Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. *****, infolge ao. Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 17.Dezember 1990, GZ 18 R 668,669,670/90-145, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem ao. Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der abweisenden Entscheidung über die Ersatzpflicht der Mutter und des unterhaltspflichtigen Vaters aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gewährte am 23.Jänner 1990 (ON 121 bis 123) den drei Kindern für die Zeit vom 1.Jänner 1990 bis 31.August 1990 monatliche Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG. Nach der Entlassung des unterhaltspflichtigen Vaters aus der Strafhaft am 6. Juli 1990 hat das Erstgericht am 20.September 1990 rechtskräftig 1) die gewährten Unterhaltsvorschüsse mit 31.Juli 1990 eingestellt (ON 131) und 2) den Kindern Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1, 18 UVG für die Zeit vom 1.September 1990 bis 31. August 1992 gewährt. Die den Kindern gewährten Vorschüsse wurden verbraucht.
Am 3.Oktober 1990 (ON 135 bis ON 137) beantragte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, die drei Kinder, deren gesetzliche Vertreter, die Person, in deren Pflege und Erziehung sich die Kinder befinden (vorliegend ist dies die Mutter) und den Unterhaltsschuldner nach §§ 22, 23 UVG zum Rückersatz der zu Unrecht gezahlten Vorschüsse für August 1990 zu verpflichten, gegebenenfalls nach § 19 Abs 1 UVG die Einbehaltung des Übergenusses von künftig fällig werdenden Vorschüssen anzuordnen.
Das Erstgericht wies am 12.Oktober 1990 (ON 135 bis ON 137) diese Anträge ohne weitere Erhebungen ab, weil die Vorschüsse für den Unterhalt verbraucht worden seien und es sich im Ergebnis nicht um einen Übergenuß handle; denn zur Berücksichtigung des für August (1990) noch ausgezahlten Betrages seien die nächsten Vorschüsse erst ab September (1990) gewährt worden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, der nur mehr die Ersatzpflicht des Unterhaltsschuldners, hilfsweise die der Mutter anstrebte, nicht Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich seine Rechtsauffassung auf die höchstgerichtliche E RZ 1990/56 stütze.
Rechtliche Beurteilung
Der ao. Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz macht geltend, daß der gutgläubige Verbrauch zu Unrecht ausbezahlter Vorschüsse nur für das Kind haftungsbefreiend wirke, aber keinen Einfluß auf die Rückzahlungspflicht der übrigen im § 22 UVG genannten Personen habe.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig. Die Entscheidung über das Rechtsmittel hängt von der erheblichen Rechtsfrage ab, ob die nach § 22 UVG subsidiär haftenden Personen (hier: Mutter und unterhaltsschuldnerischer Vater) zum Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse auch dann herangezogen werden können, wenn das Kind selbst diese Vorschüsse nicht zurückzuzahlen hat, weil sie für seinen Unterhalt verbraucht worden sind. Diese Frage wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Rekursinstanzen unterschiedlich beantwortet.
Der ao. Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Gemäß § 22 Abs 1 UVG hat das Kind Vorschüsse, die... entgegen
einer Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse zu Unrecht
gezahlt worden sind, zurückzuzahlen, soweit sie nicht.... für den
Unterhalt des Kindes verbraucht worden sind. Soweit die zu Unrecht gewährten Vorschüsse vom Kind nicht hereingebracht werden können, haften der gesetzliche Vertreter des Kindes und diejenige Person, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befindet, zur ungeteilten Hand, hilfsweise der Unterhaltsschuldner, jedoch nur derjenige, der die Gewährung der Vorschüsse durch unrichtige Angaben in der Erklärung (§ 11 Abs 2 oder durch Verletzung der Mitteilungspflicht (§ 21) vorsätzlich oder grob fahrlässig veranlaßt hat. Daß den drei Kindern für August 1990 Unterhaltsvorschüsse ohne Titel ausbezahlt wurden, hat die zweite Instanz zutreffend erkannt. Der gegen die Kinder gerichtete Rückersatzanspruch ist mangels Anfechtung bereits rechtskräftig abgewiesen.
