Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ApG 1907 §10 Abs2 idF 1984/502;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und den Senatspräsidenten Dr. Puck sowie die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Mag. pharm. BD in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 12. Dezember 1989, Zl. 562.120/1-VI/15-1989, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Bad Häring (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. pharm. GS in W, 2. Dr. med. MH in B, beide vertreten durch Dr. Walter Breitwieser jun., Rechtsanwalt in 4600 Wels, Maria-Theresien-Straße 6; 3. Mag. pharm. FP in K;
4. "I-Apotheke" KG, vertreten durch Mag. pharm. FT in K; 5. Z-Apotheke Mag. pharm. K in W, vertreten durch Dr. Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Boznerplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.043,52 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 14. September 1989 wies der Landeshauptmann von Tirol das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Bad Häring gemäß § 10 Abs. 2 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 (im Folgenden: ApG), in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1984, BGBl. Nr. 502 (im Folgenden: ApGNov 1984), mangels Bedarfes wegen Nichterreichens der Anzahl von 5.500 zu versorgenden Personen ab.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
1.2. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1989 wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst diese Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In diesem Bescheid wurde unter anderem die erstinstanzliche Sachverhaltsfeststellung übernommen, dass die Entfernung zwischen der Betriebsstätte der beantragten neuen öffentlichen Apotheke zur nächstgelegenen Betriebsstätte einer bestehenden öffentlichen Apotheke mehr als vier Kilometer betrage. Im Übrigen wurde festgestellt, dass die für die Bedarfsbegründung maßgebliche Zahl von 5.500 von der neuen öffentlichen Apotheke in Bad Häring zu versorgenden Personen nicht erreicht werde. Da schon auf Grund des Bedarfsmangels die Berufung abzuweisen sei, habe die Gefährdung des Fortbestandes von Nachbarapotheken durch die beantragte Apotheke nicht mehr geprüft werden müssen.
Im Besonderen sei davon auszugehen, dass in der Gemeinde Bad Häring als Standortgemeinde unbestritten lediglich 2.216 Einwohner (inklusive "Zweitwohnbesitzer zur Hälfte") zu verzeichnen seien. In nur vier Kilometer Entfernung befinde sich bereits die nächste öffentliche Apotheke in Kirchbichl, "sodass der in § 10 Abs. 2 Z 1 lit. a ApG genannte 4 km-Umkreis nicht unreflektiert zum Tragen kommt", sondern nur insoweit, als für die beantragte Apotheke für gewisse Bevölkerungsteile eine relevante Wegersparnis in Frage komme. Schon aus der geographischen Lage, der Siedlungsdichte und der Situierung der bestehenden Kirche (richtig wohl: Apotheke) in Kirchbichl sei klar ersichtlich, dass nur ein geringer Teil der Bevölkerung von Kirchbichl hiefür in Frage komme. Selbst "bei globaler Betrachtungsweise" seien von den rund 4.800 Personen in Kirchbichl daher maximal 1.000 Personen als eventuell tatsächlich zu versorgend anzusehen. Laut Erhebungen der erstinstanzlichen Behörde würden ohnehin nur maximal 15 % der Kirchbichler Bevölkerung (das seien 720 Einwohner) nach Bad Häring tendieren, weshalb die obangeführte Zahl ohnehin als nach oben gerundet anzusehen sei.
Das Gleiche gelte für die Gemeinde Langkampfen (Oberlangkampfen), wobei auch noch die zu bewältigende große Straßensteigung zur Erreichung des Mittelgebirgsplateaus von Bad Häring "beachtlich" sei. Von den 528 Einwohnern von Oberlangkampfen sei auf Grund der geographischen Gegebenheiten mit Sicherheit nicht einmal die Hälfte als zu versorgende Personen anzusehen, zumal - wie sich aus der Landkarte zeige - die öffentliche Apotheke in Kirchbichl meist näher gelegen sei und keine unwegsamen Straßensteigungen zu überwinden seien (rund 200 Personen).
