Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Floßmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard K*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hilde K*****, geborene S*****, geschiedene T*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. März 1991, ergänzte Urteil desselben Gerichtes als Berufungsgerichtes vom 20.September 1990, GZ 13 R 24/90-126, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.Oktober 1989, GZ 13 Cg 250/87-120, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher
Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die am 20.7.1967 von den Streitteilen geschlossene Ehe war für den Kläger die erste, für die Beklagte die zweite Ehe. Der Ehe der Streitteile, die österreichische Staatsbürger sind, entstammen keine Kinder. Seit Dezember 1977 wohnt der Kläger in der im selben Haus wie die Ehewohnung befindlichen Wohnung seiner Mutter; seit dieser Zeit besteht zwischen den Streitteilen weder eine Wohn- noch eine Wirtschafts- oder Geschlechtsgemeinschaft.
Einige Jahre hindurch verlief die Ehe der Streitteile gut; im Laufe der Zeit gab es zwar immer wieder Schwierigkeiten, diese wurden jedoch in der ersten Zeit von den Streitteilen gemeistert. Die Beklagte betrieb ein Gemüse- und Obstgeschäft, in dem der Kläger - der hauptberuflich Justizwachebeamter ist - im Rahmen seiner ehelichen Beistandspflicht unentgeltlich bis Dezember 1977 mit tätig war. Als Justizwachebeamter hatte der Kläger unterschiedliche Arbeitszeiten. Normalerweise endete sein Dienst um etwa 15 Uhr 30. Er hatte jedoch auch Nachtdienst zu verrichten und mußte - etwa viermal jährlich - Häftlinge ausführen oder in Krankenhäuser bringen. Nach solchen Ausführungen kam der Kläger später als üblich nach Hause. Bei anderen dienstlichen Verrichtungen kam es etwa 40 bis 50mal jährlich vor, daß er später nach Hause kam. In den letzten Jahren vor Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (Dezember 1977) kam es häufig zu Streitigkeiten zwischen den Streitteilen. Diese Streitigkeiten gingen im wesentlichen von der Beklagten aus, die versuchte, den Lebensraum ihres Mannes einzuengen. Die Beklagte galt im Haus als streitsüchtig. Die Beklagte bürdete dem Kläger auch bei dem Bau eines nun der Tochter der Beklagten aus erster Ehe gehörigen Hauses im Burgenland Arbeiten auf, und zwar auch dann, wenn der Kläger bereits auf Grund seiner bisherigen Tätigkeiten für diese Arbeiten zu müde war. Es kam auch vor, daß die Beklagte dagegen remonstrierte, wenn der Kläger im Burgenland auf den Fußballplatz gehen wollte; der Kläger ließ sich jedoch dadurch nicht abhalten. Ab Ostern des Jahres 1977 begann der Kläger etwas mehr zu trinken, ohne jedoch betrunken gewesen zu sein. Ab dieser Zeit kam es zwischen den Streitteilen zu einer Entfremdung, die darauf beruhte, daß die Beklagte dem Kläger zu Unrecht vorwarf, er sei betrunken. Es konnte wohl vorkommen, daß der Kläger ein Bier oder manchmal auch einen Gespritzten vor dem Nachhausekommen getrunken hatte und er dann nach Alkohol roch; er lallte jedoch nicht und zeigte auch keine unsicheren Bewegungen. Der Kläger hatte allerdings schon immer getrunken, also Alkohol zu sich genommen, niemals aber übermäßig. Ausnahmen gab es nur, wenn er an Feiern teilgenommen hatte; dann wurde schon etwas mehr getrunken und konnte es auch passieren, daß der Alkohol Wirkung gezeigt hatte. Dabei handelte es sich aber um gemeinsame Heurigenbesuche der Streitteile oder um