TE OGH 1991/5/15 13Os21/91

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Veröffentlicht am 15.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zacek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jan K***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18.Juli 1990, GZ 30 Vr 1.918/89-83, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Schön, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jan K***** (zu I./1) des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB, (zu I./2) des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, (zu II.) des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und (zu III.) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Linz

I. nachgenannte Personen absichtlich am Körper schwer verletzt bzw. schwer zu verletzen versucht, und zwar

1. am 3.August 1987 den Klaus W***** durch Versetzen eines Messerstiches gegen den Bauch in Form einer Stichwunde, verbunden mit einer Darmperforation, wodurch die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte;

2. im Februar 1989 den Alfred W***** durch Versetzen eines Messerstiches gegen den Bauch, wobei es beim Versuch geblieben ist;

II. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr oder Sommer 1987 einen unbekannten Mann durch Versetzen eines Stoßes, wodurch das von diesem gehaltene Glas zerbrach, in Form einer Schnittwunde an der Lippe vorsätzlich am Körper leicht verletzt;

III. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr oder Sommer 1987 die Rosa Y***** gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. unmittelbar nach dem unter Punkt II. geschilderten Vorfall durch die Äußerung, er werde sie abpassen und dann passiere etwas;

2. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr oder Sommer 1987 durch Vorhalten eines Messers und die Äußerung, "jetzt hab ich dich".

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung (I./1) und im Schuldspruch wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung (I./2) mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Schuldspruch wegen Körperverletzung (II.) und gefährlicher Drohung (III.) blieb unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Faktum I./1:

Das Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5), wonach angesichts der festgestellten Art der Tatverübung durch einen von links außen unten nach rechts mittelwärts oben geführten Bauchstich die Behauptung des Angeklagten, Linkshänder zu sein, in den Urteilsgründen zu erörtern gewesen wäre, erweist sich als nicht zielführend. Mangels einschlägiger Beweisergebnisse oder Erfahrungstatsachen handelt es sich nämlich bei der Prämisse, daß die beschriebene Beschaffenheit der Verletzung ein Zustechen durch einen Rechtshänder beweise, um einen ebenso unfundierten wie spekulativen Einwand und keineswegs um einen im Verfahren hervorgekommenen Entlastungsumstand, auf den das Schöffengericht bei vollständiger Erfassung aller entscheidungswesentlichen Beweismittel einzugehen gehabt hätte.

Mit den übrigen als Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO vorgetragenen Ausführungen, daß weitere Feststellungen über die medizinisch erforderlich gewesene Versorgung der Stichverletzung einerseits und die Behandlung, die tatsächlich stattfand, andererseits zu treffen gewesen wären, die den Entfall der strafrechtlichen Haftung des Angeklagten für den Eintritt der Todesfolge ergeben hätten, werden in Wahrheit Einwände rechtlicher Natur erhoben, auf die erst bei Behandlung der Rechtsrüge (Z 10) einzugehen sein wird.

Die zum Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO ins Treffen geführten Darlegungen gegen die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten erweisen sich nach deren Überprüfung anhand der aktenkundigen Beweisergebnisse als nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des bekämpften Ausspruches hervorzurufen. Der an sich zutreffende Hinweis, daß keiner der Tatzeugen den Angeklagten als Täter eindeutig identifiziert hat, kann unter Bedachtnahme auf die aus den Angaben dieser Zeugen in ihrem Zusammenhang sonst zu gewinnenden Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der übrigen Verfahrensergebnisse die Überzeugungskraft der tatrichterlichen Beweisführung aus der Sicht des Rechtsmittelgerichtes nicht erschüttern.

Als Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO wendet der Beschwerdeführer - wie bereits angedeutet - Feststellungsmängel ein, welche die Annahme in Frage stellen sollen, daß er für den tödlichen Erfolg der absichtlichen schweren Körperverletzung im Sinne des zweiten Deliktsfalles des § 87 Abs. 2 StGB einzustehen habe.

