TE OGH 1991/4/26 2Ob17/91

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Veröffentlicht am 26.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagten Parteien 1.) Josef F*****,

2.) OÖ L***** und 3.) VERSICHERUNGSANSTALT *****, alle vertreten durch Dr. Ewald Schmidberger, Dr. Kurt Keiler und Dr. Gerwald Schmidberger, Rechtsanwälte in Steyr, wegen S 52.192,-- sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1991, GZ 4 R 260/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 17. August 1990, GZ 5 Cg 159/89-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 4.688,56 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 781,43 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8.9.1989 ereignete sich im Stadtgebiet von Steyr im Kreisverkehr nahe dem Haus Haratzmüllerstraße 60 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter des PKW Toyota Corolla mit dem pol. Kennzeichen ***** und der Erstbeklagte als Lenker des VW-Busses mit dem pol. Kennzeichen ***** beteiligt waren. Die Zweitbeklagte war der Halter, die drittbeklagte Partei der Haftpflichtversicherer des VW-Busses. Der Kläger versuchte, von der Pachergasse kommend in den Kreisverkehr einzufahren, der Erstbeklagte wollte vom Kreisverkehr kommend zu der ESSO-Tankstelle zufahren. Dabei kam es zum Zusammenstoß der Fahrzeuge, wobei am PKW des Klägers ein Sachschaden von S 50.192,-- entstand.

Diesen sowie eine Wertminderung von S 2.000,-- begehrte der Kläger von den beklagten Parteien mit der Begründung ersetzt, der Erstbeklagte habe trotz vorhandener Sperrlinie die Pachergasse überqueren wollen und dadurch den Vorrang des Klägers verletzt.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug habe Vorrang gehabt. Die Sperrlinie sei in Fahrtrichtung des Erstbeklagten durchbrochen, um eine Zufahrt aus dem Kreisverkehr zur Tankstelle zu ermöglichen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger fuhr auf der Pachergasse stadtauswärts. Er wollte seine Fahrt nach dem Kreisverkehr in der Haratzmüllerstraße fortsetzen. Die Pachergasse weist vor dem Kreisverkehr in Fahrtrichtung des Klägers zwei durch eine Leitlinie getrennte Fahrstreifen auf, wobei der rechte für den die Richtung beibehaltenden Verkehr stadtauswärts und der linke für den Linksabbiegeverkehr Richtung Ennstalbrücke vorgesehen ist. Die bestimmungsgemäßen Fahrtrichtungen sind durch entsprechende Bodenmarkierungen gekennzeichnet. Links vom Linksabbiegestreifen befindet sich eine doppelte Sperrlinie, welche den stadtauswärts fließenden vom stadteinwärts fließenden Verkehr trennt. Diese Trennung findet unmittelbar vor dem Kreisverkehr in einer Verkehrsinsel ihre Fortsetzung.

Vor der Einfahrt in den Kreisverkehr befindet sich in Fahrtrichtung des Klägers gesehen ein Schutzweg; 1 m danach ist das Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt. Ab dem Schutzweg wird der rechte Fahrstreifen für den die Richtung beibehaltenden Verkehr stadtauswärts durch eine Sperrlinie vom Linksabbiegeverkehr und dem übrigen im Kreisverkehr befindlichen Verkehr abgetrennt. Links von dieser Sperrlinie befindet sich bis 11 m über das Ende des Schutzweges hinaus eine - zum Unfalszeitpunkt nicht sehr deutlich erkennbare - Leitlinie, die das Zufahren für Fahrzeuge, welche sich im Kreisverkehr befinden, zur rechts neben der Pachergasse gelegenen ESSO-Tankstelle ermöglichen soll. Die Einfahrt zur Tankstelle ist in der Natur durch einen abgeschrägten Bordstein ersichtlich. Sie beginnt 1 m nach der Vorrangtafel und hat eine Länge von 8 m.

In der Mitte des Kreisverkehrs befindet sich eine runde Verkehrsinsel. Bei sämtlichen Einfahrtsmöglichkeiten in den Kreisverkehr sind jeweils die Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt. Auf der Verkehrsinsel in der Mitte des Kreisverkehrs sind insgesamt 4 Gebotszeichen aufgestellt, die die Fahrtrichtung rund um die Verkehrsinsel vorschreiben.

Der Kläger näherte sich auf dem äußerst rechten Fahrstreifen der Pachergasse mit einer Geschwindigkeit von etwa 45 km/h. Auf dem Fahrstreifen links von ihm hielten die Fahrzeuge an, um dem im Kreisverkehr befindlichen Verkehr Vorrang zu gewähren. Das erste Fahrzeug, ein VW-Bus, stand etwa auf Höhe des eingangs beschriebenen Schutzweges und verdeckte dem Kläger die Sicht auf das im Kreisverkehr befindliche, vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug.

