TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/20 2005/12/0124

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Veröffentlicht am 20.12.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/08 Sonstiges allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z2;
BB-SozPG 1997 §22g Abs1 idF 2001/I/155;
BB-SozPG 1997 §22g Abs4 idF 2001/I/155;
BB-SozPG 1997 §22g Abs4a Z1 idF 2003/I/071;
BDG 1979 §14 Abs3 idF 1995/820;
BDG 1979 §207n Abs1 idF 2003/I/071;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des Mag. Dr. P in V, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/I, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 18. Mai 2005, Zl. BMBWK-3447.300951/0001-III/5/2004, betreffend Versagung der Wiederaufnahme i.A. Versetzung in den Ruhestand nach § 22g BB-SozPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 30. September 1951 geborene Beschwerdeführer stand als Professor in einem (aktiven) öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. In seiner Eingabe vom 30. Oktober 2003 ersuchte er "um die Versetzung in den Vorruhestand nach Paragraph 207n des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 mit Ablauf des 30.4.2011 und ... gleichzeitig um Vorverlegung der Versetzung in den Ruhestand nach Paragraph 22g Absatz 4a des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes auf den 30.11.2003".

Mit Bescheid vom 13. November 2003 (den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge das Datum der Approbation) versetzte der Landesschulrat für Tirol den Beschwerdeführer auf seinen Antrag vom 30. November 2003 hin gemäß § 207n Abs. 1 BDG 1979 iVm § 22g Abs. 4a Z. 1 BB-SozPG, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003, mit Ablauf des 30. November 2003 in den Ruhestand. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2003 bemaß das Bundespensionsamt den Ruhegenuss des Beschwerdeführers, mit einem weiteren Bescheid vom 17. März 2004 seine Nebengebührenzulage.

In seiner Eingabe vom 16. November 2004 brachte der - rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer vor, seine Pension sei durch das Bundespensionsamt berechnet und mit Bescheid festgesetzt worden. Auf Grund des entsprechend niedrigen Einkommens habe der Beschwerdeführer auch seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen zwei minderjährigen Kindern herabgesetzt. Nun habe ein Kind ein Unterhaltsverfahren angestrengt, in dessen Rahmen vom zuständigen Bezirksgericht ein Gutachten eingeholt worden sei. In diesem komme der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer wegen einer schweren depressiven Erkrankung nicht einmal mehr fähig wäre, zumindest teilweise eine Beschäftigung als Lehrer auszuüben; er wäre als dienstunfähig zu beurteilen. Dieses Gutachten habe der ausgewiesene Vertreter am 25. Oktober 2004 erhalten. (Es folgen Ausführungen über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages.)

Mit Erhalt dieses Gutachtens stehe nun fest, dass der Beschwerdeführer dienstunfähig sei. Ein derartiges Gutachten sei ihm natürlich früher nicht zur Verfügung gestanden. Außerdem sei es geradezu typisch für eine schwere Depression, so antriebslos zu sein, dass nicht einmal die entsprechenden Verfahren beantragt würden. Auf Grund seiner Depression habe der Beschwerdeführer auch gar nicht gewollt, dass seine psychische Erkrankung erwähnt werde, sie sei ihm peinlich gewesen. Krankheitsbedingt habe er daher seine Erkrankung versteckt und dem Pensionierungsantrag auf Grund des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes gestellt, nicht aber "auf Grund Dienstunfähigkeit". Dem Beschwerdeführer sei es im letzten Arbeitsjahr schon sehr schlecht gegangen, er habe aber sein Pflichtbewusstsein vorangestellt und sich nur mehr unter Aufwendung allergrößter Mühen seinem Dienst unterzogen. Gestützt auf dieses Gutachten werde daher beantragt, dass das Pensionierungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG wieder aufgenommen und die Versetzung in den Ruhestand auf Grund der Dienstunfähigkeit festgestellt werde.

Das dieser Eingabe angeschlossene "Arbeitspsychologische Gutachten" vom 15. Oktober 2004 lautet auszugsweise:

"Das Gutachten stützt sich auf das Studium des Aktes 1P ...

und auf eine ambulante psychologische Untersuchung am 11.10.2004.

     ...

     Somit sind die gestellten gerichtlichen Fragen wie folgt zu

beantworten:

     ...