Nach den Konstatierungen des Erstgerichtes in Verbindung mit dem als Beweisgrundlage herangezogenen Befund und Gutachten des Sachverständigen für gerichtliche Medizin Dr. HABERL hat der Angeklagte am 3.August 1987 gegen 1.00 Uhr nachts dem Klaus W***** einen Bauchstich versetzt, wobei der Verletzte zunächst der Meinung war, bloß einen Faustschlag erhalten zu haben. Seine Begleiterin bemerkte zwar eine blutende Wunde, doch erklärte Klaus W*****, keine Schmerzen zu spüren und nicht sogleich ein Krankenhaus aufsuchen zu wollen. Er begab sich nach Hause, um die Verletzung anzusehen und zu reinigen. Danach ließ er sich ins Unfallkrankenhaus bringen, wo um 3.20 Uhr eine ambulante Behandlung begann und eine Wundversorgung vorgenommen wurde. Bei dieser Gelegenheit konnte vom behandelnden Arzt keine Verletzung tieferliegender Strukturen oder eine Eröffnung des Bauchraumes festgestellt werden. Dem Patienten wurde wegen der Möglichkeit von Komplikationen dringend ein stationärer Krankenhausaufenthalt angeraten. Er fühlte sich jedoch nicht so stark verletzt und ging nach Unterfertigung eines Revers und nach Vereinbarung eines Kontrolluntersuchungstermins für 8.00 Uhr nach Hause (S 256/I). Bald darauf traten beim Verletzten Schmerzen auf, weshalb er am Morgen neuerlich ins Unfallkrankenhaus fuhr. Dort wurde um 10.00 Uhr eine stationäre Behandlung eingeleitet und eine Bauchoperation durchgeführt, bei welcher die Tiefe der Wunde offenbar wurde und sich eine darauf zurückzuführende Bauchfellentzündung zeigte. In den nächsten Tagen verschlechterte sich der Zustand des Patienten, weshalb noch zwei weitere Bauchoperationen stattfanden. Klaus W***** verstarb am 15. August 1987 im septischen Schock auf Grund einer nach der Stichverletzung aufgetretenen Bauchfellentzündung.

Der Bauchstich hatte entgegen der Vermutung des Arztes bei der ersten Untersuchung die inneren Schichten der Bauchdecke und damit das Bauchfell sowie den Dünndarm durchstoßen. Die Verletzung hätte eine unverzügliche chirurgische Versorgung erfordert. Eine Diskrepanz zwischen dem Obduktionsbefund und den Operationsberichten läßt die ungeklärt gebliebene Möglichkeit offen, daß bei der chirurgischen Erstversorgung eine weitere Perforation des Dünndarms übersehen wurde.

In seiner Rechtsrüge bestreitet der Beschwerdeführer zwar nicht die Ursächlichkeit des Bauchstiches für das Ableben des Klaus W*****, er vertritt jedoch den Standpunkt, daß der tödliche Ausgang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre, wenn nicht der Verletzte selbst und die behandelnden Ärzte Fehler begangen hätten. Ein Fehlverhalten des Verletzten erblickt der Beschwerdeführer darin, daß dieser anläßlich der ambulanten Versorgung der Wunde im Spital dem ärztlichen Rat nicht Folge leistete, sich sofort in stationäre Spitalsbehandlung zu begeben. Als ärztliche Fehlleistungen führt er ins Treffen, daß bei dieser ambulanten Behandlung die Notwendigkeit einer unverzüglichen chirurgischen Intervention nicht erkannt wurde und daß möglicherweise bei der späteren operativen Versorgung eine der Dünndarmperforationen unbemerkt blieb.

Der Beschwerdeführer hält die Klärung dieser Umstände durch weitere Feststellungen für erforderlich, weil davon die Entscheidung abhinge, ob ihm der tödliche Erfolg der Körperverletzung zuzurechnen sei. Zur Darlegung diesbezüglicher Feststellungsgrundlagen beruft er sich neben einem sachlich nicht überprüfbaren allgemeinen Hinweis auf Verfahrensergebnisse ausdrücklich auf das Gutachten des Sachverständigen für gerichtliche Medizin Dr. HABERL.

Aus rechtlicher Sicht ist der Beschwerde zu erwidern, daß auch bei dem behaupteten Kausalverlauf weder der Adäquanzzusammenhang, noch der Risikozusammenhang zwischen dem Bauchstich und dem letztlich eingetretenen Tod des Klaus W***** gefehlt hätte, weshalb selbst auf der unterstellten Beurteilungsgrundlage dem Angeklagten dieser Erfolg objektiv zuzurechnen wäre. Es liegt nämlich keineswegs ganz außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung, daß eine Bauchstichverletzung deshalb zum Tode führt, weil bei der ersten ärztlichen Untersuchung die Notwendigkeit einer unverzüglichen Operation nicht erkannt wird, danach der Verletzte zunächst in der Hoffnung auf das Ausreichen der vorgenommenen ambulanten Wundversorgung entgegen ärztlichem Rat nicht im Spital bleibt und schließlich der gebotene chirurgische Eingriff erst etwa acht Stunden nach der ursprünglichen Beanspruchung ärztlicher Hilfe stattfinden kann. Ein demgemäß nach gezielter Prüfung des konkret zum Erfolgseintritt führenden Kausalverlaufes (Burgstaller, Pallin - FS 1989, 41; ders. in Jescheck - FS 1985,

