TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/19 2002/03/0183

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Veröffentlicht am 19.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des AK in P, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in 8605 Kapfenberg, Schinitzgasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark vom 14. Mai 2002, Zl UVS 40.2-4/2001-2, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iA Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 12. Juli 2001 wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretungen nach § 4 Abs 1 lit c und § 5 Abs 2 StVO 1960 mit Geldstrafen von S 3 000,-- und S 16 000,-- bestraft. Mit Bescheid dieser Bezirkshauptmannschaft vom 22. November 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist betreffend das genannte Straferkenntnis gemäß § 71 Abs 2 AVG abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er von der Hinterlegung des besagten Straferkenntnisses am 17. Juli 2001 keine Kenntnis erlangt hätte, woran ihn nur ein minderer Grad des Versehens treffen würde. Die entsprechende Verständigung von der Hinterlegung dieses Bescheides wäre ihm nicht zugegangen bzw nicht persönlich überreicht worden, diese Schriftstücke wären ihm von seiner Mutter, die diese entgegen genommen hätte, vermutlich aus Versehen nicht weitergegeben worden bzw auf die zu seiner Wohnung im 1. Stock führende Treppe hinterlegt worden, von wo aus sie offensichtlich in Verlust geraten wären. Den Erhebungsergebnissen zufolge sei das genannte Straferkenntnis durch Hinterlegung beim Postamt 8605 am 17. Juli 2001 nach entsprechender Ankündigung vom 16. Juli 2001 zugestellt worden. Die Verständigung vom ersten Zustellversuch am 16. Juli 2001 und die Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs seien - letztlich unbestrittenermaßen - vom Zusteller in den Briefkasten eingelegt worden. Der Umstand, dass die Verständigungs- bzw die Hinterlegungsanzeige - den Angaben des Beschwerdeführers zufolge - von dessen Mutter nicht weitergegeben worden seien bzw auf die zu seiner Wohnung im ersten Stock führende Treppe hinterlegt worden seien, von wo diese dann in Verlust geraten seien, könne nicht als ein unverschuldetes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs 1 Z 1 AVG angesehen werden. Vielmehr sei schon daraus ersichtlich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls auffallend sorglos gehandelt und die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen habe. Auch sei der Briefkasten regelmäßig zu entleeren und die darin befindlichen Sendungen mit erforderlicher Sorgfalt durchzusehen, und zwar nicht zuletzt auch deshalb, weil die Mutter des Beschwerdeführers ihren Angaben zufolge für den Beschwerdeführer des Öfteren Hinterlegungsanzeigen bzw die Verständigungsanzeigen aus dem Briefkasten nehmen und an diesen weitergeben würde. Schon deshalb hätte der Beschwerdeführer entsprechende Vorkehrungen zu treffen gehabt, um eine mögliche Säumnis hintanzuhalten. Dass ihm solches ohne sein Verschulden unzumutbar oder unmöglich gewesen wäre, habe er selber nicht glaubhaft gemacht.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

2.1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das in Rede stehende erstinstanzliche Straferkenntnis versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (§ 71 Abs 1 AVG).

2.2. Nach der vorliegend in Betracht kommenden Bestimmung des § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist wegen der Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungswerber, wenn er die im Verkehr mit Gerichten und Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. Irrtümer und Fehler von Hilfskräften stehen einer Wiedereinsetzung nicht im Weg, wenn sie trotz Einhaltung der zumutbaren Kontrolle des Wiedereinsetzungswerbers geschehen. Das, was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung allfälliger für ihn tätig gewordener Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung eines Termins vorgekehrt hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten (vgl das hg Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl 2001/03/0003, mwH).

2.3. Der Beschwerdeführer vermeint, der Umstand, dass die Verständigungs- bzw Hinterlegungsanzeige seinen Angaben zufolge von seiner Mutter ihm nicht weitergegeben worden bzw auf der zu seiner Wohnung im ersten Stock führenden Treppe hinterlegt worden seien, von wo diese dann in Verlust geraten seien, könne als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs 1 Z 1 AVG angesehen werden. Ferner treffe ihn diesbezüglich kein Verschulden.

Der Beschwerdeführer hat aber in seiner Stellungnahme vom 6. November 2001 gegenüber der Erstbehörde selbst ausgeführt, dass "sämtliche von seiner Mutter entgegengenommene Post von dieser lediglich auf den Treppenabsatz abgelegt werden, von wo sie im vorliegenden Fall offensichtlich in Verlust geraten sind", und dass dies "schon mehrmals vorgekommen" sei. An keiner anderen Stelle im Verwaltungsstrafverfahren tut der Beschwerdeführer dar, dass es sich bei dem von ihm im vorliegenden Fall angenommenen Verlust um ein erstmaliges und deshalb unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis gehandelt habe. Damit steht seinem Hinweis in der Beschwerde, seine Mutter hätte im vorliegenden Fall den Verständigungszettel erstmals irrtümlich verlegt, bzw dieser sei erstmalig vom Treppenabsatz in Verlust geraten, das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot entgegen (vgl § 41 Abs 1 VwGG).

Unter den besagten von ihm im Verwaltungsstrafverfahren geschilderten Umständen muss vom Beschwerdeführer in zumutbarer Weise verlangt werden, dass in geeigneter Form sichergestellt wird, dass ihm Ankündigungen und Hinterlegungsanzeigen vorgelegt werden; darauf, dass ihm derartige Schriftstücke von seiner Mutter weitergegeben würden bzw dass er solche jedenfalls auf den Treppen vorfinden würde, durfte er sich angesichts des von ihm eingeräumten Umstandes, dass die auf diese Weise abgelegte Post schon öfter in Verlust geraten ist, nicht verlassen. Über allfällige gegen einen solchen Verlust vorgekehrte Maßnahmen erstattete er jedoch im Wiedereinsetzungsantrag - wie auch vor der belangten Behörde - kein konkretes Vorbringen. Damit schlägt das Argument des Beschwerdeführers, die Verständigungs- bzw Hinterlegungsanzeige seien von seiner Mutter nicht an ihn weitergegeben bzw auf der zu seiner Wohnung im ersten Stock führenden Treppe hinterlegt worden, nicht durch, gelingt es ihm doch nicht, einen bloß minderen Grad des Versehens für die hier in Rede stehende Fristversäumung glaubhaft zu machen (vgl nochmals das schon zitierte Erkenntnis vom 18. März 2004).

2.4. Entgegen der Beschwerde hat sich die belangte Behörde auch mit dem im angefochtenen Bescheid unstrittig wiedergegebenen Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers ausreichend auseinander gesetzt und die Verfahrensergebnisse ausreichend dargestellt. Auf dem Boden des Gesagten versagt auch die Verfahrensrüge, die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei nicht nachvollziehbar.

2.5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 19. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002030183.X00

Im RIS seit

27.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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