gemeinsame gesellschaftliche Ereignisse. Ab dem Zeitpunkt der Entfremdung der Streitteile (Ostern 1977) begann die Beklagte den Kläger auch zu beschimpfen. Sie belegte ihn mit Ausdrücken wie "du faules Schwein, du besoffene Sau, du fauler Hund". Dem Kläger wurde von der Beklagten und deren Tochter auch vorgehalten, daß er schnarche, was zutraf. Da sich die Beklagte und deren Tochter durch das Schnarchen gestört fühlten, legten sie dem Kläger nahe, er möge die Wohnung verlassen und zu seiner Mutter ziehen. Eine genauere zeitliche Einordnung dieser Vorfälle war (den Vorinstanzen) nicht möglich. Die Streitigkeiten zwischen den Streitteilen, die sich zwischen Ostern 1977 und Dezember 1977 häuften, waren für den Kläger der Grund, die eheliche Wohnung zu verlassen. Ende Oktober 1977 hatte es zwar Versöhnungsversuche zwischen den Streitteilen gegeben, die von der Beklagten ausgegangen, jedoch daran gescheitert waren, daß der Kläger der Ansicht war, ein Zusammenleben mit der Beklagten sei nicht mehr möglich. Im Dezember 1977 zog der Kläger aus der Ehewohnung aus zu seiner Mutter, wobei er seine persönliche Wäsche mitnahm, jedoch in der Folge immer wieder einzelne Gegenstände (Kaffeemaschine, Speiseservice udgl.) aus der Ehewohnung verbrachte. Seit dem Jahr 1975 kennt der Kläger Irmgard S*****, die seine Arbeitskollegin war. Irmgard S***** ist nunmehr in Pension. Außereheliche geschlechtliche Beziehungen zwischen ihr und dem Kläger konnten nicht nachgewiesen werden; ab dem Jahr 1978 (April 1978) hatte er jedoch mit ihr regen gesellschaftlichen Kontakt, der darin gipfelte, daß gemeinsame Gasthausbesuche durchgeführt wurden und sie gemeinsam im Sommer baden gingen. Im Sommer 1981 fuhr der Kläger mit ihr nach einem Gasthausbesuch ins Entlastungsgerinne bei der alten Donau, um dort nackt zu baden, was auch tatsächlich geschah; Zärtlichkeiten wurden nicht ausgetauscht. Die gesellschaftliche Beziehung des Klägers zu Irmgard S***** dauert noch an. Nachweislich hat der Kläger in der Wohnung dieser Frau erst im Sommer 1981 genächtigt; sein PKW stand jedoch ab Frühjahr 1978 häufig in der Nähe der Wohnung Irmgard S*****. Seit Juni 1983 erhält die Beklagte vom Kläger im Wege einer Gehaltsexekution provisorischen Unterhalt. Da die Beklagte im Rahmen ihres Gewerbes unrichtige Angaben über ihre Verdienste (Schwarzgeschäfte) gemacht hatte, wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9.12.1986 festgestellt, daß die von der Beklagten angegebenen zu versteuernden Einkommen nicht richtig und andere zu versteuernde Einkommen heranzuziehen sind. Auf Grund der unrichtigen Angaben der Beklagten und der Schwarzverkäufe hatte die Beklagte in den Jahren 1981 bis 1983 tatsächlich teilweise nur Anspruch auf einen geringeren Unterhalt und im Jahr 1983 überhaupt keinen Unterhaltsanspruch.
Im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung traf das Erstgericht noch folgende der Sachverhaltsgrundlage zuzuordnenden Feststellungen:
Der Kläger ließ in der ehemaligen Ehewohnung Renovierungsarbeiten durchführen. Mit einem Teil dieser Arbeiten, nämlich der Auswechslung der Fenster, war die Beklagte einverstanden; mit der Absperrung der Gaszufuhr zur Wohnung war sie allerdings nicht einverstanden. Die letztere Maßnahme war auf eine finanzielle Fehlkalkulation des Klägers, der vorerst der Meinung war, für das Verlegen der Gasleitung keine Zahlungen leisten zu müssen, und auf nachfolgende finanzielle Schwierigkeiten zurückzuführen.