361) anzunehmender Adäquanzzusammenhang wäre auch dann gegeben, wenn zudem bei der ersten chirurgischen Versorgung eine der Stichverletzungen des Dünndarms übersehen worden wäre und dieser ebenfalls innerhalb erfahrungsgemäßer Wahrscheinlichkeit gelegene Umstand den tödlichen Ausgang bewirkt hätte (SSt. 56/40).

Der für die Erfolgszurechnung weiters maßgebliche Risikozusammenhang ist an Hand des Schutzzweckes des strafgesetzlichen Körperverletzungsverbotes zu prüfen, wobei darauf abgestellt werden muß, ob sich die Todesfolge als Realisierung gerade jenes Risikos erweist, dessen Abwendung die Verhaltensnorm bezweckt. Da insoweit auf normativer Grundlage klargestellt ist, daß das übertretene Verbot dem Lebensschutz dient, geht es hier allein darum, ob sich der Schutzbereich auch auf die Gefahr erstreckt, daß der tödliche Erfolg durch das (nachträgliche) Verhalten behandelnder Ärzte oder des Verletzten selbst mitverursacht wird. Das Gesetz weist in dieser Beziehung durch Qualifikationsbestimmungen (§§ 84 Abs. 1, 85 Z 3 StGB) auf eine weitgespannte und opferbezogene Schutzfunktion hin, die nicht bloß einer statischen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, sondern auch den Gefahren für die Daseinsgestaltung des Opfers entgegenwirken soll, weil sich Verletzungsfolgen einschließlich der Begleitmaßnahmen medizinischer Behandlung als Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit auswirken können.

Im Rahmen einer auf Fallgruppen abzustellenden Betrachtungsweise (Kienapfel BT I3 § 80 RN 91 ff.) ist bei Mitverursachung eines Enderfolges durch ärztliche Kunst-(Diagnose- und Behandlungs-)Fehler daran festzuhalten, daß grundsätzlich alle adäquaten Komplikationen des Behandlungsgeschehens in die Risikosphäre des Verletzungsverursachers fallen und kein hinreichender Anlaß dafür besteht, menschlicher Unzulänglichkeit bei der ärztlichen Behandlung eine entscheidende Sonderstellung einzuräumen. Erstreckt sich nämlich der Schutzzweck des Verletzungsverbotes auch auf die Abwendung der verletzungsbedingten Risken der Heilbehandlung, dann stellt der Verantwortungsbereich der dabei tätig werdenden Ärzte kein geeignetes Kriterium einer Grenzziehung bei der Risikozurechnung dar. Auf Grund der umfänglichen Schutzfunktion bleibt vielmehr auch bei der Mitverursachung des Enderfolges durch Fahrlässigkeit der behandelnden Ärzte der Zusammenhang der Tat mit dem Enderfolg in der Regel erhalten, weil keineswegs gesagt werden kann, es habe sich darin nicht die Gefahr der Körperverletzung, sondern eine ganz andere Gefahr manifestiert. Somit könnte auch im vorliegenden Fall die fahrlässige Mitwirkung von Ärzten am Erfolgseintritt der objektiven Zurechnung desselben wegen des gegebenen Risikozusammenhanges nicht entgegenstehen, wobei nicht schon danach differenziert werden kann, ob das nachträgliche ärztliche Fehlverhalten als grob fahrlässig zu beurteilen ist (SSt. 48/68, der Sache nach auch ZVR 1977/273; aM Burgstaller in Jescheck - FS 1985, 357 ff, insb. 365; Kienapfel in ZVR 1977, 164). Selbst ein solchem Grad des Verschuldens an sich entsprechender Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst - von dem freilich hier überhaupt keine Rede sein kann - würde nicht unbedingt die aus der Verletzung unmittelbar resultierende Gefahr derart dominieren, daß der Zusammenhang zwischen Enderfolg und Täterverhalten ganz in den Hintergrund träte.

