TE OGH 1991/5/7 4Ob40/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei M***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Alois Nußbaumer und Dr.Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 400.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23.Jänner 1990, GZ 3 R 255/90-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 10.Juli 1990, GZ 4 Cg 43/88-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.658,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.609,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Inhaberin der unter Nr. 115476 beim Österreichischen Patentamt mit der Priorität vom 7.Oktober 1986 für die Warenklasse 25 (Bekleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung, Schuhwaren) registrierten, nachstehend abgebildeten Wort-Bild-Marke:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Klägerin vertreibt unter dieser Marke Basketball- und Freizeitschuhe sowie Nylonstiefel mit der Bezeichnung "SNOW JOGGER". Seit dem Jahre 1984 bringt sie die Bezeichnung "New Line" auf 90 bis 95 % ihrer Sportschuhe, "City Boots" und "Moon Boots" an und verkauft diese sodann an Zwischen- und die Einzelhändler. Zu ihren Kunden gehören die N***** Ges.m.b.H., eine Schuheinkaufsgenossenschaft mit 124 Schuheinzelhändlern als Mitgliedern, die A***** Ges.m.b.H. mit 68 Mitgliedern, die U***** Ges.m.b.H., die M*****Großhandel, die M***** Versand Handelsgesellschaft m.b.H. und der Schuhhändler Otto K*****. Diese Unternehmen und Genossenschaften beziehen seit 1985 nur von der Klägerin Schuhe mit der Bezeichnung "New Line".

Im Bundesgremium des Schuhhandels bei der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft sind 2.798 Mitglieder gemeldet, 8,9 % davon als ruhend; rund die Hälfte dieser Mitglieder sind Kunden der Klägerin.

Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der H*****gesellschaft m.b.H. & Co KG. Diese bot im November 1987 in einem Prospekt Nylonstiefel unter der Bezeichnung "Super City Moonboot" mit der Aufschrift "NEW LINE" zum Verkauf an. In diesem Werbetext fand sich folgender Schriftzug:

Abbildung nicht darstellbar!

Eine gleichartige Aufschrift befand sich an der Außenseite des Stiefelschaftes.

Als die Beklagte Ende 1987 diese Bezeichnung verwendete, sandten 6 oder 7 Kunden der Klägerin dieser die Waren in der Meinung zurück, die Klägerin habe diese Schuhe mit der Bezeichnung "New Line" an die Beklagte billiger verkauft.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte durch die Verwendung der Bezeichnung "New Line" das Markenrecht der Klägerin verletze, begehrt diese, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, Bekleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung und Schuhwaren, unter Verwendung der für die Klägerin registrierten Wort-Bild-Marke oder eines ähnlichen Zeichens zu vertreiben und in den geschäftlichen Verkehr zu setzen, insbesondere auch durch Verwendung von Etiketten mit dem Wortbestandteil "New Line"; außerdem stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie selbst vertreibe keine Schuhwaren und sei daher nicht passiv legitimiert; sie habe die Wort-Bild-Marke der Klägerin nicht verwendet. Der Wortbestandteil "New Line" sei für sich allein mangels Unterscheidungskraft nicht schutzfähig. Zudem bestehe für diesen Ausdruck ein Freihaltebedürfnis, weil die "Neue Linie" im Bereich der Mode ein sprachgängiger Ausdruck sei, der nicht monopolisiert werden dürfe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte er noch fest, daß ein beträchtlicher Teil der Kunden der Klägerin - also Zwischen- und Einzelhändler - "Moon-Boots" und Sportschuhe mit der Bezeichnung "New Line" ausschließlich der Klägerin zuordnet und in der Markenbezeichnung "New Line" einen Hinweis auf das Unternehmen der Klägerin erblickt, während die Letztverbraucher beim Kauf von Waren der Klägerin keinen Hinweis auf die Klägerin sehen.

Rechtlich meinte der Erstrichter, daß die Wortfolge "New Line" für sich allein nicht unterscheidungskräftig sei, weil sie nur zum Ausdruck bringe, daß die damit bezeichneten Waren der neuesten Mode entsprächen. Eine solche Angabe über die Beschaffenheit der Ware (§ 4 Abs 1 Z 2 MSchG) wäre - für sich allein, ohne bestimmte graphische Gestaltung - nur bei Verkehrsgeltung registrierbar (§ 4 Abs 2 MSchG). Da zu den beteiligten Verkehrskreisen auch die Verbraucher gehörten, diese aber keinen Hinweis auf die Klägerin sähen, könne eine Verkehrsgeltung der Bezeichnung "New Line" für die Klägerin nicht angenommen werden. Im übrigen wäre die Bezeichnung "New Line" auch bei Verkehrsgeltung absolut schutzunfähig, weil dafür kein Ersatz vorhanden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Bezeichnung "New Line" sei ungeachtet einer allfälligen Verkehrsgeltung absolut schutzunfähig, weil sie der (englischen) Umgangssprache entstamme, keine Ersatzwörter vorhanden seien und daher ein Freihaltebedürfnis bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Bedeutung eines "absoluten Freihaltebedürfnisses" abgewichen ist; sie ist aber nicht berechtigt.

