Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois O*****, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr. Robert Siemer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution im Betrag von 49.133,20 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 25.Oktober 1989, GZ R 726/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 10.Mai 1989, GZ 2 C 2/89f-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes in dem noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Umfange wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen und ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.792,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 548,80 S Umsatzsteuer und 2.500 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluß vom 18. April 1984 der Konkurs eröffnet. Mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 11.Oktober 1985 wurde der am 10.April 1985 angenommene Zwangsausgleich bestätigt. Der Zwangsausgleich sah eine Quote von 20 % vor, welche binnen vierzehn Tagen nach Aufhebung des Konkurses vom Masseverwalter bar ausbezahlt werde. In der Begründung des Bestätigungsbeschlusses wird angeführt, daß die festgelegte Barquote beim Masseverwalter erlegt worden sei. Mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 19.November 1985 wurde der Konkurs gemäß § 157 KO aufgehoben, welcher Beschluß am 11. Dezember 1985 in Rechtskraft erwuchs.
Die beklagte Partei hatte zum Konkurs eine Forderung von 59.853,20 S angemeldet. 51.470,50 S wurden in der Prüfungstagsatzung vom 6.Juni 1984 anerkannt, 8.382,70 S (= Gutschrift von 8.370 S samt anteiliger Zinsen) wurden bestritten. Am 22.Mai 1985 schränkte die beklagte Partei unter Hinweis auf eine von dritter Seite geleistete Teilzahlung von 10.720 S ihre Konkursforderung auf 49.133,20 S ein
(= ursprünglich angemeldeter Betrag abzüglich Teilzahlung), worauf das Anmeldungsverzeichnis dahin korrigiert wurde, daß die Forderung nur mehr mit 49.133,20 S als festgestellt eingetragen wurde. Am 11.Februar 1986 stellte das Konkursgericht einen vollstreckbaren Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis über diesen Betrag aus. Ein vom Kläger und dem früheren Masseverwalter gestellter Antrag auf Berichtigung dieses Auszuges wurde mit Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz vom 18.November 1986 abgewiesen.
Obwohl vom Kläger bzw von dritter Seite der gesamte zur Auszahlung der einzelnen Quoten benötigte Betrag rechtzeitig beim Masseverwalter erlegt worden war, unterblieb zunächst aus einem Versehen des Masseverwalters die Auszahlung der Zwangsausgleichsquote an die beklagte Partei.
Die beklagte Partei mahnte den Kläger zunächst mit (eingeschriebenem) Brief vom 24.Jänner 1986 auf Zahlung der aushaftenden Quote von 9.826,64 S (= 20 % von 49.133,20 S), setzte eine Nachfrist von vierzehn Tagen und drohte das Wiederaufleben an. Dieses Mahnschreiben ist dem Kläger nicht zugekommen. Die beklagte Partei mahnte hierauf neuerlich unter Anschluß des ersten Mahnschreibens mit Schreiben vom 6.März 1986 (diesmal) nicht eingeschrieben, unter Setzung einer nochmaligen Frist von acht Tagen, welches Schreiben dem Kläger zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt zukam. Der Rechtsfreund des Klägers beantwortete die beiden Mahnungen mit Schreiben vom 21.Mai 1986 dahin, daß die Quote bezahlt sein müsse.
Nachdem der Rechtsfreund des Klägers den Masseverwalter auf sein Versehen aufmerksam gemacht hatte, überwies dieser am 3.Juli 1986 die von ihm mit 8.150,10 S (= 20 % von anerkannten 51.470,50 S abzüglich Einschränkungsbetrag 10.720 S, sohin aus 40.750,50 S) errechnete Quote.
Am 29.April 1986 wurde zu Gunsten der beklagten Partei auf Grund des Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis zur Hereinbringung von 49.133,20 S die Fahrnisexekution und die Lohnpfändungsexekution nach § 294 a EO bewilligt.