Mit der am 6.4.1978 erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. Diese habe ihn immer kritisiert, gedemütigt, beschimpft und ihm auch den ehelichen Verkehr verweigert. Ein weiteres Zusammenleben sei ihm dadurch unmöglich gemacht worden. Am 28.1.1982 ließ er das Scheidungsbegehren nach § 49 EheG fallen und stützte dieses nur mehr auf § 55 EheG.
Die Beklagte sprach sich gegen das Scheidungsbegehren aus und beantragte dessen Abweisung, weil sie keine Eheverfehlungen begangen habe. Der Kläger habe sie beschimpft, sei lieblos gewesen, habe zuletzt übermäßig getrunken, sei spät nachts nach Hause gekommen und sie schließlich grundlos böswillig verlassen, weil er ein freieres Leben habe führen wollen. Außerdem habe er ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau unterhalten, seine Unterhaltspflicht ihr gegenüber verletzt und im Rahmen des Verfahrens über den einstweiligen Unterhalt behauptet, sie habe wegen Vornahme von Schwarzgeschäften ein höheres Einkommen bezogen. Die Scheidung der Ehe nach § 55 EheG sei nicht berechtigt, weil sie dadurch finanziell beschwert würde. Für den Fall der Scheidung beantragte sie den Ausspruch des Alleinverschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe gemäß § 61 Abs 3 EheG. Schließlich machte die Beklagte als Eheverfehlung ihres Mannes noch geltend, er habe sie beim Finanzamt wegen Steuerhinterziehung angezeigt und 1987/1988 in der Ehewohnung eigenmächtig eine Gasleitung versetzen lassen, sodaß sie kein Gas mehr gehabt habe.
Das Erstgericht schied im dritten Rechtsgang die Ehe der Streitteile gemäß § 55 EheG, wobei es den von der Beklagten begehrten Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nicht vornahm, weil es das Verschulden beider Eheteile an der Zerrüttung ihrer Ehe als im wesentlichen gleichwertig beurteilte.
Das Gericht zweiter Instanz gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Mit dem nach Erhebung der Revision gefaßten Beschluß vom 8.März 1991 ergänzte das Berufungsgericht sein Urteil durch den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erachtete davon ausgehend die Rechtsrüge der Beklagten als unberechtigt. Es sei zwar verständlich, daß sich die Berufung zur Vermeidung einer Teilrechtskraft auch gegen den Ausspruch der Scheidung wende, es sei aber gar nicht strittig, daß die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten bereits seit Ende 1977, also seit weit mehr als sechs Jahren aufgehoben sei und auch keinerlei Aussicht auf Wiederherstellung dieser schon lange unheilbar zerrütteten Ehe bestehe. Der Ausspruch der Scheidung der Ehe sei daher nach § 55 Abs 3 EheG richtig, so daß von entscheidender Bedeutung für das Berufungsverfahren nur bleibe, ob dem Antrag der Beklagten nach § 61 Abs 3 EheG das Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen sei. Für einen solchen Ausspruch komme es nicht auf die Verwirklichung eines Scheidungsgrundes nach § 49 EheG durch den klagenden Ehegatten an; entscheidend sei vielmehr das Gesamtverhalten der Ehegatten während der Ehe, ob danach dem klagenden Ehegatten eine Schuld an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei und ob, falls beiden Ehegatten ein Verschulden an der Zerrüttung vorzuwerfen sei, sein Verschulden deutlich überwiege, also der graduelle Unterschied ganz augenscheinlich hervortrete (MGA ABGB33 § 61 EheG/6-10). Nach dem festgestellten Sachverhalt habe das Fehlverhalten der Beklagten gegenüber ihrem Gatten zur Entfremdung der Ehegatten und zum Auszug des Klägers aus der Ehewohnung geführt. Dem Kläger sei hingegen vorzuwerfen, daß er seine Frau einfach verlassen habe und aus der Ehewohnung ausgezogen sei, anstatt eine Überwindung der Gegensätze und eine Versöhnung ernstlich zu versuchen. Sein Auszug aus der ehelichen Gemeinschaft, das Unterbleiben echter Versöhnungsversuche von seiner Seite und die bald darauf beginnenden engen und regen gesellschaftlichen Beziehungen zu Irmgard S***** hätten wesentlich dazu beigetragen, daß die Zerrüttung der Ehe unheilbar geworden sei. Hingegen hätte eine zunächst ungenügende Unterhaltsleistung des Klägers für seine Frau keine