Schwoich liege unbestritten überhaupt zum Großteil über vier Kilometer entfernt. Zwar seien auch Personen, die von außerhalb dieses 4 km-Umkreises in diese Zone einfluteten, zu berücksichtigen, jedoch kämen auch bei großzügiger Betrachtungsweise von den Gesamteinwohnern von Schwoich von rund 2.000 Personen lediglich 1.000 Personen in Betracht. Zum einen erfolge unbestrittener Maßen die medikamentöse Versorgung durch die nächste öffentliche Apotheke in Kufstein, zum anderen bestehe nach dem Bericht der Bezirkshauptmannschaft Kufstein eine ziemlich schlechte Straßenverbindung zwischen Bad Häring und Schwoich.
Aus diesen Ermittlungsergebnissen folge nicht, dass die Mindestzahl von 5.500 zu versorgenden Personen erreicht werde. Zu diesen rund 4.400 Personen seien "keine anderen wesentlichen Bedarfsfaktoren hinzuzufügen". Wie sich aus dem erstinstanzlichen Bescheid ergebe, seien kaum Pendler vorhanden; zusätzlich kämen nur etwa 300 Personen als "Einwohnergleichwert an Fremdenverkehr" und etwa 200 Personen hinsichtlich des Kurmittelhauses in Betracht. Das Rehabilitationszentrum werde erwiesenermaßen durch einen Großhandelsbetrieb und von einer öffentlichen Apotheke in Wörgl beliefert.
Die für die Bedarfsbegründung maßgebliche Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen werde jedenfalls nicht erreicht. Da die Berufung schon auf Grund des Bedarfsmangels abzuweisen gewesen sei, habe die Gefährdung des Fortbestandes von Nachbarapotheken nicht geprüft werden müssen.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof und verband damit einen auf Art. 140 Abs. 1 letzter Satz B-VG gestützten Gesetzesprüfungsantrag.
Mit Beschluss vom 27. September 1990, B 105/90, G 16/90, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und wies den Gesetzesprüfungsantrag zurück. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abgetreten. In der Begründung des Ablehnungsantrages wurde auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 8765/1980, 10.386/1985 und 10.692/1985 - diese Entscheidungen betrafen die Frage der Prüfung der Existenzgefährdung von bestehenden Nachbarapotheken -, hingewiesen; vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung lasse das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid vornehmlich tragenden Bestimmungen des ApG in der Fassung vor der Apothekengesetznovelle 1990 die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
1.4. Mit Beschluss vom 1. Juli 1991, Zl. 90/10/0181, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die abgetretene Beschwerde ein, weil die Beschwerdeführerin die auftragsgemäße Mängelverbesserung unterlassen hatte.
1.5. Dem in der Folge von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gab der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. Februar 1992, Zl. 91/10/0171, gemäß § 46 VwGG statt.
1.6. In ihrer Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Konzessionserteilung verletzt, weil ein Bedarf für die neu angesuchte Apotheke gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 ApG idF der ApGNov 1984 gegeben sei. Der angefochtene Bescheid sei wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zu einer Zahl von weit mehr als 5.500 zu versorgenden Personen gelangen müssen.
Die Beschwerdeführerin regt die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages hinsichtlich der Regelungen über die Bedarfsprüfung an. Unter Hinweis auf die Ausführungen von Puck, Die Prüfung des Bedarfes bei öffentlichen Apotheken, Winkler-FS 1989, 213, 233, erscheine eine neben dem im öffentlichen Interesse gelegenen und sachlich gerechtfertigten Existenzgefährdungsschutz für bestehende öffentliche Apotheken vorgesehene Bedarfsprüfung als weitere Voraussetzung für die Konzessionserteilung für eine neue öffentliche Apotheke verfassungsrechtlich bedenklich im Hinblick auf Art. 6 StGG; die Beurteilung des Kundenpotentials und damit der künftigen Lebensfähigkeit der neuen Apotheke solle dem Kaufmann selbst überlassen bleiben; die Freiheit der unternehmerischen Disposition, das eigenverantwortliche Abschätzen von Erfolg und Risiko gehöre zum Kernstück der grundrechtlichen Erwerbsausübungsfreiheit.
