TE OGH 1991/5/15 1Ob543/91

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Veröffentlicht am 15.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Ablehnungssache der Renate F*****, vertreten durch Dr. Michael Lackner, Rechtsanwalt in Salzburg, betreffend die beim Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg anhängige Rechtssache der klagenden Partei Adolf F*****, wider die beklagte Partei mj. Angela F*****, vertreten durch Mag. Thomas Bründl, Rechtspraktikant beim Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg, wegen Bestreitung der ehelichen Abstammung (1 C 33/90) infolge Rekurses der Renate F***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 8.Februar 1991, GZ 2 R 43/91-9, womit der Rekurs der Renate F***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 11.Oktober 1990, GZ 22 Nc 20/90-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß (ersatzlos) aufgehoben wird.

Text

Begründung:

Mit zwei am 18.9.1990 beim Prozeßgericht eingelangten Schriftsätzen erklärte die Mutter des beklagten Kindes im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren 1 C 33/90 des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg ihren Beitritt als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten, die Ablehnung des Verhandlungsrichters (der auch Gerichtsvorsteher des Prozeßgerichtes ist) wegen Befangenheit (ON 7) und beantragte weiters die Bewilligung der Verfahrenshilfe sowie die Bestellung eines Prozeßkurators anstelle eines vom Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg im Pflegschaftsverfahren zur Vertretung des Kindes im Rechtsstreit zum Kollisionskurator bestellten, bei diesem Gericht tätigen Rechtspraktikanten (ON 6).

Das Prozeßgericht beraumte darauf die für den 10.10.1990 angeordnete Verhandlungstagsatzung ab, verfügte aber nicht auch die Zustellung der beiden Schriftsätze an die (Haupt-)Parteien. Der Verhandlungsrichter legte vielmehr sogleich die Akten in seiner Funktion als Gerichtsvorsteher dem Erstgericht zur Erledigung der Ablehnungserklärung vor.

Dieses gab "dem Ablehnungsantrag nicht Folge".

Das Gericht zweiter Instanz wies den von der Mutter der Beklagten gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof "im Sinne eines ordentlichen Revisionsrekurses" zulässig sei. Gemäß § 18 Abs. 1 ZPO erfolge die Nebenintervention durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien. Im vorliegenden Fall sei die Zustellung des Schriftsatzes, mit dem die Mutter der Beklagten ihren Beitritt als Nebenintervenientin erklärt hatte, unterblieben. Demnach sei deren Beitritt bisher nicht wirksam geworden. Sie sei somit weder zur Ablehnung des Verhandlungsrichters noch zum Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes, mit dem ihr Ablehnungsantrag zurückgewiesen wurde, legitimiert. Ob die Beitrittserklärung mit einem Ablehnungsantrag überhaupt verbunden werden könne, müsse im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Da sich das Ablehnungsverfahren wegen der Zweigeleistigkeit als überzogener "besserer Zugang zum Recht" immer mehr als Prozeßverzögerungsinstrument erweise, erscheine es rechtspolitisch bedenklich, dem Nebenintervenienten zumindest ohne Zustimmung der Hauptpartei den Rechtsbehelf der Ablehnung zuzubilligen. Auf keinen Fall könne es aber zulässig sein, gleichzeitig mit der Interventionserklärung den Richter abzulehnen und ihn dadurch formell an der amtswegigen Prüfung der Interventionserklärung zu hindern, ehe noch die Hauptparteien selbst in die Lage versetzt würden, sich gegen die Nebenintervention bzw. die Ablehnung des Richters auszusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Mutter des beklagten Kindes. Gemäß § 24 Abs. 2 JN ist zwar an sich in Ablehnungssachen ein weiterer Rechtszug gegen Entscheidungen zweiter Instanz ausgeschlossen, doch gilt dies nicht auch für den Beschluß, mit dem das Rekursgericht die meritorische Erledigung des gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung gerichteten Rechtsmittels aus formellen Gründen ablehnt (EFSlg. 57.667; SZ 42/74 ua). Weiters ist zu prüfen, ob das Rekursgericht den von ihm unterlassenen Bewertungsausspruch im Sinne des § 526 Abs. 3 und des § 500 Abs. 2 Z 1 ZPO nachzutragen haben werde. Diese Frage ist indessen zu verneinen: Gemäß § 502 Abs. 3 ZPO gilt Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, wonach die Revision jedenfalls unzulässig ist, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert S 50.000 nicht übersteigt, unter anderem für die im § 49 Abs. 2 Z 2 a JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten (über die eheliche Abstammung) nicht. Eine § 502 Abs. 3 ZPO entsprechende Bestimmung, die die Anfechtbarkeit zweitgerichtlicher Entscheidungen von einem Bewertungsausspruch im Sinne des § 500 Abs. 2 ZPO ausnimmt, fehlt jedoch in § 528 ZPO, der die Zulässigkeit von Rekursen gegen Entscheidungen der Rekursgerichte regelt. Daraus könnte vordergründig der Schluß gezogen werden, das Rekursgericht habe stets - also auch bei den im § 502 Abs. 3 ZPO genannten Streitigkeiten - in seine Entscheidung einen Bewertungsausspruch aufzunehmen. Ein solcher Schluß würde allerdings eine gewollte Regelungslücke voraussetzen, die aber nicht unterstellt werden kann [vgl. Stohanzl, ZPO14 (1990) § 528 Anm. 5]: In Personenstandssachen hat der Entscheidungsgegenstand keinen Geldeswert, weshalb der Rechtsmittelausschluß des § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO nicht angewendet werden kann. In Streitigkeiten über Ehe und Vaterschaft ist der (Revisions-)Rekurs vielmehr nach dem auch für solche Rechtssachen geltenden § 528 Abs. 1 ZPO wegen erheblicher Rechtsfragen stets zulässig, sofern nicht ausnahmsweise vermögensrechtliche Ansprüche - wie etwa bei einstweiligen Verfügungen wegen Unterhalts oder der Wohnung - den Entscheidungsgegenstand der zweiten Instanz bilden [Petrasch in ÖJZ 1989, 743 (751)]. Diese Auffassung steht auch nicht mit der (nicht veröffentlichen) Entscheidung vom 19.9.1990, 3 Ob 61/90, im Widerspruch, weil dort - unter Hinweis auf § 78 EO - lediglich ausgesprochen wurde, daß § 502 Abs. 3 Z 1 ZPO und § 14 Abs. 3 zweiter Fall AußStrG in Exekutionsverfahren nicht analog anzuwenden seien. Da der Entscheidungsgegenstand im Ablehnungsverfahren mit jenem im Hauptverfahren gleichzusetzen ist, bedarf es deshalb keiner Bewertung. Der Rekurs der Mutter des beklagten Kindes, der im angefochtenen Beschluß die in Anspruch genommene Nebenparteistellung abgesprochen wurde, ist somit zulässig, ohne daß es noch einer Ergänzung der rekursgerichtlichen Entscheidung bedürfte; er ist aber auch teilweise berechtigt.