In der Regierungsvorlage (RV) zum Stammgesetz (5 BlgNR 14.GP in Strauß-Brosch, Unterhaltsvorschußgesetz 91 ff) wird die primäre Rückzahlungspflicht des Kindes damit begründet, daß ihm die - zu Unrecht - ausgezahlten Beträge ja auch zugekommen sind; im Sinne der herrschenden Rechtsprechung sei das Kind allerdings von der Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Unterhaltsleistungen insoweit befreit, als es die ausgezahlten Beträge für seinen Unterhalt verbraucht hat. Die RV verweist dazu auf die Entscheidungen SZ 13/262 (mit welcher das Judikat 33 neu auf die Rückforderung irrtümlich gezahlter Unterhaltsbeiträge für anwendbar erklärt wurde) und EvBl 1965/2 (in welcher ebenfalls ausgesprochen wurde, daß irrtümlich geleistete Unterhaltsbeträge nicht zurückgefordert werden können, wenn sie der Unterhaltsberechtigte bestimmungsgemäß verbraucht hat). Nach dem Kind haften für die zu Unrecht gewährten Vorschüsse der Vertreter des Kindes und die Person, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befindet; sie gehen dem Unterhaltsschuldner vor, weil sie die Angelegenheiten des Kindes zu besorgen haben bzw mittelbar durch die Vorschüsse einen Vorteil genießen. Da diese Personen aber an sich durch die zu Unrecht ausgezahlten Beträge nicht bereichert sind, setzt ihre Ersatzpflicht ein schuldhaftes Verhalten voraus, das für die Auszahlung der Vorschüsse ursächlich gewesen ist. Das Verschulden muß ein grobes sein, weil die Anforderungen an den gesetzlichen Vertreter und an die mit der Pflege und Erziehung betraute Person nicht überspannt werden sollen. Bei dem Rückforderungsanspruch gegen das Kind nach § 22 Abs 1 erster Satz UVG handelt es sich im Wesen um einen Bereicherungsanspruch, bei den Ersatzansprüchen gegen den Vertreter des Kindes die Pflegeperson und den Unterhaltsschuldner um Schadenersatzansprüche (RV aaO, 91 ff; so auch der erkennende Senat in SZ 57/24 = EvBl 1984/91).
Aus dem Wortlaut des § 22 UVG und aus der Betonung der Subsidiarität der Haftung des gesetzlichen Vertreters und der Pflegeperson in der RV hat der 1.Senat des Obersten Gerichtshofes in seiner Entscheidung SZ 52/69 = RZ 1979/60 = EFSlg 34.239 abgeleitet, daß der gesetzliche Vertreter des Kindes ( - das gleiche müßte für die "Pflegeperson" und den hilfsweise haftenden Unterhaltsschuldner gelten - ) nur unter zwei (kumulativen) Voraussetzungen in Anspruch genommen werden kann: 1. bei Bestehen einer Rückzahlungspflicht des Kindes, wenn also die zu Unrecht gezahlten Vorschüsse weder nach § 19 Abs 1 letzter Satz UVG einbehalten werden können noch für den Unterhalt des Kindes bereits verbraucht worden sind; 2. nach Feststellung der Unmöglichkeit der Hereinbringung der zu Unrecht gewährten Vorschüsse vom Kind; eine Haftung des gesetzlichen Vertreters werde erst aktuell, wenn eine Rückzahlungspflicht des Kindes bestehe. Dieser Ansicht ist der 3.Senat des Obersten Gerichtshofes auch in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 604/89 = RZ 1990/56 gefolgt.