Im Einzelnen werde zu den potentiellen Kunden im Bereich der Gemeinde Schwoich ausgeführt, dass die Poligongrenze ca. 400 m westlich der Kirche im Ortszentrum von Schwoich verlaufe. Die Entfernung des Ortszentrums von Schwoich zum Standort der Apotheke in Bad Häring betrage ca. 4 km und zur nächstgelegenen Apotheke in Kufstein 6,2 km. Durch die Übernahme der Verbindungsstraße zwischen Schwoich und Bad Häring in das Verzeichnis der Landesstraßen und durch einen vorzüglichen Ausbau dieser Straße sei die "gegenseitige Frequenz der beiden Gemeinden im ständigen Anstieg" begriffen. Bei der Fahrt nach Kufstein hingegen müsse auf der Eiberg-Bundesstraße mit sommerlichen und winterlichen Schwierigkeiten gerechnet werden. Es sei anzunehmen, dass Patienten aus Schwoich, die den dort tätigen Arzt oder die beiden Ärzte in Kirchbichl mit Praxen im Bereich der Auffahrt nach Bad Häring konsultierten, die Medikamente in Bad Häring besorgen würden. Es seien daher zumindest drei Viertel der Einwohner von Schwoich als zu versorgende Personen der neuen Apotheke anzusehen.
Sodann werden Gründe angeführt, die dafür von Bedeutung seien, dass sich nicht nur ein Teil der Bevölkerung von Oberlangkampfen, sondern ein darüber hinausgehender Personenkreis der angesuchten Apotheke in Bad Häring und nicht jener in Kirchbichl zuwenden werde.
Die belangte Behörde hätte davon ausgehen müssen, dass auf dem zusammengehörigen und dicht geschlossenen Mittelgebirge Bad Häring - Schwoich ca. 4.600 ständig wohnhafte Personen zu versorgen und zusätzlich ca. 133.000 Nächtigungen zu berücksichtigen seien. Unter Heranziehung von weiteren Einzugsgebieten aus Teilen der Gemeinden Kirchbichl und Langkampfen hätte sich - selbst bei Ansatz der unrealistisch niedrigen Werte im angefochtenen Bescheid - eine Zahl von zu versorgenden Personen von weit mehr als 5.500 ergeben.
1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die erst- und zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
1.8. Mit Beschluss vom 29. Juni 1998, A 74/98 (9210/0062), stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auszusprechen, dass
1. in § 10 Abs. 2 erster Satz des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1984, BGBl. Nr. 502, die Worte "insbesondere die Anzahl der zu versorgenden Personen unter Berücksichtigung der ständigen Einwohner und",
2.
§ 10 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. sowie
3. a)
in § 10 Abs. 2 dritter Satz Z 1 leg. cit. die lit. a (einschließlich der ihr folgenden Gliederungsbezeichnung "b)"),
b) in eventu in § 10 Abs. 2 dritter Satz leg. cit. die Z 1 (einschließlich der ihr folgenden Gliederungsbezeichnung "2."),
verfassungswidrig waren.
Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2001, G 123/98, Slg. Nr. 16.393/2001, abgewiesen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 9 ApG ist der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, die nicht auf einem Realrecht beruht, nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig. Die persönlichen Voraussetzungen hiefür sind in § 3 leg. cit. geregelt. § 10 ApG regelt die sachlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung.
§ 10 ApG in der Fassung der ApGNov 1984 lautete:
"§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat,
2.
ein Bedarf für eine Apotheke besteht und
3.
durch die Neuerrichtung die Existenzfähigkeit bestehender öffentlicher Apotheken nicht gefährdet wird.