Dem Beschwerdeführer wäre es zum

Untersuchungszeitpunkt auf Grund seiner depressiven Erkrankung und den diesbezüglichen Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit aus arbeitspsychologischer Sicht nicht möglich, einer Beschäftigung als Lehrer nachzugehen; dies gilt auch für eine etwaige Beschäftigung als Lehrer mit reduziertem Stundenausmaß.

...

Aus arbeitspsychologischer Perspektive ist der Untersuchte zum Zeitpunkt der Untersuchung auf Grund seiner depressiven Verfassung und den damit einhergehenden leistungsbezogenen Beeinträchtigungen als dienstunfähig zu beurteilen, womit die Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung zum Untersuchungszeitpunkt aus arbeitspsychologischer Perspektive als gegeben einzuschätzen wären."

Mit Bescheid vom 29. November 2004 (wiederum das aktenkundige Datum der Approbation) wies der Landesschulrat für Tirol den Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Pensionierungsverfahrens ab. Zum Beweis für die behauptete damalige (daher im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand vorgelegene) schwere gesundheitliche Beeinträchtigung liege - so die wesentliche Begründung dieses Bescheides - allein das arbeitspsychologische Gutachten vor, das den Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt im Spätherbst 2004 als nicht arbeitsfähig einschätze. Sämtliche Untersuchungen, die den Gutachter zu diesem Ergebnis führten, seien am 11. Oktober 2004 durchgeführt worden. Aus dem Personalakt, den unmittelbaren Erfahrungen an der Schule sowie beim Landesschulrat für Tirol bis 2003 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer ganz offenkundig so gesund gewesen sei, um seinen Lehreraufgaben in Vollbeschäftigung ohne weiteres nachkommen und ebenso bei seinem Pensionierungsverfahren entsprechend mitwirken zu können. Hätte er damals bereits auf Grund einer depressiven Verfassung und den damit einhergehenden leistungsbezogenen Beeinträchtigungen eine am allgemeinen Arbeitsmarkt übliche Tätigkeit entsprechend seiner Ausbildung nicht mehr ausüben können, wäre dieses nicht möglich gewesen. Nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren seien somit keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, die einen im Hauptteil des Spruches vom 13. November 2003 anders lautenden Pensionierungsbescheid herbeizuführen geeignet gewesen wären.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe das arbeitspsychologische Gutachten vorgelegt, das auch in den wesentlichen Passagen durch den Erstbescheid zitiert werde. Danach sei davon auszugehen, dass er bereits seit den 80-iger Jahren unter depressiven Phasen leide und seit 1993 regelmäßig Psychopharmaka mit antidepressiver Wirkung im Zusammenhang mit ärztlicher Behandlung erhalten habe. Insbesondere seien im Jahr 2003 auch regelmäßig Selbstmordgedanken zu attestierten gewesen. Er beantrage daher die Einholung eines ergänzenden, psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, "dass bereits im November 2003 Dienstunfähigkeit vorgelegen" habe, und die Abänderung des Erstbescheides in der Weise, "dass das Pensionierungsverfahren wiederaufgenommen und seine Pensionierung auf Grund Dienstunfähigkeit festgestellt" werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Unter Darstellung der Verfahrensergebnisse führt sie zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer interpretiere die im arbeitspsychologischen Gutachten getroffenen Aussagen dahingehend, dass schon zu einem früheren Zeitpunkt, insbesondere zum Zeitpunkt seiner selbstbeantragten Ruhestandsversetzung - also im Oktober bzw. November 2003 - Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen vorgelegen wäre. Dem ist entgegenzuhalten, dass für die Ruhestandversetzung wegen Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 14 BDG 1979 gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen müssten, die den Betreffenden an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten hinderten. Weder der Schuldirektion noch dem Landesschulrat für Tirol seien irgendwelche Schwierigkeiten auf Grund psychischer Probleme bekannt gewesen, aus denen eine Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen abzuleiten gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei voll arbeitsfähig gewesen, was auch mit den wenigen Krankenständen dokumentiert sei, und habe auch keine Lehrpflichtermäßigung aus gesundheitlichen Gründen beantragt. Er sei sehr wohl in der Lage gewesen, sowohl eine qualitativ einwandfreie als auch mengenmäßig dem normalen Ausmaß (Lehrverpflichtung) entsprechende Dienstleistung zu erbringen.