Der 2.Senat des Obersten Gerichtshofes hat hingegen in seiner Entscheidung EFSlg 46.545 die Ansicht vertreten, daß das Bestehen einer Ersatzpflicht des Kindes nicht Voraussetzung für die Heranziehung der subsidiär haftenden Personen sei. Der Ausspruch, daß das Kind wegen Verbrauch für den Unterhalt nicht zum Ersatz der zu Unrecht geleisteten Vorschüsse herangezogen werden könne, schließe eine Inanspruchnahme der Mutter und des gesetzlichen Vertreters, deren Haftung schadenersatzrechtlicher Natur sei, nicht aus, käme man doch andernfalls zu dem Ergebnis, daß bei Verbrauch der Vorschüsse für den Unterhalt des Kindes eine Ersatzpflicht der subsidiär haftenden Personen selbst bei vorsätzlicher Verletzung der Mitteilungspflicht nicht bestünde; eine solche Auslegung widerspräche aber dem Zweck des § 22 Abs 1 letzter Satz UVG. An dieser Ansicht hat der 2.Senat auch in der nicht veröffentlichten E 2 Ob 602/89 - welche allerdings in Erledigung eines außerordentlichen Revisionsrekurses iS des § 16 AußStrG (aF) ergangen ist - implicite festgehalten. Dieselbe Ansicht hat im Ergebnis auch der 3.Senat in der E ÖA 1985, 83 vertreten: Er kam dort nämlich bei der Prüfung der Ersatzpflicht des Kindes zum Ergebnis, daß dieses wegen Verbrauches der Vorschüsse nicht rückzahlungspflichtig sei. Erst durch die Ablehnung des Rückersatzanspruches gegen das Kind komme es aber zur Prüfung der Frage, ob die nur subsidiär haftende Mutter zum Ersatz verpflichtet ist. Der 3.Senat hat sodann auch diese Haftung geprüft und sie deshalb verneint, weil es an einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 22 Abs 1 UVG fehlte.
Auch nach der Ansicht Knolls (UVG in ÖA, § 22 UVG Rz 8) hat der (gutgläubige) Verbrauch der zu Unrecht ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse durch das Kind auf die Ersatzpflicht der übrigen Haftpflichtigen keinen Einfluß; er löse diese Ersatzpflicht vielmehr erst aus. Diese Auffassung vertreten auch mehrere Entscheidungen zweiter Instanzen (EFSlg 57.588, 49.176, 43.918, 39.015), während andere Rekursentscheidungen den Grundsätzen der Entscheidung SZ 52/69 gefolgt sind (EFSlg 46.542, 43.915, anscheinend auch EFSlg 49.173).
Der erkennende Senat geht wie der 4.Senat in seiner noch unveröffentlichten Entscheidung 4 Ob 507/91 von folgenden Erwägungen aus:
Die am Anfang jeder Auslegung stehende wörtliche (sprachliche, grammatikalische) Auslegung, bei welcher auch die eigentümliche Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang zu untersuchen ist, scheint zunächst für die in SZ 52/69 und RZ 1990/56 vertretene Ansicht zu sprechen, sollen doch der gesetzliche Vertreter und die "Pflegeperson" für den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse nur insoweit haften, als diese vom Kind nicht hereingebracht werden können. "Hereinbringen" bedeutet aber nach dem ständigen Sprachgebrauch der juristischen Praxis die Durchsetzung einer bestehenden Schuldverpflichtung. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß die nach § 22 Abs 1 UVG subsidiär Verpflichteten nur dann herangezogen werden können, wenn eine Ersatzpflicht des Kindes zwar besteht, die Leistung aber uneinbringlich ist, also nicht "hereingebracht" werden kann.
Die Gesetzesauslegung darf aber bei der Wortinterpretation nicht stehenbleiben. Der übliche, normale Wortsinn ist nämlich nur ein Hinweis für die Auslegung der Norm, nicht mehr; erst der äußerst mögliche Wortsinn steckt die Grenze jeglicher Auslegung ab, welche auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (SZ 54/135 ua; Koziol-Welser8 I 21 mwN).