(2) Bei der Prüfung des Bedarfes sind insbesondere die Anzahl der zu versorgenden Personen unter Berücksichtigung der ständigen Einwohner und die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke zu berücksichtigen. Ferner sind die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie der Verkehr im Standort und in der Umgebung, die vorhandenen Krankenanstalten, Heime, Schulen und Erziehungsanstalten, größere gewerbliche und industrielle Betriebe, der Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standort und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken sowie deren Turnusdienst in Betracht zu ziehen. Ein Bedarf ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn
1. a) in Orten, in denen keine öffentliche Apotheke besteht, die Zahl der in einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt oder
b) in Orten, in denen eine oder mehrere öffentliche Apotheken bestehen, die Zahl der von der neuen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt und
2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen Apotheke weniger als 500 m beträgt. Diese Entfernung darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.
(3) Eine öffentliche Apotheke gilt in ihrer Existenzfähigkeit gefährdet, wenn der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erscheint.
...
(4) Besteht ein zwingender Bedarf der Bevölkerung nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke, so ist die Konzession trotz Gefährdung der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke zu erteilen."
2.2. Die Abweisung des Ansuchens der Beschwerdeführerin um Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Bad Häring erfolgte wegen mangelnden Bedarfs und ist nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 10 Abs. 2 ApG idF der ApGNov 1984 gestützt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass wohl das Bedarfskriterium der erforderlichen Mindestentfernung zwischen den Apothekenbetriebsstätten erfüllt ist, die für die Bedarfsbegründung maßgebliche Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen jedoch nicht erreicht wird.
2.3. Mit seinem Erkenntnis vom 2. März 1998, Slg. Nr. 15.103 = ZfVB 1998/3/923, hat der Verfassungsgerichtshof § 10 Abs. 2 Z 1, § 10 Abs. 3 und die Wortfolge "3 oder" in § 10 Abs. 5 ApG in der Fassung BGBl. Nr. 362/1990 wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung als verfassungswidrig aufgehoben. Nach diesen Bestimmungen bestand ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke nicht, wenn die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 betrug. Während der Verfassungsgerichtshof die Regelung des ApG in der Fassung der ApGNov 1990 betreffend den Bestandschutz bestehender und durch die neue öffentliche Apotheke betroffener öffentlicher Apotheken, der zufolge diesen ein Kundenpotential von eben dieser Größe von
5.500 Personen verbleiben musste, nicht als verfassungswidrig aufhob, erachtete er die erwähnte Bedarfsbestimmung als verfassungswidrig. Er könne, so wurde ausgeführt, nicht erkennen, warum das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke gefährdet sein könnte, wenn die ordnungsgemäße Heilmittelversorgung durch die bisher bestehenden öffentlichen Apotheken in Folge der Neuerrichtung nicht gefährdet werde. Die Einschätzung der Existenzfähigkeit der neuen öffentlichen Apotheke sei Sache des Konzessionswerbers. Die Regelung über das Vorliegen eines Mindestkundenpotentials als Konzessionsvoraussetzung diene nicht etwa dem Interesse der Bevölkerung an einer klaglosen Versorgung mit Heilmitteln, sondern eher dem Schutz des Konzessionswerbers vor unrentablen Investitionen. Für einen solchen Schutz seien keine öffentlichen Interessen erkennbar. Während der Existenzgefährdungsschutz sachlich gerechtfertigt sei, erweise sich das Erfordernis eines Bedarfes in Form einer bestimmten Anzahl zu versorgender Personen als Konzessionsvoraussetzung für die neue öffentliche Apotheke nicht im öffentlichen Interesse gelegen (im Ergebnis ebenso schon Puck, Die Prüfung des Bedarfes bei öffentlichen Apotheken, Winkler-FS 1989, 219, 233;
Steindl, Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu § 10 Apothekengesetz, ÖAZ 1998, 298, FN 41).
