TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/20 2003/04/0137

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Veröffentlicht am 20.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §366 Abs1 Z2;
GewO 1994 §74 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2003/04/0156 E 20. Dezember 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Dipl.- Ing. Dr. K in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Poschacherstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. April 2003, VwSen-221860/6/Kon/Ke, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 31. Juli 2002 wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 iVm § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 GewO 1994 für schuldig erkannt; es wurde über ihn gemäß dem Einleitungssatz des § 366 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen und 21 Stunden verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 100,-- (10 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Dem Schuldspruch lag nachstehender Tatvorwurf zu Grunde (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof, Hervorhebungen im Original):

"Der Beschuldigte, DI Dr. K., hat es als gemäß § 370 Abs. 2 GewO verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der N. GmbH & Co KG, Herstellung sämtlicher chemischer Produkte in der Form eines Industriebetriebes bzw. Herstellung von Giften mit dem Sitz in L., zu vertreten, dass von der obzit. Firma in der Zeit von 4.9.2000 bis 28.12.2000 im Standort L., eine gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 GewO 1994 genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich die Aufstellung von mit Gefahrgut befüllten bzw. von Gefahrgut restentleerten Eisenbahnwaggons (Kesselwagen) auf dem Schienennetz der (nunmehr von der V. GmbH, L., betriebenen) Anschlussbahn (zum Zwecke der Anlieferung von Stoffen zu den einzelnen Produktionsstätten, Entleerung bzw. Befüllung der Waggons, Abtransport von Stoffen, Lagerung von teilbefüllten bzw. restentleerten ungereinigten Waggons), betrieben wurde, ohne dass die hierfür erforderliche Betriebsanlagengenehmigung vorgelegen wäre, obwohl die ggstl. Betriebsanlage (insbesondere auf Grund der mit dem Umschlag sowie der Lagerung von Gefahrengut verbundenen Gefahrenmomente wie

z. B. Befüllungsfehler, Manipulationsbeschädigung von Waggons, Überdruckentwicklung in Waggons auf Grund chemischer Prozesse, Gefahr des Versagens von in den Waggons eingebauten Drucksicherheitsventilen, Versickern von Leckagestoffen im Untergrund o.ä.) geeignet ist, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum der Nachbarn zu gefährden bzw. Nachbarn durch Lärm und Geruch zu belästigen bzw. eine nachhaltige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, indem während der im Folgenden angeführten Zeiträume auf den u.a. Gleisbereichen der Anschlussbahn folgende Waggons aufgestellt wurden:

1. Waggon-Nr. 28-83-7350661-3; Aufstellungszeitraum 4.9.2000 bis 28.12.2000; Gleis-Nr. 14; Inhaltsstoff Isopropanol; Inhaltsmenge 7.670 bzw. 7.720 kg;

2. Waggon-Nr. 33-80-7975874-8; Aufstellungszeitraum 27.11.2000 bis 28.12.2000; Gleis-Nr. 7; Inhaltsstoff CCC-Stabilan; Inhaltsmenge 20.400 kg."