In Lehre (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 48, 166 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 1198 Rz 39 zu § 16 dUWG) und Rechtsprechung (SZ 49/65; SZ 54/1; ÖBl 1983, 44; ÖBl 1983, 48; ÖBl 1985, 11 ua) war zunächst ganz allgemein ausgesprochen worden, daß ein von vornherein nicht schutzfähiges Zeichen eine Schutzfähigkeit auch nicht durch Verkehrsgeltung erlangen könne; das gelte insbesondere für Wörter, die der Umgangssprache oder einer Fachsprache angehören, wenn für sie ein Freihaltebedürfnis besteht, solle doch ein Wort, auf das der Verkehr unbedingt angewiesen ist, durch Monopolisierung zugunsten einer bestimmten Person dem Sprachgebrauch entzogen werden. Fehle aber das absolute Freihaltebedürfnis, dann seien auch Wörter der Umgangssprache schützbar, wenn die Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat (ÖBl 1972, 15; ÖBl 1977, 41; SZ 54/1). Schönherr meinte demgegenüber, daß sich in Wahrheit eine Grenze zwischen Zeichen "ohne die erforderliche Kennzeichnungskraft", die "an sich schutzfähig sind", und "von vornherein nicht schutzfähigen Zeichen" nicht ziehen lasse und immer willkürlich bleiben müsse. Das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses bilde keine taugliche Abgrenzung; es beschränke sich im übrigen darauf, den Mitbewerbern den kennzeichenmäßigen Gebrauch des betreffenden Wortes zu wahren, könne doch ein Wort durch die Registrierung als Marke oder die Anerkennung von Ausstattungsschutz nie der "Verständigung der Menschen" oder der "Sprache" an sich entzogen werden (WRP 1978, 272).

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung müssen für die Abgrenzung zwischen Bezeichnungen, die absolut schutzunfähig sind, und solchen, denen bei Verkehrsgeltung ein Schutz nach § 9 Abs 3 UWG zukommt, - jedenfalls soweit es um die Bezeichnung von Waren und Dienstleistungen geht - dieselben Kriterien herangezogen werden, die nach § 4 Abs 1 Z 2 und 3 MSchG iVm § 4 Abs 2 MSchG für die Frage entscheidend sind, in welchen Fällen bei Verkehrsgeltung eine Registrierung als Marke möglich ist (SZ 54/1, ÖBl 1983, 44 und 48; ÖBl 1985, 11; ÖBl 1987, 24). Absolut schutzunfähig sind daher auch nach Wettbewerbsrecht Zeichen, die zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen in Verkehr allgemein gebräuchlich sind; auf sie ist nämlich der Geschäftsverkehr zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen angewiesen, weshalb derartige Wörter nicht zugunsten einer Person monopolisiert werden dürfen. Hingegen können Wörter, die zwar - für sich gesehen - keine Unterscheidungskraft haben, sondern ausschließlich Angaben im Sinn des § 4 Abs 1 Z 2 MSchG enthalten, bei entsprechender Verkehrsgeltung Schutz erlangen.

Die Bezeichnung "New Line" ist zweifellos nicht "zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich" (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG); sie bringt nur zum Ausdruck, daß die damit bezeichneten Waren der neuesten Mode entsprechen. Bei dieser Wortfolge handelt es sich demnach um eine Angabe über die Beschaffenheit der Ware (§ 4 Abs 1 Z 1 MSchG), welcher zwar - für sich gesehen - keine Unterscheidungskraft zukommt, die aber bei entsprechender Verkehrsgeltung den Schutz nach § 9 Abs 3 UWG erlangt (SZ 54/1; ÖBl 1987, 24).

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kommt es daher sehr wohl darauf an, ob der Klägerin der Beweis geglückt ist, daß die Bezeichnung "New Line" innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen ihres Unternehmens gilt. Wie schon im Provisorialverfahren ausgeführt, kann sich ja die Klägerin nicht mit Erfolg allein auf ihre registrierte Wort-Bild-Marke stützen, weil die Beklagte nur deren Wortbestandteil verwendet (4 Ob 69/88).

