanten) Besuchszeiten in der Intensivstation und die Besuchszeiten in den Früh- und Neugeborenenstationen und den Kinderabteilungen. Auch eine generelle (erweiterte) Besuchszeit für Patienten der Sonderklasse (welche hier nicht vorliegt) wäre eine Besuchszeit im Sinne der genannten Verordnung, da allen betroffenen Bevölkerungsschichten bei einem durch eine generelle Besuchszeitenregelung hervorgerufenen Bedarf die Möglichkeit geboten werden soll, vor dem Krankenbesuch Blumen zu kaufen.
Da der Verordnunggeber das Bedürfnis des Publikums, während der Besuchszeiten von Krankenanstalten auch an Sonn- und Feiertagen Blumen kaufen zu können, nach den in der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs 1 ARG aufgezählten Kriterien als wichtig genug anerkannt hat, um für diesen Zweck die Beschäftigung von Arbeitnehmern während der Wochenend- und Feiertagsruhe zu erlauben, kann einer zweckorientierten Auslegung dieser Ausnahmevorschrift nicht mit dem von der Revisionsgegnerin vorgetragenen Argument begegnet werden, der Regelungszweck des Arbeitsruhegesetzes gebiete eine einschränkende Auslegung der Ausnahmebestimmungen unter steter Rückbesinnung auf die besonders gewichtigen sozialpolitischen und gesundheitlichen Aspekte der Wochenend- und Freizeitruhe, welchen im Zweifel der Vorzug vor den Bedürfnissen der Allgemeinheit zu geben wäre. Die vom Revisionsgegner reklamierte Interessenabwägung hat grundsätzlich schon der Verordnunggeber auf Grund der Kriterien des § 12 Abs 1 ARG bei der Festsetzung der einzelnen Ausnahmebestimmungen vorzunehmen. Dabei mag er in besonderen Fällen auch zu dem Ergebnis kommen, daß für einzelne Tätigkeiten nicht die gesamten Ruhezeiten, sondern nur ein Teil davon für die Arbeit zuzulassen ist, um den betroffenen Arbeitnehmern so weit wie möglich die Wochenend- und Feiertagsruhe zu sichern. Eine solche Einschränkung hat aber der Verordnunggeber hier nicht vorgenommen. Bei der Festsetzung des Ausnahmetatbestandes kann ihm nicht verborgen geblieben sein, daß Friedhöfe üblicherweise während des ganzen Tages geöffnet sind und daher in Blumengeschäften bei Friedhöfen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen praktisch den ganzen Tag zulässig ist. Mit demselben Maßstab ist aber auch das Bedürfnis nach dem Offenhalten von Blumengeschäften bei Krankenanstalten zu messen. Wegen der Gleichsetzung von Öffnungszeiten von Friedhöfen und Besuchszeiten von Krankenanstalten durch den Verordnunggeber muß angenommen werden, daß auch für die bei Krankenanstalten gelegenen Blumengeschäfte die Öffnungszeiten nicht auf die (praktisch wichtigste) Hauptbesuchszeit in der allgemeinen Gebührenklasse beschränkt ist, sondern diese Geschäfte auch während sonstiger genereller Besuchszeiten in einzelnen Abteilungen oder für bestimmte Patientengruppen offengehalten werden dürfen, um eine entsprechende Versorgung des (gesamten!) Publikums zu ermöglichen.
Da die Beklagte die Filiale in der Maroltingergasse nicht über die festgestellten Besuchszeiten hinaus, sondern nur zwischen 9.00 Uhr und 15.00 Uhr geöffnet hat, ist der Revision durch Streichung der Einschränkung "während der allgemeinen Besuchszeit des Wilhelminen-Spitals (derzeit zwischen 13.30 Uhr und 15.00 Uhr)" Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E25663European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00037.91.0423.000Dokumentnummer
JJT_19910423_OGH0002_0040OB00037_9100000_000