Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wilhelm Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Kurt Resch (Arbeitgeber) und Richard Paiha (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Walter K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Dezember 1990, GZ 34 Rs 221/90-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. Juli 1990, GZ 22 Cgs 21/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 301,92 S Umsatzsteuer mit 1.811,52 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 13. November 1989 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Ausgleichszulage mit der Begründung ab, daß seine Waisenpension von 1.721,-- S monatlich zuzüglich einer Rente nach dem Impfschadengesetz von 15.535,-- S monatlich und seines Unterhaltsanspruches gegen seine Mutter von 1.092,60 S monatlich den für ihn geltenden Richtsatz von 3.382,-- S übersteige.
Die dagegen rechtzeitig erhobene, auf eine Ausgleichszulage in "gesetzlich gewährter Höhe" gerichtete Klage stützt sich darauf, daß die wegen nach einer Impfung aufgetretener schwerer cerebraler Schäden gewährte Rente nach dem Impfschadengesetz nach § 292 Abs 4 lit d ASVG außer Betracht zu bleiben habe und daß auch die nur grob geschätzte, nicht real bewertete Unterhaltsleistung der Mutter nicht berücksichtigt werden dürfe.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil die Rente nach dem Impfschadengesetz nur teilweise außer Betracht zu bleiben habe und die Waisenpension und die zu berücksichtigenden Teile dieser Rente die Höhe des Richtsatzes überschreiten würden.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es stellte fest, daß der (am 19. Dezember 1954 geborene) Kläger (nach seinem bei der beklagten Partei versichert gewesenen ehelichen Vater) seit 1. Juli 1987 eine Waisenpension bezieht, deren monatliche Höhe seit Pensionsbeginn 1.647,70 S, seit 1. Juli 1988 1.685,80 S und seit 1. Juli 1989 1.721,-- S betrug. Weiters erhält der Kläger "lt Stk 63 des Pensionsaktes" eine Grundrente gemäß § 11 Abs 1 KOVG, deren monatliche Höhe seit 1. Juli 1987 4.097,-- S, seit 1. Juli 1988 4.191,-- S, seit 1. Jänner 1989 4.279,-- S und seit 1. Jänner 1990 4.407,-- S betrug, eine Zusatzrente gemäß § 12 Abs 2 KOVG, deren monatliche Höhe von den genannten Stichtagen an 2.139,-- S, 2.188,-- S, 2.234,-- S und 2.301,-- S betrug, eine erhöhte Zusatzrente gemäß § 12 Abs 3 KOVG, deren monatliche Höhe von den genannten Stichtagen an 3.070,-- S, 3.156,-- S, 3.238,-- S und 3.538,-- S betrug sowie eine Pflegezulage, deren monatliche Höhe von den genannten Stichtagen an 5.538,-- S, 5.665,-- S, 5.784,-- S und 5.958,-- S betrug. Der (für den einfach verwaisten Kläger geltende) Richtsatz betrug in den Jahren 1987 bis 1989 3.206,-- S, 3.296,-- S und 3.382,-- S.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe nicht die gesamte Leistung nach dem Impfschadengesetz, sondern nur die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährte Pflegezulage nach § 292 Abs 4 lit d ASVG und die Grundrente nach lit i des zit Abs außer Betracht zu bleiben. Die Zusatzrente und die erhöhte Zusatzrente seien der Waisenpension zuzurechnende übrige Einkünfte, weshalb der Richtsatz überschritten werde.
In der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung vertrat der Kläger die Rechtsansicht, daß es sich bei seiner Rente nach dem Impfschadengesetz zur Gänze um Einkünfte handle, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt würden, weshalb sie nach § 292 Abs 4 lit d ASVG außer Betracht zu bleiben habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.
Nach seiner rechtlichen Beurteilung stellten die Grundrente nach § 11 KOVG und die Zusatzrente und die erhöhte Zusatzrente Leistungen zur Abgeltung des Wegfalles der Erwerbsfähigkeit des Klägers dar und wären daher ähnlich wie eine Geldrente nach § 1325 ABGB als übrige Einkünfte zu berücksichtigen, sofern dies nicht durch § 292 Abs 4 lit i ASVG ausgeschlossen werde. Diese Ausnahmebestimmung erfasse jedoch die Zusatzrente und die erhöhte Zusatzrente nach § 12 Abs 2 und 3 KOVG nicht. Die Pflegezulage, die eine dem Hilflosenzuschuß gleichwertige Funktion habe, habe (nach § 292 Abs 4 lit d ASVG) außer Betracht zu bleiben.
Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Sache an eine Vorinstanz zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Zunächst ist klarzustellen, daß der Kläger wiederkehrende Leistungen nach dem BG 3. Juli 1973 BGBl 371 über die Entschädigung für Impfschäden (ImpfschadenG) idgF und keine Leistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz (KOVG) erhält. Das ergibt sich sowohl aus der schriftlichen Auskunft des Bundeskanzleramtes vom 30. Oktober 1989 Stk 60 des Pensionsaktes als auch aus der in den erstgerichtlichen Feststellungen zitierten schriftlichen Auskunft des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 27. April 1990 Stk 63 des Pensionsaktes. Daß die monatlichen Leistungen des Klägers nach dem ImpfschadenG in der letztgenannten Auskunft als Grundrente gemäß § 11 Abs 1 KOVG, Zusatzrente gemäß § 12 Abs 2 KOVG, erhöhte Zusatzrente gemäß § 12 Abs 3 KOVG und Pflegezulage der Stufe I gemäß § 18 Abs 4 und 5 KOVG bezeichnet wurden, wurde von den Vorinstanzen dahin mißverstanden, daß es sich bei diesen Leistungen um Leistungen nach dem KOVG handle.
Nach § 2 Abs 1 lit c ImpfschadenG sind nämlich als Entschädigung zu leisten: wiederkehrende Leistungen im gleichen Ausmaß wie die entsprechenden Geldleistungen nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG BGBl 1964/27) idgF:
1. Beschädigtenrente gemäß §§ 23, 24, 24 a, 24 b, 24 d und 25 HVG;
2. Pflegezulage gemäß § 27 HVG.
Das Mißverständnis der Vorinstanzen ist offensichtlich damit erklärbar, daß die den Gegenstand der Versorgung bildenden Leistungen nach § 4 Abs 1 Z 2 HVG (Beschädigtenrente, Familienzuschläge, Schwerstbeschädigtenzulage, Pflegezulage, Blindenzulage, Hilflosenzulage, Blindenführzulage, Zuschuß zu den Kosten der Diätverpflegung) mit der Bezeichnung der nach § 6 Abs 1 Z 1 KOVG gebührenden Leistungen übereinstimmen, und in zahlreichen Bestimmungen des HVG auf die Regelungen im KOVG verwiesen wird (vgl §§ 23 Abs 5, 26 a, 26 b, 27, 27 a, 28 Abs 1, 29 und 96 HVG).
Durch § 2 Abs 1 lit c ImpfschadenG, nach dem als Entschädigung wiederkehrende Leistungen im gleichen Ausmaß wie die entsprechenden Geldleistungen nach dem HVG idgF zu leisten sind:
1. Beschädigtenrente gemäß §§ 23, 24, 24 a, 24 b, 24 d und 25 HVG; 2. Pflegezulage gemäß § 27 HVG, wird jedoch klargestellt, daß es sich bei der Beschädigtenrente und der Pflegezulage um keine Geldleistungen nach dem HVG (oder gar nach dem KOVG) handelt, sondern um Leistungen nach dem ImpfschadenG, die allerdings im gleichen Ausmaß wie die entsprechenden Geldleistungen nach dem HVG, das zB im § 27 hinsichtlich der Pflegezulage auf § 18 KOVG weiterverweist, gebühren.
Auch im Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 30. Oktober 1986, Zl IV-740.064/6-7/86, heißt es im Punkt 3. des Spruches, daß gemäß § 2 Abs 1 lit a bis c ImpfschadenG neben der Übernahme der Kosten für die Behandlung zur Besserung oder Heilung des Impfschadens und der Übernahme der Kosten für Maßnahmen zur Rehabilitation wiederkehrende Geldleistungen in Form einer Beschädigtenrente für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vH einschließlich der Zusatzrente und in Form einer Pflegezulage der Stufe I geleistet werden. Die Ausnahmebestimmung des § 292 Abs 4 lit i ASVG ist daher auf Leistungen nach dem ImpfschadenG nicht anwendbar.
