Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache betreffend die Berichtigung von Eintragungen in EZ ***** und EZ ***** des Grundbuches ***** N***** infolge Revisionsrekurses der Hypothekargläubigerin W***** Sparkasse, ***** vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in W*****, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 1. Februar 1991, GZ R 10/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 17. Dezember 1990, GZ TZ 5296/90-1, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** der KG N***** stehen im gleichteiligen Miteigentum der Maria R***** und des Karl R*****. Vor der Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung war auf den Eigentumsanteilen der Maria R***** ein Simultanpfandrecht für höchstens S 3 Mio zu Gunsten der W***** Sparkasse einverleibt, wobei die EZ ***** als Haupteinlage und die EZ ***** als Nebeneinlage bezeichnet war. Bei der Umstellung des Grundbuches wurde dieses Simultanpfandrecht irrtümlich auf die Eigentumsanteile des Karl R***** übertragen. Die in § 21 Abs 3 GUG festgelegte Frist von 6 Monaten für die Berichtigung des Grundbuchs ist am 5. November 1987 abgelaufen, ohne daß die Eintragung korrigiert worden wäre.
In der Folge wurde zu TZ 1014/1990 auf Grund einer Pfandbestellungsurkunde vom 2. März 1990 auf den genannten Liegenschaften gegen beide Anteilseigentümer ein Simultanpfandrecht über S 2 Mio zu Gunsten der Maria L***** einverleibt, wobei man wiederum die EZ ***** als Haupteinlage und die EZ ***** als Nebeneinlage bestimmte. Im Ergebnis bedeutet dies, daß das Pfandrecht der W***** Sparkasse
nunmehr - unrichtigerweise - auf den mit Vorpfandrechten belasteten Eigentumsanteilen des Karl R***** haftete, während die - ansonsten unbelasteten - Eigentumsanteile der Maria R***** nur mit dem Pfandrecht der Maria L***** belastet waren.
Mit Beschluß vom 17. Dezember 1990 hat das Grundbuchsgericht diesen Übertragungsfehler unter Berufung auf § 104 Abs 3 GBG berichtigt und die Eintragung des Simultanpfandrechts der Sparkasse W***** auf den Eigentumsanteilen der Maria R***** angeordnet.
In teilweiser Stattgebung eines Rekurses der Maria L***** und der Maria R***** änderte das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß dahin ab, daß die Eintragung des Simultanpfandrechtes der W***** Sparkasse auf den Eigentumsanteilen der Maria R***** (jeweils CLNR 4a) mit der Anmerkung ("Beschränkung") versehen wurde, daß dieses Pfandrecht gegenüber der nachfolgenden Pfandgläubigerin Maria L***** keine Wirkung hat. Außerdem wurde das Zitat "§ 104 GBG" durch das Zitat "§ 21 GUG" ersetzt. Schließlich enthält der Beschluß des Rekursgerichtes noch den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Beschwerdegegenstand ist nur mehr die verfügte Anmerkung, wonach die Berichtigung des Grundbuches keine Auswirkungen auf den Pfandrang der Maria L***** hat. Diese begründete das Rekursgericht mit der Verfristung der in § 21 GUG vorgesehenen Berichtigungsmöglichkeit, weil mit der Wiederherstellung des seinerzeitigen Grundbuchsstandes in die nachträglich begründeten bücherlichen Rechte der Maria L***** eingegriffen wurde (Abs 3 leg. cit.). Die Beseitigung von Übertragungsfehlern sei dadurch allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen. Bei richtigem Verständnis des § 21 Abs 3 GUG schließe nämlich die Versäumung der sechsmonatigen Frist die Berichtigung des Grundbuchs nur mit Wirkung gegen jene Personen aus, deren nach der Grundbuchsumstellung erworbene bücherlichen Rechte berührt werden. Ansonsten sei die - gemäß § 21 Abs 1 GUG unbefristete und erforderlichenfalls sogar von Amts wegen
durchzuführende - Berichtigung von Fehlern bei der Ersterfassung des umgestellten Grundbuchs uneingeschränkt zulässig. Bei einer solchen Berichtigung müsse jedoch zum Ausdruck gebracht werden, daß sie gegenüber den im § 21 Abs 3 GUG genannten dritten Personen keine Wirkung hat (in diesem Sinn argumentiere die Lehre und Rechtsprechung zu § 104 GBG, insbesondere Feil, Grundbuchsgesetz, 314 mwN; E 6 zu § 104 GBG, MGA3; an anderer Stelle wird noch GlUNF 193 zitiert). Wo hingegen ein Schutz des guten Glaubens überhaupt nicht in Betracht komme, müsse die Berichtigung möglich sein. Es bestehe daher im konkreten Fall keine Veranlassung, die Übertragung des Pfandrechtes der W***** Sparkasse auf die Eigentumsanteile der Maria R***** abzulehnen, da diese keinen Vertrauensschutz beanspruchen könne, doch seien die bücherlichen Rechte der Maria L***** durch die verfügte Anmerkung zu wahren.