Im Erkenntnis vom 10. Dezember 2001, Slg. Nr. 16.393, hat der Verfassungsgerichtshof diese Erwägungen nicht auf die Bedarfsbestimmungen des ApG in der Fassung der ApGNov 1984 übertragen, wie dies der Verwaltungsgerichtshof seinem Gesetzesprüfungsantrag zu Grunde gelegt hatte. Der Verfassungsgerichtshof erachtete die Bindung der Konzessionserteilung an das Vorliegen eines wie in der ApGNov 1984 umschriebenen Bedarfes für die neue öffentliche Apotheke - neben dem auch nach dieser Fassung des ApG gegebenen Existenzgefährdungsschutz für die bestehenden öffentlichen Apotheken - für verfassungskonform. Anders als der sich in seinem Gesetzesprüfungsantrag auf die Gesetzesmaterialien, die Entstehungsgeschichte, seine ständige Rechtsprechung und Literatur stützende Verwaltungsgerichtshof ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass ein Bedarf nicht gegeben sei, wenn die Zahl der von der neuen öffentlichen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5.500 und (kumulativ, nicht aufzählendalternativ verstanden) die Entfernung zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke weniger als 500 m betrage. Das Nichterreichen eines Mindestpotentials an 5.500 künftigen Kunden der neuen öffentlichen Apotheke bewirke also nur dann einen Bedarfsmangel, wenn auch die Mindestentfernung von 500 m zwischen der Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke und jener der nächstgelegenen bestehenden Apotheke unterschritten werde.
Nach dieser Auffassung liege der Konzeption des § 10 Abs. 2 ApG in der Fassung aus 1984 die Intention des Gesetzgebers zu Grunde, Messgrößen festzulegen, die geeignet wären, den zuständigen Behörden die Feststellung des Bedarfs an Hand objektiver Kriterien zu erleichtern. Dass es sich dabei um kein starres System handle, werde auch durch die in § 10 Abs. 2 Z 2 ApG formulierte Ausnahme klar. Die Formulierung des § 10 Abs. 2 ApG in der Fassung aus 1984 verpflichte die Behörde zur Überprüfung des Bedarfs und gebe beispielhaft Anhaltspunkte dafür, wie sie dabei vorzugehen habe ("Lebensverhältnisse der Bevölkerung", "Verkehr im Standort und in der Umgebung" etc). Unter anderem seien auch ein zahlenmäßiges Kriterium (5.500 Personen) und ein Entfernungskriterium (500 m) genannt.
Das in § 10 Abs. 2 Z 1 lit. a ApG in der Fassung der ApGNov 1984 festgelegte Kriterium von 5.500 zu versorgenden Personen sei von den zuständigen Behörden "jedenfalls 'flexibel' zu verstehen, das heißt nur als Messgröße als Hilfestellung bei der Beurteilung eines Bedarfs anzuwenden".
§ 10 ApG in der Fassung aus 1984 sei folglich verfassungskonform so zu interpretieren, dass eine Konzession nicht schon deshalb versagt werden dürfe, weil die Zahl der von der neu zu errichtenden Apotheke aus zu versorgenden Personen unter 5.500 liege. Vielmehr sei jedenfalls, wenn die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke mehr als 500 m betrage, zu prüfen, ob im Sinne der in § 10 Abs. 2 erster und zweiter Satz ApG geregelten Verhältnisse ein Bedarf an der Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke bestehe. Sei dies der Fall, so sei die Konzession zu erteilen.
2.4.1. Vor dem Hintergrund des vorstehenden, auf eine verfassungskonforme Auslegung gestützten Auslegungsergebnisses ist das Vorliegen eines Mindestpotentials an künftigen Kunden von
5.500 Personen (bei mehr als 500 m Entfernung der Betriebsstätten voneinander) nicht das alleinige Bedarfskriterium. Die Unterschreitung dieser Zahl kann auch durch ein besonderes Hervortreten eines anderen Bedarfskriteriums oder das Zusammenwirken anderer Bedarfskriterien des Gesetzes, die in § 10 Abs. 2 zweiter Satz ApG in der Fassung aus 1984 genannt sind, aufgewogen werden. Nach dieser Bestimmung sind - außer der Anzahl der zu versorgenden Personen und der Entfernung zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke - "ferner ... die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie der Verkehr im Standort und in der Umgebung, die vorhandenen Krankenanstalten, Heime, Schulen und Erziehungsanstalten, größere gewerbliche und industrielle Betriebe, der Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standort und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken sowie deren Turnusdienst in Betracht zu ziehen". Anders als in der bisherigen Rechtsprechung zu § 10 Abs. 2 ApG in der Fassung der ApGNov 1984 sind diese Kriterien nicht nur zur quantifizierenden Abschätzung der Nachfrage, vor allem jener, die nicht aus dem Umkreis von vier Straßenkilometern von der neuen öffentlichen Apotheke ihren Ausgang nimmt, hilfsweise (unter dem Gesichtspunkt, warum und in welchem Ausmaß sich Kunden an die neue öffentliche Apotheke wenden werden) heranzuziehen, sondern haben neben dem wesentlichen Merkmal der Zahl der potentiell zu versorgenden Personen selbständige Bedeutung.