wesentliche Bedeutung für die Zerrüttung der Ehe gehabt, weil die Beklagte ein eigenes Einkommen aus ihrem Gewerbebetrieb gehabt habe und daher keineswegs mittellos gewesen sei, der Kläger weiterhin den Mietzins der Ehewohnung gezahlt und auch noch Rückzahlungen für das von ihm gar nicht mehr benützte Haus im Burgendland geleistet habe. Unrichtige Angaben der Beklagten über ihr tatsächliches Einkommen aus dem Gewerbebetrieb und darauf gestützte Unterhaltsansprüche einerseits und eine diesbezügliche Anzeige des Klägers gegen die Beklagte bei der Finanzbehörde anderseits, das Entfernen einzelner Gegenstände aus der Ehewohnung, sowie ein rücksichtsloses Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit Reparaturarbeiten in der Ehewohnung 1987/88 seien keine Umstände, die zur Zerrüttung dieser Ehe geführt hätten, sondern Folgen der feindseligen Einstellung der Ehegatten dieser schon längst völlig zerrütteten, aber noch nicht geschiedenen Ehe. Diesen Umständen komme daher für den Ausspruch eines alleinigen oder überwiegenden Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe keine ins Gewicht fallende Bedeutung mehr zu, so daß hiezu weder nähere Feststellungen noch eine eingehendere Auseinandersetzung nötig gewesen seien.
Berücksichtige man insgesamt, daß im Sinne der dargelegten Erwägungen die Beklagte durch ihr Fehlverhalten die Zerrüttung der Ehe im wesentlichen eingeleitet, der Kläger aber durch sein Fehlverhalten die Zerrüttung vertieft und unheilbar gemacht habe, so könne von einem Alleinverschulden des Klägers an der Zerrüttung dieser Ehe keine Rede sein. Es sei aber auch entgegen der Meinung der Berufung ein deutlich überwiegendes und graduell weit schwerer wiegendes Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe, gegenüber welchem jenes der Beklagten fast völlig in den Hintergrund treten würde, nicht zu erkennen. Das Erstgericht habe daher ohne Rechtsirrtum den von der Beklagten gemäß § 61 Abs 3 EheG begehrten Ausspruch des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Ehezerrüttung nicht vorgenommen.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision gründete das Berufungsgericht auf die Erwägung, daß die Judikatur zur Frage, inwieweit Eheverfehlungen und ein zur Vertiefung der Zerrüttung führendes Verhalten nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft für einen allfälligen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG von Bedeutung seien, nicht einheitlich sei, wobei es auf die in MGA ABGB33 unter E 10 zu § 61 EheG abgedruckten Entscheidungen verwies.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz in ihrem ganzen Inhalt, somit auch "wegen ihres Ausspruches über die Scheidung selbst" richtet sich die auf den Anrechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens und hilfsweise im Sinne der Scheidung der Ehe aus dem alleinigen oder dem überwiegenden Verschulden des Klägers abzuändern; in letzter Linie wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat wohl zutreffend darauf hingewiesen, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob Verfehlungen, die der die Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG begehrende Ehegatte nach Eintritt der Zerrüttung der Ehe gesetzt hat, im Rahmen der Beurteilung des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens dieses Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe zu berücksichtigen sind, uneinheitlich ist. Die Lösung dieser vom Obersten Gerichtshof bisher nicht einheitlich beantworteten Frage ist aber für die vom Berufungsgericht hier gefällte Entscheidung rechtlich bedeutungslos. Es entspricht nämlich der Lehre und ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß ein überwiegendes Zerrüttungsverschulden des klagenden
Ehegatten - ebenso wie ein überwiegendes Verschulden an der Scheidung gemäß § 60 Abs 2 Satz 2 EheG - nur dann auszusprechen ist, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (EFSlg.46.253, 48.847, 51.665, 57.242, 60.285 ua), das Verschulden des beklagten Ehegatten somit im Vergleich zu jenem des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg.46.261, 51.667 ua).