Auf Grund dieses im Revisionsverfahren nicht strittigen Sachverhalts erhob die klagende Partei eine Klage und begehrte das Urteil, daß diese Exekution unzulässig sei. Die klagende Partei vertrat die Rechtsansicht, daß der Einschränkungsbetrag nicht von dem angemeldeten, sondern von dem anerkannten Forderungsbetrag abzuziehen sei; daß ein Verzug des Klägers wegen Übergabe des Quotenbetrages an den Masseverwalter nicht vorliege und daher auch kein Wiederaufleben eingetreten sei, und daß die Mahnung der beklagten Partei nicht an die klagende Partei, sondern an den Masseverwalter gerichtet hätte werden müssen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Fassung der Klage statt. Es war der Ansicht, daß sich der Kläger um die Ausschüttung der einzelnen Quoten nicht mehr kümmern habe müssen, weil dies ausschließlich Aufgabe des Masseverwalters gewesen sei. In die verschiedenen Rechtsmeinungen über die richtige Höhe der Quote habe er nicht eingreifen können. Die beklagte Partei hätte daher den Masseverwalter mahnen müssen und dann ohne Exekution die ihr zustehende Quote erhalten. Mangels jeglichen Verschuldens des Klägers sei es nicht zu einem Wiederaufleben gekommen.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren die Fassung, der betriebene Anspruch sei erloschen, und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in dieser Formulierung für einen Teilbetrag von 16.532,80 S, änderte aber das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren im Mehrbetrag von 32.600,40 S abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß mangels Bestellung des Masseverwalters zum Sachwalter der Konkursgläubiger und mangels Übergabe des Vermögens des Gemeinschuldners an den Sachwalter das Versehen des Masseverwalters zu Lasten des Klägers gehe. Der Kläger könne sich nicht auf die Bestimmungen über einen Liquidationsausgleich im Sinn des § 145 Abs. 5 KO berufen. Ein Verschulden sei für den Eintritt des Verzuges und das Wiederaufleben nicht erforderlich.
Bei Berechnung des betriebenen Anspruches sei von der Eintragung im Anmeldungsverzeichnis auszugehen. Es seien aber die beiden nach dieser Eintragung erwiesenen Zahlungen, nämlich von
10.720 S, welche Gegenstand der "Einschränkung" war, (durch die Frau des Klägers) und von 8.150,10 S durch den Masseverwalter, das sind zusammen 18.870,10 S, vom anerkannten Betrag von 51.470,50 S abzuziehen. Dies ergebe einen offenen und wiederaufgelebten Betrag von 32.600,40 S, in welchem Umfange das Klagebegehren nicht berechtigt sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den abändernden Teil des Berufungsurteils erhobene, nach Bewilligung der Wiedereinsetzung rechtzeitige Revision des Klägers ist berechtigt.
Seit der Neuordnung des Insolvenzrechtes kann auf Grund der Eintragung im Anmeldungsverzeichnis im Gegensatz zur früheren Rechtslage auch für den wiederaufgelebten Teil der Forderung ohne Nachweis von Mahnung oder sonstigen Voraussetzungen des Wiederauflebens sofort die Exekution begehrt werden, und die verpflichtete Partei kann nur mit Oppositionsklage geltend machen, daß das der Exekution zugrunde liegende Wiederaufleben nicht eingetreten sei (SZ 57/138; SZ 60/181 = WBl 1987, 348).
Die klagende Partei konnte das Fehlen der Voraussetzungen des Wiederauflebens beweisen:
Das Wiederaufleben ist nach § 156 Abs. 4 KO bei jedem Zwangsausgleich eine gesetzliche Folge der dort bestimmten Säumnis, es muß nicht ausdrücklich in den Zwangsausgleichsvorschlag aufgenommen werden. Nur wenn im Ausgleichsvorschlag das Wiederaufleben ausdrücklich ausgeschlossen würde, wäre vereinbart, daß auch bei Verzug mit der Zahlung der Ausgleichsquote der nachgelassene Teil der Konkursforderung nicht mehr geltend gemacht werden kann. Eine solche Vereinbarung fehlt hier.
Ein zweiter Fall des Nichteintritts der Verzugsfolge des Wiederauflebens liegt gemäß § 156 Abs. 4 KO dann vor, wenn der Schuldner im Fall eines Ausgleiches nach § 145 Abs. 5 KO innerhalb der in diesem bestimmten Frist das Vermögen übergeben hat.
Es trifft zwar iSd Ausführungen des Berufungsgerichtes zu, daß im vorliegenden Fall kein echter Überwachungsausgleich iSd § 145 Abs. 5 KO zustandekam. Der Gemeinschuldner übergab nicht "sein Vermögen", sondern es wurde von dritter Seite ein Betrag erlegt, der zur Erfüllung der Zwangsausgleichsquoten ausreichte. Es wurde kein Sachwalter bestellt, der die Ausgleichserfüllung zu überwachen hatte, sondern nach dem Inhalt des zustandegekommenen Zwangsausgleiches waren die Mittel zur Erfüllung des Zwangsausgleiches dem Masseverwalter übergeben und dieser hatte auch die Auszahlung der Quoten vorzunehmen.