Die Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses wurde damit begründet, daß zur Frage, ob § 21 Abs 3 GUG die Berichtigung von Fehlern außerhalb der 6-Monatsfrist gänzlich ausschließe, eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen diesen Beschluß hat die W***** Sparkasse als betroffene Hypothekargläubigerin fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, die vom Rekursgericht verfügte Beschränkung der berichtigten Eintragung ersatzlos aufzuheben. Begründet wird dies damit, daß Maria L***** keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könne. Einerseits gehöre sie als Tochter der Maria R***** (was der Urkundensammlung des Grundbuchsgerichtes zu entnehmen sei) zum Personenkreis des § 4 AnfO, bei dem eine Gutgläubigkeitsvermutung von vornherein nicht bestehe; andererseits wäre von ihr zu verlangen gewesen, daß sie vor der Begründung ihres Pfandrechtes in das noch nicht umgestellte Grundbuch Einsicht nimmt, wo doch auch vom Erwerber eines Grundstückes verlangt werde, sich aus dem Verzeichnis der gelöschten Eintragungen Gewißheit über die Lastenfreiheit zu verschaffen (EvBl. 1990/141). Tatsächlich habe Maria L***** vom Simultanpfandrecht der Revisionsrekurswerberin gewußt, was nur wegen des Neuerungsverbotes nicht geltend gemacht werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die
fehlende Judikatur zu § 21 GUG, insbesondere zum Vertrauensschutz eines Familienangehörigen des grundbücherlichen Eigentümers einer Pfandliegenschaft zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, daß § 21 Abs 3 GUG - wie schon vom Rekursgericht angenommen - den Schutz desjenigen bezweckt, der im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des umgestellten Grundbuchs bücherliche Rechte erwirbt. Wo dieser Vertrauensschutz nicht in Frage kommt, ist daher eine Berichtigung von Fehlern bei der Ersterfassung des umgestellten Grundbuchs auch nach Ablauf der sechsmonatigen Frist möglich (vgl. NotZ. 1989, 274); andererseits erklärt § 21 Abs 3 GUG schlechthin denjenigen für schutzwürdig, dessen bücherliche Rechte auf Grund eines Rechtsgeschäftes nach der Umstellung des Grundbuchs eingetragen wurden. Die Zulässigkeit der Grundbuchsberichtigung im Zuge der Umstellung auf automationsunterstützte Datenverarbeitung ist daher nach objektiven Kriterien des Vertrauensschutzes zu beurteilen und nicht nach der Gut- oder Schlechtgläubigkeit konkreter Personen.
Diesem Grundsatz ist die Judikatur schon in den Fällen der Grundbuchsberichtigung nach § 104 GBG gefolgt. Demnach wurde die Klärung der Frage, ob der inzwischen Eingetragene gutgläubig ist oder nicht, nicht dem Grundbuchsgericht überlassen, sondern der Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg vorbehalten (SZ 33/10; EvBl 1971/335). Das Grundbuchsverfahren bietet nämlich gar keine Möglichkeit, strittige Tatumstände zu erheben. Aus diesem Grund wurde auch bei der Berichtigung von Übertragungsfehlern bei der Ersterfassung des umgestellten Grundbuchs jegliche Entscheidung von Tatfragen im Zusammenhang mit dem Vertrauen dritter Personen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs ausgeschlossen. Der Ablauf der sechsmonatigen Ediktalfrist des § 21 Abs 3 GUG steht einer Grundbuchsberichtigung nach dieser Vorschrift auch gegenüber solchen dritten Personen entgegen, die nicht gutgläubig waren, da die Frage der Gutgläubigkeit im Grundbuchsverfahren nicht geprüft werden kann (EB zu § 21 GUG, abgedruckt bei Dittrich-Angst-Auer, MGA, 39; Auer, Praktische Anmerkungen zum GUG, AnwBl. 1982, 67).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist auch dann nicht zu machen, wenn der durch § 21 Abs 3 GUG geschützte Dritte "suspekt" erscheint, weil er Familienangehöriger eines Buchberechtigten ist, der selbst keinen Vertrauensschutz genießt. Die Revisionsrekurswerberin meint, aus § 4 AnfO (vgl. § 32 KO) und den entsprechenden Anfechtungstatbeständen die allgemein gültige Regel ableiten zu können, daß die "familia suspecta" von vorneherein keinen Vertrauensschutz genießt. Auch im Anfechtungsrecht äußert sich jedoch das Mißtrauen gegen nahe Angehörige des Schuldners nur darin, daß sie beweisen müssen, von den anfechtungsrelevanten Umständen nichts gewußt und die mangelnde Kenntnis auch nicht verschuldet zu haben. Eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung der Schlechtgläubigkeit oder auch nur der Vertrauensunwürdigkeit, wie sie die Revisionsrekurswerberin unterstellt, besteht daher nicht einmal in diesen Fällen. Ist jedoch - unabhängig davon, wie sich die Beweislast verteilt - der gute Glaube eine Tatfrage, dann kann hierüber nur im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden.
Dem Revisionsrekurs war daher keine Folge zu geben.
Anmerkung
E25958European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00021.91.0517.000Dokumentnummer
JJT_19910517_OGH0002_0050OB00021_9100000_000