In ihrer Revision versucht die Beklagte die alleinige Verantwortung für die Unheilbarkeit der Zerrüttung der Ehe auf ihren Mann zu überwälzen, indem sie den festgestellten, nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (Dezember 1977) von ihrem Mann zu seiner ehemaligen Arbeitskollegin gepflogenen gesellschaftlichen Beziehungen sowie der Veranlassung der Durchführung von Arbeiten in der Ehewohnung durch den Kläger größere Erheblichkeit beimessen möchte, als die Vorinstanzen ihnen Bedeutung zuerkannt haben.
Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit den von der Beklagten in ihrer Berufung geltend gemachten Tatsachen- und Beweisrügen auseinandergesetzt und die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen. Davon ausgehend sind der Beklagten als Verfehlungen, die zur Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses maßgeblich beigetragen haben, die wiederholten, vor seinem Auszug aus der Ehewohnung längere Zeit hindurch erfolgten Beschimpfungen des Klägers, die unberechtigten Vorwürfe des Alkoholmißbrauches sowie seine Überforderung mit Arbeiten im nunmehrigen Haus der Tochter der Beklagten durch die Beklagte sowie ihr liebloses Verhalten im Zusammenhang mit der Störung ihrer Nachtruhe durch das Schnarchen des Klägers anzulasten. Betrachtet man das Verhalten der Beklagten während der Ehe ihrem Mann gegenüber, so muß doch gesagt werden, daß darin sehr wohl eine Einengung des Lebensraumes des Klägers zu erblicken ist. Vergeblich versucht die Beklagte in ihrer Revision, diese zusammenfassende Beurteilung ihres Verhaltens durch die Vorinstanzen zu bekämpfen; sie geht nämlich dabei von allgemeinen, durch die Ergebnisse des Verfahrens in keiner Weise gedeckten Annahmen aus. Der Kläger hingegen hat unter dem Gesichtspunkt seiner Beteiligung am Zerrüttungsverschulden - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - jedenfalls eine gewisse Interesselosigkeit seiner Frau gegenüber zu vertreten, die darin zum Ausdruck kommt, daß er den - wenngleich erst später unternommenen - Versöhnungsversuchen seiner Frau keine ernstliche Ehebereitschaft mehr entgegengebracht hat. Dieser Beitrag des Klägers zur Unheilbarkeit der Zerrüttung der Ehe wiegt aber - entgegen der in der Revision vertretenen Meinung - keineswegs so schwer, daß "gar nichts anderes mehr übrig bliebe, als die Verantwortung für die Unheilbarkeit der Zerrüttung der Ehe auf den Kläger selbst zu überwälzen". Wiegt man die Auswirkungen dieser beiderseitigen Fehlverhalten auf die unheilbare Zerrüttung der Ehe ihrer Schwere und ihrem Umfang der Beteiligung daran gegeneinander ab, so kann keineswegs gesagt werden, daß der Beitrag des Klägers überwiegt. Von einem Überwiegen des Zerrüttungsverschuldens des Klägers kann aber selbst dann keine Rede sein, wenn die von ihm nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu seiner ehemaligen Arbeitskollegin gepflogenen gesellschaftlichen Beziehungen in die Abwägung des Gesamtverhaltens beider Ehegatten - sei es, weil und insoweit sie noch in eine Zeit vor Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe fallen, oder im Sinne der in EFSlg.51.669,
57.240 ua veröffentlichten Rechtsprechung im Hinblick darauf, daß sie als auch nach der Zerrüttung begangene Verfehlungen, wenngleich mit geringerem Gewicht, zu berücksichtigen sind - einbezieht. Denn nach dem für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Sachverhalt ist es zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitskollegin zu keinen außerehelichen geschlechtlichen Beziehungen und auch nicht zum Austausch von Zärtlichkeiten gekommen. In der Pflege bloß gesellschaftlicher Kontakte eines Mannes nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu einer anderen Frau ist aber keine derart schwere Verhaltenspflichtverletzung eines Ehegatten zu erblicken, die ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Ereignung und die Qualität der Beziehungen der Ehegatten zueinander im Ehescheidungsverfahren selbst Berücksichtigung finden müßte.