Die Wortfolge "soweit die zu Unrecht gewährten Vorschüsse vom Kind nicht hereingebracht werden können" läßt sich nun auch dahin verstehen, daß die Hereinbringung (schon) daran scheitert, daß gegen das Kind wegen Verbrauchs der Unterhaltsvorschüsse kein Ersatzanspruch besteht; gerade dieser Fall wird ja unmittelbar vorher im § 22 Abs 1 erster Satz UVG angeführt. Dafür spricht auch, daß eine subsidiäre Haftung nicht gleichzeitig auch eine bloß akzessorische Haftung sein muß, die - wie etwa die einfache Bürgschaft - das Bestehen einer Hauptschuld voraussetzt; eine subsidiäre Haftung entsteht vielmehr sehr oft auch (und gerade) dann, wenn die Voraussetzungen für die primäre Haftung eines anderen gar nicht vorliegen, so etwa in den Fällen des § 140 Abs 2 und des § 141 ABGB. Sowohl die RV als auch der Zweck des § 22 UVG legen es nahe, die Wortfolge "soweit die zu Unrecht gewährten Vorschüsse vom Kind nicht hereingebracht werden können" als bloße Subsidiarität zu verstehen, was durch den äußerst möglichen Wortsinn jedenfalls gedeckt ist. Die RV begründet die Rückzahlungspflicht des Kindes damit, daß ihm die zu Unrecht ausgezahlten Beträge zugekommen sind, und sieht in diesem Rückforderungsanspruch gegen das Kind zutreffend einen Bereicherungsanspruch; der Ersatzanspruch gegen den Vertreter des Kindes und die "Pflegeperson" ist dagegen deutlich als deliktischer Schadenersatzanspruch konzipiert. Die Rückersatzansprüche gegen das Kind und gegen die subsidiär Haftenden beruhen daher auf verschiedenen Rechtsgründen; die subsidiär Haftenden erfüllen keine Verbindlichkeit des Kindes, sondern ihre eigene, auf einem anderen Rechtsgrund beruhende Verbindlichkeit. Infolge der Verschiedenheit der Rechtsgründe der Haftung wäre daher eine über die bloße Subsidiarität hinausgehende Verknüpfung der Haftung des Kindes und der sonstigen Haftenden in der Weise, daß letztere (aus anderem Rechtsgrund!) nur zu haften hätten, wenn auch das Kind schuldet, zumindest ungewöhnlich; auf eine solche "akzessorische" Regelung wäre daher nur dann zu schließen, wenn sie sich aus dem Zweck des Gesetzes klar ergäbe.
Das ist aber hier nicht der Fall: Die RV sagt nach der Erörterung der Haftungsgrundlage für die Rückzahlungspflicht des Kindes nur, daß "nach dem Kind" für die zu Unrecht gewährten Vorschüsse der Vertreter des Kindes und die "Pflegeperson" haften, und begründet die Subsidiarität der Haftung (und nur diese!) richtig damit, daß diese Personen (im Normalfall der Verwendung der Vorschüsse für das Kind) durch die zu Unrecht ausgezahlten Beträge nicht bereichert sind. Die Verknüpfung der subsidiären Ersatzpflicht des gesetzlichen Vertreters und der "Pflegeperson" mit dem Bestehen einer primären Ersatzpflicht des Kindes würde den Zweck der Vorschrift, die genannten Personen wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung von Mitteilungspflichten (§ 21 UVG) oder wegen unrichtiger Angaben im Antrag (§ 11 UVG) für den dadurch verursachten Schaden aus der Auszahlung nicht gebührender Vorschüsse heranziehen zu können, weitgehend vereiteln.
In der Lehre (Knoll aaO, Rz 4 und in der Rechtsprechung der Rekursinstanzen (EFSlg.54.855, 51.987, 46.528, 39.009) ist mit Recht anerkannt, daß das Kind nicht zur Haftung herangezogen werden kann, wenn ihm die zu Unrecht gewährten Vorschüsse überhaupt nicht zugekommen sind. Bestünde aber die in den Entscheidungen SZ 52/69 und RZ 1990/56 angenommene Akzessorietät zwischen einer primären Schuld des Kindes und einer subsidiären Haftung der übrigen im § 22 Abs 1 UVG genannten Personen tatsächlich, dann käme man zu dem - dem Gesetzeszweck eklatant widersprechenden - Ergebnis, daß diese Personen selbst bei vorsätzlicher Verletzung ihrer Pflichten nach § 11 Abs 2, § 21 UVG nicht zum Ersatz herangezogen werden könnten. Wenn sie die zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschüsse gar nicht dem Kind zugewendet hätten.