Dies wurde damit begründet, dass die Aufstellung von mit Gefahrgut befüllten bzw. restentleerten Kesselwagen auf dem Schienennetz der Anschlussbahn zu Zwischen-/Lagerzwecken gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genehmigungspflichtig sei. Zur Frage der (exklusiven) Subsumierbarkeit der Aufstellung von Gefahrgutwaggons unter den Geltungsbereich des Eisenbahnrechtes sei auszuführen, dass im Falle einer - wenn auch nur kurzfristigen - Zwischen- /Lagerungsabsicht bezüglich des beinhalteten Gefahrgutes (auch bezüglich bloßer Restinhalte) die Waggonaufstellung (wegen) des - wenn auch nur vorübergehenden - Wegfalles der Beförderungsabsicht mit sofortiger Wirksamkeit dem Anwendungsbereich des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes unterliege. Zum Vorliegen der subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass die vom Beschwerdeführer als Ursache für die erfolgte Zwischenlagerung von Gefahrgut auf dem Gleisnetz der Anschlussbahn vorgebrachten Terminprobleme beim Abtransport von im Betrieb erzeugten Stoffen (Gefahrgut) ihn - auch wenn diese Verzögerung von Seiten dritter Personen verursacht worden sei - ebenso wenig entschuldigen könne wie die Notwendigkeit einer unvorhergesehenen erforderlichen Reinigung der Produktionsanlage, da derartige Situationen im Produktionsablauf eines chemischen Großbetriebes bereits auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit als nicht ausnahmslos vermeidbar zu beurteilen seien und somit auch grundsätzlich - wenngleich als Ausnahmefälle - "vorhersehbar" wären, weshalb die Betriebsanlageninhaberin hiefür entsprechende Vorkehrungen im Rahmen der gewerberechtlichen Vorschriften zu treffen gehabt hätte. Würden solche tauglichen Vorkehrungen nicht getroffen, sei der Betriebsinhaberin das entsprechende Unterlassen als Fahrlässigkeit zur Last zu legen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. April 2003 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG 1991 keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der dem Tatvorwurf zu Grunde liegende Sachverhalt, nämlich die Aufstellung von mit Gefahrgut befüllten bzw. von Gefahrgut restentleerten Eisenbahnwaggons (Kesselwagen) auf dem Schienennetz der nunmehr von der V. GmbH betriebenen Anschlussbahn während des Tatzeitraumes sei unstrittig. Dem Vorbringen, dieser Umstand unterliege nicht dem Regime des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes, sondern sei nach eisenbahnrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, sei entgegen zu halten, dass eisenbahnrechtliche Vorschriften als dem Kompetenztatbestand Verkehr zugehörig nur auf den tatsächlich stattfindenden Eisenbahntransport Anwendung fänden und nur in diesem Fall nicht von einer nach der Gewerbeordnung genehmigungspflichtigen Lagerung von Gefahrgut gesprochen werden könne. Von diesem Bahntransportgeschehen umfasst und den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausschließend wäre dabei auch der bahnbetriebsbedingte (Lokaustausch, Schienenreparatur, etc.) Stillstand der unterwegs befindlichen Kesselwaggons auf dem Bahnkörper. Ein solcher, die Anwendung der GewO 1994 ausschließender Umstand liege aber im gegenständlichen Fall nicht vor bzw. wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Verzögerung des Abtransportes des Gefahrgutes mittels Kesselwagen von der ÖBB als Transportunternehmen zu vertreten gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe aber selbst in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgebracht, dass diese den Tatzeitraum ausfüllende Verzögerung des Abtransportes der gegenständlichen Kesselwaggons ausschließlich auf dem in Schwebe liegenden Geschäftsabschluss der Gewerbeinhaberin mit ihrer Tochterfirma zurückzuführen sei, sodass der unterbliebene Abtransport der Kesselwaggons einen in die Sphäre der Gewerbeinhaberin fallenden Umstand darstelle. Das Abstellen der gegenständlichen Kesselwaggons auf den Gleisen der Anschlussbahn in der Dauer des Tatzeitraumes sei daher zu Recht als eine in den Bestimmungen des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 GewO 1994 gründende bewilligungspflichtige Lagerung von Gefahrgut gewertet und dies auch zutreffend mit dem Wegfall der Beförderungsabsicht begründet worden. Die Einwände des Beschwerdeführers seien daher nicht geeignet, das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der gegenständlichen Verwaltungsübertretung zu verneinen. Auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite im Sinne des Verschuldens des Beschwerdeführers sei von der erstinstanzlichen Behörde zutreffend begründet worden. Ergänzend sei noch darauf hinzuweisen, der Umstand, dass ein Entleeren der Kesselwaggons bzw. ein Umfüllen ein höheres Gefahrenpotenzial dargestellt hätte als der zwangsweise längere Verbleib der befüllten Waggons am Gelände des Chemieparks, weder einen Rechtfertigungs- noch einen Entschuldigungsgrund darzustellen vermöge. Auch der Strafausspruch sei zu bestätigen gewesen, weil eine fehlerhafte Ermessensausübung bei der Strafzumessung nicht festzustellen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden, und trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die Waggons befänden sich auf einer eisenbahnrechtlich genehmigten Betriebsanlage und seien der Tätigkeit des Eisenbahnunternehmens zuzuordnen. Sollte es sich jedoch um eine gewerbliche Betriebsanlage handeln, sei die Gewerbeinhaberin N. GmbH Co. G nicht Inhaberin dieser Betriebsanlage. In den Waggons befänden sich zwar Chemikalien aus der Produktion dieses Unternehmens, die Gewerbeinhaberin sei jedoch weder Eigentümer noch Betreiber oder sonst Inhaber der Anschlussbahn und auch nicht Inhaber der Waggons. Sollte jedoch das Vorhandensein einer gewerblichen Betriebsanlage der N. GmbH & Co. KG bejaht werden, werde vorgebracht, dass das Vorhandensein von Kesselwaggons mit gefährlichen Stoffen im Bereich der Betriebsanlage der Gewerbeinhaberin bereits durch die bestehenden gewerbebehördlichen Betriebsanlagenbescheide abgedeckt sei. Zum Umfang der bisherigen Genehmigungsbescheide enthalte der angefochtene Bescheid jedoch keine Feststellungen.