Was schließlich das von der Revisionswerberin zur Stützung ihres Standpunktes relevierte, von ihr als besonders rücksichtslos erachtete Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit den Reparaturarbeiten in der Ehewohnung anlangt, so ist dem Berufungsgericht wohl darin beizupflichten, daß diese Umstände im Hinblick auf den viele Jahre nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft liegenden Zeitpunkt ihrer Realisierung keinen Einfluß mehr auf die unheilbare Zerrüttung der Ehe hatten, vielmehr eine Folge der gegenseitigen feindseligen Einstellung der Eheleute waren. Nach der hier maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage war die Beklagte mit einem Teil der in der Ehewohnung vorgenommenen Renovierungsarbeiten (Fensterauswechslung) einverstanden. Einverstanden war sie allerdings nicht mit der im Jahr 1986 erfolgten Absperrung der Gaszufuhr zur ehemaligen Ehewohnung. Da die zuletzt genannte Maßnahme aber auf einer finanziellen Fehlkalkulation des Klägers beruhte - er war nämlich der Meinung, für die Verlegung der Gasleitung keine Zahlungen leisten zu müssen - und er letztlich in eine wirtschaftlich mißliche Lage gekommen war, können die sicherlich unangenehmen Folgen dieser Maßnahme für die Beklagte nicht in einem solchen Maße dem Kläger angelastet werden, daß dem von ihm zu vertretenden, in der Veranlassung der Durchführung der Arbeiten zu erblickenden Verschulden auch im Zusammenhang mit seinem übrigen festgestellten Fehlverhalten ein derartiges Gewicht beigemessen wird, das das Zerrüttungsverschulden der Beklagten völlig in den Hintergrund treten ließe, zumal auch nicht gesagt werden kann, daß die Beklagte, die ja als selbständige Geschäftsfrau erwerbstätig war, sich in einer finanziell besonders prekären Notlage befunden hätte.
Damit erscheinen die von Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend geforderten Voraussetzungen für den Ausspruch des überwiegenden Zerrüttungsverschuldens nach § 61 Abs 3 EheG selbst dann nicht gegeben, wenn auch die vom Kläger nach Eintritt der Zerrüttung gesetzten Verfehlungen in die Abwägung des Gesamtverhaltens der Ehegatten einbezogen werden. Unter diesen Umständen kommt dem Mangel der vom Berufungsgericht aufgezeigten Einhelligkeit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hier keine erhebliche Bedeutung zu, weshalb das Berufungsgericht die Revision nicht für zulässig hätte erkennen dürfen.
Die Revision erweist sich damit als unzulässig und mußte daher zurückgewiesen werden.
Unter diesen Umständen erscheint es nicht erforderlich, auf das rechtlich nicht näher begründete, auf gänzliche Abweisung des Klagebegehrens gerichtete - vom Berufungsgericht ohnedies zutreffend erledigte - Revisionshauptbegehren und das auf Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Klägers gerichtete Eventualbegehren einzugehen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, erscheinen die Kosten dieser Rechtsmittelgegenschrift zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig.
Anmerkung
E25973European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00517.91.0517.000Dokumentnummer
JJT_19910517_OGH0002_0050OB00517_9100000_000