TE OGH 1991/5/15 13Os35/91

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Veröffentlicht am 15.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zacek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin R***** und Roland J***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Erwin R***** sowie die Berufung des Angeklagten Roland J***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. Jänner 1991, GZ 20 o Vr 5.346/90-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben; der Wahrspruch der Geschworenen sowie das darauf beruhende Urteil werden in Ansehung des Angeklagten Erwin R***** und auch in Ansehung des Angeklagten Roland J***** (sohin zur Gänze) aufgehoben und es wird die Sache an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen wurden die Angeklagten Erwin R***** und Roland J***** des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 5. (lt. S 111 richtig: am 4.) Mai 1990 in Wien "als Mittäter" mit Gewalt gegen eine Person (lt. Beantwortung der Zusatzfragen: unter Verwendung einer Waffe) dem Viktor S***** fremde bewegliche Sachen, nämlich ca. 850 S Bargeld und eine Spielzeugpistole im Wert von ca. 40 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Roland J***** ihn mit einer Holzlatte niederschlug und unter Mitnahme der Gegenstände aus dem Geschäft flüchtete, "während Erwin R***** Aufpasserdienste leistete".

Nur der Angeklagte R***** bekämpft dieses Urteil und den ihm zugrunde liegenden Wahrspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 6, 9 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO. Den Strafausspruch fechten beide Angeklagten mit Berufung an.

Der Beschwerde kommt schon aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Fragestellung an die Geschworenen wendet der Angeklagte R***** ein (Z 6), daß er nach den in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen keine Ausführungshandlungen gesetzt habe und er darnach nicht (unmittelbarer) Mittäter, sondern lediglich Beitragstäter gewesen sein könne. Deshalb sei die nach Mittäterschaft am Raub gestellte Hauptfrage I verfehlt gewesen.

Der Beschwerdeführer verkennt dabei zwar, daß eine Hauptfrage darauf gerichtet sein muß, ob der Angeklagte die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen hat (§ 312 Abs. 1 StPO), weshalb der Schwurgerichtshof bei der Stellung von Hauptfragen an den Anklagevorwurf ohne Rücksicht auf diesem allenfalls entgegenstehende Beweisergebnisse (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 3, 4 zu § 312) gebunden ist. Da dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift (unmittelbare) Mittäterschaft am Raub zur Last gelegt wird, ist dem Schwurgerichtshof jedenfalls insoweit keine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung unterlaufen, als er in der Hauptfrage I danach gefragt hat, ob der Angeklagte R***** "mit Roland J***** als Mittäter" gehandelt hat.

Zutreffend wird in der Beschwerde allerdings dargetan, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - der als unmittelbarer (Mit-) Täter angeklagte Beschwerdeführer als Täter anzusehen wäre, der einen anderen (den Mitangeklagten J*****) dazu bestimmt hat, die Tat auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beigetragen hat (§ 314 Abs. 1 StPO). Den Aussagen des Angeklagten J***** - und zwar nicht erst in der Hauptverhandlung, sondern nach dem Inhalt der gemäß dem § 252 StPO verlesenen (S 330) Aktenstücke schon bei der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter - ist nämlich die Tatvariante zu entnehmen, daß er allein die Werkstatt des Raubopfers betreten, dieses niedergeschlagen und ihm die Sachen weggenommen habe. Der Beschwerdeführer habe ihn zu dieser Tat zwar aufgefordert, im übrigen jedoch nur die zur Ausführung des Raubes verwendete Holzlatte besorgt und auf der Straße vor der Werkstatt aufgepaßt (S 44/45, 78, 237/238, 242).

Diesem Tatsachenvorbringen hätte der Schwurgerichtshof - und in diese Richtung zielt die Beschwerde der Sache nach eigentlich ab - gemäß dem § 314 Abs. 1 StPO durch Stellung einer Eventualfrage in Richtung Bestimmungs- und Beitragstäterschaft Rechnung tragen müssen (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 1 und 1 a zu § 314; vgl. auch EvBl. 1991/48), denn zum einen liegt in der Aufforderung, den Viktor S***** zu berauben, eine Bestimmungshandlung im Sinne der zweiten Alternative des § 12 StGB, zum anderen sind die Beschaffung der Tatwaffe und die Leistung von Aufpasserdiensten Tatbeiträge im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB, bei deren Zusammentreffen mit Bestimmungstäterschaft in rechtlicher Hinsicht allerdings nur letztere anzunehmen ist (Leukauf-Steininger Komm.2 § 12 RN 47).