Mit einer ähnlichen Begründung hat der 2.Senat des Obersten Gerichtshofes in der schon zitierten Entscheidung EFSlg 46.545 eine Ersatzpflicht der subsidiär haftenden Personen auch für den Fall des Verbrauches der Vorschüsse für den Unterhalt des Kindes bejaht, käme man doch sonst zum Ergebnis, daß diese Personen nicht einmal bei vorsätzlicher Verletzung ihrer Mitteilungspflicht (§ 21 UVG) haftbar wären. Dieses Argument ist allerdings nur dann (in vollem Umfang) stichhaltig, wenn man der mit beachtlichen Gründen vorgetragenen Ansicht (Knoll aaO, Rz 4) folgt, daß der Gesetzgeber (trotz der Erwähnung der Entscheidungen SZ 13/262 und EvBl 1965/2 in der RV zum UVG) den Haftungsausschluß des Kindes auf den Verbrauch der Vorschüsse für seinen Unterhalt schlechthin abgestellt hat, "Redlichkeit" also
nicht fordert (so etwa Rekursgerichte in EFSlg 43.903, 46.530 =
RPflSlg A 1984, 81; EFSlg 54.852 H; EFSlg 57.587 = RPflSlg
A 1988, 141; aM EFSlg 54.859) oder dem Kind, das im Regelfall die Unterhaltsvorschüsse überhaupt nicht in seine Hand bekommt (vgl EFSlg 46.530), zumindest die Unredlichkeit Dritter - für welche der Gesetzgeber ohnehin eine eigene Deliktshaftung normiert hat - nicht zugerechnet wissen wollte. Beschränkt man allerdings den Haftungsausschluß des Kindes auf den Fall des redlichen Verbrauches der Vorschüsse und rechnet man dem Kind die Unredlichkeit Dritter zu, dann zieht eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Pflichten nach § 11 Abs 2 und § 21 UVG durch die subsidiär Ersatzpflichtigen in aller Regel ohnehin auch eine Rückzahlungspflicht des primär haftenden Kindes nach sich, weil es sich bei (qualifiziert) schuldhaftem Verhalten dieser Personen nicht auf einen "redlichen Verbrauch" für seinen Unterhalt berufen könnte. Andernfalls hätte aber die Berufung der subsidiär Ersatzpflichtigen auf den Verbrauch der Vorschüsse für den Unterhalt des Kindes in der Tat das unbefriedigende Ergebnis, daß sie selbst bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung ihrer Mitteilungspflichten nicht haften müßten.
Überwiegende Gründe sprechen somit für die in der Entscheidung EFSlg 46.545 vertretene Ansicht, daß der Umstand, daß das Kind wegen Verbrauches der Vorschüsse für den Unterhalt nicht zum Ersatz herangezogen werden kann, eine Heranziehung der Mutter und des gesetzlichen Vertreters nicht ausschließt. Subsidiäre Ersatzansprüche gegen den gesetzlichen Vertreter und diejenige Person, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befindet und hilfsweise auch gegen den Unterhaltsschuldner können vielmehr auch geltend gemacht werden, wenn das Kind zum Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse nicht verpflichtet werden kann, weil diese Vorschüsse zu seinem Unterhalt verbraucht worden sind.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher in den Grenzen des Rechtsmittelantrages, nämlich im Umfang der Beurteilung der Ersatzpflicht der Mutter und hilfsweise des Unterhaltsschuldners - und nicht umgekehrt wie im Rechtsmittelantrag - aufzuheben; die Rechtssache ist insoweit an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Anmerkung
E26002European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00552.91.0425.000Dokumentnummer
JJT_19910425_OGH0002_0060OB00552_9100000_000