Er habe nie einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 aus gesundheitlichen Gründen gestellt und auch die Dienstbehörde habe keinerlei Veranlassung gehabt, ein diesbezügliches Verfahren beim Bundespensionsamt einzuleiten. Er habe vielmehr am 30. Oktober 2003 ein klar formuliertes Ansuchen um Versetzung in den Ruhestand gemäß § 207n BDG 1979 mit Ablauf des 30. April 2011 und gleichzeitiger Vorverlegung der Ruhestandsversetzung nach § 22g Abs. 4a BB-SozPG auf den 30. November 2003 gestellt. Bei Einbringung dieses Antrages mussten dem Beschwerdeführer auch die rechtlichen Konsequenzen (auch in finanzieller Hinsicht) bewusst sein, habe er doch - wie aus dem Erstbescheid hervorgehe - sehr wohl diesbezügliche Erkundigungen und Informationen beim Landesschulrat für Tirol eingeholt und an seinem Ruhestandsversetzungsverfahren entsprechend mitgewirkt. Seinem Antrag vom 30. Oktober 2003 sei mit Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 12. November 2003 entsprochen worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Da er sich seit 1. Dezember 2003 bereits im Ruhestand befinde, komme eine - die Zugehörigkeit zum Aktivstand voraussetzende - Anwendung des § 14 BDG 1979 nicht mehr in Betracht.

Aus der pensionsrechtlichen Gesetzeslage ergebe sich, dass die vom Beschwerdeführer selbst beantragte Ruhestandsversetzung gemäß § 207n BDG 1979 mit beträchtlichen finanziellen Verlusten für ihn verbunden sei. Es sei zwar verständlich, dass er auf Grund der finanziellen Auswirkungen seiner Ruhestandsversetzung nach § 207n BDG 1979 nunmehr eine solche nach § 14 BDG 1979 aus gesundheitlichen Gründen anstrebe. In diesem Zusammenhang möge auch die Existenz und Unterhaltspflicht für zwei Kinder, die er der Schuldirektion und dem Landesschulrat für Tirol nie mitgeteilt habe, von Bedeutung sein. Es seien dies jedoch Umstände, die für die rechtliche Beurteilung der Angelegenheit nicht relevant seien.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten "neuen Beweise und Tatsachen" (im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG) bezögen sich ausschließlich auf die Feststellung des arbeitspsychologischen Gutachtens vom 15. Oktober 2004, das den Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt (11. Oktober 2004) als nicht arbeitsfähig einschätze. Alle übrigen vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Argumente, die darauf abzielten, dass er bereits zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung, also mit 30. November 2003, dienstunfähig gewesen sei, seien Vermutungen und Einschätzungen seinerseits, die auch durch ein ergänzendes ärztliches Gutachten nicht mit Sicherheit bestätigt werden könnten. Es sei auch für einen ärztlichen Sachverständigen sehr schwer möglich, seine ärztliche Diagnose und Beurteilung auf einen konkreten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt abzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, "dass das Pensionierungsverfahren wieder aufgenommen wird, sodass inhaltlich darüber abgesprochen werden kann, ob er als dienstunfähig pensioniert wird, verletzt". Richtig sei - so das Beschwerdevorbringen -, dass das arbeitspsychologische Gutachten nicht auf den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung abstelle, weil diese Fragestellung im bezirksgerichtlichen (Unterhalts-)Verfahren nicht indiziert gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe aber seine Symptome dargestellt und behauptet, dass dieselben Symptome, nämlich eine totale Antriebslosigkeit, die nun durch das Gutachten zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit geführt hätten, bereits damals im Oktober 2003 vorgelegen seien. Auf dieses Vorbringen gehe aber die belangte Behörde in ihrem Bescheid überhaupt nicht ein, sondern sie sagte nur, dass es für einen Gutachter schwer möglich wäre, die Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit zu beurteilen. Ob es für einen Gutachter schwer sei oder nicht, darauf könne es freilich nicht ankommen. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass er die Symptome bereits damals hätte beschreiben können. Ihm sei aber damals die Beurteilung dieser Symptome als medizinische Arbeitsunfähigkeit nicht möglich gewesen, was eben mit dieser Erkrankung zusammenhänge. Die Behauptung, dass die selben Symptome damals vorgelegen wären und in Wahrheit auch damals im November 2003 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hätte, sei eine neue Tatsache. Ob dem Beschwerdeführer an dem Nicht-Vorbringen dieser Tatsache ein Verschulden angelastet werden könne oder nicht, darüber hätte der angefochtene Bescheid absprechen müssen. Seiner Ansicht nach treffe ihn kein Verschulden, weil die Fehleinschätzung krankheitsbedingt gewesen sei. Wenn sich die Behörde darüber im Unklaren sei, hätte sie zu dieser Frage ein medizinisches Gutachten einholen müssen. Bei Einholung eines Gutachtens hätte sich ergeben, dass nicht nur die Arbeitsunfähigkeit bereits im Oktober 2003 vorgelegen sei, sondern dass auch die Fehleinschätzung bzw. die Fehlbewertung der Symptome und damit das Nicht-Vorbringen dieser Tatsachen krankheitsbedingt und damit unverschuldet gewesen sei.

Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, stützte sich der Wiederaufnahmeantrag letztlich auf die in der Berufung erhobene Behauptung, "dass bereits im November 2003 Dienstunfähigkeit vorgelegen" habe, somit auf die Behauptung einer neuen - nach Ansicht des Beschwerdeführers relevanten - Tatsache. Dass dem vorgelegten arbeitspsychologischen Gutachten in Anbetracht seines Beurteilungszeitpunktes als Beweismittel im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG Relevanz zukäme, behauptet die Beschwerde nicht mehr.

Der Beschwerde kommt jedoch aus folgendem Grund kein Erfolg zu:

Gemäß dem - nach § 1 Abs. 1 DVG auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund anwendbaren - § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Voraussetzung für die Wiederaufnahme nach dieser Gesetzesstelle ist die Entscheidungsrelevanz der neu hervorgekommenen Tatsachen (oder Beweismittel), die allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze Band I2, unter E 114 f zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Für die Beantwortung der Frage, ob eine neu hervorgekommene Tatsache zu einem anderen Bescheid hätte führen können, kann, zumindest im Bereich der rechtlichen Gebundenheit, nur die objektive Rechtslage maßgeblich sein (vgl. wiederum die in Walter/Thienel, aaO, unter E 118 zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Die Entscheidungsrelevanz beurteilt sich im Hinblick auf den Hauptinhalt des Spruches jenes Bescheides, mit dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden war; beschwerdefallbezogen handelt es sich um den eingangs genannten Bescheid vom 13. November 2003, mit dem der Beschwerdeführer - auf seinen Antrag hin - gemäß § 207n Abs. 1 BDG 1979 iVm § 22g Abs. 4a Z. 1 BB-SozPG mit Ablauf des 30. November 2003 in den Ruhestand versetzt wurde.

§ 207n des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 - BDG 1979, eingefügt durch das 1. Budgetbegleitgesetz 1997, BGBl I Nr. 138, lautet, soweit im Beschwerdefall von Relevanz, in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86, der Dienstrechts-Novelle 2001 - Universitäten, BGBl. I Nr. 87, sowie des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71:

"Versetzung in den Ruhestand

§ 207n. (1) Der Lehrer ist auf seinen schriftlichen Antrag, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen, frühestens mit Ablauf des Monats, in dem er seinen 720. Lebensmonat vollendet, in den Ruhestand zu versetzen, wenn kein wichtiger dienstlicher Grund entgegensteht. Der Antrag ist spätestens zwei Monate vor dem beabsichtigten Wirksamkeitstermin abzugeben und hat bei sonstiger Unwirksamkeit den beabsichtigten Wirksamkeitstermin der Versetzung in den Ruhestand zu enthalten. Die Versetzung in den Ruhestand hat zu dem vom Lehrer beabsichtigten Wirksamkeitstermin zu erfolgen.

...

(4) Der Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1 kann vom Lehrer nicht zurückgezogen werden."

§ 22g des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes, BGBl. I Nr. 138/1997 - BB-SozPG, eingefügt durch die 2. Dienstrechts-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 155, sein Abs. 4a wiederum durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71 eingefügt, lautete, soweit im Beschwerdefall von Relevanz:

"Vorzeitiger Ruhestand

§ 22g. (1) Der Beamte ist auf seinen schriftlichen Antrag, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen, frühestens mit Ablauf des Monats, in dem er sein 55. Lebensjahr vollendet, in den Ruhestand zu versetzen, wenn kein wichtiger dienstlicher Grund entgegensteht. Der Antrag ist spätestens einen Monat vor dem beabsichtigten Wirksamkeitstermin abzugeben und hat bei sonstiger Unwirksamkeit den beabsichtigten Wirksamkeitstermin der Versetzung in den Ruhestand zu enthalten.