Nach § 366 Abs. 1 GewO 1994, BGBl. Nr. 194 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 59/1999 (GewO 1994), begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (Z. 2) eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

Gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Z. 1 bis 5 angeführten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonst nachteilige Einwirkungen hervorzurufen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe es zu verantworten, dass die N. GmbH & Co. KG eine Betriebsanlage, nämlich die Aufstellung von mit Gefahrgut befüllten bzw. von Gefahrgut restentleerten Eisenbahnwaggons auf dem Schienennetz der Anschlussbahn zum Zwecke der weiteren Manipulation von und im Betrieb, ohne die hiefür erforderliche Betriebsanlagengenehmigung betrieben habe.

Dem hält der Beschwerdeführer zunächst entgegen, die N. GmbH & Co. KG sei nicht Inhaberin dieser Betriebsanlage.

In Ansehung des Tatverhaltens des Betreibens gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 kommt nur der Inhaber des betreffenden Standortes als unmittelbarer Täter in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 96/04/0183).

Im vorliegenden Fall wurde - wie eingangs dargestellt - das Aufstellen von Eisenbahnwaggons auf dem Schienennetz eines Unternehmens, dessen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer nicht ist, als - dem Unternehmen des Beschwerdeführers zuzurechnende - genehmigungspflichtige Betriebsanlage qualifiziert, wobei Grund für diese Aufstellung - unstrittig - betriebsinterne Terminprobleme im Unternehmen des Beschwerdeführers beim Abtransport der Waggons gewesen sind.

Diese Feststellungen im angefochtenen Bescheid ermöglichen keine abschließende Beurteilung, ob die N. GmbH & Co. KG tatsächlich als Inhaberin im Sinne der obgenannten Rechtsprechung in Betracht kommt, ob es ihr nämlich im Wesentlichen möglich ist, das faktische Geschehen in der Betriebanlage (auf der Gleisanlage der Anschlussbahn) zu bestimmen. Dazu bedarf es entsprechender Feststellungen, unter welchen Bedingungen (Dauer der Lagerung, Entgelt für die Lagerung) die in Rede stehenden Waggons auf dem Schienennetz der Anschlussbahn abgestellt wurden und welche Verpflichtungen die Vertragsparteien hiebei übernommen haben.

Da die belangte Behörde dies unterließ, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003040137.X00

Im RIS seit

09.02.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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