In Ansehung des ferner reklamierten Fehlverhaltens des Verletzten durch die Weigerung, sich nach der ambulanten Wundversorgung in Spitalspflege zu begeben, ist entscheidend, daß damals weder der Spitalsarzt, noch der Verletzte das lebensgefährliche Ausmaß des Bauchstiches gekannt haben und der ärztliche Rat zur stationären Aufnahme bloß mit der Notwendigkeit einer Beobachtung begründet wurde, ob es entgegen der ärztlichen Vermutung doch zu einer Verletzung tieferer Schichten gekommen sei (S 256/I). Bei dieser Sachlage kann angesichts der ambulant vorgenommenen Wundversorgung und der subjektiven Empfindung des Opfers, nicht wesentlich verletzt worden zu sein, in dessen Entscheidung, den angeratenen Spitalsaufenthalt abzulehnen und statt dessen eine alsbaldige Kontrolluntersuchung zu vereinbaren, kein Folgeverhalten des Verletzten erblickt werden, welches im Bewußtsein eigenverantwortlicher Lebensgefährdung gesetzt wurde und für jeden vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen unter den gegebenen Umständen schlechthin unbegreiflich ist. Dies wäre aber eine Grundvoraussetzung dafür, zufolge eines der Primärverletzung nachfolgenden Verhaltens des Opfers den Risikozusammenhang zwischen Tat und tödlichem Erfolg zu verneinen (EvBl. 1987/142; Kienapfel BT I3 § 80 RN 98; 13 Os 10,11/91 nv).

Somit erweisen sich die Einwände des Beschwerdeführers schon mangels rechtlicher Relevanz als nicht zielführend. Dennoch sei zur Klarstellung und der Vollständigkeit halber angemerkt, daß auch in tatsächlicher Beziehung die behauptete Feststellbarkeit eines für den Todeseintritt maßgeblichen Fehlverhaltens des Verletzten sowie der Ärzte nicht ersichtlich ist. Es trifft nämlich nicht zu, daß das Gutachten des Sachverständigen Dr. HABERL über diesen Punkt eine akzentuierte Wahrscheinlichkeitsaussage enthält. In Wahrheit wird darin geradezu in die gegenteilige Richtung gewiesen und zum Ausdruck gebracht, daß bereits das Verletzungsgeschehen an

sich - "abgesehen von der möglicherweise unzulänglichen Primärversorgung" - die eminente Gefahr einer lebensbedrohenden Bauchfellentzündung nach sich zog, wobei die anfänglich unzulängliche Behandlung zwar die Chance einer Lebensrettung gesenkt hat, jedoch selbst eine fachgerechte und zeitgerechte ärztliche Therapie diese Gefahr nicht gänzlich beseitigt hätte (S 151/I).

Zu Faktum I./2:

Entgegen der in der Mängelrüge (Z 5) vertretenen Ansicht erbrachten die Angaben des Zeugen Alfred W***** (S 297 ff/II) keine erörterungsbedürftigen Hinweise darauf, daß der Angeklagte diesen Zeugen zwar mit einem Messer bedrohen, aber nicht stechen wollte. Seiner Schilderung zufolge gewann der Zeuge den Eindruck, daß der Angeklagte mit dem gezogenen und in der ausgestreckten Hand gehaltenen Messer die Absicht verfolgte, zu stechen. Er bezeichnete diesen Vorgang auch als Stich, dem er ausgewichen sei und der ihn unter Umständen auch hätte treffen können. Ob der Angeklagte im letzten Moment nicht zuzustechen vermochte oder dies nicht wollte, wußte der Zeuge nicht zu beantworten. Bei dieser inhaltlichen Tragweite der Zeugenaussage erweisen sich die Beschwerdevorwürfe unvollständiger Berücksichtigung eines Beweisergebnisses als haltlos, weil darnach keineswegs ein Stichversuch negiert wurde. Ebensowenig begründet ist der Beschwerdestandpunkt, daß der Zeuge bei seiner Aussage in der Hauptverhandlung von seinen Angaben vor der Bundespolizeidirektion Linz (S 549 f/I) wesentlich abgewichen sei und insbesondere die Behauptung, der Angeklagte habe ihm mit dem Messer noch einen oder zwei Schritte nachgesetzt, nicht aufrechterhalten habe. In der Hauptverhandlung wurden dem Zeugen seine früheren Angaben vorgehalten (S 297/II), ohne daß er bei dieser Gelegenheit einen anderen Geschehensablauf bekundete. Das als "Nachsetzen" umschriebene Verhalten des Angeklagten war sogar ausdrücklich Gegenstand einer Fragestellung des Vorsitzenden an den Zeugen über das damit verbundene Motiv (S 298/II), weshalb es keinem Zweifel unterliegt, daß die Zeugenbekundungen auch diese Modalität des Geschehens umfaßten. Von der zur Darlegung einer angeblichen Unvollständigkeit der Urteilsbegründung ins Treffen geführten Divergenz der Beweisergebnisse kann demnach keine Rede sein.