Immerhin kann aber nicht übersehen werden (wie dies auch in JBl 1987, 587 anklingt), daß im vorliegenden Fall entscheidende Elemente eines solchen Überwachungsausgleiches verwirklicht wurden. Wirtschaftlich betrachtet ist es für die Gläubiger eher wertvoller, wenn ihnen statt der Sicherung des Vermögens des Gemeinschuldners ein zur Deckung der Zwangsausgleichsquoten ausreichender Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird. Die Betrauung des Masseverwalters mit der Entgegennahme dieses Geldbetrages und mit der Auszahlung der Quoten an alle Gläubiger ersetzt die Bestellung eines Sachwalters.
Vom Sachverhalt, welcher der Entscheidung JBl 1987, 587 zugrundelag, der das Berufungsgericht folgte, unterscheidet sich der vorliegende Fall in einigen wesentlichen Punkten: Dort war durch den dem Masseverwalter übergebenen Betrag nicht das gesamte Ausgleichserfordernis gedeckt, sondern der Masseverwalter hatte nur 20 % der Forderungen auszuschütten, restliche 10 % aber hatte der Gemeinschuldner zusätzlich zu entrichten, sodaß er auf jeden Fall auch durch eigenes Verhalten in Verzug geraten konnte. Hier liegt demgegenüber eine volle Deckung vor, sodaß den Gemeinschuldner nach der Übergabe der zur Erfüllung des Ausgleiches nötigen Summe an den Masseverwalter keine weiteren Verpflichtungen trafen. Dort stand dem Gemeinschuldner noch eine Verfügungsmöglichkeit über die Auszahlung der Quoten an die einzelnen Gläubiger zu und er machte davon zum Nachteil des betroffenen Gläubigers auch dadurch Gebrauch, daß er dem Masseverwalter die Bezahlung der Quote an einen Gläubiger untersagte, weil er mit einer Gegenforderung aufrechnen wollte. Hier hatte der Gemeinschuldner keine ähnliche Dispositionsmöglichkeit.
Der erkennende Senat hält diese Unterschiede für so gewichtig, daß im Gegensatz zur Vorentscheidung hier gegenüber der klagenden Partei in zumindest sinngemäßer Anwendung des § 156 Abs. 4 Satz 3 KO die Verzugsfolge des Wiederauflebens nicht eingetreten ist.
Den Gläubigern und damit auch der beklagten Partei war der Inhalt des Zwangsausgleiches bekannt. Die beklagte Partei wußte also, daß seitens der klagenden Partei alle Verpflichtungen erfüllt worden waren und es Sache des Masseverwalters als eines Treuhänders war, der beklagten Partei die ihr gebührende Quote auszuzahlen. Als sie infolge eines Versehens des Masseverwalters tatsächlich zunächst nichts erhielt, war es nicht zweckdienlich, die klagende Partei zu mahnen, sondern es hätte der Masseverwalter um Aufklärung gebeten werden müssen. Nachdem die klagende Partei der beklagten Partei nach Erhalt der Mahnung mitgeteilt hatte, die Quote müsse bezahlt sein, war für die beklagte Partei klargestellt, daß der Gemeinschuldner keine Einwendungen erhebe und daher ein Fehler des Masseverwalters vorliegen dürfte.
Als sich die beklagte Partei trotz dieses Wissensstandes nicht an den Masseverwalter wandte, sondern nach Ablauf der gesetzten Nachfrist die Exekution einleitete, waren damit die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben nicht erfüllt. Selbst wenn man nicht davon ausgehen wollte, daß die Verzugsfolgen des § 156 Abs. 4 Satz 1 KO überhaupt ausgeschlossen waren, fehlte es jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Mahnung, die beim gegebenen Sachverhalt an den Masseverwalter zu richten gewesen wäre, wie dies das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Wenn nämlich die Vornahme aller Zahlungen ausdrücklich dem Masseverwalter übertragen wurde, ist auch die Mahnung an diesen Treuhänder zu richten. Es fehlt aber auch an einer der klagenden Partei sonst anlastbaren Säumnis, die etwa angenommen werden könnte, wenn die übergebene Summe sich als unzureichend herausgestellt hätte und von der klagenden Partei nicht sofort entsprechend aufgestockt worden wäre, oder wenn dem Masseverwalter unrichtige Buchhaltungsunterlagen übergeben worden wären, oder dergleichen mehr. Es verstieße daher gegen die Grundsätze eines redlichen Verkehres, wenn trotz der unterlassenen Mahnung des Masseverwalters und trotz fehlender Säumnis der klagenden Partei diese mit der Sanktion des Wiederauflebens belastet würde.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, wobei darauf hinzuweisen ist, daß sich die klagende Partei am Berufungsverfahren nicht beteiligt hat.
Anmerkung
E25934European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00013.91.0424.000Dokumentnummer
JJT_19910424_OGH0002_0030OB00013_9100000_000