In dieser Sicht der Norm ist die Rechtslage ähnlich wie jene vor der ApGNov 1984, nach der noch nicht auf eine zahlenmäßig bestimmte Mindestnachfrage abgestellt wurde, sondern "auf das Bedürfnis der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen (war), wobei insbesondere die Anzahl und die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie der Verkehr im Standorte und in der Umgebung, die vorhandenen Kranken- und Humanitätsanstalten, Schulen und Erziehungsanstalten, größere gewerbliche und industrielle Betriebe, ferner der Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standorte und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken in Betracht zu ziehen sind." Denn auch nach der Rechtsprechung zu den damaligen Bedarfskriterien wurde im Bemühen um ein greifbares und objektiviertes Abwägungskriterium das Schwergewicht auf die voraussichtliche Zahl der zu versorgenden Bevölkerung gelegt.
2.4.2. Die belangte Behörde hat - auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung - für den Bedarf ausschließlich das Erreichen der Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen als maßgebend erachtet. Sie verneinte das Vorliegen der Konzessionsvoraussetzungen, weil "die für die Bedarfsbegründung maßgebliche Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen jedenfalls nicht erreicht" wurde. Die von ihr zum Ausdruck gebrachte Auffassung über den Inhalt der Rechtsnorm schließt eine Konzessionserteilung bei Unterschreiten des Mindestkundenpotentials von 5.500 zu versorgenden Personen aus. Der angefochtene Bescheid erweist sich aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Ausgehend von dieser (wie der Verfassungsgerichtshof herausgestellt hat) unzutreffenden Rechtsauffassung hat sich die belangte Behörde in der Folge mit dem von ihr festgestellten Kundenpotential von ca. 4.900 Personen - welches ganz offenkundig nicht so gering ist, dass das Zurückbleiben hinter der Grenze von
5.500 Personen keinesfalls durch andere gesetzliche Bedarfsgesichtspunkte aufgewogen werden könnte - in Abwägung mit weiteren Bedarfskriterien überhaupt nicht mehr befasst. Soweit Bedarfskriterien aus der Aufzählung des § 10 Abs. 2 zweiter Satz ApG berücksichtigt wurden, erfolgte dies ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob und in welchem Ausmaß diese zu einer Erhöhung des Kundenpotentials beitrügen. Dadurch, dass die belangte Behörde zu den neben dem (hier nicht ausreichenden) Kundenpotenzial zu berücksichtigenden weiteren Bedarfskriterien keine Feststellungen getroffen und keine begründete Abwägung derselben mit dem die Messzahl von 5500 zu versorgenden Personen nicht erreichenden Kundenpotenzial vorgenommen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel belastet.
2.5. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG in Verbindung mit § 1 Z 1 lit. a und § 3 Abs. 2 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die von der Beschwerdeführerin entrichteten Stempelgebühren von S 720,-- waren dabei gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, mit EUR 52,32 in Ansatz zu bringen.
2.7. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2001, Slg. Nr. 16.393/2001 - der vorliegende Beschwerdefall bildete den Anlassfall dieses Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof - bedarf es keiner Beschlussfassung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG, wenn diesbezüglich von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zu dieser etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 88/08/0257 = ZfVB 1990/5/2058, mwH) abgegangen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/03/0132).
2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes
nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 19. Dezember 2005
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002100025.X00Im RIS seit
06.02.2006