Durch die weitere Ausnahmebestimmung des § 292 Abs 4 lit d ASVG soll gewährleistet werden, daß die Bezieher der im dortigen Klammerausdruck beispielsweise aufgezählten, wegen des besonderen körperlichen Zustandes (Hilflosigkeit, Blindheit udgl) gewährten besonderen Einkünfte diese ungeschmälert zur Deckung der mit einem solchen Zustand verbundenen und im Vergleich zu nicht behinderten Personen besonderen Bedürfnisse, insbesondere nach Wartung und Hilfe bzw Pflege, verwenden können (ähnlich Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 411; Teschner in MGA ASVG
50. ErgLfg 1421 FN 9; SSV-NF 3/97).
Diese Voraussetzungen treffen zwar für die dem Kläger nach § 2 Abs 1 lit c Z 2 ImpfschadenG gemäß § 27 HVG nach Maßgabe des § 18 KOVG gewährte Pflegezulage, nicht aber auf die Beschädigtenrente nach § 2 Abs 1 lit c Z 1 ImpfschadenG zu. Diese wiederkehrende Geldleistung soll den Impfgeschädigten nämlich nur für die durch eine Schutzimpfung iS dieses Gesetzes verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit entschädigen, nicht aber zur Abgeltung der durch eine solche Schutzimpfung verursachten vermehrten Bedürfnisse des Impfgeschädigten dienen (vgl SSV-NF 3/97).
Dies ergibt sich aus der die Beschädigtenrente betreffenden Verweisung auf § 23 HVG, der im Abs 1 die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit regelt, im Abs 2 definiert, welche Beschädigte als Schwerbeschädigte und als erwerbsunfähig gelten, im Abs 3 das von der Erwerbsunfähigkeit bzw dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit abhängige Maß der Voll- bzw Teilrente bestimmt und in den Abs 4 und 5 die Erhöhungen der Beschädigtenrente vorsieht, aber auch daraus, daß bei den als Entschädigung nach § 2 Abs 1 lit c ImpfschadenG zu erbringenden wiederkehrende Leistungen zwischen der Beschädigtenrente und der Pflegezulage unterschieden wird, die nach Abs 2 lit a bzw lit b leg cit abweichend von den in Abs 1 lit c ... angeführten Bestimmungen des HVG erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres des Impfgeschädigten zu leisten sind, während für Impfgeschädigte vor Vollendung des 15. Lebensjahres an Stelle von Beschädigtenrente und Pflegezulage ein Pflegebeitrag in der Höhe von zwei Dritteln der sonst gebührenden Pflegezulage zu leisten ist.
Die Beschädigtenrente nach dem ImpfschadenG hat daher bei Anwendung des § 292 Abs 1 bis 3 ASVG nicht nach Abs 4 lit d leg cit außer Betracht zu bleiben.
Weil diese wiederkehrende Leistung auch nicht zu den Leistungen gehört, die - soweit nicht anderswo ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, was diesbezüglich nicht der Fall ist, - in den übrigen Buchstaben des letztzit Abs abschließend aufgezählt sind (Teschner in MGA ASVG 50. ErgLfg 1419 FN 5; SSV-NF 2/37; SSV-NF 3/97), ist die Beschädigtenrente nach dem ImpfschadenG der Waisenpension des Klägers zuzurechnen, wodurch seit 1. Juli 1987 der für ihn geltende Richtsatz erreicht (und überschritten) wurde.
Deshalb hat der Kläger nach § 292 ASVG keinen Anspruch auf eine Ausgleichszulage zu dieser seither gebührenden Pension.
Die Rechtsrüge ist daher im Ergebnis nicht begründet, so daß der Revision nicht Folge zu geben war.
Insbesondere wegen der rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens war dem zur Gänze unterlegenen Kläger nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ein Anspruch auf Ersatz der halben Revisionskosten zuzubilligen (SSV-NF 1/66; 2/29; 3/116; 4/19, 84).
Anmerkung
E27208European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00124.91.0507.000Dokumentnummer
JJT_19910507_OGH0002_010OBS00124_9100000_000