Die ferner herangezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe nach den Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO blieben ohne prozeßordnungsmäßige Ausführung, weil der Beschwerdeführer mit der Wiederholung des Vorbringens der zuvor abgehandelten Mängelrüge und dem zusätzlichen Vorwurf, die Annahme einer Verletzungsabsicht sei unbegründet, den Boden der Urteilstatsachen verläßt und den für die ordnungsgemäße Geltendmachung derartiger rechtlicher Beurteilungsfehler unabdingbaren Vergleich des festgestellten Sachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz nicht vornimmt.

Soweit der Sache nach mit diesen Einwendungen aber eine unzureichende Begründung für die Feststellung der subjektiven Tatseite und damit eine Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht wird, muß die Anfechtung gleichfalls erfolglos bleiben. Das Schöffengericht zog die entscheidungswesentlichen Schlußfolgerungen keineswegs allein aus dem Vorleben des Angeklagten, sondern leitete seine Überzeugung primär in einer vom Beschwerdeführer übergangenen Argumentation aus dem äußeren Sachverhalt ab (US 60). Damit fand die bekämpfte Feststellung eine logisch und empirisch einwandfreie Begründung, weshalb der erhobene Einwand auch unter diesem Aspekt versagt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jan K***** war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht den überaus raschen Rückfall, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend; als mildernd hingegen, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Es verhängte über den Angeklagten unter Anwendung der §§ 28 Abs. 1 und 39 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf ein Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 20. September 1989 (drei Monate Freiheitsstrafe) nach dem zweiten Strafsatz des § 87 Abs. 2 StGB zwölf Jahre Zusatz-Freiheitsstrafe und ordnete überdies gemäß dem § 21 Abs. 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.

Nur gegen den Ausspruch der Freiheitsstrafe richtet sich die auf eine Herabsetzung derselben abzielende Berufung des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Daß der Angeklagte die Taten jeweils unter Alkoholeinfluß begangen hat, vermag angesichts des Umstandes, daß er in einem solchen Zustand "ziemlich regelmäßig aggressive Verhaltensweisen zeigt" (S 317/II), deshalb vielfach abgestraft und bereits je einmal (freilich erfolglos) in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige bzw. für geistig abnorme Rechtsbrecher angehalten worden ist, weswegen die vorzunehmende Vorwurfsabwägung eindeutig zu seinem Nachteil ausschlägt (§ 35 StGB), nicht nur keinen Milderungsgrund abzugeben, sondern ist ihm vielmehr als erschwerend anzurechnen (Leukauf-Steininger Komm.2 § 35 RN 2). Eine verminderte Zurechnungsfähigkeit auf Grund seines abnormen Geisteszustandes (S 319 f/II) kann dem Berufungswerber gleichfalls nicht zugute gehalten werden, weil sich gerade darin seine besondere Gefährlichkeit manifestiert (Leukauf-Steininger Komm.2 § 34 RN 4), der nicht nur durch die Maßnahme nach dem § 21 Abs. 2 StGB, sondern auch durch ein entsprechend spürbares Strafübel entgegengewirkt werden soll, was im Hinblick auf die im § 24 Abs. 1 StGB vorgeschriebene Vikariierung dieser beiden Sanktionen aber zu keiner nachteiligen Doppelanrechnung führen kann. Im übrigen sind die vom Schöffengericht zutreffend angeführten Erschwerungsgründe, denen entscheidende Milderungsumstände nicht gegenüberstehen, von so großem Gewicht und demgemäß die unrechtsbezogene Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten derart hoch, daß sich der Oberste Gerichtshof zu einer Ermäßigung der gemäß dem § 39 StGB verschärften Strafe nicht bestimmt gefunden hat.

Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E27270

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00021.91.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19910515_OGH0002_0130OS00021_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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