Der Erstbeklagte kam mit dem VW-Bus von der Ennstalbrücke, fuhr in den Kreisverkehr ein und betätigte den rechten Blinker, um anzuzeigen, daß er zur ESSO-Tankstelle zufahren wollte. Er rollte im Schrittempo vor und fuhr nach Anhalten des VW-Busses auf dem Linksabbiegestreifen weiter Richtung Tankstelle; auch ihm war die Sicht auf das Fahrzeug des Klägers verdeckt. Zum Zeitpunkt des Vorbeifahrens am anhaltenden VW-Bus war der rechte Blinker nicht mehr eingeschaltet. Zur Kollision zwischen den Fahrzeugen der Streitteile kam es in einem Bereich von 1 bis 3 m nach dem Ende des beschriebenen Schutzweges. Eine Reaktionseinleitung war für beide Fahrzeuglenker nicht mehr möglich. Der Kläger wurde auf das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug erst durch die Kollision aufmerksam.

Rechtlich lastete das Erstgericht dem Kläger das Alleinverschulden am Unfall an. Er hätte den dem Erstbeklagten gemäß § 19 Abs 2 StVO zukommenden, sich auf die ganze Fahrbahn beziehenden Vorrang beachten müssen. Auf Grund der links neben der Sperrlinie angebrachten Leitlinie und der erkennbaren Einfahrt zur Tankstelle habe er damit rechnen müssen, daß ein im Kreisverkehr befindlicher Verkehrsteilnehmer diesen in Richtung ESSO-Tankstelle verlassen könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision mangels oberstgerichtlicher Judikatur zum erhobenen Sachverhalt zulässig sei und führte rechtlich aus:

Kreisverkehr sei eine kreisförmige oder annähernd kreisförmig verlaufende Fahrbahn, die für den Verkehr in eine Richtung bestimmt ist (§ 2 Abs 1 Z 3 c StVO). Unter Fahrbahn sei der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße (§ 2 Abs 1 Z 2 StVO) zu verstehen. Kreuzung sei eine Stelle, an der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet, gleichgültig in welchem Winkel (§ 2 Abs 1 Z 17 StVO). Daraus folge, daß im Bereich der Einmündung der Pachergasse in den Kreisverkehr eine Kreuzung vorgelegen sei, für welche das angebrachte Vorschriftszeichen "Vorrang geben" gegolten habe. Dem Kläger sei der Beweis, der Erstbeklagte habe verkehrswidrig eine Sperrlinie überfahren, nicht gelungen. Liegen eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so habe der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt (§ 9 Abs 1 2. Satz StVO). Demnach sei der Erstbeklagte nicht verpflichtet gewesen, die Sperrlinie zu beachten, sondern durfte sie vielmehr in Richtung Tankstelleneinfahrt überfahren. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit den Entscheidungen ZVR 1987/31, ZVR 1979/246, ZVR 1982/165 und ZVR 1988/146 vergleichbar. In diesen Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof im wesentlichen die Ansicht vertreten, daß dann, wenn beim Zusammenmünden (nicht ganz) parallel geführter Straßen jedes Fahrzeug auf seinem Fahrstreifen bleibt, auch jedes seine Fahrt ungehindert fortsetzen könne, ohne den Vorrang des anderen - soweit eine Vorrangsituation angezeigt ist - zu verletzen. Ein Fahrstreifenwechsel sei in einem solchen Falle auch durch den Vorrangberechtigten nur nach vorheriger Anzeige und unter Beachtung der üblichen Vorsichtsmaßnahmen zulässig. Im hier zu beurteilenden Fall liege aber nicht eine Zusammenmündung von parallelführenden, durch Bodenmarkierungen oder bauliche Einrichtungen über eine längere Strecke getrennte Straße vor, vielmehr seien die beteiligten Fahrzeuge etwa im rechten Winkel zusammengestoßen. Somit wäre der Kläger verpflichtet gewesen, beim Einfahren in die Kreuzung sich entsprechend dem für ihn geltenden Vorschriftszeichen "Vorrang geben" zu verhalten und sich an dem ihm die Sicht verstellenden auf dem linken Fahrstreifen der Pachergasse befindlichen VW-Bus vorbeizutasten. Das Einfahren in die Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h sei ihm daher als Vorrangverletzung gegenüber dem vom Erstbeklagten gelenkten VW-Bus anzulasten.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger stützt sich zur Erweisung seines Rechtsstandpunktes auf die Entscheidungen ZVR 1987/31 und ZVR 1988/146. Diese können aber - wie das Berufungsgericht mit Recht darlegte - auf den hier gegebenen Sachverhalt nicht angewendet werden. In den bezogenen Fällen handelte es sich jeweils um die Zusammenführung zweier über eine längere Strecke sich allmählich nähernder, ineinander übergehender Straßen mit mehreren Fahrstreifen. Die vorliegende Kreuzung (§ 2 Abs 1 Z 17 StVO) ist demgegenüber eindeutig dadurch gekennzeichnet, daß einerseits für den sich auf der Pachergasse nähernden Kläger das negative Vorrangzeichen gemäß § 52 lit c Z 23 StVO galt und andererseits der zur Tankstelle im Kreisverkehr zufahrende Erstbeklagte nicht gehindert war, die auf seiner Seite befindliche Leitlinie (vgl § 9 Abs 1 zweiter Satz StVO) als gegenüber dem Kläger Vorrangberechtigter zu überfahren.

Alle diese Grundsätze hat bereits das Berufungsgericht klar herausgearbeitet. Demgemäß konnte der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 ZPO im wesentlichen auf die Richtigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidungsgründe verweisen.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25622

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00017.91.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19910426_OGH0002_0020OB00017_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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