Sie hat in erster Instanz die zu ihren Gunsten bestehende Verkehrsgeltung des Zeichens "New Line" nur damit begründet, daß sämliche ihrer Kunden ihr diese Bezeichnung zuordnen (S. 89). Die Klägerin beliefert mit ihren Waren rund die Hälfte aller österreichischen Schuhhändler. Die im Ersturteil getroffene Feststellung, daß "ein beträchtlicher Teil" der Kunden der Klägerin "Moon Boots" und Sportschuhe mit der Bezeichnung "New Line" ausschließlich der Klägerin zurechnen und diese Bezeichnung als Hinweis auf deren Unternehmen ansehen, hat die Klägerin als das Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft; sie hat die Feststellung begehrt, daß sämtliche Kunden ihres Unternehmens in der Bezeichnung "New Line" einen Hinweis auf die Klägerin erblicken (S. 190 f). Daß das Gericht zweiter Instanz diese Beweisrüge nicht behandelt hat, schadet jedoch nicht, weil auch ein Erfolg der Beweisrüge zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis hätte führen können:

Entgegen der Meinung des Erstrichters braucht zwar die Verkehrsgeltung nicht in allen beteiligten Kreisen - Großhändler, Einzelhändler, Verbraucher - zu bestehen; vielmehr genügt es, wenn auch nur ein nicht unbeträchtlicher Teil einer der im konkreten Fall angesprochenen Gruppen in der Bezeichnung einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sieht (SZ 31/68; ÖBl 1966, 143; ÖBl 1986, 25 ua; Hohenecker-Friedl aaO 48); daß die Verbraucher das Zeichen "New Line" mit der Klägerin nicht in Verbindung bringen, steht daher der Annahme einer Verkehrsgeltung noch nicht im Wege. Entscheidend ist jedoch, ob schon die Zuordnung durch 50 % der Schuhzwischen- und -einzelhändler - welcher Prozentsatz dann gegeben wäre, wenn tatsächlich alle Kunden der Klägerin dieser das Zeichen "New Line" zuordnen sollten - für die Annahme einer Verkehrsgeltung ausreicht. Ab welchem Grad der Zuordnung Verkehrsgeltung eingetreten ist, läßt sich nicht allgemein beantworten; das hängt vielmehr davon ab, wie unterscheidungskräftig das Zeichen an sich ist und in welchem Umfang ein Freihaltebedürfnis besteht. Je höher das Freihaltebedürfnis ist und je geringer die Kennzeichnungskraft ist, desto höher muß die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen (Hodik, Der Grad der Verkehrsgeltung und seine Feststellung, ÖBl 1983, 1 ff (2); vgl Schönherr aaO;

Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 149 f, insbesondere 151;

ÖBl 1987, 63). Bei einem Gestaltungsmerkmal, an dem nur ein geringes Freihaltebedürfnis besteht, wurde eine positive Zuordnung durch rund 42 % der befragten Erzeuger und Händler als zur Bejahung der Verkehrsgeltung ausreichend angesehen ÖBl 1986, 25); für einen Slogan, dem eine gewisse, wenngleich nicht allzu große, Unterscheidungskraft zugebilligt wurde, reichte ein positiver Zuordnungsgrad von 57 % zur Annahme der Verkehrsgeltung dieser Wortfolge aus (ÖBl 1987, 24). Bei Beschaffenheitsangaben, die aus weithin gebräuchlichen Ausdrücken bestehen, an deren Freihaltung der Verkehr stark interessiert ist und die auch für sich nicht besonders unterscheidungskräftig sind, reicht jedoch ein Bekanntheitsgrad von 50 % nicht aus; in diesem Fall sind an den Nachweis der Verkehrsgeltung besonders hohe Anforderungen zu stellen (ÖBl 1974, 139 mwN; SZ 54/1; Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht12, 362 Rz 110 zu § 4 WZG). Soll ein im Sprachgebrauch nur schwer entbehrbares Wort monopolisiert werden, dann muß die Kennzeichnungskraft einhellig oder nahezu einhellig bejaht werden (OPM in PBl 1983, 139 ua; Baumbach-Hefermehl aaO mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BG und des BPatG).

Da das Zeichen "New Line" allgemein - auch im deutschen Sprachraum - nur als Hinweis auf eine "Neue Linie", also auf Modernität, aufgefaßt wird und daher einer besonderen Originalität und damit Unterscheidungskraft entbehrt, gleichzeitig aber auch für andere Unternehmer ein Bedürfnis bestehen könnte, ihre Waren als solche einer "New Line" anzupreisen, sind an den Grad der Verkehrsgeltung zugunsten der Klägerin hier so hohe Anforderungen zu stellen, daß eine Zuordnung durch 50 % der Schuhhändler jedenfalls nicht genügen würde.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25664

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00040.91.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19910507_OGH0002_0040OB00040_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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