TE OGH 1991/5/2 7Ob13/91

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Veröffentlicht am 02.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr.Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fachverband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, Wien 3., Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr.Hans Kreinhöfner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 478.881,57 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 498.881,57), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Jänner 1991, GZ 12 R 224/90-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23.Juli 1990, GZ 35 Cg 704/90-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Abweisung des Feststellungsbegehrens bestätigt.

Im Ausspruch über das Leistungsbegehren wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 17.September 1985 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Der schuldtragende Lenker des den Unfall verursachenden PKWs beging Fahrerflucht und konnte nicht ausgeforscht werden. Die Klägerin machte zunächst mit einer am 22.September 1986 eingebrachten Klage ein Schmerzengeld von S 100.000 sA, später ausgedehnt auf S 300.000, geltend. Noch vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz brachte sie am 16.September 1988 die vorliegende Klage auf Zahlung einer weiteren Entschädigung nach dem Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer (Verkehrsopfergesetz) und auf Feststellung der Haftung des beklagten Fachverbandes der Versicherungsunternehmungen (im folgenden nur Fachverband) für alle weiteren Schäden aus dem obgenannten Unfall ein. Dieses Verfahren wurde bis zur rechtskräftigen Beendigung des Vorprozesses unterbrochen. Im Vorprozeß wurde der Klägerin ein Schmerzengeld von S 170.000 sA zuerkannt und das Mehrbegehren abgewiesen.

Die Vorinstanzen wiesen das vorliegende Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Fachverband nach dem Gesetz nur zu einer einmaligen Kapitalzahlung verpflichtet sei. Der Zuspruch einer weiteren Entschädigung komme daher ebensowenig in Betracht wie der Ausspruch der Feststellung der Haftung des Fachverbandes für weitere Schäden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist zum Teil berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 5 Abs 1 VerkehrsopferG hat die Entschädigung ausschließlich durch einmalige Kapitalzahlung zu erfolgen. Ziel des Gesetzes war es nicht, einen vollwertigen Schadenersatz zu gewähren, es sollten lediglich die ärgsten Härten gegenüber Opfern von Straßenverkehrsunfällen gemildert werden, wenn keine Ansprüche aus einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend gemacht werden können. Die gesetzliche Regelung war auch insgesamt von der Absicht getragen, dem leistungspflichtigen Fachverband keine unüberblickbare Kostenbelastung und keinen übermäßigen Verwaltungsaufwand aufzuerlegen (506 BlgNR 14.GP 3 f). Ausgehend vom Wortlaut des § 5 Abs 1 VerkehrsopferG und der Zielsetzung des Gesetzgebers hat der Oberste Gerichtshof in den bisher behandelten Fällen ausgesprochen, daß nach (gerichtlicher) Zuerkennung und Erhalt einer Entschädigung die Geltendmachung von weiteren Ersatzansprüchen ausgeschlossen ist (VersR 1990, 550), daß aber auch schon nach Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz weitere Ansprüche nicht mehr erhoben werden können (JBl 1990, 527). Die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht, insbesondere für Schäden, auf deren Beseitigung zum Zeitpunkt der Kapitalzahlung noch kein Rechtsanspruch bestand, wurde verneint (SZ 56/8). Daß hiedurch oft nicht der gesamte Personenschaden gedeckt wird, wurde hiebei nicht verkannt; dies wird aber vom Gesetz, das nur den offensichtlichen Härtefall berücksichtigen will, in Kauf genommen (vgl SZ 56/8). Schon das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß sich der vorliegende Sachverhalt von dem der obgenannten Entscheidungen durch Anspruchserhebung vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung im Vorprozeß und jedenfalls vor der Kapitalzahlung unterscheidet. Es vernachlässigte dies jedoch aus der Erwägung, daß es dennoch zu einer zweiten Kapitalzahlung käme, die dem Wortlaut des § 5 Abs 1 VerkehrsopferG widerspreche. Der Sinn des Gesetzes, eine einmalige, den Zahlungspflichtigen nicht mit übermäßigem Verwaltungsaufwand belastende Entschädigung zu gewähren, rechtfertigt jedoch eine einschränkende Auslegung. Wurde die mündliche Streitverhandlung noch nicht geschlossen und befindet sich das Verfahren daher noch im Stadium der Sachverhaltsermittlung, entsteht dem Zahlungspflichtigen durch eine weitere Anspruchserhebung kein ins Gewicht fallender zusätzlicher Verwaltungsaufwand. An der einmaligen Kapitalzahlung würde sich auch durch eine (zulässige) Klagsausdehnung oder im Falle der Verbindung der beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung nichts ändern. Weitere Ansprüche können daher vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung auch durch eine weitere Klage geltend gemacht werden. Das Unterbleiben der Verbindung der beiden Rechtsstreite hindert im Falle der Berechtigung der Ansprüche deren Zuspruch nicht, auch wenn es faktisch dadurch zu einer weiteren Kapitalzahlung kommt.

Da die Vorinstanzen, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht eine Prüfung der Leistungsansprüche unterlassen haben, erweist sich insoweit eine Verfahrensergänzung in erster Instanz als erforderlich. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ist jedoch an der in der Entscheidung SZ 56/8 ausgesprochenen Rechtsansicht aus den dargelegten Erwägungen festzuhalten.

Im fortgesetzten Verfahren wird jedoch zu beachten sein, daß nach dem Verkehrsopfergesetz nur Personenschäden ersatzfähig sind und daß bei Zuspruch eines Schmerzengeldes in Teilbeträgen nicht mehr zuerkannt werden kann, als bei einer Globalbemessung (Jarosch-Müller-Piegler, Schmerzengeld5 186 f mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 1 VerkehrsopferG unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes bestehen nicht, da dieser nur sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen verbietet (VfSlg 5.356); eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung wurde schon vom Berufungsgericht zu Recht verneint.

Demgemäß ist der Revision teilweise Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E27136

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00013.91.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19910502_OGH0002_0070OB00013_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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