Gemäß § 18 Abs. 1 ZPO kann die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Der Beitritt geschieht somit durch Abgabe der Beitrittserklärung; sie ist an das Gericht zu richten, das lediglich zu prüfen hat, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen (anhängiger Rechtsstreit zwischen zwei anderen Parteien sowie Partei- und Prozeßfähigkeit des Nebenintervenienten) vorliegen und in schlüssiger Weise ein Interventionsinteresse behauptet wurde. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, ist die Nebenintervention zurückzuweisen; andernfalls ist der Beitrittsschriftsatz den Parteien zuzustellen.

Erst mit der Zustellung an beide Parteien wird der Beitritt wirksam. Daher sind auch die erst danach vorgenommenen Prozeßhandlungen des Nebenintervenienten wirksam und zu beachten (SZ 35/85; EvBl. 1957/339; RZ 1958, 59; zuletzt wieder 8 Ob 589/89; vgl. auch JBl. 1970, 261; JBl. 1962, 157; Fasching, Komm. II 217 und LB2 Rz 401; Holzhammer, Zivilprozeßrecht2, 88;

Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht Rz 141; aA Novak in JBl. 1962, 157 und JBl. 1964, 63 f). Wie der Oberste Gerichtshof demgemäß wiederholt (etwa in SZ 35/85; RZ 1958, 59;

EvBl. 1957/339) aussprach, hat der Nebenintervenient, will er dem Rechtsstreit erst im Rechtsmittelverfahren beitreten und ein Rechtsmittel ergreifen, nicht bloß das Rechtsmittel innerhalb der dafür bestimmten Frist zu erheben, sondern es muß auch die Beitrittserklärung den Parteien noch innerhalb dieser Frist zugestellt worden sein, soweit nicht die Hauptpartei selbst bereits rechtzeitig ein Rechtsmittel erhoben hat (JBl. 1970, 261; JBl. 1962, 157), weil das Verfahren in diesem Fall weiterhin anhängig bleibt. Hat die Hauptpartei dagegen die Entscheidung unbekämpft gelassen, scheitert die Nebenintervention, sofern die Beitrittserklärung den Parteien erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zugestellt wird, schon an einer der Zulässigkeitsvoraussetzungen, weil das Verfahren in dem Zeitpunkt, in dem die Nebenintervention wirksam würde, nicht mehr anhängig ist.

Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 ZPO ist - entgegen Novak (aaO) - keineswegs bloße Formvorschrift ohne erhebliches Zeitelement. Da den Hauptparteien ein Interesse an der Zurückweisung der Nebenintervention - dem Gegner, weil er es nun mit mehr Widersachern zu tun und deshalb mit intensiverer Prozeßführung zu rechnen hat, aber auch erhöhtem Prozeßkostenrisiko ausgesetzt wird, der Partei, auf deren Seite der Nebenintervenient beitritt, aber deshalb, weil sie Gefahr läuft, daß das Verfahren in die Länge gezogen oder gegen ihre Interessen weitergeführt wird bzw. ihr möglicherweise nicht erwünschte Tatsachen zur Sprache gebracht werden (vgl. Fasching, LB2 Rz 402) - nicht abgesprochen werden kann, sind beide Parteien berechtigt, die Zurückweisung der Nebenintervention zu begehren; um sich rechtzeitig wehren zu können, müssen sie daher auch von der Beitrittserklärung in Kenntnis gesetzt werden, ehe noch der Nebenintervenient wirksam in das Verfahren eingreifen kann.

Nun ist zwar die Mutter des beklagten Kindes, wenn sie auf dessen Seite dem Ehelichkeitsbestreitungsverfahren beitritt, als streitgenössische Nebenintervenientin (§ 20 ZPO) anzusehen (Fasching in Komm. II 227 f und in LB2 Rz 406; Rechberger-Simotta aaO Rz 140; vgl. auch SZ 58/130), doch gelten die Bestimmungen, die den Beitritt des einfachen Nebenintervenienten regeln, auch für den streitgenössischen Nebenintervenienten (Holzhammer aaO 90).

Dennoch hätte das Gericht zweiter Instanz den Rekurs gegen die Ablehnungsentscheidung nicht zurückweisen dürfen. Das Erstgericht hat die Ablehnungserklärung der Mutter der Beklagten einer sachlichen Erledigung zugeführt, obgleich diese Prozeßhandlung angesichts der besonderen - oben dargelegten - Verfahrenslage (noch) nicht wirksam geworden war. Es hat demnach über einen - bis jetzt jedenfalls - unwirksamen Antrag abgesprochen und damit eine Person zu Unrecht als (Neben-)Partei behandelt. Das Erstgericht hat somit die Rechtsmittelwerberin zu Unrecht (vorzeitig) in das Verfahren gezogen, was diese umso mehr, als sie durch den erstinstanzlichen Beschluß auch beschwert ist, in diesem Verfahren - durch Rechtsmittel gegen den unzulässigen Beschluß - geltend zu machen berechtigt ist (vgl. Fasching aaO Rz 325): Bliebe es bei der Zurückweisung des Rekurses, erwüchse die erstinstanzliche Entscheidung in Rechtskraft, sodaß der Rechtsmittelwerberin das ihr für den Fall, daß ihre Beitrittserklärung wirksam werden sollte, eingeräumte Recht, diese Entscheidung durch das Gericht zweiter Instanz überprüfen zu lassen (§ 24 Abs. 2 JN), entzogen wäre. Bei dieser Verfahrenslage ist sowohl die Rekurslegitimation der Mitter des beklagten Kindes wie auch die Zulässigkeit des von ihr erhobenen Rechtsmittels zu bejahen.

Da das Erstgericht über einen (noch) nicht wirksamen Antrag abgesprochen hat, der aber noch wirksam werden kann, hat es verfrüht entschieden. Sein Beschluß ist deshalb in Stattgebung des Rekurses, dessen Anträge diese Entscheidung als Minus decken, ersatzlos zu beheben. Das Erstgericht wird über die Ablehnungserklärung daher erst abzusprechen haben, wenn und sofern die Beitrittserklärung der Mutter der Beklagten wirksam geworden ist.

Entgegen den Bedenken des Rekursgerichtes durfte die Rechtsmittelwerberin an sich auch die Ablehnungserklärung mit der Beitrittserklärung verbinden (vgl. SZ 35/85 ua; Fasching Komm. II 217); durch diesen Schritt kann der Verhandlungsrichter keineswegs daran gehindert werden, zunächst von sich aus amtswegig die Zulässigkeit der Nebenintervention zu prüfen: Da die Ablehnungserklärung bis zur Zustellung des Beitrittsschriftsatzes mangels (Neben-)Parteistellung des Antragstellers noch unwirksam ist, wird der Richter durch die Verbindung der beiden Prozeßhandlungen an der Prüfung der Zulässigkeit der Interventionserklärung nicht gehindert.

Anmerkung

E26453

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00543.91.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19910515_OGH0002_0010OB00543_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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