TE OGH 1991/5/15 1Ob559/91

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Veröffentlicht am 15.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Hilmar G*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 17. Dezember 1990, GZ R 543/90-83, womit der Antrag des Betroffenen vom 17.Oktober 1990 zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Betroffenen aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23.9.1987, ON 23, bestätigt mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 6.4.1988, R 428/87-32, wurde für Hilmar G***** Dr.Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter bestellt. Gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB wurde der Sachwalter mit der Besorgung vermögensrechtlicher Angelegenheiten unter Ausklammerung von Verfügungen über die dem Betroffenen zukommenden Pensionsbezüge, insbesondere mit der Vertretung des Betroffenen im Abhandlungsverfahren nach seiner am 18.4.1987 verstorbenen Schwester Anna G***** betraut.

Mit Einantwortungsurkunde des Erstgerichtes vom 3.3.1988, A 42/88-43, wurde der Nachlaß nach Anna G***** dem erblasserischen Vater Josef G***** zur Hälfte, dem Betroffenen und seiner Schwester Helga S***** zu je einem Viertel eingeantwortet. Auf Grund dieser Einantwortungsurkunde wurde das Eigentumsrecht des Betroffenen an der EZ 59 KG ***** zu 3/32 und an der EZ 217 KG ***** zu 1/4 einverleibt. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 1.2.1989, ON 61, wurde Dr.Andreas Wippel als Sachwalter enthoben und die Schwester des Betroffenen, Helga S*****, mit dem ursprünglichen Aufgabenkreis als neuer Sachwalter bestellt.

Am 22.10.1990 beantragte Hilmar G***** die Enthebung des Sachwalters nach den Bestimmungen des § 283 Abs 2 ABGB; die Voraussetzungen für den Einsatz eines Kurators seien nicht mehr gegeben.

Das Erstgericht bestellte vorerst Dr.Franz G***** zum Sachverständigen mit dem Auftrag, ein Gutachten darüber zu erstatten, ob der Betroffene zur Abwicklung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eines Sachwalters bedürfe. Der Sachverständige erklärte sich für befangen, weil er seit Jahren die Familie S***** und den Betroffenen ärztlich betreue. Beim danach bestellten Sachverständigen Dozent Dr. P***** erschien der Betroffene nicht. Einen neuerlichen Terminvorschlag lehnte er aus gesundheitlichen Gründen ab.

Das Erstgericht wies daraufhin den Antrag auf Enthebung des Sachwalters ab. Mit Rücksicht auf das Liegenschaftsmiteigentum des Betroffenen habe das Gericht befunden, daß ohne neuerliche Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen die Sachwalterschaft nicht beendet werden könne. Wenn ein Betroffener die Beendigung der Sachwalterschaft beantrage, könne von ihm wohl auch die erforderliche Mitwirkung an dem Verfahren erwartet werden. Wenn der Betroffene es nicht für erforderlich halte, der Vorladung zum Sachverständigen Folge zu leisten, ohne für diese Verweigerung Gründe anzugeben, so sei dies seine Sache. Dem Gericht sei bekannt, daß der Sachwalter über einen PKW verfüge. Es wäre daher dem Betroffenen möglich gewesen, der Vorladung des Sachverständigen nach Wiener Neustadt Folge zu leisten. Habe er dies nicht getan, könne seinem Antrag nicht Folge gegeben werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe, "daß der Antrag des Betroffenen vom 17.10.1990 zurückgewiesen" werde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es nicht für zulässig. Der Betroffene habe in seinem Antrag auf Enthebung keinerlei neue Tatsachenmomente angeführt. Stelle er einen solchen Antrag, so bestehe kein Bedürfnis nach neuerlicher Sachentscheidung, weil der Richter auf dieser Basis seine Meinung schon zum Ausdruck gebracht habe. Sein Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs des Betroffenen ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 283 Abs 2 ABGB ist der Sachwalter auf Antrag zu entheben, wenn der Pflegebefohlene nicht mehr seiner Hilfe bedarf. Nach § 283 Abs 3 hat das Gericht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Enthebung oder Änderung der Sachwalterschaft erfordere. Im vorliegenden Fall erfolgte die Bestellung des Sachwalters mit Beschluß vom 23.9.1987 für vermögensrechtliche Angelegenheiten insbesondere zur Vertretung des Betroffenen im Abhandlungsverfahren nach seiner am 18.4.1987 verstorbenen Schwester. Hilmar G***** hatte nämlich bereits zu einem Zeitpunkt, als das Verfahren zur Bestellung des Sachwalters eingeleitet worden war, einen unentgeltlichen Erbverzicht zugunsten seiner Schwester Rosa S***** abgegeben. Den Antrag auf Enthebung des Sachwalters stellte der Betroffene erst, nachdem das Verlassenschaftsverfahren rechtskräftig beendet und, ohne daß eine Erbteilung vorgenommen worden wäre, sein Bruchteilseigentum an zwei Liegenschaften einverleibt worden war. Zwischen der Bestellung des Sachwalters und dem Antrag auf Enthebung verstrichen mehr als drei Jahre. Zu diesem Zeitpunkt war für das Gericht infolge der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens auf Grund des Akteninhaltes ersichtlich, daß sich im Tatsachenbereich wesentliche Veränderungen ergeben haben. Nach einem Zeitraum von drei Jahren wäre das Pflegschaftsgericht nach § 283 Abs 3 ABGB jedenfalls zur amtswegigen periodischen Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Bestellung der Sachwalterschaft noch gegeben seien, verpflichtet gewesen (vgl Schlemmer in Schwimann ABGB, Rz 4 zu § 283). Auf Grund dieser beiden Momente kann von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen an einer Sachentscheidung des Gerichtes keine Rede sein. Der Oberste Gerichtshof hat in einem Fall, in dem nur ca eineinhalb Jahre nach der letzten Beschlußfassung verstrichen waren und der Betroffene einen Antrag auf amtswegige Überprüfung des Bestellungsbeschlusses nach § 283 Abs 3 ABGB gestellt hatte, ausgesprochen, daß ein unangemessen verfrühtes Begehren nicht vorliege, so daß die Frage der Zulässigkeit offensichtlich mutwilliger Anträge keiner Erörterung bedürfe (RZ 1985/71). Das Gesetz enthält keine Bestimmung, die es einem Betroffenen verwehren würde, Anträge auf Beendigung der Sachwalterschaft im Falle seiner Meinung nach geänderter Verhältnisse zu stellen (Gamerith in NZ 1988, 68). Das Erstgericht hat daher zutreffend in der Sache selbst geprüft, ob die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters nach wie vor vorliegen.

Der in Wahrheit abändernde Beschluß des Rekursgerichtes (vgl EvBl 1983/35; SZ 34/19 ua) ist daher aufzuheben und dem Rekursgericht die sachliche Prüfung aufzutragen.

Anmerkung

E26434

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00559.91.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19910515_OGH0002_0010OB00559_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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