Zwar hat der Schwurgerichtshof das auf eine andere Form der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers hinweisende Tatsachenvorbringen zum Anlaß genommen, die Hauptfrage selbst in einer vom Anklagevorwurf insofern abweichenden Weise abzufassen, als danach gefragt wurde, ob Erwin R***** während der unmittelbaren Tatausführung durch Roland J***** Aufpasserdienste leistete. Eine solche, den Anklagevorwurf im Tatsächlichen in wesentlichen Punkten modifizierende Hauptfragestellung widersprach aber (nach dem eingangs zum Wesen einer Hauptfrage Gesagten) nicht nur der Vorschrift des § 312 Abs. 1 StPO; sie war auch in sich widersprüchlich und daher geeignet, bei den Laienrichtern Mißverständnisse hervorzurufen. Dies deshalb, weil nach Mittäterschaft des Angeklagten R***** und zugleich nach einem damit rechtlich unvereinbaren bloßen Tatbeitrag durch Aufpasserdienste gefragt worden ist. Aufpasserdienste als solche vermögen nämlich - der übrigens auch in der Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) vertretenen irrigen Auffassung zuwider - eine unmittelbare Täterschaft nicht zu begründen, weil sie keine tatbildlichen Ausführungshandlungen darstellen. Zudem war diese Frage unvollständig, weil weder die vom Mitangeklagten J***** behauptete Bestimmungshandlung (Tataufforderung) noch der weitere Tatbeitrag (Waffenbeschaffung) in sie mit aufgenommen worden sind. Solcherart konnte dem zwingenden gesetzlichen Gebot (§ 314 Abs. 1 StPO; EvBl. 1991/48) zur Stellung einer Eventualfrage nach Bestimmungs- und Beitragstäterschaft des Angeklagten R***** nicht Genüge getan werden.

Da nicht unzweifelhaft erkennbar ist, daß diese Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten R***** nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO), war die Aufhebung des ihn betreffenden Wahrspruchs samt dem darauf beruhenden Urteil und die Anordnung eines zweiten Rechtsganges unumgänglich (§§ 344, 285 e; 349 Abs. 1 StPO).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen. Gleichwohl sei dazu noch angemerkt, daß dem Schwurgerichtshof, indem er den im Gesetz namentlich angeführten Erschwerungsumstand des zweiten Falles des § 143 StGB (Verwendung einer Waffe) in Form einer uneigentlichen Zusatzfrage nach dem § 316 StPO und nicht schon im Rahmen der Hauptfrage prüfen ließ, der behauptete (weitere) Fehler bei der Fragestellung (Z 6) nicht unterlaufen ist. Es liegt im Ermessen des Schwurgerichtshofes, ob er von der ihm durch den § 316 StPO eingeräumten Möglichkeit einer solchen selbständigen Fragestellung Gebrauch macht oder nicht (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 8 zu § 316). Daß der qualifizierende Umstand schon im ursprünglichen Anklagevorwurf enthalten war und nicht erst in der Hauptverhandlung hervorgekommen ist, spielt dabei keine Rolle.

Auch wenn die in Ansehung des Angeklagten R***** unterlaufene, zur Aufhebung primär des ihn betreffenden Urteils nötigende Nichtigkeit den Wahrspruch hinsichtlich des Mitangeklagten J*****, der nur Berufung ergriffen hat, in seinem Kern nicht berührt, so ist doch in sinngemäßer Anwendung des § 289 StPO in Verbindung mit dem § 344 StPO auch der den Mitangeklagten J***** betreffende Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil gegen diesen Angeklagten (gleichfalls) aufzuheben, weil der Schuldspruch gegen Roland J***** mit dem gegen den Angeklagten Erwin R***** ergangenen Schuldspruch in einem derart engen Sachzusammenhang steht, daß die Aufrechterhaltung dieses Schuldspruches bei gleichzeitiger Aufhebung des Schuldspruches gegen R***** zwar nicht geradezu unmöglich, aber doch untunlich erscheint. Den Geschworenen soll auch im zweiten Rechtsgang eine umfassende Beurteilung des gesamten Tatgeschehens ermöglicht werden und es soll ihre Beweiswürdigung im erneuerten Verfahren nicht behindert oder in einer der Sache abträglichen Weise beeinflußt werden, was im Falle einer Bestätigung des Schuldspruches gegen Roland J***** nicht ausgeschlossen werden könnte (vgl. abermals EvBl. 1991/48).

Da somit das angefochtene Urteil zur Gänze aufzuheben war, sind die Berufungen der beiden Angeklagten gegenstandslos geworden.

Anmerkung

E26131

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00035.91.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19910515_OGH0002_0130OS00035_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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