...

(3) Der Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1 kann vom Beamten nicht zurückgezogen werden.

(4) § 207n BDG 1979 ist in der Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2003 nicht anzuwenden. Anträge auf nach dem 31. Dezember 2001 wirksam werdende Ruhestandsversetzungen nach § 207n gelten als Anträge nach Abs. 1. Nach dem 31. Dezember 2001 wirksam werdende Ruhestandsversetzungen nach § 207n gelten als Ruhestandversetzungen nach Abs. 1. ...

(4a) Hat ein Beamter seine Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1, nach § 207n BDG 1979 ... zu einem nach dem 30. November 2003 liegenden Termin beantragt, so hat er wahlweise Anspruch auf

1. Vorverlegung der Versetzung in den Ruhestand auf 30. November 2003 oder

2. Aufhebung des Ruhestandsversetzungsbescheides.

Ist am 1. Juli 2003 noch kein rechtskräftiger Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1 ergangen, so kann der Beamte den Ruhestandsversetzungsantrag abweichend von Abs. 3 bzw. den entsprechenden Bestimmungen der oben angeführten Bundesgesetze auch zurückziehen. Sowohl die Anträge nach Z 1 oder 2 als auch die Zurückziehung des Ruhestandsversetzungsantrags sind bei sonstiger Unwirksamkeit bis spätestens 31. Oktober 2003 einzubringen. ..."

Gemäß § 14 BDG 1979 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 ist der Beamte vom Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Der Beschwerdeführer geht nicht davon aus, dass sein Antrag vom 30. Oktober 2003 infolge eines Willensmangels rechtlich unwirksam gewesen sei. Vielmehr misst er nun einer behaupteten Dienstunfähigkeit im Herbst 2003 Entscheidungsrelevanz für die Wiederaufnahme seiner nach dem BB-SozPG erfolgten Ruhestandsversetzung im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG zu.

Ob die behauptete Dienstunfähigkeit eine neue Tatsache im Sinn dieser Bestimmung ist, kann aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

Das Vorliegen einer Dienstunfähigkeit (im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979) im Herbst 2003 könnte einen im Hauptinhalt des Spruchs des das Verfahren nach dem BB-SozPG (mit der Verfügung der Ruhestandsversetzung) abschließenden Bescheides vom 13. November 2003, dessen Wiederaufnahme der Beschwerdeführer anstrebt, vorerst nur dann herbeiführen, wenn ihr in jenen Bestimmungen, auf die sich der genannte Bescheid stützt (§§ 207n Abs. 1 BDG 1979 sowie § 22g Abs. 4 und 4a Z. 1 BB-SozPG), die Bedeutung eines negativen Tatbestandsmerkmales zukäme. Eine ausdrückliche derartige Anordnung (positive Erledigung eines nach § 207n Abs. 1 BDG 1979 iVm § 22g Abs. 4a BB-SozPG gestellten Antrags nur dann, wenn der Beamte nicht dienstunfähig (im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979) ist, findet sich in jenen Bestimmungen nicht.

Auch aus dem systematischen Zusammenhang dieser Bestimmungen mit § 14 BDG 1979 könnte äußerstenfalls geschlossen werden, dass die belangte Behörde in Ermangelung der Anhängigkeit eines Verfahrens nach § 14 BDG 1979 den Antrag des Beschwerdeführers nach § 207n Abs. 1 BDG in Verbindung mit § 22g Abs. 4a Z. 1 BB-SozPG nur dann abzuweisen gehabt hätte, wenn ihr die allenfalls vorliegende (objektiv gegebene) Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers bekannt war. Dass dies zuträfe, hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet.

Sohin hätte selbst eine allfällige Dienstunfähigkeit (im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979) des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 13. November 2003 nicht zu einem im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid geführt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Dezember 2005

Schlagworte

Andere rechtliche Beurteilung Auslegung Diverses VwRallg3/5 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005120124.X00

Im RIS seit

06.02.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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